Gedanken zum 14. Sonntag nach Pfingsten

„Euer Vater im Himmel weiß ja, daß ihr dies alles braucht…“
Gedanken zum 14. Sonntag nach Pfingsten

Sobald man als Katholik das Kirchenjahr richtig wahrnimmt, es darum auch tatsächlich gnadenhaft mitfeiert und daraufhin mit der Gnade Gottes zur eigenen Lebensform macht, freut man sich ungemein über diesen himmlischen Schatz. Es ist wahr, die hl. Liturgie begleitet unser ganzes Leben – und macht es fromm! Fromm und nicht frömmlerisch, muß man hinzufügen. Die hl. Liturgie erzieht uns nämlich zu einer hl. Nüchternheit und unerschütterlichen Seelenstärke. Ja, sie macht uns echt fromm, d.h. gottergeben, gnadengetragen, liebeglühend und darum gottselig.

Liturgisches Jahr und Gnadenleben

Sobald man als Perlentaucher beginnt, während all dieser Perlentauchersonntage nach Pfingsten in deren Geistestiefe hinabzutauchen, wird einem diese unsichtbare Wirklichkeit einigermaßen verständlich. Wie beglückend ist es, wieder und wieder feststellen zu dürfen, unser ganzes Gnadenleben ist tatsächlich eingebettet in das liturgische Jahr, das uns allzeit gnadenhaft begleitet. Die vielen helfenden, notwendigen Gnaden sind sozusagen wesentlich liturgisch gefärbt, sie sind adventlich, weihnachtlich, fastenzeitlich, österlich und pfingstlich.

Jetzt, in dieser Zeit nach Pfingsten – wir wissen es bereits – ist jeder Sonntag ein Unikat, eine besonders kostbare Perle, nach der wir in der Tiefe des Geheimnisses tauchen müssen. Letztlich werden alle wichtigen Themen unsers Gnadenlebens in diesen Sonntagen angesprochen und ausgiebig erklärt.

Es herbstelt – auch in der Liturgie

Der 14. Sonntag nach Pfingsten ist wie der Anfang einer neuen Zeit. Folgt doch unsere hl. Liturgie der Jahreszeit – und es wird allmählich Herbst. Nach Maria Himmelfahrt geht der Sommer seinem Ende entgegen, die sommerliche Hitze ist normalerweise schon gebrochen, es beginnt zu herbsteln. Nebel ziehen des Morgens über die Felder, weil es nachts schon merklich abkühlt, die Blätter der Bäume beginnen sich langsam einzufärben. Wie aber fühlt sich der Herbst in der hl. Liturgie an?

Bisher waren die Kirchengebete sozusagen ganz „korrekt“ gebaut, so, wie wir es erwarten: Den Anfang bildete immer die feierliche Anrede Gottes selbst, mit irgendeinem lobpreisenden Zusatz erweitert, dann erst folgte die Bitte. Werfen wir einen ganz kurzen Blick auf die Kirchengebete der letzten vier Sonntage, um uns dies nochmals in Erinnerung zu rufen:

10. Sonntag: „O Gott, dessen Allmacht am allermeisten im Erbarmen und Verschonen sich offenbart.“
11. Sonntag: „Allmächtiger, ewiger Gott, der Du im Übermaß Deiner väterlichen Liebe…“
12. Sonntag: „Allmächtiger und barmherziger Gott, von dessen Gnadengeschenk es kommt…“
13. Sonntag: „Allmächtiger, ewiger Gott, gib uns Wachstum in Glaube, Hoffnung und Liebe…“

Beim Kirchengebet des 14. Sonntages nach Pfingsten wird diese feierliche Anrede Gottes auf einmal weggelassen, das Gebet beginnt sofort mit der Bitte. Sollen wir dadurch nicht darauf hingewiesen werden, daß jetzt – in dieser herbstlichen Zeit – das Bitten flehentlicher und dringender werden soll? Denn je näher das Ende und damit das Gericht kommt, desto dringender müssen unsere Bitten werden, sind doch für die letzten Zeiten ungewöhnlich schwere Prüfungen vorhergesagt: „Denn es werden falsche Messias und falsche Propheten auftreten und Zeichen und Wunder wirken, um, wenn möglich, die Auserwählten irrezuführen.“ (Mk 13, 22)

