Ist das „2. Vatikanum“ katholisch oder nicht? (3)

Weiter geht es mit der wichtigen apologetischen Arbeit von Hw. P. Martin Lenz, ob wir es bei dem "2. Vatikanum" mit einem katholischen Ereignis zu tun haben oder nicht. Man hat bisweilen bemängelt, daß in dieser Serie die Frage nicht beantwortet werde, wie es zu dem "2. Vatikanum" überhaupt kommen konnte. Darauf ist zu antworten, daß dies nicht das Thema der vorliegenden Arbeit ist. Hier geht es nur darum, die primäre Frage zu beantworten: "Ist das '2. Vatikanum' katholisch oder nicht?", wie der Titel eindeutig sagt. Die Frage nach den Ursachen für das Zustandekommen wäre sekundär und verlangte eine eigene Arbeit.



Die Frage, ob das "2. Vatikanum" katholisch ist oder nicht, ist für uns heilsnotwendig und kann aufgrund der Dogmen und Lehre der Kirche mit Sicherheit beantwortet werden. Nach dem Dogma "Extra Ecclesiam nulla salus" - "Außerhalb der Kirche kein Heil" ist es für unser Seelenheil unerläßlich zu wissen, wo die katholische Kirche ist und wo nicht. Deshalb muß diese Frage für uns auch sicher entscheidbar sein. Die Frage, wie es zum "2. Vatikanum" kam, ist weder heilsnotwendig noch kann sie sicher beantwortet werden. Man kann dazu verschiedene Theorien haben, aber sie nicht gültig beantworten. Im übrigen haben wir unsere Meinung dazu oft genug geäußert. Wir halten es hier mit der Mehrzahl der sog. Sedisvakantisten, die davon ausgehen, daß wir seit 1958 keinen legitimen Papst mehr haben, das "2. Vatikanum" demnach von Gegenpäpsten durchgeführt wurde und daher kein Konzil der Kirche gewesen ist und nicht den Beistand des Heiligen Geistes hatte.

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Kapitel 5: Sand im Getriebe des Weichenstellwerks - Der Opinionismus

Nachdem wir die verschiedenen Reaktionen auf die Gretchenfrage für den Katholik in der Nachkonzilszeit betrachtet und deren Konsequenzen erwogen haben, wollen wir noch etwas ausführlicher auf eine Position eingehen, die womöglich eine Versuchung darstellen könnte. Eine Versuchung, die um so gefährlicher für unseren Glauben ist, gerade weil sie auf den ersten Blick den Anschein erweckt, sehr klug, demütig und ausgewogen zu sein. In Wirklichkeit aber ist sie nichts anderes als eine unzulässige Weigerung, in der aufgeworfenen Frage nach der Katholizität „des Konzils“ Stellung zu beziehen.

Die „weise Vorsicht“ des Opinionismus

Gerade unter traditionalistischen Bischöfen, Priestern und Gläubigen, die überwiegend einer Bewegung angehören, die „nicht in vollkommener Einheit“ mit der Konzilskirche steht, trifft man nicht selten auf eine Haltung, die man „Opinionismus“ nennen könnte. Der Grund hierfür ist, daß der Gründer dieser Bewegung selbst diese Haltung eingenommen hat. Die Bezeichnung „Opinionismus“ leitet sich von dem lateinischen Wort „opinio, -onis“ her. Zu deutsch: Meinung, Ansicht. Damit ist jene Haltung gemeint, welche sich in der Beurteilung einer Sachlage und in ihrer Handlungsweise nicht von der Sicherheit des katholischen Dogmas leiten läßt, sondern allein von einer persönlichen subjektiven Meinung.

