Der hl. Johannes der Täufer – mehr als ein Prophet

Woran mag es wohl liegen, daß das christliche Abendland in den letzten Jahrhunderten so lau und gleichgültig geworden ist? Was war der Grund, daß der hl. katholische Glaube seine göttliche Strahlkraft nicht mehr vor den Menschen offenbaren konnte? Warum wandten sich immer mehr Menschen von diesem Glauben ab und irgendwelchen selbsterdichteten Fabeleien zu? Im Johannesevangelium lesen wir: „Das Gericht besteht aber darin: Das Licht ist in die Welt gekommen. Die Menschen aber hatten die Finsternis lieber als das Licht; denn ihre Werke waren böse.“

Diese Feststellung gilt freilich in gewisser Weise zu allen Zeiten – und nicht nur heute! Dennoch gab es Jahrhunderte, in denen die Botschaft vom menschgewordenen Sohn Gottes und Erlöser des Menschengeschlechtes viele Menschenherzen begeisterte und zur Erkenntnis der göttlichen Wahrheit führte, woraus ein ständiger Ansporn erwuchs, ein heiliges Leben zu wagen. In jeder Bekehrung spürt man etwas von dieser Macht der Wahrheit, von der geistigen Überzeugungsgewalt des göttlichen Lichtes. Durch das Gnadenlicht wird der Bekehrte plötzlich fähig, der göttlichen Offenbarung übernatürlichen Glauben zu schenken und die unfehlbaren Glaubenssätze unserer hl. Kirche zweifelsfrei als göttliche Wahrheit festzuhalten. Er bemüht sich sodann, die Gebote Gottes zu halten und sein Leben nach den Weisungen des hl. Evangeliums auszurichten. 

Der Glaube kommt vom Hören. Im Zentrum unseres christlichen Glaubens steht das Leben Jesu Christi. Über Jahrtausende hat Gott die Menschen auf das Kommen des gottmenschlichen Erlösers vorbereitet. Das war ein geheimnisvoller Advent, der uns im Alten Testament berichtet und gedeutet wird. An der Schwelle zum Neuen Bund steht die beeindruckende Gestalt Johannes des Täufers. Womöglich kann uns dieser letzte große Prophet des Alten Bundes helfen, das göttliche Licht des Glaubens wieder mit größerer Freude in uns leuchten zu lassen. Unser göttlicher Erlöser selbst legt folgendes Zeugnis für Johannes den Täufer ab: 

„Wozu seid ihr in die Wüste hinausgezogen? Ein Schilfrohr zu sehen, das vom Wind hin und her bewegt wird? Oder wozu seid ihr hinausgezogen? Einen Mann in feinen Kleidern zu sehen? – Leute, die feine Kleider tragen, sind in den Palästen der Könige. Wozu also seid ihr hinausgezogen? Um einen Propheten zu sehen? Ja, ich sage euch, noch mehr als einen Propheten habt ihr gesehen. Er ist es, von dem geschrieben steht: ‚Siehe, ich sende meinen Boten vor dir her; auf daß er den Weg vor dir bereite‘. Wahrlich, ich sage euch: Unter allen Menschen ist kein größerer aufgetreten als Johannes der Täufer. Dennoch ist der Geringste im Himmelreich größer als er. Seit den Tagen Johannes´ des Täufers bis heute bricht sich das Himmelreich machtvoll Bahn, und die stürmisch Drängenden werden seiner teilhaftig. Denn alle Propheten und das Gesetz bis auf Johannes haben davon geweissagt. Und wenn ihr es annehmen wollt: Er ist Elias, der da kommen soll. Wer Ohren hat, der höre!“ 

(Mt. 11, 7-15)

Der Wegbereiter des Messias

Blicken wir ein wenig auf diesen beeindruckenden Mann, der nach dem Zeugnis des göttlichen Heilandes mehr als ein Prophet war. 

Der Evangelist Markus beginnt seinen Bericht über das Leben und Wirken Jesu Christi mit dem Auftreten Johannes des Täufers in der Wüste. Deswegen wird ihm auch von den vier Tieren der Offenbarung der Löwe zugestellt. Im ersten Vers des Markusevangeliums lesen wir: „Ursprung des Evangeliums Jesu Christi, des Sohnes Gottes. Wie im Propheten Isaias geschrieben steht: ‚Siehe, ich sende meinen Engel vor dir her, der deinen Weg bereiten wird (Mal. 3, 1; vgl. 2 Mos. 23, 20). Man hört die Stimme eines Rufers in der Wüste: ‚Bereitet den Weg des Herrn, macht seine Pfade gerade‘ (Is. 40, 3), so trat Johannes der Täufer in der Wüste auf und verkündete die Bußtaufe zur Nachlassung der Sünden“ (Mk. 1, 1-4).

Nicht unvorbereitet wollte der Sohn Gottes vor den Menschen erscheinen. Das ganze Alte Testament sollte noch einmal in der Person Johannes des Täufers für Ihn Zeugnis ablegen. Bedenken wir nur: Der Höhepunkt der ganzen Weltgeschichte nahte! Wie ein König seine Herolde vor sich hersendet, so sendet der König der Könige Johannes den Täufer. Er soll seine Brüder einstimmen auf die eine und einzig wahre Frohbotschaft, die es in unserer Menschenwelt seit dem Sündenfall gibt.

Evangelium“ – „Frohbotschaft“

Für die Römer war das Wort „Evangelium“ – „Frohbotschaft“ nicht unbekannt. Schon seit Homer deutete es den Lohn für eine gute Botschaft und sicher auch schon ebensolange die gute Botschaft selbst an. Jede Freudenbotschaft wurde „Evangelium“ genannt, ganz besonders aber eine Siegesbotschaft. Für die Alten war das Wort nicht nur bloßer Klang, nicht nur Zeichen dessen, was es bedeutet. Die Freudenbotschaft brachte nicht nur die Kunde vom errungenen Heil, sie schaffte auch dieses Heil. 