Gott, unser Beschützer

Das große Merkzeichen dieses Sonntags ist die feierliche Beschwörung Gottes als „Schützer“. Im Introitus beten wir: „Protector noster, aspice, Deus, es respice in faciem Christi tui…“ Was wörtlich übersetzt heißt: „Schützer unser, schau her, Gott, und blick auf das Angesicht Deines Gesalbten…“ Hierauf folgt das flehentliche Gebet: „Custodi, Domine, quaesumus…“ „Behüte, Herr, wir bitten Dich, Deine Kirche mit immerwährender versöhnlicher Vaterliebe.“

Leider ist beides im deutschen Meßbuch, sowohl im Schott als auch im Bomm, nicht entsprechend wörtlich, sondern eher den eigentlichen Sinn übertünchend übersetzt. Dabei ist gerade der ungewöhnliche Bau dieses Gebetes für die neue Zeit bezeichnend, hebt er doch die Dringlichkeit des Bittens ausdrücklich hervor. Der Herbst ist schließlich die Jahreszeit, in der die dunklen Stunden zunehmen, die ein Symbol für die Mächte der Finsternis sind. Zwar ist uns allezeit der Kampf gegen diese dunklen Mächte auferlegt (vgl. Eph. 6,12), aber wer will es der hl. Kirche übel nehmen, wenn sie besonders in den immer dunkler werdenden Herbsttagen eindringlicher und öfter davon spricht? Die Stimmung des Herbstes und das Wort Gottes beeindrucken uns zusammengenommen noch viel mehr, wodurch wir stärker für diesen unerbittlichen geistigen Kampf gewappnet werden, den wir nur mit der Hilfe Gottes und Seiner Gnade gewinnen können.

Deswegen findet sich gleich zu Beginn der Messe – Introitus und Kirchengebet – das zweimalige Gebet um Schutz, das so eindringlich wie noch nie klassisch geformt ist.

Der Kampf zwischen Geist und Fleisch

In der Lesung erinnert uns der hl. Apostel Paulus sodann an den dauernden Kampf zwischen Geist und Fleisch. Dabei will uns der Völkerapostel ganz auf die Seite des Geistes ziehen. Wir sollen uns nachdrücklich von allen Werken des Fleisches abwenden und mutig der Welt entsagen, dann richtet sich das Gesetz Gottes nicht gegen uns. Dementsprechend sollen wir uns allein vom Geiste leiten lassen und beharrlich nach den Früchten des Geistes streben. Wie beeindruckend schön werden diese Früchte vom hl. Paulus aufgezählt, zwölf an der Zahl, wobei immer je drei näher zusammengehören — das genaue wie, soll der Betrachtung des einzelnen überlassen werden. Hier genüge eine bloße Andeutung: Liebe, Friede, Freude — Geduld, Milde, Güte — Langmut, Sanftmut, Treue — Mäßigkeit, Enthaltsamkeit, Keuschheit.

Allein schon beim Hören spürt man, welch segensreiche Wirkung diese vier mal drei Früchte des Geistes auf unser Leben haben. Vier ist ja die Zahl unserer Welt, wohingegen die Drei die Zahl Gottes ist. Unsere Menschenwelt soll somit in der Kraft des Geistes ganz von Gott durchdrungen werden.

Die Entscheidung unseres Lebens

Das hl. Evangelium greift letztlich dasselbe Thema auf, nur geht es jetzt um die Glaubenspraxis, den täglichen Kampf zwischen Gott und Mammon. Jeder Mensch muß sich in seinem Leben entscheiden, ob er Gott oder dem Mammon dienen will. Beides zusammen geht nicht, „denn entweder wird er den einen hassen und den anderen lieben, oder er wird dem einen anhangen und den anderen verachten“.