Der Opinionismus besteht wesentlich darin, die definitive Lehre von der Unveränderlichkeit und Unfehlbarkeit der Kirche zu ignorieren und so zu tun, als könne man keine sichere Antwort geben, wie man sich in der heutigen kirchlichen Lage zu verhalten habe. Man müsse die Frage bis auf weiteres offen lassen und könne nur mit der wahrscheinlicheren bzw. persönlichen Meinung argumentieren. Etwa so: „Schlußfolgerung A (die zur Feststellung der Sedisvakanz führt) ist logisch und mag ja richtig sein. Aber solange darüber kein unfehlbares Urteil vorliegt, könnte es auch sein, daß vielleicht doch die gegenteilige Schlußfolgerung B richtig ist. Ich will mir nicht anmaßen, darüber zu urteilen. Deshalb weise ich Schlußfolgerung A als Anmaßung zurück und folge so lange meiner persönlichen Meinung.“

Freilich wird jeder Katholik, dem in der heutigen Verwirrung zu Bewußtsein kommt, daß mit der katholischen Religion irgend etwas nicht stimmt, zunächst unsicher sein, welche der verschiedenen Positionen wohl die richtige ist; welche Haltung gegenüber dem Konzil tatsächlich mit dem katholischen Dogma übereinstimmt und deshalb eingenommen werden muß. Die anfängliche Unentschiedenheit ist nicht gemeint, wenn hier vom Opinionismus die Rede ist. Freilich müssen diese Unklarheiten geklärt werden. Der Opinionismus zielt aber gerade nicht darauf ab, die persönliche Unschlüssigkeit zu klären. Im Gegenteil! Er bevorzugt es, sich selbst und andere im Zweifel zu belassen, diesen Zweifel zu kultivieren, indem man ihn zum unverrückbaren Prinzip erhebt: „Über die Konzilspäpste muß die Kirche später einmal entscheiden. Erst wenn die Kirche entschieden hat, können wir sicher sein. Wir können darüber nicht urteilen. Jeder Vorgriff ist Anmaßung und darf nicht geduldet werden!“

Bei sich mag der Opinionist vielleicht sogar insgeheim denken: „Die Kirche kann und wird gottseidank darüber so schnell nicht entscheiden. – Solange sind wir frei, unserer persönlichen Meinung zu folgen und zu tun, was wir persönlich für das Richtige halten.“ So lautet die Ausflucht des Opinionismus. Vorsichtig abwarten, klug Ausschau halten, wie sich die Dinge entwickeln; währenddessen aber tun, was man selber für das Richtige hält. Das scheint weise zu sein, ausgewogen und fernab davon, sich „fanatisch in ein Extrem zu verrennen“. Wie bereits bemerkt, läßt diese vermeintliche Weisheit außer acht, daß wir Katholiken aufgrund der bereits erfolgten unfehlbaren Lehrentscheidungen der Kirche in dieser Angelegenheit gar nicht mehr frei sind! Diese „Weisheit“ entpuppt sich in Wirklichkeit als Ignoranz.

Der Opinionismus ist eine Form des Modernismus

Zur Ignoranz tritt des weiteren die Inkonsequenz des Opinionisten hinzu. Während er sich selbst in der Frage nach der Katholizität „des Konzils“ und der Rechtmäßigkeit der Konzilspäpste in „weiser Vorsicht“ auferlegt, daß erst ein offizielles, sicheres (also unfehlbares) Urteil der Kirche abzuwarten sei, zeigt er sich auf anderen, meist praktischeren Gebieten des Glaubens sehr wohl berechtigt und befähigt, solche Urteile und Entscheidungen anhand der überlieferten kirchlichen Lehre zu treffen. Wohlgemerkt! Die Kirche hat bis heute noch keine offiziellen (geschweige denn definitive) Urteile etwa über den Neuen Meßritus, über die neuen sakramentalen Riten, über die heutige Praxis des Ökumenismus und des Interreligiösen Dialogs, geschweige denn über die neuen Heiligsprechungen gefällt. Müßte man dann als konsequenter Opinionist nicht in gleicher Weise, wie man in weiser Vorsicht die Konzilspäpste anerkennt, auch die gesamte „Novus-Ordo“-Religion mit ihrer Glaubenslehre, ihren Sakramenten, ihrer Messe, ihrer Disziplin und ihren Heiligen wenigstens solange akzeptieren und praktizieren, bis die Kirche irgendwann einmal ein offizielles, letztgültiges Urteil gefällt haben wird? Zweifelsohne wäre dies konsequent – doch offensichtlich nicht sehr weise!