Im römischen Kaiserreich erhielt dieses Wort einen ganz neuen Klang, denn der Kaiser war für die Römer ein Gott. Deswegen war seine Geburt, seine Thronbesteigung, ja alle seine Erlasse waren ein „Evangelium“. In einer kleinasiatischen Inschrift liest man dementsprechend: „Der Geburtstag des Gottes (des Augustus) war für die Welt der Anfang der seinetwegen ergangenen Evangelien.“ 

Die Schriftsteller des Neuen Testamentes übernahmen dieses Wort, um die Botschaft vom menschgewordenen Sohn Gottes zu bezeichnen. Welch größere Freudenbotschaft ließ sich denken, als das Kommen des göttlichen Erlösers in unsere von der Sünde niedergedrückten Menschenwelt? Der Sohn Gottes, das ewig aus dem Vater gezeugte Wort besitzt allein die Macht, aus sich Wunder zu wirken und alles neu zu machen. Dabei war natürlich das größte aller Wunder die Erlösung selbst. Darum ist letztlich alles, was Er – der ewige Sohn des Vaters – tut, ja sein ganzes Leben, angefangen von Seiner Geburt bis zur Himmelfahrt „Evangelium“, also Freudenbotschaft, Siegesbotschaft im letzten und tiefsten Sinn des Wortes. Er, Jesus Christus, ist DER SIEGER!

Für die Römer bedeutete dieses „Evangelium Jesu Christi“ etwas unerhört Neues. Ging doch dieses „Evangelium“ nicht vom Kaiser aus, sondern von einem Zimmermannssohn aus Nazareth. Dennoch war dieser Zimmermannssohn unermeßlich mehr als ihr vergöttlichter Kaiser. Dieser stammte von der Welt, hatte Vater und Mutter, jener stammte von oben, aus dem Himmelreich, Er war der wirkliche, der einzige, der wahre, der eingeborene Sohn Gottes des Vaters im Himmel. Darum gab es auch nur ein Evangelium Jesu Christi und nicht, wie im Kaiserkult, viele.

Stimme des ewigen Wortes

Diesem einen Evangelium Jesu Christi war Johannes der Täufer verpflichtet. Er war zwar nur die Stimme eines Rufenden in der Wüste – aber wie anspruchsvoll ist es, Stimme des ewigen Wortes zu sein! Johannes der Täufer vergegenwärtigt seinen Zeitgenossen diesen Anspruch vollkommen durch seine außergewöhnliche Lebensweise. 

Der Evangelist Matthäus beschreibt ihn so: „Johannes trug ein Gewand aus Kamelhaaren und um seine Hüften einen ledernen Gürtel. Seine Nahrung waren Heuschrecken und wilder Honig“ (Mt. 3, 4).

Das Gewand aus Kamelhaaren, also aus sehr grobem Stoff, war die Kleidung der Armen. Dazu paßte der lederne Gürtel der Arbeiter. Es ist anzunehmen, daß Johannes überhaupt nur einen Mantel hatte, der ihn zudem als Prophet auswies. Auch seine Nahrung aus Heuschrecken und wildem Honig gibt Zeugnis von seiner Sendung. Heuschrecken wurden bis in unsere Zeit in Palästina von ärmeren Leuten gegessen. Im Frühjahr lassen sie sich dort, wenn die Heuschreckenschwärme kommen, in Massen fangen. Gewöhnlich wurden sie in Salz eingelegt und man bespritzte sie auch mit Wein, um ihnen ein schöneres Aussehen zu geben.

Scharen aus Judäa eilen zum Täufer.

Johannes beeindruckte die Menschen: Aus dem ganzen Gebiet von Judäa kommen sie in Scharen und lassen sich unter Bekenntnis ihrer Sünden taufen. Man muß bedenken, daß damals bei vielen Juden die Erwartung des kommenden Messias angesichts der römischen Besetzung ihres Landes lebendig war. Wenn auch die Römer das recht kleine Judenvolk äußerst schonend behandelten, so schwelte doch der Aufruhr immer wieder auf. Es war nämlich ganz einfach eine Tatsache, der Glaube der Juden ließ sich nicht einfach in die römisch-griechische Kultur, die ihrem Wesen nach heidnisch war, einfügen. Während selbst die Ägypter die römischen Götter anerkannten, waren diese für einen Juden nur „Nichtse“, machtlose Götzen gegenüber dem wahren und einzigen Gott, der Himmel und Erde erschaffen hat.

Das Volk pilgerte also hinaus in die Wüste, um diesen merkwürdigen Mann zu sehen, der ganz von Fasten und Gebet gezeichnet war. Johannes war eine echte Prophetengestalt. Er sprach eine längst verklungene Sprache, die an die großen Propheten der Vorzeit erinnerte. Er nannte das Übel beim Namen, er schonte niemanden, auch die Pharisäer und Sadduzäer und selbst den Herodes nicht. 

Er forderte von allen die Umkehr, eine innere Bekehrung des Herzens, denn das Himmelreich war nahe. Darum taufte Johannes. Er setzte damit ein sichtbares Zeichen der Bereitschaft zur Umkehr. Jeder sollte seine Sünden bekennen und die Notwendigkeit anerkennen, Buße tun zu müssen. 

Lesen wir ein wenig in einem alten, vom katholischen Glauben noch ganz durchdrungenen Buch über den heiligen Vorläufer des Herrn:

Die Bußpredigt des Johannes am Jordanflusse

So treffen wir, an der Schwelle des öffentlichen Lebens Jesu den heiligen Johannes, den Täufer, jenen merkwürdigen, in seiner schlichten Einfachheit und Gottinnigkeit so erhabenen Mann, den der himmlische Vater selbst zum Vorläufer Seines göttlichen Sohnes bestimmt hatte.

