Nachdenkliches

...zum Fest Maria Lichtmeß

Unsere hl. Liturgie zeichnet die bedeutsamsten heilsgeschichtlichen Ereignisse im Laufe eines Kirchenjahres nach und vermittelt uns dabei die zu unserem Heil notwendigen Gnaden. Im Mittelpunkt dieser Feiern steht das Leben und Opfer unseres göttlichen Heilandes. Je mehr sich der Katholik darin vertieft, desto wirksamer werden an ihm diese Heilsgeheimnisse. Erst durch das beständige Durchdenken des Lebens und Opfers Jesu werden wir allmählich des unermeßlichen Gnadenschatzes inne, den uns unser Herr erworben hat.



Dabei steht unserem Herrn Jesus Christus immer Seine heiligste Mutter zur Seite. „Durch ihre Leidens- und Willensgemeinschaft mit Christus hat Maria die Würde verdient, Wiederherstellerin des verlorenen Erdkreises zu werden und darum auch Austeilerin aller Gnaden zu sein, die uns Jesus durch seinen Tod verdient hat“, sagte der hl. Papst Pius X. (Acta Apost. Sedis 36 (1903/4), S. 453). Die Modernisten sehen in solchen Worten sicher eher eine bloß fromme Übertreibung oder sprechen von mariologischem Wildwuchs. Dabei zeigt sich besonders darin das Geheimnis Mariens in ihrer Stellung innerhalb der „Communio Sanctorum“, also innerhalb der organischen Gemeinschaft, in der alle Glieder der Kirche sich sowohl fürbittend als auch schon durch ihre übernatürliche physische Zusammengehörigkeit die Gnaden vermittelnd erweisen — freilich immer in der Einheit mit dem Gottmenschen Jesus Christus, der letztlich immer der einzige Mittler zum Vater ist.

In diesem Sinne, sagt Alban Stolz „kommt auch Maria eine allgemeine Gnadenvermittlung zu, welche der Art nach nicht verschieden ist von der aller anderen lebendigen Glieder der Mater Ecclesia [Mutter Kirche], dem Grade nach aber alle anderen überragt, weil Maria auf Grund ihrer einzigartigen Heiligkeit auch in der Ecclesia sine macula et ruga [Kirche ohne Makel und Runzeln] eine besondere Stellung einnimmt“. Der hl. Augustinus drückt dies einmal folgendermaßen aus: „Heilig ist Maria, selig ist Maria, aber höher steht die Kirche als die Jungfrau Maria. Warum? Weil Maria ein Teil der Kirche ist. Sie ist ein heiliges Glied, ein bedeutendes Glied, ein hervorragendes Glied, aber immer ein Glied am ganzen Leibe. Ist sie aber ein Glied, dann ist der Leib mehr als das Glied“ (Sermo 25, 7; Morin, Sermones, Rom 1930, S.163. — PL 46,938 A).

Du Gottes Tochter und Mutter und Braut

Aber damit ist nur die eine Seite des marianischen Geheimnisses angesprochen. Die andere Seite ist letztlich darin mitgesagt und eingeschlossen: Maria ist auch in einem wahren und universalen Sinn die „Mutter der Kirche“, nicht nur ihre größte Tochter, und als Mutter ist sie die Mittlerin aller lebendig machenden Gnade des Leibes Christi. Auch das Wesen der Kirche hat einen doppelten Charakter: Die Kirche ist einerseits Leib Christi (wobei Christus in seiner Menschheit als das die Einheit des Leibes integrierende Haupt aufgefasst wird); anderseits aber ist die Kirche auch die Braut Christi (wobei ihr Christus, der Gottmensch, als der himmlische Bräutigam gegenübersteht). Ähnliches gilt für die heilsgeschichtliche Stellung Mariens: Sie ist einerseits „Tochter“, das ist gleich uns Mitempfangende, ist sie doch die erste unter den Erlösten und somit Glied der Kirche; anderseits aber ist sie auch „Mutter“, das ist übernatürliches Leben Schenkende, immerdar neue Gotteskinder Gebärende, indem sie in Bezug auf die anderen Glieder eine weitergehende, Gnade vermittelnde Funktion ausübt. Der hl. Augustinus weist ebenfalls auf diese geheimnisvolle Zweiheit im Wesen Marias und ihrer Heilsaufgabe hin:

Diese Frau ist nicht allein dem Geiste nach, sondern auch leiblich Mutter und Jungfrau. Und zwar ‚Mutter‘ im Geiste, nicht nur unseres Hauptes, das der Erlöser ist (aus dem vielmehr auch sie geistigerweise geboren ist; denn alle, die an ihn geglaubt haben und zu denen auch sie gehört, werden mit Recht ‚Kinder des Bräutigams‘ genannt), sondern auch offensichtlich Mutter seiner Glieder, und das sind wir. Denn sie hat in Liebe mitgewirkt, daß die Gläubigen in der Kirche geboren werden, die die Glieder jenes Hauptes sind.“

De sancta virginitate c 6 (PL 40,399 B)

Mutter der göttlichen Gnade

So begreifen wir also Maria als Bild und Inbegriff der hl. Kirche, als „Mutter der Einheit unter den Vielen“, sie ist die „Mutter der Christenheit“ und die „Mutter der göttlichen Gnade“.  „Wir danken dir, Meister, Menschenfreund“, so betet die Ostliturgie seit mehr als anderthalb Jahrtausenden im Augenblick, da die Kommunion empfangen wird, „daß du uns gewürdigt hast, heute an deinen himmlischen und unsterblichen Mysterien teilzunehmen. Mach gerade unseren Weg, wache über unser Leben, im Hinblick auf die Gebete und die Fürsprache der glorreichen Mutter Gottes und Jungfrau Maria und aller deiner Heiligen“. Wenn aber Maria unter allen Heiligen ob ihrer Gottesmutterwürde die Größte ist, dann ist selbstverständlich auch ihre Fürbitte die allumfassendste. Dementsprechend hat der hl. Cyrillus von Alexandrien die Gottesgebärerin in Ephesus auf den Trümmern des Tempels der Magna Mater gegrüßt, und sein Gruß ist ein einziger Lobpreis auf die Gnadenvermittlung und auf den einzigen Mittler Christus:

Gruß dir, Gebärerin Gottes, heiliges Kleinod des ganzen Erdkreises. Lampe, die nie erlischt. Kranz der Jungfräulichkeit, Szepter des orthodoxen Glaubens. Unzerstörbarer Tempel. Ort des Ortlosen, Mutter und Jungfrau. Durch dich jubelt der Himmel, durch dich sind fröhlich die Engel. Durch dich werden verjagt die Dämonen, durch dich stürzte der Versucher-Teufel aus dem Himmel. Durch dich wird das gefallene Menschengeschöpf zum Himmel emporgeführt, durch dich kommt jede Kreatur zur Erkenntnis der Wahrheit. Durch dich wird allen Glaubenden zuteil die heilige Taufe, durch dich die Salbung mit dem Öl der Freude. Und festgegründet stehen durch dich alle Kirchen des Erdkreises. Was soll ich noch viel sagen: durch dich ist aufgestrahlt für alle, die noch in Finsternis und Todesschatten sitzen, das Licht – das da ist Gottes Sohn.“ 

Homilie 4 (PG 77,992)

Das Licht der Welt

Am Ende der Weihnachtszeit feiern wir das Fest Maria Lichtmeß. Durch all die weihnachtlichen Feiern wird unser hl. Glaube 40 Tage lang vertieft und gestärkt, der Glaube an die Gottheit Jesu Christi. Voller Ergriffenheit und Begeisterung haben wir immer wieder an der Krippe betend ausgerufen: Das da ist Gottes Sohn! Zudem erkannten wir mit dem hl. Cyrillus von Alexandrien: Durch Maria „ist aufgestrahlt für alle, die noch in Finsternis und Todesschatten sitzen, das Licht“. Dieser Glaube ist schließlich das Fundament des ganzen Christentums. An diesem Glauben scheiden sich die Geister, wie es der greise Simeon vorhergesagt hat. Er, Jesus Christus, ist „gesetzt zum Falle und zur Auferstehung vieler in Israel und zu einem Zeichen, dem man widersprechen wird“ und Er ist zudem ein „Licht zur Erleuchtung der Heiden.“So heißt es nämlich beim Propheten Isaias: „Siehe, zum Lichte der Heiden habe Ich Dich gemacht, auf daß Du öffnest das Auge der Blinden und lösest die Gefangenen aus Kerker und Finsternis – und es werden wandeln die Völker in deinem Lichte.“

Deswegen nennen wir dieses Fest nicht nur das Fest der Darstellung Jesu oder Mariä Reinigung, sondern auch Mariä Lichtmeß. Er, Jesus Christus, ist das Licht der Welt, in dem alle Pläne der göttlichen Vorsehung offenbar werden und der eine Weg erkennbar wird, der zum Vater führt. Als Sinnbild dieses Lichtes, des wahrhaftigen Himmelslichtes, werden am Festtag auch die Kerzen geweiht, angezündet und in feierlicher Prozession umhergetragen. So ist dieses Fest ein würdiger und angemessener Schlußakkord der weihnachtlichen Zeit. Maria bringt ihren göttlichen Sohn in den Tempel, um Ihn dort dem himmlischen Vater aufzuopfern und Ihn gemäß den alttestamentlichen Vorschriften loszukaufen – für Sein Erlösungswerk, so könnte man sagen. Zugleich mit ihrem Sohn erhält Maria vom himmlischen Vater die Voraussage, daß auch ihr Herz ein Schwert durchbohren wird. Niemals weicht Maria von der Seite ihres Sohnes, sie steht schließlich in ihrer unverbrüchlichen Treue unter Seinem Kreuz, um sich vollkommen mit Seinem Opfer zu vereinen. So erscheint uns Maria am Ende der Weihnachtszeit mit einem Mal als Schmerzensmutter, wodurch die hl. Liturgie schon auf die kommende Fastenzeit verweist, die in der Karwoche ihren Höhepunkt erreicht.

Und die Finsternis der Menschenmachwerkskirche

In der Menschenmachwerkskirche ist natürlich alles anders. Schon Roncalli, alias Johannes XXIII., hatte bei seiner „Reform“ des Meßbuches die Oktav des Dreikönigsfestes gestrichen. Mit der Einführung der sog. Neuen Messe und der Neugestaltung des liturgischen Kalenders gemäß einem neuheidnisch-okkulten Jahreskreis ließ man die Weihnachtszeit schon mit dem Fest der „Taufe des Herrn“ am ersten Sonntag nach dem Dreikönigsfest enden. Es durfte nun einmal bei dieser „Reform“ nichts so bleiben, wie es über Jahrhunderte oder selbst mehr als tausend Jahre gewesen war. Auch die uralten Gebräuche waren auf einmal nichts mehr wert, alle kirchlichen Traditionen wurden eingeebnet, weil der übernatürliche Sinn für das heilige Geheimnis schon lange erloschen war. 

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Um diesen übernatürlichen Sinn ein wenig deutlich zu machen, folgen wir nunmehr den Unterweisungen L.C. Busingers in seinem Werk: „Das Leben unseres lieben Herrn und Heilandes Jesus Christus und Seiner jungfräulichen Mutter Maria zum Unterricht und zur Erbauung im Sinne und Geiste des ehrw. P. Martin v. Cochem“. Der Autor schöpft aus der Tradition eine reiche Symbolik und einen tiefen mystischen Sinn unseres Festes. Dabei ist es wohl kaum möglich, besser, treffender und ergreifender von der Weihnachtszeit in die bald anbrechende Fastenzeit überzuleiten. 