Die Ignoranz des Opinionismus zeigt sich einerseits dadurch, daß der Verstand seiner Vertreter nicht auf die unumstößliche katholische Wahrheit, sondern eher auf pragmatisches Kalkül ausgerichtet ist. Lieber verbleibt man in einer nebulös, unentschiedenen Form des „Agnostizismus“. Die Inkonsequenz der Opinionisten fördert anderseits zudem offen zutage, daß ihre Handlungen allein vom persönlichen Meinen geleitet sind, welches der hl. Papst Pius X. als „vitale Immanenz“ bezeichnet hätte. Es ist auffällig, wieviel kreative Energie gerade in traditionalistischen Kreisen in die Konstruktion sonderbarer bis absonderlichster Theorien und Ideen zur Rechtfertigung ihres Widerstandes gegen die Konzilspäpste investiert wurde und wird. Theorien, die allesamt nicht in der katholischen Theologie wurzeln, wie das völlige Fehlen von Referenzen in Form von Fußnoten oder gleichlautenden Zitaten anderer Theologen, Konzilien oder Päpsten, in ihren „wissenschaftlichen“ Traktaten, offen zutage fördert. Ob sie sich nun „Theorie von der unterhöhlten Lehrintention des römischen Lehramtes“, „Amts-Blockanden-Theorie“ oder sonstwie nennt; alle kommen darin überein, daß sie nicht auf der katholischen Dogmatik fußen, sondern in der lebendigen Kreativität eigener Ideen zusammengebastelt sind, die das katholische Dogma nur insofern berücksichtigen, als es dem eigenen Hirngespinst gelegen kommt. Agnostizismus und vitale Immanenz sind übrigens nach der Lehre desselben eben erwähnten heiligen Papstes die beiden Grundpfeiler des Modernismus, jenes Sammelbeckens aller Häresie. Halten wir also fest: Der Opinionismus ist eine Form des Modernismus!

Folglich ist es unmöglich, katholisch zu bleiben und seine Seele zu retten, indem man sich in zentralen Glaubensfragen im nebulösen Dunst persönlicher Unentschiedenheit hält und Verhaltensweisen an den Tag legt, die nicht vom katholischen Dogma her begründet sind, sondern allein auf persönlichem Dafür- und Dagegenhalten beruhen. Warum?

Der Gehorsam gegen den Papst macht den Wesenskern des Katholiken aus

Dem römischen Papst unterworfen zu sein, ist eine notwendige Bedingung, um das ewige Heil erlangen zu können. Das ist ein von Papst Bonifaz VIII. in der Bulle „Unam Sanctam“ definiertes Dogma: „Wir erklären, sagen und definieren nun aber, daß es für jedes menschliche Geschöpf unbedingt notwendig zum Heil ist, dem Römischen Bischof unterworfen zu sein” (DH 875). Wer nicht dem Papst untertan ist, der kann nicht in den Himmel kommen! Wie diese Unterwerfung konkret auszusehen hat, haben die Päpste ebenfalls mehrmals erklärt. Wir zitieren nochmals Papst Pius XI. in seiner Enzyklika „Mortalium animos“: „In dieser einen Kirche Christi ist niemand und bleibt niemand, der nicht die Autorität und Vollmacht des Petrus und seiner legitimen Nachfolger durch Gehorsam anerkennt und annimmt“ (AAS 20, S. 15; HK 687).“ Der Katholik ist also gerade dadurch definiert, daß er dem Papst „durch Gehorsam“ verbunden ist. Man kann nicht katholisch sein, solange man dem römischen Papst im Ungehorsam widersteht.