Von frühester Jugend an hat er in der Wüste gelebt, wie der heilige Lukas ausdrücklich bezeugt: „Er verblieb in der Wüste bis zum Tage seines Auftretens vor Israel.“ Denn, wie die alte Überlieferung berichtet, waren seine Eltern frühzeitig gestorben, er selbst aber in der Felshöhle, in welche ihn seine heilige Mutter Elisabeth zur Zeit des Kindermörders Herodes gebracht hatte, von einem Engel des Herrn auf wunderbare Weise ernähret und erzogen worden. Fern von allen Menschen; rings umgeben von der wilden Schönheit und starren Majestät der Einöde; äußerlich geleitet und belehret durch den Engel Gottes; innerlich erleuchtet durch jenen hochherrlichen Geist, der ihn schon im Mutterschoße, beim Besuche der jungfräulichen Gottesmutter zu Hebron, durchströmt und beseelt hatte; unbekannt mit den Begebenheiten der Welt, dagegen um so tiefer und klarer hineinschauend in die Geheimnisse des Himmels und in die zukünftigen Schicksale des Gottesreiches auf Erden: So wuchs Johannes heran zum Manne, reich an tiefster, wunderbarer Erkenntnis, an sittlicher Kraft, an unbeugsamem Mute und an Heiligkeit des Lebens.

Im dreißigsten Altersjahre trat er öffentlich auf an den Ufern des Jordans. Alles staunte. Niemand hatte ihn bisher gekannt oder auch nur gesehen. Unbekannt war seine Abstammung und seine Heimat. So war sein Erscheinen wie das plötzliche Erscheinen eines Engels aus Himmelshöhe und es erfüllte sich die Weissagung des Propheten Malachias: „Siehe, Ich sende meinen Engel vor deinem Angesichte einher, damit er deinen Weg bereite.“ – Auf dererlei Weise aber bereitete Johannes den Weg des Herrn und vollzog das Amt eines Vorläufers Christi: Durch seine Bußpredigt, durch seine Taufe und durch seine Hinweisung auf den, in Jesus von Nazareth erschienenen Messias.

Was ist Buße?

1. Was ist Buße? Das reuige Bewußtsein von der eigenen Schuld; die Bereitwilligkeit, selbige – so weit uns möglich – abzutragen; und das demütige Verlangen nach dem Erretter, in welchem allein solche Abtragung möglich ist. Ohne solche Bußfertigkeit war die Erlösung des Menschengeschlechtes unmöglich. Vorerst mußte sich die Erde der ungeheuren Verschuldung bewußt werden und nach dem Erlöser von oben seufzen; dann erst konnte sich der Himmel öffnen. Darum hatte Gott während vier Jahrtausenden die Menschen zu solcher Bußfertigkeit angeleitet und das Schuldbewußtsein geweckt; und darum sandte Er jetzt, wo die Fülle der Zeiten herangebrochen, den größten aller Propheten, den heiligen Johannes, damit er – all‘ die Mahnungen, Warnungen und Strafreden sämtlicher Propheten gleichsam in eine große Mahn- und Strafpredigt zusammenfassend – das Werk derselben vollende und die Menschheit für die Erlösung reif mache. Pharisäer und Sadduzäer kommen heraus an den Jordan und hören diese wunderbare Predigt. Die zuvorkommende Gnade hat gewirkt: das „Schlangengezücht“ hat in Johannes den Weg zum Heile, d. h. zu Christus gefunden. Darum ermahnt er sie nun auch ernstlich, an dieser zuvorkommenden Gnade getreulich mitzuwirken durch Werke der Buße und sich nicht etwa mit der Abstammung von Abraham zu vertrösten.

Und die Buße, die Johannes mit so eindringlichem, gewaltigem Worte predigt, die predigt er noch viel eindringlicher durch das Beispiel seiner eigenen Bußfertigkeit. Seine Wohnung ist eine kahle Felshöhle; seine Kleidung ein rauhes Gewand und ein Tierfell; seine Speise wilder Honig und Heuschrecken; sein Getränk das Wasser des Jordanflusses. Sein Tagwerk ist die Bußpredigt, seine Nachtruhe Gebet und Betrachtung.

Was sagst du hierzu, o christliche Seele? Vergleiche mit dieser Sittenstrenge des unschuldigen, schon im Mutterschoße geheiligten Büßers Johannes das Betragen von so vielen Christen. Welche Weichlichkeit in den Kleidern! Welcher Aufwand im Schmuck der Wohnung! Welche Bequemlichkeit im Nachtlager! Welche Üppigkeit in Speise und Trank! Wie mag solche Weichlichkeit dem gefallenen Menschen, dem Sünder, geziemen? Wie mag sie dem Freunde des mit Dornen gekrönten, mit Essig und Galle getränkten Jesus ziemen? Wie mag sie demjenigen ziemen, der alltäglich betet: „Herr, führe uns nicht in Versuchung“ – während ja gerade in solcher Weichlichkeit die größte Versuchung zur Sünde liegt? – Das sind ernste Fragen, die niemand gerne anhört und über welche Tausende von Christen lächelnd hinweggehen. Freilich entschuldigen viele ihre Weichlichkeit damit: Ihr Stand erfordere einen gewissen Luxus; bedenken aber nicht, daß auch der Reiche und Vornehme, bei gutem Willen und wahrhaft bußfertiger Gesinnung, Mittel und Wege genug findet, trotz des standesgemäßen Aufwandes, seine Sinne im Verborgenen abzutöten und in Speise, Trank, Kleidung usw. eine heilsame Strenge gegen den eigenen Leib zu üben.