1. 40 Tage nach der Geburt Jesu

Wenige Wochen nach der Entfernung der heiligen drei Könige erfüllten sich, wie der heilige Evangelist Lukas erzählt, die Tage der Reinigung Mariens nach dem Gesetz des Moses. Es mußte nämlich jede jüdische Mutter, die ein Knäblein geboren hatte, am 40sten Tage im Tempel erscheinen, um unter Opfer, Segnung und Gebet die gesetzliche Reinigung zu erlangen, da sie bis dahin als unrein erklärt, und vom Tempel ausgeschlossen wurde. Das Gesetz verlangt, daß eine solche Mutter ein einjähriges Lamm zum Brandopfer, und überdies noch eine Taube oder Turteltaube zum Opfer für die Sünde darbringe. Gehörte jedoch die Mutter zur Klasse der Armen, so war es ihr gestattet, statt des Lammes eine zweite Taube oder Turteltaube zu opfern.

Überdies befahl das Gesetz, daß alle Erstgeborenen im Tempel dargestellt, dem Herrn geopfert und, wofern das Knäblein nicht aus dem Stamme Levi war, mit fünf Schekeln Silber losgekauft werde. Dies hatte der Herr zur beständigen Erinnerung an jene Nacht befohlen, in welcher der Würgengel alle Erstgeburten Ägyptens getötet, die Erstgeborenen Israels aber geschont hatte.

Es ist offenbar, daß die jungfräuliche Gottesgebärerin Maria von diesen beiden Gesetzen vollkommen frei war, vom Gesetz des Loskaufes sowohl als vom Gesetz der Reinigung. Denn mit Recht bemerkt der heilige Hilarius: „Wenn der Sohn eines Königs und der Erbe einer Krone von aller Last und Dienstbarkeit, welcher die übrigen Landeskinder unterworfen sind, ausgenommen ist: mit welch‘ größerem Recht war nicht Jesus Christus, der eingeborene Sohn des himmlischen Vaters und der Welterlöser, von jeder Verbindlichkeit frei, sich loszukaufen?“ – Sodann hatte Maria nicht auf menschliche Weise, sondern durch die Wirkung des Heiligen Geistes empfangen, und durch ein Wunder geboren, und war durch die hochheilige Geburt nicht verunreinigt, sondern vielmehr durch den Urheber aller Reinigkeit noch mehr geheiligt worden. Dennoch wollte die allerseligste Jungfrau sich unterwerfen und den gewöhnlichen Müttern sich gleichstellen. Sie erkannte ja die geheimnisvolle Bedeutung ihres Hinganges zum Tempel: ein Ofer sollte dem himmlischen Vater hiermit dargebracht werden, reicher als alle, die bisher im Tempel waren dargebracht worden – ein Opfer, das Seiner unendlichen Majestät vollkommen würdig war. Sie wollte jetzt ihren Eingebornen als Morgenopfer darbringen, Ihn, der einst als Abendopfer die göttliche Gerechtigkeit versöhnen und das sündbeladene Geschlecht Adams vom ewigen Tode erlösen sollte. Und auch sie wollte – wie ihr göttliches Kindlein – durch die demütige und freiwillige Unterwerfung unter das Gesetz, uns allen ein leuchtendes Beispiel des Gehorsams hinterlassen, damit fortan sich niemand zu groß, zu heilig oder zu gebildet halte, um den Gesetzen der Kirche sich zu unterwerfen.

2. Von Bethlehem nach Jerusalem

So rüstet sich denn die heilige Gottesmutter mit ihrem jungfräulichen Gemahl zum Hingang nach Jerusalem. Nochmals besuchten sie die Krippenhöhle, um von diesem heiligen Gnadenort Abschied zu nehmen. Nochmals beteten sie inbrünstig an der Stelle, wo das göttliche Kind geboren worden war, und dankten dem himmlischen Vater aus dem Innersten ihres Herzens für alle Wohltaten, die Er an diesem Ort ihnen und der ganzen Welt erzeigt hatte. Sie küßten die ehrwürdigen Felsen, welche der heilige Leib ihres Kindes berührt hatte, und vergossen Tränen der Rührung beim Gedanken an die vielen, so wunderbaren, unaussprechlichen Erlebnisse in der Felsengrotte. Ach, wie schmerzlich fiel es ihnen, sich von dieser armen Höhle zu trennen, die der Allerhöchste selbst zur Geburtsstätte seines Sohnes auserwählt und die der Heilige Geist durch so herrliche Wunder der Gnade zu einem Heiligtum für alle Jahrhunderte eingeweiht hatte!

Mit Tagesanbruch machte sich die heilige Familie auf die Reise. Maria saß auf dem Lasttier, und hielt das göttliche Kindlein, in den Schleier gehüllt, auf ihrem Schoß. Joseph führte das Lasttier, und freute sich in stiller, heiliger Freude darüber, daß er würdig befunden worden, der schützende Begleiter des Allerheiligsten und der treue Hüter des kostbarsten Schatzes im Himmel und auf Erden zu sein. So zogen sie langsam den Hügel hinunter, auf welchem Bethlehem lag. Tränen traten ihnen in die Augen beim Gedanken, welches Heil dieser altehrwürdigen Davidstadt widerfahren war, und wie wenig ihre Einwohner es erkannt hatten. Ach, da war – außer einigen frommen Hirtenfamilien – kein Mensch, der dem neugebornen König die schuldige Ehre erwies. Niemand kümmerte sich um das holdselige, gnadenvolle Kindlein; nur Maria drückte Es an ihr liebwarmes Herz. Doch was die Menschen in ihrer Hartherzigkeit und Verblendung versäumten, das suchte die vernunftlose Kreatur zu ersetzen. Denn siehe, wie auf der Reise von Nazareth nach Bethlehem, so hielt auch hier das Lasttier auf einmal unter einem Feigenbaume, der am Wege stand, stille; der Baum aber neigte sich und beugte die mächtigen Äste über seinen Schöpfer, als wollte er Ihm seine Huldigung darbringen. Maria ruhte ein wenig unter dem Baum; dann setzte sich der Zug neuerdings in Bewegung und bald standen sie vor den Toren Jerusalems.