Umgekehrt ist der Katholik aber auch dadurch definiert, daß er die Unterwerfung unter einen falschen Papst verweigert. Wenn er gerade durch seine gehorsame Unterwerfung einem wahren Papst gegenüber definiert ist, dann ist er in gleicher Weise dadurch definiert, daß er einen falschen Papst zurückweist. Ein Beispiel soll das veranschaulichen: Angenommen nach dem Tod eines Papstes stünde in der unter normalen Umständen vielleicht drei bis vier Wochen dauernden Zeit der Sedisvakanz ein Gegenpapst auf und einige Gläubige würden ihn als Papst anerkennen, dann würden diese Gläubigen, weil sie einem Gegenpapst unterworfen sind, aufhören katholisch zu sein. Wenn der Papst gestorben ist, muß jeder Katholik Sedisvakantist sein! Um katholisch zu bleiben, muß er sagen: „Gegenwärtig gibt es keinen Papst.“ Wie die Unterwerfung unter einen regierenden Papst wesentlich einen Katholiken ausmacht, so auch die Zurückweisung irgendwelcher Hochstapler, die eben keine legitimen Päpste sind.

Die Beantwortung der Frage, ob das „2. Vatikanum“ katholisch ist, ist, wie bereits des öfteren wiederholt, unzertrennlich verbunden mit der Antwort auf die Frage, ob die Konzilspäpste wahre Päpste der katholischen Kirche sind. Von deren Anerkennung als Päpste oder von deren Zurückweisung als Scheinpäpste hängt unser ewiges Heil ab. Hier kann der „Opinionismus“ (d.h. so zu handeln, wie es meiner persönlichen Meinung nach „wahrscheinlich“ richtig ist) nicht angewandt werden. Denn in Fragen, von denen unser ewiges Heil abhängt, dürfen wir uns nicht einfach von irgendwelchen mehr oder weniger wahrscheinlichen Meinungen und selbstgebastelten Theorien leiten lassen. Die bestehenden Zweifel müssen nach Kräften aufgelöst werden.

Wenn wir im Urlaub eine Kirche besichtigen und sagen: „Nun, das ist wahrscheinlich eine katholische Kirche“, so heißt das noch nicht, daß wir sofort hinzufügen dürfen „also gehen wir hier am Sonntag zur Messe.“ Nein! Bevor wir an einem Gottesdienst in dieser Kirche teilnehmen, muß Gewißheit herrschen, ob es sich tatsächlich um eine römisch-katholische Kirche und damit, ob es sich nicht nur um eine gültige, sondern auch um eine römisch-katholische Messe handelt. Die im Raum stehenden Zweifel müssen unbedingt geklärt werden. Und zwar müssen sie aufgeklärt werden, bevor wir irgend etwas in dieser Sache unternehmen. Denn wir können nicht mit der Begründung „es ist wahrscheinlich, daß …“ usw. eine Handlung setzen, die unter Umständen eine Todsünde ist. Zweifel müssen ausgeräumt werden!

Legitimer Widerstand gegen das Konzil und seine Reformen

Der einzige Umstand, der einen organisierten Widerstand und eine öffentliche Anklage der „Novus-Ordo“-Religion rechtfertigt, setzt die Sicherheit voraus, daß es sich dabei um eine wesentliche Verfälschung des Glaubens handelt. Ohne diese Sicherheit sind wir moralisch verpflichtet, die „Novus-Ordo“-Religion anzunehmen und sie zu praktizieren!

Es braucht also Sicherheit! Warum ist das so? Deshalb, weil jene Männer, die uns die ökumenistischen Glaubensverfälschungen durch ihr Konzil und ihre Reformen aufzwingen wollen, zuvor durch die Ränge der katholischen Hierarchie in hohe Positionen aufgestiegen sind, dann dem äußeren Anschein nach rechtmäßig zum Papst gewählt wurden und somit einen Rechtsvorteil genießen. Die Rechtsvermutung, daß sie Päpste sind und uns in der Autorität Christi lehren, heiligen und leiten, steht rein formaljuristisch betrachtet auf ihrer Seite. Im Zweifelsfall hat der offensichtliche Inhaber eines Amtes den Rechtsvorteil für die Annahme, daß er tatsächlich auch rechtmäßiger Inhaber der Autorität ist. Wenn jemand sagt: „Ich weiß nicht, ob das 2. Vatikanum in Ordnung ist oder nicht. Ich weiß nicht, ob es eine Glaubensverfälschung verursacht hat oder nicht. Ich weiß nicht, ob Bergoglio Papst ist oder nicht“, dann muß er auch solange annehmen, daß das „2. Vatikanum“ und alle seine Reformen rechtgläubig und Bergoglio Papst ist, und zwar solange, bis er sich über den gegenteiligen Sachverhalt Gewißheit verschafft hat. Denn die Rechtsvermutung liegt auf Seiten der Konzilspäpste, die von aller Welt (freilich von einer ungläubigen, verblendeten Welt, die selbst nicht weiß, was zum Papstsein gehört) für rechtmäßige Päpste gehalten werden.