Die Taufe des heiligen Johannes

2. Mit der Bußpredigt verband Sankt Johannes die Taufe, als ein äußeres Zeichen der innerlichen Bußgesinnung. Wie der Mensch, der sich wäscht, zweierlei damit bekennt, erstens, daß er befleckt ist und zweitens, daß er rein werden möchte, so bekannte auch jeder Täufling im Jordan, daß er der innerlichen Abwaschung von der Sündenmakel bedürfe und daß er inbrünstig verlange, durch die Erlösungsgnade in Christo, der Seele nach ebenso gereinigt zu werden, wie er durch das Taufwasser dem Leibe nach gereinigt wurde. Das ist die tiefe Bedeutung der Taufe des heiligen Johannes: Sie ist ein Schuldgeständnis und zugleich der Ausdruck der inneren Sehnsucht nach Reinigung und Erlösung – somit eine gar passende und wirksame Vorbereitung auf Christus. Jedoch eben nur eine Vorbereitung! Erst die Taufe in Christo konnte den bußfertigen Menschen wirklich von der Sünde reinigen, weil nur in dieser Taufe die Seele des Versöhnungsblutes Christi teilhaftig wird. Die Taufe des Johannes war nur ein Vorbild: Erst Christus „tauft mit dem Heiligen Geiste und mit Feuer“, d.h. mit jenem Geiste, der in Gestalt feuriger Zungen über die Apostel herabstieg, mit jenem göttlichen Geiste, welcher den Verstand erleuchtet und das Herz durchglüht, mit jenem Geiste, der die menschliche Seele von Makel und Sünde so reinigt wie die Feuerflamme das Metall von seinen Schlacken. Auf diese Feuer- und Geistestaufe in Christo sollte die Taufe des Johannes vorbereiten.

Zeugnis vom Heiland

3. Nun aber denke dir, o christliche Seele, wie die Volksscharen, die mit Ehrfurcht den Worten des erhabenen Wüstenpredigers lauschten, von Erstaunen erfüllt wurden, als er sie plötzlich auf einen noch weit Erhabeneren hinwies, auf einen, dem er nicht würdig sei, die Schuhriemen zu lösen – auf das Lamm Gottes, das die Sünden der Welt hinwegnimmt – auf den Gottgesandten, der vom Himmel stammt – auf den Richter, der in göttlicher Majestät die Wurfschaufel in der Hand hält und die guten Menschen dem himmlischen Vaterland zuführt, die Bösen aber zum ewigen Feuer verurteilt. Welch‘ ein Zeugnis für Christus aus dem Munde des Mannes, den alles Volk als den Größten unter den Propheten verehrte! So wurde die Aufmerksamkeit des Volkes in wirksamer Weise auf Christus hingelenkt und die Geister und Gemüter auf Ihn vorbereitet; so wurde der Welterlöser, beim Beginn Seiner öffentlichen Wirksamkeit, durch den glaubwürdigsten und angesehendsten Mann, dem Volke Israel feierlich vorgestellt und bei demselben als der verheißene Messias eingeführt.

Rechtfertigt der Stammbaum Abrahams?

Selten gibt man sich darüber Rechenschaft, aber es ist unübersehbar: Es bestand ein großer Kontrast zwischen Johannes dem Täufer und unserem Herrn Jesus Christus. Dieser Kontrast zeigte sich schon rein äußerlich und war tatsächlich unübersehbar. Eines Tages „kamen die Jünger des Johannes zu ihm und fragten: ‚Warum fasten wir und die Pharisäer so häufig, während deine Jünger nicht fasten?‘ Jesus antwortete ihnen: ‚Können die Hochzeitsgäste trauern, solange der Bräutigam bei ihnen ist? Es werden aber Tage kommen, da ihnen der Bräutigam entrissen wird. Dann werden sie fasten‘“ (Mt. 9, 14 f.).

Johannes der Täufer lebte viele Jahre in der Wüste, sein Leben war für alle sichtbar ein Leben der Einsamkeit, der Entbehrung, des Fastens und Betens. Unser Herr lebte wohl 25 Jahre in Nazareth als Zimmermannssohn. Da gab es nichts Auffälliges zu berichten. Seine Jünger fasten nicht, während die Jünger des Johannes und die Pharisäer häufig fasteten. Das war gar nicht so leicht zu verstehen – außer wenn man begriff, was es heißt: solange der Bräutigam bei ihnen ist!

Unser Herr klagt einmal über seine Landsleute: „Mit wem soll ich dieses Geschlecht vergleichen? Es gleicht Kindern, die auf dem Markt sitzen und anderen zurufen: Wir haben für euch Lieder gespielt, und ihr habt nicht getanzt; wir haben Klagelieder gesungen, und ihr habt nicht geweint. Johannes trat auf: Er aß nicht und trank nicht, da heißt es: Er ist von einem Dämon besessen. Der Menschensohn trat auf: Er ißt und trinkt; da heißt es: Seht den Fresser und Säufer, den Freund der Zöllner und Sünder! Aber die Weisheit ist durch ihre Taten gerechtfertigt worden“ (Mt. 11, 16-19).

Anders als viele Leute damals war Johannes nicht blind. Er verstand unseren göttlichen Erlöser mehr als die meisten seiner Zeitgenossen. Dennoch war es ihm nicht vergönnt, einer seiner Jünger zu sein und mit IHM zusammen durchs Land zu ziehen. Johannes blieb einsam in der Wüste. Nur zum Predigen und zum Taufen zog er an den Jordan. Wie brannte in ihm die Liebe zu seinem göttlichen Erlöser, dem Heiland der Welt. Diese Liebe wurde zum heiligen Zorn, wenn er sah, wie vor allem die Schriftgelehrten, die Pharisäer und Sadduzäer, die Leute vor lauter Selbstgerechtigkeit vom Glauben an Jesus Christus abhielten. Justin der Martyrer (um 150) warf den Juden vor: „Eure Lehrer meinen, daß denen, die aus dem Samen Abrahams nach dem Fleische sind, auch wenn sie Sünder und Ungläubige sind, das ewige Reich gegeben werde.“ Ganz dementsprechend lehrte Rabbi Nachman (gegen 400): „Alle Schlechtigkeiten und Lügen, die die Israeliten in dieser Welt verüben, ist unser Vater Abraham imstande, sämtlich zu sühnen.“ 