Hier erwäge, o christliche Seele, die schönen und inhaltsschweren Worte, mit welchen der ehrwürdige Ludwig von Granada das Jesuskindlein und seine göttliche Mutter bei diesem Einzuge in die Stadt Jerusalem begrüßt: - „So gehe denn ein – spricht er – o Jungfrau, und führe deinen holdseligen Knaben in die Stadt. O Knäblein, sieh hier diese große Stadt, die Du einst durch so viele gewaltige Wunder verherrlichen wirst. Hier wirst Du die größte und wunderbarste Tat vollbringen, größer fürwahr und herrlicher als selbst die Schöpfung des Weltalls: denn leichter ist es der Allmacht, eine Welt zu erschaffen als sie zu erlösen. Sieh, o liebreicher Säugling, hier ist das Schlachtfeld, wo Du mit jenem ungeheuren Riesen Goliath kämpfen sollst: mit fünf Steinen, d. h. mit den fünf Wunden deines allerheiligsten Leibes und mit dem Speer des heiligen Kreuzes wirst Du ihn erlegen. Hier sollst Du ihn überwinden, hier das Haupt ihm abschlagen, hier seines Raubes ihn berauben, hier den Tod durch deinen Tod ertöten und die Sünde durch die Strafe der Sünde tilgen. Sieh hier den Kampfplatz, wo Du einst als der starke Held auftreten wirst; faß ihn wohl ins Auge und miß ihn genau, daß seine Länge und Breite Dir kund sei. Jetzt wirst Du auf den holden Armen der Jungfrau dahin getragen – dann aber wirst Du selbst auftreten und das Kreuz, samt dem Fluche, der darauf lastet, auf deinen Schultern dahintragen. Erhebe nun deine süßen, unschuldigen Äuglein zu jenem Berg vor der Stadt: geben sollst Du dort und empfangen: geben dein Leben, empfangen den Sieg! Durch deinen Tod wirst Du das Reich der Sünde zerstören und den Fürsten der Finsternis hinauswerfen. O wie sehr wird jenes Opfer von dem heutigen verschieden sein! Heute wirst Du zwar auch geopfert, aber sofort erlöst; dort aber wirst Du geopfert werden, und selbst der Erlöser sein. Heute wirst Du mit fünf Silberstücken losgekauft; dort aber wirst Du die Welt mit deinen heiligen fünf Wunden loskaufen. Heute wirst Du auf Simeons Armen geopfert; dort aber auf den Armen des Kreuzes Dich selbst opfern. Heute, o zartes Knäblein, wirst Du als Morgenopfer, dann aber als Abendopfer dargebracht werden.“

3. Das Reinigungsopfer

Still und unbemerkt zog die heilige Familie durch die Straßen Jerusalems zum Tempel. Doch von weitem schon kam ihnen der ehrwürdige Priestergreis Simeon entgegen. Ihm war vom Heiligen Geist geoffenbart worden, er werde den Tod nicht schauen, bis er den Trost Israels, den verheißenen Messias, gesehen. Von heiliger Sehnsucht getrieben, kam der gotterleuchtete Mann am heutigen Tage schon früh zum Tempel, und sobald er am Eingang des Tempels der heiligen Familie begegnete, erkannte er sogleich durch Eingebung des Heiligen Geistes, daß dieses das Kind der Verheißung sei; denn Maria erschien ihm von wundersamem Lichtglanze umflossen, das göttliche Kind aber strahlte in himmlischer Schönheit ihm entgegen.

Die heilige Jungfrau wurde an den Ort geführt, wo die gesetzliche Reinigung der Mütter zu geschehen pflegte. O du allerreinste, makellos empfangene Gottesbraut, die du rein warst vor der Geburt Christi, rein in der Geburt und rein nach der Geburt – o Jungfrau, alle himmlischen Geister an Heiligkeit überstrahlend, was magst du wohl gedacht haben, als du dastandst gleich einer gemeinen Sünderin und gleich dem allerärmsten Weib zwei Täubchen als Reinigungsopfer darbrachtest? Freilich wußtest du, daß keine Makel in dir sei; dennoch vertieftest du dich mit herzlichster Demut in den Abgrund deiner Niedrigkeit, indem du überdachtest, daß es einzig und allein die überschwengliche, freie Gottesgnade sei, die dich so huldreich von der Sündhaftigkeit anderer Menschenkinder bewahrt habe! – In solch‘ demütige Gedanken versunken, stand Maria vor dem Reinigungsaltar, indes die Priester die vorgeschriebenen Gebete und Segnungen über sie verrichteten, und die zwei Täublein – das eine zum Brand-, das andere zum Sühnopfer – schlachteten.

Dieses Hinganges zum Tempel und all‘ der preiswürdigen Demut Mariens während ihres Reinigungsopfers sollst du eingedenk sein, o christkatholische Mutter, wenn du, einige Wochen nach der Geburt deines Kindes, zum ersten Male den Tempel Gottes wieder betreten darfst. Denn, hat auch das alttestamentliche Reinigungsopfer keine Geltung mehr in der Kirche Christi, so besteht dennoch bis auf unsre Tage die ebenso rührende als bedeutungsvolle Sitte der sog. Aussegnung der Wöchnerinnen. Der erste Ausgang der christlichen Mutter, nach den Tagen ihrer Niederkunft, ist zur Kirche, zum Hause des Herrn. Dort spricht der Seelsorger die schönen, von der Kirche auserwählten Segensgebete über sie; sie aber erfleht mit zärtlicher Muttertreue die Gnade des Allerhöchsten über ihr neugeborenes Kind, und während sie die kleine Opfermünze auf den Altar niederlegt, gedenkt sie in Andacht jenes ärmlichen Taubenopfers, das Maria in der Stunde ihrer Reinigung dargebracht hat.