Diese Situation verbietet aber automatisch jeden Widerstand, jede Opposition und selbst jede Kritik! Denn das Dogma vom Primat gebietet unter Androhung der ewigen Verdammnis die gehorsame Unterwerfung unter den rechtmäßigen Papst und unter die von ihm erlassenen und vom gesamten Weltepiskopat sowohl bezeugten als auch angenommen Lehren und Reformen. Man kann die „Novus-Ordo“-Religion nicht einfach ablehnen aufgrund irgendeines persönlichen Zweifels an der Rechtgläubigkeit oder aufgrund irgendeiner wahrscheinlichen Meinung, daß dieses oder jenes „nicht mehr katholisch“ sei. Die einzige Möglichkeit eines legitimen Kampfes gegen den „Novus Ordo“ ist die Sicherheit, d.h. die sichere Erkenntnis, daß das „2. Vatikanum“ und folglich auch die Konzilspäpste den katholischen Glauben verfälscht haben und damit etwas vertreten und einfordern, was im Gegensatz zur katholischen Lehre steht. Diese Sicherheit kann man sich verschaffen. D.h. eine sichere, weil auf dogmatischen Prinzipien gegründete Antwort auf die Frage, ob das „2. Vatikanum“ katholisch ist oder nicht. Sicherheit ist hier gefordert! Ansonsten verfängt man sich in eine ganze Reihe von Widersprüchen!

Warum so viele Traditionalisten eigentlich Protestanten sind

Das Wesen eines Protestanten besteht darin, daß er sein persönliches Urteil, seine persönliche Meinung an Stelle des katholischen Lehramtes oder über die Hierarchie der katholischen Kirche stellt. Wenn nun aber die Konzilskirche, angeblich (mit großer Wahrscheinlichkeit) die Hierarchie der katholischen Kirche verkörpert und auch die Rechtsvermutung auf ihrer Seite liegt, man sich dieser Hierarchie aber trotzdem nicht unterordnet, sondern ihr aufgrund persönlicher Vorbehalte und Meinungen Widerstand, ja, sogar öffentlich organisierten Widerstand leistet, dann ist man faktisch Protestant geworden! Das sollten sich alle, die heute katholisch sein wollen, durch den Kopf gehen lassen! Das betrifft in erster Linie die Lefebvristen, aber auch solche, welche die Sedisvakanz befürworten, sie aber nur als persönliche Ansicht vertreten.

Die Überzeugung von der derzeitigen Vakanz des Apostolischen Stuhles fließt notwendigerweise aus der sicheren Feststellung einer wesentlichen Veränderung des katholischen Glaubens durch das „2. Vatikanum“ und die dafür verantwortlichen „Päpste“. Die Sedisvakanz aber bloß als eine persönliche (theologisch ungesicherte) Meinung zu vertreten und damit einschlußweise zuzugestehen, daß es auch andere für einen Katholiken legitime Positionen gäbe, hieße, die Dogmen, auf denen die eigene sedisvakantistische Position gründet, zu relativieren. Damit würde man nämlich wiederum einschlußweise zugestehen: „Das 2. Vatikanum könnte womöglich doch in Ordnung sein. Die ganze Reform könnte doch noch irgendwie legitim und katholisch sein. Und vielleicht ist zuguterletzt Bergoglio doch Papst.“ Wie jeder sofort einsieht, sind die sich daraus ergebenden Folgen unsinnig! Ein solcher Sedisvakantist, der seine Position lediglich als persönliche Meinung vertreten würde, müßte nämlich, solange er zu keiner hinreichend sicher begründeten Erkenntnis gekommen ist, das Konzil und die Konzilspäpste gehorsam anerkennen und brav am Sonntag in die „Novus-Ordo“-Messe seiner Pfarrei gehen – oder aber in gleicher Weise wie die Opinionisten des FSSPX-Lagers, welche in ihrer persönlichen Meinung der persönlichen Meinung eines Erzbischofs folgen, ein allein von seinen persönlichen Meinung geleiteter, traditionalistischer Protestant werden.