Nein, vor Gott, der den Menschen einzig nach seiner persönlichen inneren Gesinnung beurteilt, gilt kein Abstammungsschein, der auf Abraham verwies. Vielmehr kann Gott, aus diesen leblosen Steinen, die in der Wüste herumliegen, dem Abraham Kinder erwecken. Also keine Ausflüchte – Wir haben Abraham zum Vater – sondern ehrliche Bekehrung der Herzen, denn: „Die Axt ist schon angelegt.“ Er, der stärker ist als ich, ist schon mitten unter euch! Ich bin nicht wert, Ihm die Schuhriemen zu lösen. Irgendwo im Talmud heißt es: „Alle Arbeiten, die ein Sklave seinem Herrn tut, soll ein Schüler seinem Lehrer verrichten, ausgenommen das Lösen des Schuhwerks.“ 

Johannes weiß, er ist nur der Diener, die Stimme – jener muß wachsen, er aber muß abnehmen. 

Die Predigt des Johannes des Täufers ist noch einmal wie der Blitz und der Donner auf dem Berg Sinai. Er zeichnet den göttlichen Zorn vor die Seelen seiner Zuhörer, um ihr vertrocknetes und verhärtetes Innere aufzuwühlen und sie zu einem Umdenken, einer wahren Bekehrung der Herzen zu bewegen. Er will schließlich dem nahenden Messias den Weg bereiten. 

Aus den hl. Evangelien geht hervor, Johannes hatte unseren Herrn Jesus Christus nicht gesprochen, er hatte Ihn niemals vorher gesehen, bis Er zu ihm an den Jordan kam. Lesen wir hierzu weiter in unserem alten Buch:

Die Taufe Jesu Christi

Matth. 3, 13-17. Mark. 1, 9-11. Luk. 3, 21-23

Bevor nun Christus als der Messias auftrat, wollte Er sich als den Stellvertreter der sündigen Menschheit offenbaren, als das Lamm, welches die Sünden der Welt auf sich nimmt. Solches hat unser lieber Herr und Heiland dadurch bewerkstelligt, daß Er sich selbst verdemütigte und gleich einem andern sündhaften Menschen sich der Taufe des Johannes unterzog.

Damals kam Jesus aus Galiläa an den Jordan zu Johannes, um sich von ihm taufen zu lassen. Johannes aber wollte ihn zurückhalten und sagte: ‚Ich hätte nötig, von dir getauft zu werden, und du kommst zu mir?‘ Jesus antwortete ihm: ‚Laß es jetzt zu; denn so müssen wir alle Gerechtigkeit erfüllen.‘ Da ließ er ihn zu. Als Jesus getauft war, stieg er sogleich aus dem Wasser. Da öffnete sich der Himmel. Er sah den Geist Gottes wie eine Taube herabschweben und über sich kommen. Und eine Stimme aus dem Himmel rief: ‚Das ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.‘“ 

(Mt. 3, 13-17)

Nach der alten Überlieferung war es am Neujahrstage, daß unser göttlicher Erlöser von Seiner geliebtesten Mutter Maria, vom heiligen Nährvater Josef und von der armen Zimmermannshütte zu Nazareth in Galiäa Abschied nahm, um Sein öffentliches Wirken zu beginnen und nach Judäa zu pilgern. Am sechsten Tage, d. h. am 6. Januar, kam Er nach Aenon am Jordanflusse, wo Johannes taufte. Wie mag der heilige Täufer in Liebe, Ehrfurcht und Anbetung sich dem lieben Heilande zu Füßen geworfen haben, als er Ihn hier zum ersten Male von Angesicht sah und durch göttliche Eingebung erkannte! Und wie mag er erschrocken sein, als der Allheilige so tief sich verdemütigte, daß Er, wie ein gemeiner Sünder, von ihm getauft zu werden verlangte! Jesus aber wußte gar wohl, was Er tat. In großer Weisheit hatte Er beschlossen, sein öffentliches Wirken gerade so und nicht anders zu beginnen. Denn erstens wollte Er dadurch uns zeigen, daß alle Tugend und Heiligkeit mit der Selbstverdemütigung beginnen müsse; zweitens, daß das Sakrament der Taufe die Pforte zum Gottesreiche auf Erden sein werde; drittens, daß Er in Wahrheit an die Stelle des sündigen und heilsbedürftigen Menschengeschlechtes getreten sei und das Erlösungswerk dadurch beginne, daß Er dessen Schuld auf sich nehme. Durch Seine Taufe im Jordan wollte Christus die Taufe überhaupt heiligen und wie Er am Schlusse Seines Erdenlebens beim letzten Abendmahle das alttestamentliche Vorbild durch die Sache selbst, d. h. das Osterlamm durch das hochheilige Altarssakrament ersetzt hat, so wollte Er schon jetzt, beim Beginne Seiner öffentlichen Tätigkeit, an die Stelle der vorbildlichen Taufe des Alten Testamentes, die sakramentale Taufe des Neuen Bundes setzen.