4. Der Friedensfürst im Tempel

Nachdem die Reinigungszeremonie vollendet war, führte der greise Simeon die allerheiligste Mutter mit ihrem Kinde zum Altar, wo die Darstellung und Auslösung der Erstgebornen vorgenommen wurde. Sie legte das Kindlein auf den Opfertisch. Ein übernatürliches Licht schien den ganzen Tempel zu erfüllen: Jetzt war die Herrlichkeit Gotts wahrhaftig im Heiligtum, und das Auge des Glaubens sah den Himmel geöffnet über dem Heiligtum, und ein Strahlenmeer sich ergießen vom Thron der allerheiligsten Dreifaltigkeit über das Kindlein der Gnade. In diesem Augenblick erfüllte sich die Weissagung des Propheten Aggäus: „Noch eine kleine Weile, und Ich erschüttere den Himmel und die Erde, das Meer und das Trockene. Und Ich erschüttere alle Völker und es wird kommen der Ersehnte aller Völker. Dann erfülle Ich dieses Haus mit Herrlichkeit, spricht der Herr der Heerscharen, und größer soll die Herrlichkeit dieses Tempels sein als die des Ersten: and diesem Orte will ich den Frieden geben.“ – Diesen ersehnten Friedensfürsten hatte nun Maria auf ihren Armen, und opferte das Kind dem himmlischen Vater auf. In diesen zweiten Tempel war nun Gott leibhaftig gekommen, und dadurch ward dieser Tempel weit mehr verherrlicht, als wenn im Alten Testament Gott in der leuchtenden Wolke herniederstieg und Sein Glanz den Tempel erfüllte. Jenen Gott, den Himmel und Erde nicht fassen, den umfaßten und hielten die zarten Mutterarme Mariens, und Er war als kleines Kind in den weiten Räumen des Tempels!

Du aber erwäge, o christliche Seele, und betrachte es wohl: die Mutter des Herrn dieses Tempels, von dem geschrieben steht: „Mein ist der Himmel und mein ist die Erde und all‘ ihre Fülle“ – sie ist – in freiwilliger Armut – jenen hebräischen Müttern der untersten Volksklasse gleich geworden, die am Tage ihrer Reinigung nicht einmal ein Lamm, sondern nur ein Paar Tauben darzubringen vermochten! So wollten uns Jesus und Maria hier abermals ein Beispiel ihrer Liebe zur Armut geben. Die Mauern deines Hauses, o Herr, schimmerten von Gold und Silber: Du aber, o Herr dieses Hauses, ziehst in Dein Heiligtum ein als ein armes Kind, getragen auf den Händen einer armen Jungfrau!

Bei der Darstellungsfeierlichkeit waren mehrere Priester gegenwärtig. Einer von ihnen nahm das Kind von den Armen der Mutter in seine Hände, hob es über dem Opfertisch empor, schaute gen Himmel und sprach die vorgeschriebenen Gebete und Segnungen, worauf die Eltern Jesu die fünf Silberstücke opferten, und damit ihr Söhnlein erkauften und gesetzlich auslösten.

5. Der greise Simeon

Nun war jeder kirchlichen Vorschrift Genüge geleistet, die Opfer waren dargebracht und die Feierlichkeit vollendet: nun durfte der greise Simeon auch dem inbrünstigen Verlangen seiner Seele Genüge tun. O wie sehnsüchtig hatte er diese Stunde erwartet! Der heilige Evangelist erzählt von ihm: „Und siehe, es war ein Mann zu Jerusalem, mit Namen Simeon, und dieser Mann war gerecht und gottesfürchtig und er harrte auf den Trost Israels und der Heilige Geist war in ihm. Und es war ihm vom Heiligen Geiste geoffenbart worden, daß er den Tod nicht schauen werde, bis er den Gesalbten des Herrn gesehen. Und er kam auf Antrieb des Geistes in den Tempel, und als die Eltern das Kind Jesus hineinbrachten, um da für Ihn zu tun, was nach dem Gesetze Gewohnheit war, nahm er Es auf seine Arme, pries Gott und sprach: Nun entlassest Du, o Herr, nach deinem Worte deinen Diener in Frieden. Denn meine Augen habe dein Heil gesehen, das Du bereitet hast vor dem Angesichte aller Völker, als ein Licht zur Erleuchtung der Heiden und zur Verherrlichung deines Volkes Israel.“

Wer vermöchte die Gedanken dieses ehrwürdigen Greises auszusprechen und zu schildern die selige Freude seines Herzens, als er nun die Erhörung seiner vielen Gebete und inbrünstigen Seufzer, den Gegenstand seiner langjährigen unaussprechlichen Sehnsucht, als er den Messias mit seinen leiblichen Augen sah! Mit welchen Gefühlen flammender Liebe streckte er seine zitternden Arme nach dem holdseligen Kindlein, nach diesem allerhöchsten Schatz der Gottheit aus! Wahrlich, die Freudentränen dieses edlen, ganz in Gott aufgegangenen Mannes, sein frommer, freudetrunkener Blick gen Himmel, und die heißen Küsse, die er voll Ehrfurcht und Anbetung auf die Lippen des Knäbleins drückte: das war ein Dankopfer – so rein, so wahr und gottwohlgefällig, wie irgend im Alten Bunde eines war dargebracht worden. Wohl hattest du Recht, o glücklicher Greis, wenn du nun aufgelöst zu werden und von dieser Erde zu scheiden wünschtest. Denn was vermochte diese arme Erde dir noch zu bieten, nachdem du die Süßigkeit deines Heilandes so unmittelbar verkostet? Und wie konnte der Tod dich noch schrecken, nachdem du mit dem Urheber und Wiederhersteller des Lebens einen so innigen, unzertrennlichen Bund der Liebe geschlossen hattest? O möge auch ich meinem Sterbestündlein so ruhig und getröstet entgegensehen! Und möge auch ich dann – beseligt durch die gnadenvolle Heimsuchung meines Erlösers in der heiligen Kommunion – mit froher Zuversicht den Gesang Simeons anstimmen: „Nun entlaß, o Herr, deinen Diener in Frieden, denn meine Augen haben Dein Heil gesehen!“

Dieses Heil in Christo bezeichnet Simeon als ein „Licht zur Erleuchtung der Heiden.“ Er gedachte nämlich der alten Weissagung des Propheten Isaias, der, auf den künftigen Messias hinweisend, ausgerufen hatte: „Siehe, zum Lichte der Heiden habe Ich Dich gemacht, auf daß Du öffnest das Auge der Blinden und lösest die Gefangenen aus Kerker und Finsternis – und es werden wandeln die Völker in deinem Lichte.“

– Dieses herrliche, wunderbare Licht schaut nun Simeon, dieses glorwürdige Licht lobpreist der altersschwache Greis mit der feurigen Begeisterung des Jünglings, auf dieses beseligende Licht weist er alle zukünftigen Geschlechter. Daher kommt es, daß das Fest, welches die Kirche zum Andenken an diese Begebenheit eingesetzt und angeordnet hat, nicht nur das Fest der Darstellung Jesu, oder dann Mariä Reinigung, sondern auch Mariä Lichtmesse heißt. Die Kerzen, die heute gesegnet, angezündet und in feierlicher Prozession umhergetragen werden, sind eben das Sinnbild Chrisi, des wahrhaftigen Himmelslichtes, das von Simeon feierlich anerkannt und als das Heil und die Herrlichkeit seines Volkes war gepriesen worden.