Das ewige Heil auf Sand oder auf Fels gebaut

Eben diese traditionalistisch verbrämten Protestanten, welche die heutige Sedisvakanz als eine (unwahrscheinliche) Meinung hinstellen oder gar bekämpfen, bezeichnen damit auch die von ihnen selbst angeprangerte Glaubensverfälschung durch das Konzil und seine Reformen als bloße (unwahrscheinliche) Meinung. Damit basiert aber ihr Ungehorsam und ihr organisierter Widerstand gegen die „Novus-Ordo“-Hierarchie allein auf einer (unwahrscheinlichen) Meinung. Diesen Widerstand trotzdem zu leisten, bedeutet dann wiederum, die eigenen Ideen und (unwahrscheinlichen) Meinungen in heilsgefährdender Weise über die Autorität des in ihren Augen rechtmäßigen Papstes zu stellen. In letzter Konsequenz ruht also das ewige Heil solcher Traditionalisten einzig auf ihrer persönlichen (unwahrscheinlichen) Glaubensüberzeugung – gegen ihren Papst und gegen dessen Hierarchie. Wie wahrscheinlich es ist, das ewige Heil auf diese Weise zu finden, geht aus der unfehlbaren Lehre Papst Bonifaz VIII. und Papst Pius‘ XI. eindeutig hervor. Wenn da nicht statt auf Felsen auf Sand gebaut wird…

Freilich, man kann in manchen theologischen Streitfragen unterschiedliche Meinungen haben. Beispielsweise in der noch nicht entschiedenen Frage der Wirksamkeit der Gnade auf den freien Willen des Menschen. Die Thomisten und Molinisten hatten hierzu über mehrere Jahrhunderte sehr gegensätzliche Meinungen. Allein in solch offenen Fragen sind unterschiedliche theologische Meinungen auch legitim. Die Unveränderlichkeit der katholischen Kirche und die zum ewigen Heil geforderte gehorsame Unterwerfung unter den Papst hingegen sind keine offenen Fragen, sondern dogmatisierte Glaubenssätze. Sie sind der Felsen, auf den wir unser ewiges Heil gründen müssen. Da ist kein Platz mehr für irgendwelche persönlichen Meinungen und somit auch kein Platz mehr für irgendwelche Ausreden.

Zusammenfassung unserer Überlegung

Fassen wir die hauptsächlichen Schritte unserer Überlegungen nochmals kurz zusammen:

  1. Die katholische Kirche ist indefektibel. Das heißt, sie bleibt in ihrem Wesen (Glaubenslehre – Kult – Disziplin) stets gleich, kann sich aber in unwesentlichen Dingen verändern.
  2. Die Indefektibilität der Kirche hat ihre Ursache in der Autorität des Papstes, die identisch ist mit der Autorität Jesu Christi, wie zuletzt Papst Pius XII. lehrte.
  3. Das „2. Vatikanum“ ist entweder katholisch oder es ist nicht katholisch. Ein Drittes ist ausgeschlossen.
  4. Wenn das „2. Vatikanum“ katholisch ist und die Kirche nicht in ihrem Wesen, sondern bloß in unwesentlichen Dingen verändert hat, dann fordern die daraus abgeleiteten Schlußfolgerungen mit Notwendigkeit von uns, daß wir es gehorsam annehmen und uns „Papst Franziskus“ unterwerfen. Alles andere wäre nicht katholisch.
  5. Wenn das „2. Vatikanum“ nicht katholisch ist und die Kirche in ihrem Wesen verändert hat, dann fordern die daraus abgeleiteten Schlußfolgerungen mit Notwendigkeit von uns, daß wir das Konzil, seine Reformen, die Konzilspäpste und die mit ihnen vereinte Hierarchie ablehnen und nur an solchen hl. Messen teilnehmen, die diesen Umständen Rechnung tragen. Alles andere wäre nicht katholisch.
  6. Aus der offensichtlichen Erkenntnis, daß das „2. Vatikanum“ und seine Reformen nicht katholisch sind, folgt die Richtigkeit des 5. Punktes, und damit notwendigerweise die sichere Überzeugung von einer derzeitigen Vakanz des päpstlichen Stuhles.
  7. Die Position der Lefebvre-Bewegung blendet die notwendige Verbindung von päpstlicher Autorität und der Unveränderlichkeit der Kirche aus. Das hat die widersprüchliche und mit dem katholischen Glauben unvereinbare Position zur Folge, daß sie die Irrtümer des Vatikanums II als heilsgefährdend zurückweist, gleichzeitig aber auf die rechtmäßige Anerkennung der kirchlichen Autorität derer besteht, welche diese Irrtümer den Katholiken zur Annahme auferlegen.
  8. Die Position der Lefebvre-Bewegung ist in sich widersprüchlich und mit dem katholischen Glauben nicht vereinbar. Sie ist ein traditionalistischer Protestantismus, der gleichzeitig die überlieferte katholische Lehre vom Papsttum in modernistischer Manier aushöhlt und uminterpretiert. Diese Haltung basiert nicht auf den Prinzipien des katholischen Glaubens, ist wider alle Vernunft und daher unmöglich Gott wohlgefällig.
  9. Der „Opinionismus“, der insbesondere der lefebvristischen Haltung zugrunde liegt, meint bis zum Erlaß eines unfehlbaren Urteils bezüglich der Konzilspäpste frei zu sein, der eigenen persönlichen Meinung zu folgen dürfen. Er tut so, als handle es sich dabei um offene Fragen, die nicht schon mehrmals vom obersten kirchlichen Lehramt eindeutig geklärt wurden. Der Opinionismus ist in Wirklichkeit nichts anderes als Modernismus bzw. ein katholisch verbrämter Protestantismus.

Analog zum alten Cato halten wir am Schluß nochmals fest: Damit wir Katholiken bleiben und nicht etwa unser ewiges Heil aufs Spiel setzen, muß unser Widerstand gegen die Novus-Ordo-Religion auf der sicheren Feststellung gründen, daß das „2. Vatikanum“ eine wesentliche Verfälschung des katholischen Glaubens darstellt, und eben deshalb die Konzilspäpste unmöglich Päpste der katholischen Kirche sein können.

Anhang 1: Entkräftung verschiedener Einwände

Die sich aus der Feststellung einer wesentlichen Veränderungen der katholischen Glaubenslehre und Glaubenspraxis, verursacht durch das „2. Vatikanum“, ergebende Schlußfolgerung, daß der Apostolische Stuhl bereits vor dem Beginn „des Konzils“ vakant gewesen sein muß, stößt bei vielen auf Kritik und Ablehnung. Um den „Sedisvakantismus“ zu widerlegen, stützen sich die Gegner dabei auf Argumente, die vielleicht zunächst plausibel klingen, aber, wie wir demonstrieren werden, einer genaueren Untersuchung nicht standhalten. Im folgenden wollen wir uns einigen gängigen antisedisvakantistischen Einwänden und ihrer Entkräftung widmen.