Der Himmel öffnet sich …

Die wunderbare Erscheinung, welche bei der Taufe Jesu Chisti stattfand, ist das bedeutungsvolle Sinnbild der Erlösungsgnade. Christus verdemütigt sich und wird zu derselben Stunde verherrlicht: – So wird ein jeglicher, der sich in Christo und nach dem Beispiele Christi selbst erniedrigt, auch in Christo erhöht. Am Heilande wird die äußerliche Taufhandlung vollzogen und zu gleicher Zeit öffnet sich der Himmel über Ihm: – so öffnet sich auch jedesmal der Himmel über dem Menschen in dem Augenblick, wo er das äußerliche Zeichen eines heiligen Sakramentes würdig empfängt und es senkt sich die unsichtbare, übernatürliche Gnade in seine Seele. Bisher war der Himmel verschlossen: Nun öffnet er sich, zum Zeichen, daß jetzt das Reich Gottes gekommen sei. Bisher stand das menschliche Geschlecht unter dem Zorngerichte Gottes: In Christo aber wird die göttliche Gerechtigkeit versöhnt und der Mensch zum Kinde Gottes, an dem Er Sein Wohlgefallen hat. Bisher hatte sich die himmlische Wahrheit nur verschleiert, in Sinnbildern und Gleichnissen und nur teilweise geoffenbart und was der Geist Gottes den Patriarchen und den Propheten kund getan hatte, war sozusagen nur der äußere Umriß jenes wunderbaren, geheimnisvollen Gemäldes, in welches nach dem Zeugnisse des Völkerlehrers, selbst die Engel hineinzuschauen gelüsten. In Jesus Christus aber sollte die himmlische Wahrheit Fleisch und Blut annehmen und so voll und klar, als es das sterbliche Auge nur immer zu schauen vermag, sollte das hochherrliche Geheimnis uns geoffenbart werden. Deswegen tritt schon bei der Taufe Christi am Jordanflusse gerade das tiefste und unergründlichste aller Geheimnisse, das der hochheiligen Dreifaltigkeit, vor aller Welt zutage: Der ewige Vater spricht vernehmbar vom Himmel herab das Wort des Zeugnisses und der Beglaubigung über Seinen eingebornen Sohn; der Sohn Gottes selbst steht in menschlicher Gestalt da und wird getauft; der Heilige Geist aber erscheint in Gestalt einer Taube und schwebt sichtbar über dem Getauften.

… zum Zeugnis für den Sohn Gottes

Natürlich hatte sich Johannes viele Gedanken über den gemacht, der nach ihm kommen sollte. Immer wieder hatte er in den Büchern des Alten Testamentes gelesen und sicherlich all jene Stellen betrachtet, die seit Jahrhunderten auf den kommenden Messias gedeutet wurden. Und Johannes wußte zudem, daß der kommende Messias mehr war, als die meisten seiner Volksgenossen dachten. Sein Herz begann lauter zu schlagen, wenn er nur an Ihn dachte. Und da geschah es, daß Er plötzlich auf ihn zukam – und zwar nicht, um mit ihm zu sprechen, ihn zu stärken oder zu trösten, sondern um von ihm getauft zu werden. Instinktiv wehrt sich der hl. Johannes gegen diese göttliche Zumutung. Das ist wahre Demut – seine Demut ist ebenso echt wie seine Schroffheit. Der hl. Evangelist Johannes berichtet uns, daß Johannes der Täufer denjenigen, die ihn für einen großen Propheten oder gar für den Messias gehalten haben, immer kürzere und unfreundlichere Antworten gegeben hat. 

Aber auch das gehört zur wahren Demut, sobald Johannes erkennt, daß es so der Wille Gottes ist, schreitet er zur Tat. „Laß es für diesmal geschehen“, erklärt ihm unser Herr Jesus Christus. Es ist eine Ausnahme, die aber einen tiefen Grund hat, denn: „Es geziemt sich für uns beide, jegliche Rechtsordnung zu beobachten.“ Er ist nun mal Mensch geworden und muß alles erfüllen, was von Ihm in den heiligen Schriften des Alten Bundes geschrieben steht. In diesem Fall hielt es Gott für geziemend, obwohl Jesus vollkommen sündelos war, mit den Sündern ins Wasser zu steigen und sich taufen zu lassen, weil Er alle Sünden aller Menschen auf sich nehmen wollte. 

Als Jesus aus dem Wasser steigt, „öffnete sich der Himmel“. Es ist als wollte der Vater und der Heilige Geist den Kontrast wieder herstellen, indem sie Zeugnis für den menschgewordenen Sohn vor allen Anwesenden ablegen. Nein, Er steigt nicht wie alle anderen Menschen als Sünder in die Fluten des Jordans, sondern als Erlöser des Menschengeschlechtes. Um das deutlich zu machen, bezeugt die himmlische Stimme: „Das ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.“

Er war nicht einer der vielen Söhne im weiteren Sinne des Wortes, sondern, wie es nach dem Griechischen Urtext genau heißt: „der Sohn von mir, der geliebte“, also der Sohn in einem einzigartigen Sinne. 

Zum Zeugnis der Stimme gesellt sich noch die sichtbar gewordene Taube. Bei der Taufe offenbart sich die Allerheiligste Dreifaltigkeit, kann doch das Geheimnis des Erlösers nur aus und in diesem allertiefsten Geheimnis Gottes begriffen werden. Mit dieser ersten Epiphanie während des öffentlichen Lebens Jesu geht die Sendung des Johannes allmählich zuende. Nun steht der Messias vor aller Augen. Er braucht das Zeugnis des Johannes nicht mehr, nachdem der Himmel selbst Zeugnis für Ihn abgelegt hat. Johannes zieht sich immer mehr zurück – und verweist auf jenen, der der wahre, der göttliche Bräutigam ist. Wie wunderschön und abgrundtief demütig sind die Worte des hl. Johannes des Täufers, die uns der andere Johannes, der Evangelist, der zunächst sein Jünger war, überliefert hat: „Wer die Braut hat, der ist der Bräutigam. Der Freund des Bräutigams, der dabeisteht und ihm zuhört, freut sich sehr über die Stimme des Bräutigams. So ist auch meine Freude jetzt vollkommen“ (Joh. 3, 29).

Für den Freund des Bräutigams wird es Zeit, sich zurückzuziehen. Zuvor aber schenkt er seinem göttlichen Erlöser noch die kostbarsten Seelen aus seinem Jüngerkreis. 