Wenn aber von diesem Himmelslicht die Herrlichkeit ausströmt und das Heil, wie kommt es, daß Simeon sich nun zu Maria wendet, und ihr Mutterherz mit den Worten verwundet: „Siehe, dieser ist gesetzt zum Falle und zur Auferstehung vieler in Israel und zu einem Zeichen, dem man widersprechen wird – und ein Schwert wird deine eigene Seele durchdringen, damit die Gedanken vieler offenbar werden?“ – Ach, das ist die Prophezeiung jener unglückseligen Tatsache, die der heilige Evangelist Johannes hundert Jahre später mit den Worten erzählet: „Das Licht scheint in die Finsternisse, und die Finsternisse haben es nicht begriffen,“ d. h. nicht begreifen wollen. Alle, die guten Willens waren, und die in Zerknirschung wehklagten über ihre Verirrungen in den Finsternissen des Unglaubens, des Irrglaubens und des Lasters, diese empfingen Gnade, dem Lichte in Christo sich zuzuwenden, aufzuerstehen aus den Schatten des Todes und Kinder Gottes zu werden. Jene dagegen, welche ihre Geistesnacht Licht und ihre Verblendung Weisheit nannten, die erhoben sich voll Stolz und Entrüstung gegen das Licht in Christo, sie widersprachen Ihm und verwarfen es: von nun an ward ihre Geistesnacht noch dunkler und ihr Fall noch tiefer und schaudervoller als zuvor.

O liebe Schmerzensmutter Maria, wie herzlich bemitleide ich dich ob dieser Prophezeiung Simeons, welche du nie mehr vergessen konntest, und die fortan jede Mutterfreude dir verbittern mußte! Allein anders durfte es ja nicht sein: als die Vollkommenste unter den Vollkommenen solltest du mit Christo, deinem Sohne, in innigster Lebensgemeinschaft verbunden sein; wie nun dein göttlicher Sohn sein bitteres Kreuz und all‘ die schrecklichen Wunden, die Ihm dereinst geschlagen würden, immerdar vor Augen hatte und solche bereits im Geiste zum Voraus erduldete, so mußtest auch du, seine hochgebenedeite Mutter, deine Leiden beständig vor Augen sehen, um dereinst auch an seiner unendlichen Glorie in vollkommenster Weise Anteil zu nehmen.

– So stillet denn eure Klagen, ihr Kranken, ihr Armen und Betrübten! Der himmlische Vater behandelt euch ja auf dieselbe Weise, wie Er Seinen unendlich geliebten Sohn und dessen Mutter behandelt hat. Für sehr gut hält der Knecht die Arznei, die der Vater seinem innig geliebten Sohne zubereitet: wie solltet ihr die Arznei irdischer Trübsale als zu bitter verwerfen, da doch der ewige Vater Seinen zwei Auserwähltesten sie gemischt und vorgesetzt hat?

6. Die Prophetin Anna

An jenem denkwürdigen Tage aber, wo das göttliche Kindlein im Tempel zu Jerusalem als das Licht der Welt anerkannt wurde, da sollten nicht nur die Männer, sondern auch die Frauen ihre Stellvertretung haben. Darum erzählt der heilige Evangelist Lukas weiter: „Es war auch eine Prophetin, Anna, eine Tochter Phanuels, aus dem Stamme Aser. Diese war vorgerückt zu hohen Jahren. Nach ihrer Jungfrauschaft hatte sie sieben Jahre mit ihrem Manne gelebt, und war nun eine Witwe von 84 Jahren. Sie kam nimmer vom Tempel, und diente Gott mit Beten und Fasten Tag und Nacht. Diese kam in derselben Stunde auch hinzu und pries den Herrn und redete von Ihm zu allen, welche auf die Erlösung Israels warteten.“ – O glücklich diese edle Witwe, die gewürdigt wurde, als die erste unter allen Frauen Jerusalems den Messias zu schauen und zu erkennen, nachdem sie schon in früheren Jahren war gewürdigt worden, die Lehrerin und Erzieherin Mariens im Tempel zu sein! Warum wohl wurde ihr solche Gnade zuteil? Fürs erste wegen ihrer Enthaltsamkeit – wie geschrieben steht: „Selig die reinen Herzens sind, denn sie werden Gott anschauen.“ Obschon nämlich Anna nach dem Tode ihres Mannes noch in der Blüte ihrer Jugend und, wie insgemein die Jungfrauen aus dem Stamme Aser, von großer Schönheit war, so schien es ihr doch weit verdienstlicher, in Enthaltsamkeit und Zurückgezogenheit zu leben, als zum zweiten Male sich zu verehelichen. – Fürs zweite wegen ihrer inbrünstigen Sehnsucht nach dem verheißenen Gerechten – wie geschrieben steht: „Selig die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit, denn sie werden gesättigt werden.“ – Drittens endlich wegen ihres Gebetes und ihres Fastens, wie solches der göttliche Heiland selber, bei Matth. 17, Seinen Jüngern so angelegentlich und eindringlich empfohlen hat. Denn das Fasten ertötet das Fleisch, das Gebet aber erhebt den Geist; das Fasten heiligt den Leib, das Gebet reinigt den Geist; das Fasten bändigt die Leidenschaften, das Gebet erfüllt die Seele mit guten Begierden; das Fasten spannt die Saiten und stimmt sie, das Gebet aber spielt das Saitenspiel und entlockt der Seele die süßeste Harmonie; das Fasten reinigt die Seele von Lastern, das Gebet schmückt sie mit Tugenden; durch das Fasten besiegt der Mensch den Teufel, durch das Gebet sogar den Allerhöchsten. In diesen heiligen Übungen verharrte Anna bis zu ihrem 84sten Lebensjahr, und siehe, nun ward sie dafür eines so reichen Lohnes teilhaftig!