Letztlich ist das die Irrlehre des Modernismus, die angebliche Versöhnung zwischen Gott und dem Mammon. Natürlich sagt man das nicht direkt, denn das würde dann doch allzu sehr auffallen. Hieße es direkt: „Laßt uns Gott mit dem Mammon versöhnen“, so würde sicherlich mancher Verdacht schöpfen und sofort einwenden: „Nein, das ist unmöglich!“ Darum kaschiert man es mit einem tollen Wort: „Aggiornamento!“ – und fast alle schreien: Toll! Die 2500 Bischofsmützen im Vatikan schrien „Toll!“ und die Massen stimmten fröhlich ein: „Aggiornamento! Das ist toll!“ Dabei ist „Aggiornamento“ nichts anderes als die Versöhnung zwischen Gott und dem Mammon! Biblisch gesehen vollkommen unmöglich, für die neue „Kirche“ des sog. 2. Vatikanum allem zugrundliegendes Programm.

Nun fällt bei der Beschreibung dieses Kampfes durch unseren Herrn etwas auf: Es ist einzigartig, wie unser Heiland uns zu diesem Kampf ermuntert. ER tut es nämlich nicht mit feurigen Aufrufen, sozusagen mit Schlachtparolen wie ein General vor der Schlacht. Nein, Seine Rede ist vielmehr ein gütiges und ausführliches Zureden – das an unser Innerstes gerichtet ist, weil er unser Herz von unnützer, ängstlicher Sorge ganz behutsam loslösen will.

Die Sorgen des Alltags

Irgendwie ist hier alles „ganz anders“, als man es erwartet. Unser göttlicher Heiland spricht nicht von den großen Schlachten Gottes, wie sie zweifellos zwischen den Mächten des Lichtes und der Finsternis toben, ganz besonders in dieser apokalyptischen Zeit, sondern ER spricht von den Sorgen des Alltags. Aber sind nicht gerade diese alltäglichen Sorgen zutiefst unsere Sorgen? Jene existentiellen Sorgen, die uns umtreiben, weil sie uns ständig auf dem Gemüt lasten?

Das Kind Gottes, das in den großen Dingen der Entscheidung für Gott recht tapfer ist, läßt sich dennoch oft in den kleinen Dingen des Alltags „unterkriegen“. Die Alltagssorgen nehmen überhand und diese ängstliche Sorge zieht sodann viele weitere Fehler nach sich. Dem will unser gütigster Herr mit Seinen wunderbar gewählten Worten entgegensteuern. Dabei zieht ER alle Register, die ein Menschenherz zu bewegen vermögen.

Es ist überaus selten, daß unser göttlicher Heiland in derselben Sache so viele Worte macht. Das zeigt uns, wie sehr Ihm das alles am Herzen liegt. Er möchte, daß die Kinder Gottes nicht auf diese kleinen Angriffe des Mammons, des Fürsten dieser Welt, hereinfallen. Nein! Alle Sorge um die vielfältigen Dinge des täglichen Lebens sollen wir auf den himmlischen Vater werfen. Von Ihm, den wir ja im „Vater unser“ wieder und wieder um das tägliche Brot bitten, sollen wir dann auch getrost die Lösung all dieser alltäglichen Schwierigkeiten erwarten. Niemals soll eine solche Sorge um irdische Dinge die einzige große Sorge unseres Lebens werden, so daß sie die eine große Sorge um das Reich Gottes und die Gerechtigkeit überspielt oder gar verdunkelt.

Es zeigt sich übrigens eine ganz besondere Feinfühligkeit unserer hl. Kirche darin, daß sie uns dieses Evangelium nach der Ernte des Jahres lesen läßt. Anfang September ist der größte Teil der Ernte bereits eingebracht, die Scheunen haben sich wieder gefüllt. Es zeigt sich somit jedem augenfällig, Gott hat auch dieses Jahr wieder gut für uns vorgesorgt. Handelte es sich aber um ein Jahr mit einer Mißernte und drohte Hunger, dann wäre gerade dieses Evangelium ein ganz außerordentlicher Ansporn, den himmlischen Vater umso flehentlicher zu bitten.