Die ersten Jünger Jesu Christi.

Joh. 1, 19-51

Laut und unumwunden bekennt inzwischen Johannes, wie seine eigene, untergeordnete Stellung, so die Herrlichkeit des erschienenen Messias und führet Ihm, durch dieses Bekenntnis, die ersten Jünger zu: Andreas, Johannes und Simon Petrus, Philippus und Nathanael – liebliche Erstlingsgarben, welche der letzte Prophet des Alten Bundes dem großen und einzigen Hohenpriester des Neuen Testamentes weiht!

Tags darauf sah er Jesus auf sich zukommen. Da sagte er: ‚Das ist das Lamm Gottes, das hinwegnimmt die Sünde der Welt! Dieser ist es, von dem ich gesagt habe: Nach mir kommt ein Mann, der über mir steht; denn er war eher als ich. Ich kannte ihn nicht. Aber damit er in Israel offenbar werde, bin ich gekommen, mit Wasser zu taufen.‘“ 

(Joh. 1, 29-31)

In großer Demut weiß Johannes sich selbst keinen anderen Namen beizulegen als „Stimme des Rufenden in der Wüste.“ Und doch hätte er sich mit Fug und Recht einen Propheten nennen dürfen: Christus selbst hat ihn als „Propheten, und noch mehr als dies“ bezeichnet. Mit Fug und Recht hätte er sich den Elias (Die Juden verwechselten die erste mit der zweiten Ankunft Jesu Christi. Da nun, durch den Propheten Malachias geweissagt worden, es werde Elias „vor dem großen und schrecklichen Tage des Herrn“, d.h. vor der zweiten Ankunft Jesu Christi zum Weltgerichte, vom Paradiese wiederkehren, um den Weg des Herrn zu bereiten, so dachten sich die Juden, es sei jetzt, wo Johannes die erste Ankunft Christi verkündet, für Elias die Stunde des Wiederkommens angebrochen.) nennen dürfen: Christus selbst hat ihn also genannt; und schon bei seiner Geburt hatte der Engel geweissagt, daß er im Geiste und in der Kraft des Elias dem Welterlöser vorangehen werde. Er selbst aber nennt sich nur einen Hauch, eine Stimme! Um so rückhaltloser erhöht und lobpreist der demütige Mann den Messias selbst und bezeichnet Ihn geradezu als den verheißenen Welterlöser, mit den rührendsten und bedeutungsvollen Worten: „Siehe, das Lamm Gottes, welches die Sünden der Welt auf sich nimmt!“

Erstlinge des Glaubens

„Am folgenden Tag stand Johannes wieder da mit zwei von seinen Jüngern. Als er Jesus vorübergehen sah, sagte er: ‚Das ist das Lamm Gottes!‘ Sobald die beiden Jünger ihn so sprechen hörten, folgten sie Jesus nach.“ 

(Joh. 1, 35-37)

Unter den zahlreichen Schülern, welche sich um Johannes den Täufer geschart hatten, verdienen vor allem jene Fünfe unsere Verehrung, welche zuerst sich dem Welterlöser anschlossen, Andreas, Johannes (Die meisten Kirchenväter sind der Ansicht, jener zweite Johannesjünger, dessen Name nicht genannt ist, sei kein anderer, als der spätere Evangelist Johannes selbst, der diese Begebenheit erzählt hat.) und Simon, dem der Herr schon beim erstmaligen Begegnen den bedeutungsvollen Namen Petrus, Felsenmann, beilegte; dann Philippus und Nathanael; welch‘ letzterer (wie viele Kirchenväter dafürhalten) späterhin zur Würde eines Apostels erhoben und Bartholomäus zubenannt wurde. O glückselig diese Erstlingsschüler des göttlichen Meisters, die von nun an zu Seinem besonderen Dienst berufen sind! O glückselig diese Erstlinge des Glaubens, welche das Wort Christi so arglos und vertrauensvoll in ihrer Seele auf- und angenommen haben! Wie vernünftig und weise haben sie gehandelt, sich mit Sinn und Verstand gefangen zu geben und unzweifelhaft zu glauben, da, wo die ewige Weisheit selber spricht: „Wahrlich, wahrlich, Ich sage euch!“ Noch heute ertönet dieses Wort des unfehlbaren gottmenschlichen Lehrmeisters in Seiner Kirche, und ach! Verblendete Menschen glauben, sich zu erniedrigen, wenn sie dem Worte sich unterwerfen! Tritt irgendein leichtfertiger Mensch, ein gewissenloser, oberflächlicher Schriftsteller, ein fader Schmeichler, ein boshafter Verleumder, ein niederträchtiger Ohrenbläser vor sie hin und versichert ihnen: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch“, wie schnell und bereitwillig glauben sie dem Worte! Der Braut Christi aber, der heiligen Kirche, deren Wort durch Wunder und Zeichen bekräftigt, durch das Blut der heiligen Martyrer bezeugt, und durch Wissenschaft und Erfahrung tausendfach bestätigt worden: ihr verweigern sie den Glauben! O welche Torheit! O bittet für mich, ihr heiligen Erstlinge des Glaubens, daß ich dem göttlichen Meister und Seiner Kirche mich allezeit so treu und innig anschließe, wie ihr dereinst demselben euch angeschlossen habt!

Herodias verlangt das Haupt des Täufers

Damit war das Werk des hl. Johannes des Täufers fast vollendet. Es fehlte nur noch das letzte Opfer des Todes. Auch dieses ist eines großen Propheten würdig. Die Vorhaltungen des hl. Johannes des Täufers haben den König Herodes aufgebracht, mehr noch seine Geliebte – denn Ehefrau darf man Herodias, die Frau seines Halbbruders Philippus, eigentlich nicht nennen. 