Als Maria und Joseph die merkwürdigen Reden aus dem Munde Annas und Simeons gehört hatten, verwunderten sie sich darüber, daß es dem göttlichen Geist gefallen, die Herrlichkeit ihres Kindes jetzt schon kund zu machen. Alle vier lobpriesen die Barmherzigkeit Gottes, worauf die Eltern Jesu von Simeon und Anna sich verabschiedeten, und mit dem göttlichen Kind sogleich nach Nazareth, ihrem gewöhnlichen Wohnort, zurückkehrten.

O Jesus, Du Licht der Welt, der Du heute feierlich und öffentlich im Tempel zu Jerusalem für mich aufgeopfert werden wolltest: O gib mir etwas vom Geist jener vier heiligen Personen, die Zeugen dieses Opfers sein durften. Gib mir die Demut Mariens, die fromme Herzenseinfalt Josephs, die Inbrunst Simeons und den Bußeifer Annas – auf daß ich, gleich ihnen, im Glanz deines hochherrlichen Lichtes wandle, und dereinst in das himmlische Jerusalem, in den unvergänglichen Tempel deiner ewigen Herrlichkeit aufgenommen werde. Amen.

(Aus: Das Leben unsers lieben Herrn und Heilandes Jesus Christus und Seiner jungfräulichen Mutter Maria zum Unterricht und zur Erbauung im Sinne und Geiste des ehrw. P. Martin v. Cochem; dargestellt von L.C. Businger. 1837. Verlag: Gebr. Carl und Nicolaus Benzinger, Typographen des Apostolischen Stuhles. Einsiedeln.)

Die Weihnachtszeit ist auch die Zeit der hl. Familie, bietet sie doch so viele Anregungen, über das Leben der hl. Familie nachzudenken. Am Fest Maria Lichtmeß findet jede katholische Mutter in Maria einen wunderbaren Ansporn, ihren Kindern eine wahre Mutter zu sein. In der Monatsschrift für die christliche Familie „Die heilige Familie“ finden sich folgende Gedanken dazu:

Lichtmeß und die katholische Mutter

„Licht der Welt“ wird Christus genannt, Licht der Welt nennt Er sich später selbst. In Seinem Licht müssen wir wandeln, wenn wir nicht im Finstern umkommen wollen. Dies ruft uns die Kirche zu, wenn sie als Symbol Christi die brennende Kerze aufstellt und wenn sie am heutigen Tage die Kerzen segnet. Das Gebet bei der Kerzenweihe aber lautet: „Herr Jesus Christus, Sohn des lebendigen Gottes, du wahres Licht, das jeden Menschen erleuchtet, der in diese Welt kommt; wir bitten Dich, segne diese Kerzen und gib, daß, wo sie immer angezündet werden, unsere Herzen von dem unsichtbaren Feuer, das ist von der Klarheit des Heiligen Geistes erleuchtet, von aller Blindheit der Sünde und des Lasters befreit werden, und wir nach Zurücklegung des dunklen und gefahrvollen Weges des Lebens zu dem ewigen Lichte gelangen.“

Und ferner: „Gleichwie Gott Seinem Diener Moses befohlen, reines Öl für die Lichter, die vor Seinem Angesichte stehen sollen, zu bereiten, so möge Er gnädig Seinen Segen über diese Kerzen ausgießen, damit, wie diese äußerlich das Licht verbreiten, also auch durch Seine Gnade innerlich unseren Herzen das Licht des Heiligen Geistes nicht mangle. Und wie der alte, ehrwürdige Simeon, vom Heiligen Geiste erleuchtet, Jesum Christum, das göttliche Licht erkannte, so wolle der Heilige Geist auch uns eingeben, daß wir aus der Lehre des Heiles es lernen, was wir von Gott glauben, hoffen, und wie wir Gott wohlgefällig leben sollen. Er führe uns von dem Pfade der Sünde hinweg, und leite uns hin auf den Weg der Wahrheit, Unschuld und Tugend, zu dem Licht, das ewig leuchtet.“

Lebendige Tempel Gottes

Das soll eines jeden Katholiken Gebet sein am heutigen Tag; besonders aber sollen die Eltern beten, daß Gott ihre Kinder führe „den Weg der Wahrheit, Unschuld und Tugend.“ Die christliche Mutter vorzüglich soll so beten an jenem Tag, da sie selbst einen ähnlichen Gang zum Gotteshaus macht, wie einst Maria, die Braut des Heiligen Geistes. Auch sie bringt ja nach der Geburt ihr Kind in den Tempel des Herrn, um Ihm zu danken für diese liebe Gabe und sie Ihm wieder darzubringen, unter Seinen mächtigen Schutz sie zu stellen.

Dank erfüllte vor allem Marias mütterliches Herz. Hatte sie ja doch durch Gottes unendliche Gnade Seinen eigenen, göttlichen Sohn geboren, den Heiland und Herrn der ganzen Welt. Der christlichen Mutter Kind ist bloß Mensch, aber doch ein Mensch, in welchem Göttliches wohnt seit der heiligen Taufe, ein Mensch, welcher oft und oft Gott beherbergen soll auf seiner Erdenpilgerschaft und berufen ist zur Teilnahme an Gottes Ewigkeit und Seligkeit. Die fromme Mutter, welche all‘ das gläubig überdenkt, kann gar nicht anders als Gott danken für das Kind, das Er ihr geschenkt, und mit dem Er so Großes vorhat.