Vertrauen auf den himmlischen Vater

Am Vorbild der Vögel des Himmels und der Lilien des Feldes sollen wir den vertraulichen Aufblick der Kinder zum Vater erlernen, wodurch unsere Seele innerlich viel befreiter und gelöster wird. Wie eindringlich wirbt unser göttlicher Erlöser durch diese überaus sprechenden Beispiele um das Vertrauen zum Vater im Himmel. Die Vögel des Himmels, die nicht säen und nicht ernten, aber dennoch vom himmlischen Vater so gut ernährt werden. Dazu noch die Lilien des Feldes in all ihrer Pracht, die selbst König Salomon in den Schatten stellen. Es ist der Vater, der dieses „Gras, das heute auf dem Felde steht und morgen in den Ofen geworfen wird“, so überaus bezaubernd kleidet – „wieviel mehr dann euch, ihr Kleingläubigen!“

Es gibt somit keinen Grund für uns, sich ängstlich zu sorgen, denn der Vater weiß ja, daß wir all das brauchen.

Dieses Vertrauen auf die göttliche Vorsehung wird uns vornehmlich im Hause Gottes zuteil und direkt erlebbar, weshalb diese hl. Messe zudem ganz erfüllt von der Liebe zum Haus des Herrn ist.

Gleich im Psalmvers des Introitus heiß es: „weit besser ist ein Tag in Deinen Hallen, als tausend andere“! Wie schön ist dies und wie wahr! Im Haus des Herrn finden wir ein echtes Zuhause, ja letztlich das einzige Zuhause, das in die Ewigkeit hinüberreicht.

Gleicherweise sind auch die Texte des Graduale und des Alleluja-Vers zu verstehen. „Alleluja, alleluja. Kommet, lasset uns jauchzen dem Herrn, lasset uns jubeln Gott, unserem Heile. Alleluja.“

Das Offertorium hinwiederum sieht auf die Engel Gottes und ihren treuen Dienst: „Die Engel des Herrn umgeben mit schützendem Walle die Gottesfürchtigen und erretten sie. Darum kostet uns seht, wie lieb der Herr ist.“ Das ist doch wahrhaft ein gewaltiger Schutzwall in unserem Kampf gegen den Mammon. Was sollten wir uns da noch ängstigen müssen, wenn Gott so wunderbar für alles sorgt?! Nein, wir sollen uns nicht ängstigen, sondern wir sollen kosten und sehen, wie lieb der Herr ist.

Eingebunden zwischen Gott und Seinen Sakramenten

Schließlich will uns noch die Postcommunio sozusagen ganz in die hl. Sakramente Gottes hineinschlüpfen lassen. Man muß freilich der deutschen Übersetzung etwas Gewalt antun, will man das zeigen. Im lateinischen Gebet steht nämlich das „uns“ zwischen Gott und Deine Sakramente: Möchten doch reinigen immer und schützen Deine Sakramente uns, Gott…! (so heißt es ganz wörtlich übersetzt!) Ist das nicht wunderschön beruhigend, sich so eingebunden zu wissen zwischen Gott und Seinen hl. Sakramenten! Ganz besonders durch unsere Teilnahme am hl. Meßopfer dürfen wir erleben, daß es wahr ist, wir werden – gleichsam von zwei Seiten umfangen – allseits gestützt. Da kann uns tatsächlich nichts mehr passieren, wenn uns Gott mit Seinen hl. Sakramenten wunderbar stärkt.

Vollkommen erleichtert läßt uns somit dieser Sonntag zu unserem alltäglichen Leben zurückkehren. Groß und heimlich-traut geborgen im Schutz des Herrn, unter dem Schatten Seiner Flügel, in der Obhut Seiner Engel, im Obdach Seines Hauses und in der Macht Seiner Sakramente — so gehen wir aus diesem Sonntag hervor, froh und leicht, und doch schwer gewappnet schauen wir in die Finsternis der kommenden Tage! Wir dürfen es im Getriebe es Alltages nur nicht wieder vergessen: „Suchet zuerst das Reich Gottes und Seine Gerechtigkeit und dies alles wird euch dazu gegeben werden.“