Der König ließ den Propheten einfach gefangen nehmen und ins Gefängnis werfen. Dieser verdorbene Mann scheint jedoch immer noch einen Rest von Ehre bewahrt zu haben, er hörte den Johannes gerne zu und erkannte in ihm einen heiligen Mann. Das hinderte ihn hinwiederum nicht, Johannes den politischen Notwendigkeiten zu opfern – wobei er von den verschiedenen Parteien hin- und hergerissen wurde. 

Wie das Evangelium berichtet, wurde Johannes schließlich das Opfer eines ungewöhnlich starken fraulichen Hasses. Bei einem der Feste des Königs ging es hoch her. Wie gewöhnlich schmauste und tanzte man und der Wein erheiterte die Gemüter. Da trat Salome, die Tochter der gottlosen Herodias, in den Saal und tanzte. Ein rauschender Beifall brauste auf, als sie ihren Tanz beendete. Der angetrunkene König rief der verführerischen Tänzerin zu, sie könne bitten, um was sie wolle, er werde es ihr geben, und wenn es selbst das halbe Reich wäre. In seinem Überschwang leistet er darauf sogar einen Eid.

Als Salome zu ihrer Mutter geht, um diese um Rat zu fragen, erkannte diese sofort, daß nun die Stunde der Rache gekommen war. In ihrem Haß forderte sie den Kopf des Johannes. Sogleich ging Salome zum König und sagte: „Ich will, daß du mir das Haupt des Täufers auf einer Schüssel gibst.“

Eine überaus kostbare Reliquie

König Herodes war zwar entsetzt ob eines solchen Wunsches, aber wegen seines Schwures und aus feiger Menschenfurcht vor den Gästen ließ er Johannes enthaupten und den Kopf des Vorläufers der Salome auf einer Schüssel überreichen. Diese brachte die grausige Schüssel der Mutter, welche daran ihren Haß ausließ. Eine Überlieferung berichtet, daß Herodias das Haupt zur Bestattung mit dem Körper nicht freigab, sondern es verfluchte und es in ihrem Palast vergrub und zwar an einem „unehrenhaften Ort“. Die fromme Johanna, die Ehefrau des Hofmeisters Husa (Lk 8,3) wußte, wo Herodias den Kopf vergraben hatte, nahm ihn und beerdigte ihn auf dem Ölberg, in einer der Einrichtungen Herodes‘. Nach vielen Jahren ging der Besitz über zum frommen Innocentius, der dort eine Kirche zu errichten begann. Als die Fundamentgrube gegraben wurde, wurde der Behälter mit dem wahren Kopf Johannes des Täufers gefunden. Innocentius erfuhr von der Großartigkeit der Reliquie nach ihren segensreichen Wundertaten. So geschah die erste Auffindung des Kopfes Johannes des Täufers. Innocentius behielt sie in großer Ehrfurcht, hatte jedoch vor seinem Tod Angst, daß das Heiligtum von Unreinen gefunden und verunehrt werden könnte, weshalb er es dort vergrub, wo er es auffand. Nach seinem Tod verwaiste die Kirche und verfiel.

Die Strafe für die grausame Ermordung des Täufers

Diese Schandtat konnte Gott nicht ungesühnt lassen. Herodes wurde bekriegt, besiegt, aus dem Land verjagt und endete als Bettler zu Lyon in Frankreich, wohin ihn der römische Kaiser verbannt hatte. Salome aber brach, wie alte Schriftsteller berichten, eines Tages so unglücklich in einen zugefrorenen Fluss ein, daß ihr die Eisstücke den Kopf vom Körper trennten. Gottes Mühlen mahlen langsam, aber sicher.

Verehrung des hl. Johannes des Täufers

Bei den Christen blieb das Gedächtnis des hl. Johannes immer lebendig. Otto Bitschnau OSB schreibt in seinem Heiligenbuch: 

Ohne Zweifel hat die inhaltsvolle Lobrede, mit der Jesus Christus selbst seinen geliebten Vetter und Täufer ehrte, viel beigetragen, daß der hl. Johannes in der ganzen katholischen Christenheit so hoch verehrt wird, daß ihm so zahlreiche Kirchen geweiht sind, und unter diesen „die Mutter und das Haupt aller Kirchen der Welt und des Erdkreises“ die Lateran-Basilika in Rom: daß zu seiner Ehre drei Feste: am 24. Juni „seine Geburt“, am 29. August „seine Enthauptung“, am 24. Februar „die erste Auffindung seines Hauptes“ – und bei den Griechen am 23. September noch ein viertes, das „seiner Empfängnis“ gefeiert werden; daß ihn mehrere Länder und Städte, mehrere Orden und Handwerke (der Maurer und Schneider) zu ihrem Patron, und die an Fallsucht Leidenden zu ihrem besonderen Fürbitter erwählt haben. Die kostbarste Reliquie dieses Heiligen, sein Haupt, befindet sich nach langen Wanderungen zu Amiens in Frankreich, verherrlicht durch viele Wunder; seine rechte Hand soll nach Zisterz und seine linke Hand nach Perpignan gekommen sein. In vielen Gegenden wird am Abend des heiligen Johannes-Festes, meist auf Anhöhen, ein Feuer angezündet, dessen Bedeutung nicht klar ist, besonders wegen der ungeziemenden Sprünge, die um dasselbe gemacht werden. Einige beziehen diese Sitte auf den Stand der Sonne, welche um diese Zeit abzunehmen beginnt, während sie am Geburtsfest Jesu Christi zu wachsen anfängt, da er zu seinen Jüngern, die über den vermehrten Wirkungskreis Jesu ärgerlich und eifersüchtig waren, in so schöner Demut sprach: Ich muss abnehmen, Er aber zunehmen.“ 

(Otto Bitschnau OSB, Das Leben der Heiligen Gottes, 1881, S. 479-480)