– Bei der Aussegnung der Mutter betet der Priester den 23. Psalm Davids. Es muß uns ein eigenartiges Empfinden überkommen, wenn wir dieses Lied des königlichen Sängers, in welchem er den Einzug des Messias in Seine Herrlichkeit voraussagt, von der heiligen Kirche da angewendet sehen, wo sie das getaufte Kind mit seiner Mutter zum ersten Mal wieder in die sichtbare Wohnung Jesu Christi auf Erden einführt. Was muß doch dieses Kind in den Augen des Himmels für eine Würde haben? Freilich, wir können es ahnen, denn der Glaube sagt uns, diese kleine Menschenseele ist Wohnung des Heiligen Geistes, Aufenthalt der heiligsten Dreifaltigkeit.

„Wer wird hinansteigen den Berg des Herrn oder wer wird stehen an Seinem heiligen Ort?“

„Wer unschuldig an Händen und rein am Herzen seine Seele nicht gebraucht zu Eitlem und nicht fälschlich schwöret seinem Nächsten; der wird den Segen vom Herrn empfangen und Barmherzigkeit von Gott seinem Heil.“

Unbefleckt in Gesinnung und Tat soll das Kind bleiben, dann wird es auch immerdar ein lebendiger Tempel Gottes sein und dereinst übergetragen werden in die ewige Stadt Gottes.

O, Mutter, sorge dafür, daß dein Kind rein bleibe am Herzen, daß seine Hände stets unschuldig seien! Und wenn der Priester bei der Aussegnung diese Worte über dich betet, dann bitte Gott, Er möge Seinen Segen geben, und Seine jungfräuliche Mutter, daß sie für dich und dein Kind Fürsprache einlege bei ihrem göttlichen Sohn. Dann wird wahr werden, was die Antiphon des Psalmes sagt: „Diese wird Segen empfangen vom Herrn.“

Opfermut war die zweite Gesinnung Mariens bei ihrer Reinigung im Tempel. Sie wußte es ja schon, daß sie ihr göttliches Kind nur geboren habe, um es dereinst am Kreuz unter Hohn und Spott und furchtbaren Todesqualen sterben zu sehen.

Mütterlicher Opfermut

Hätte sie daran noch zweifeln können, so mußte die Weissagung des greisen Simeon ihr die ernste Wahrheit tief ins Herz graben: „Dein Sohn ist ein Zeichen des Widerspruchs und deine eigene Seele wird ein Schwert des Schmerzes durchbohren!“ Für so manche Mutter wird ihr Kind auch ein Schwert des Schmerzes. Ich rede gar nicht von ausgearteten Söhnen und Töchtern. Wie bitter fühlt es oft schon die Mutter, wenn Gott ihr Kind für sich fordert? Wenn der Beruf zum Priester, zum Ordensleben es aus der Familie reißt und in ferne Länder führt? Wenn es gilt, Abschied zu nehmen auf Nimmerwiedersehen in dieser Zeitlichkeit? Wie bitter für das Mutterherz, besonders wenn es allein steht in der Welt! Oder es kommt der Tod und rafft das Kind hinweg im schönsten Alter, gerade in dem Augenblick, wo man anfing, die besten Hoffnungen zu hegen für die Zukunft und liebgewonnene Pläne sich der Erfüllung näherten! Da heißt es an Maria im Tempel zu Jerusalem denken, um an ihrem Opfermut sich zu stärken und mit ihr zu beten: „Herr, Dein Wille geschehe! Ich bin Deine Magd. Du hast mir mein Kind geschenkt. Was Du in Zukunft mit ihm beschlossen hast, es gehe in Erfüllung! Gib mir nur die Kraft, Ergebung zu bewahren und christliche Geduld.“ 

– [In bildlichen Darstellungen findet man zuweilen den hl. Joseph mit einer brennenden Kerze in der Hand.] Bei ihrer Aussegnung hält auch die Mutter eine solche. Was bedeutet sie?

Diese Kerze ist ein Symbol Jesu Christi, des Lichtes der Welt. Sie deutet den festen Glauben der Mutter an, mit welchem sie offen bekennt: „für mich und mein Kind gibt es kein anderes Licht, als jenes, von welchem der greise Simeon im Tempel gesprochen hat und welches jeden Menschen erleuchtet, der in diese Welt kommt. Unter seinen wärmenden und belebenden Strahlen will ich mein Kind erziehen, Sein Glanz soll ihm und mir Richtung und Weg zeigen auf dieser Pilgerfahrt des Lebens und uns hinführen ans ewige Ziel. Um diese glückliche Ankunft dort oben betet auch der Priester für Mutter und Kind: „Allmächtiger, ewiger Gott, siehe gnädig herab auf diese Deine Magd, welche frohen Herzens zu Deinem heiligen Tempel gekommen ist, um Dir Dank zu sagen und gib, daß sie, auf die Fürsprache und die Verdienste der allerseligsten Jungfrau Maria, mit ihrem Kinde zu den Freuden der ewigen Seligkeit zu gelangen verdiene.“ –

Mit seinem Segen entließ Simeon die Mutter Jesu nebst ihrem göttlichen Kinde und jungfräulichen Gemahle aus der Stätte, welche der Herr sich zur Wohnung erwählt hatte. Auch jetzt noch ruft der Priester Gottes Segen über die christliche Mutter herab. Indem er sie mit Weihwasser besprengt, fleht er: „Der Friede und Segen des allmächtigen Gottes, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes steige auf dich herab und bleibe über dir immerdar.“ Mit diesem Segen magst du ruhig heimkehren in dein Haus, christliche Mutter. Er wird nicht von dir weichen, solange du vor Gott wandelst, sondern dich ausrüsten mit Kraft und Mut, das schwere Geschäft der Erziehung eines Kindes zu übernehmen, und segensreich zu vollenden. Halte dich nur fest an Maria, die erste christliche Mutter, und empfiehl ihr dich und deine Kinder heute am Fest ihrer Reinigung und jedesmal, wenn du den Gang zum Gotteshaus tust, wie sie es getan vor nahezu 1900 Jahren und Tausende von katholischen Frauen nach ihr. –

S. C.

(Aus: Die heilige Familie. Monatsschrift für die christliche Familie. Hrsg. von Clemens Schlecht. IV. Jahrgang. Freising 1896. Dr. Franz Paul Datterer, Verlagsanstalt und Druckerei.)