1. Einwand: „Kein Mensch kann den Papst richten.“

Dieser Einwand beruht auf dem Grundsatz: „Prima sedes a nemine judicatur.“ – „Der Apostolische Stuhl kann von niemandem gerichtet werden.“ Niemand hat die Autorität, über den Papst zu urteilen. – Dem pflichten wir voll und ganz bei! Ja, wir bestehen sogar mit Nachdruck darauf und halten fest, daß gerade daran die Haltung eines echten Katholiken zu erkennen ist. Wenn die Konzilspäpste wahre Päpste gewesen wären, dürfte kein Katholik ihre kirchlichen Lehren, Entscheidungen und Verordnungen beurteilen, kritisieren (übrigens auch nicht loben – denn auch darin bestünde ja ein Urteil!) oder sonstwie geringschätzen. Man hätte sie einfach nur anzunehmen. Fertig.

Wird dieser Grundsatz jedoch als Einwand in der Debatte um die derzeitige Vakanz des päpstlichen Stuhles vorgetragen, so haben wir es mit dem klassischen Fall eines Zirkelschlusses zu tun, einer sog. „petitio principii“. Das bedeutet, es wird eine Behauptung durch Aussagen begründet, welche die erst zu beweisende Behauptung bereits stillschweigend als wahr voraussetzen.

Die Frage, welche die Sedisvakantisten aufwerfen, lautet: Ist dieser Mann (z.B. Montini, Ratzinger, Bergoglio, etc.) überhaupt der Papst oder ist er es nicht? Die Gegner wenden ein: „Prima sedes a nemo judicatur.“ Niemand kann den Papst (also Johannes XXIII., Paul VI., Johannes Paul II., Benedikt XVI., Franziskus, etc.) richten! Doch dieser Einwand setzt das Papstsein Roncallis, Montinis, Wojtylas, Ratzingers oder Bergoglios stillschweigend voraus. Das aber ist ja gerade die Frage, ob z.B. Bergoglio (etc.) überhaupt Papst ist oder nicht! Wenn sich bei der Beantwortung dieser Frage z. B. herausstellte: Ja, Bergoglio ist der Papst, dann darf tatsächlich kein Mensch dessen päpstliche Akte beurteilen, geschweige denn verurteilen. Sollte sich jedoch herausstellen, daß dieser Mann gar nicht Papst sein kann, weil sein Papstsein von der katholischen Glaubenslehre her ausgeschlossen ist, so ist damit auch der Einwand der Gegner gegenstandslos. Wenn Bergoglio gar nicht Papst ist, dann richtet keiner, der Bergoglio verurteilt, den Papst. (Gleiches gilt für Roncalli, Montini, Luciani, Wojtyla und Ratzinger.) Gerade von letzterem Sachverhalt gehen die Sedisvakantisten aus und können es aus der katholischen Dogmatik beweisen.

Fazit: Dieser erste Einwand geht komplett an der Grundfrage vorbei, weil er etwas als gegeben voraussetzt (nämlich das Papstsein der Konzilspäpste), was durch die ganze Diskussion um „2. Vatikanum“ jedoch im Zweifel steht.

2. Einwand: „Die Konzilskirche ist nicht häretisch im Sinne von Gal. 1, 6-9.“

Der hl. Paulus spricht an der genannten Stelle des Galaterbriefes das Anathem (d.h. den Kirchenbann) über all diejenigen aus, welche „ein anderes Evangelium“ verkünden; also eine neue, dem überkommenen katholischen Glauben entgegenstehende Pseudolehre. Eine der älteren Glaubensverkündigung widersprechende Lehre ist gerade durch ihre Neuheit bereits als Häresie entlarvt.

Der seit dem „2. Vatikanum“ in der Konzilskirche vertretene Ökumenismus ist aber eine solche, sich zum überlieferten Glauben gegensätzlich verhaltende Irrlehre. Denn der Ökumenismus widerspricht ausdrücklich dem katholischen Dogma, welches besagt: „Allein die katholische Religion kann das Heil vermitteln.“ bzw. „Außerhalb der Kirche kein Heil.“ Papst Pius IX. sagte diesbezüglich in seinem Schreiben „Singulari quadam“ aus dem Jahre 1854, daß dies eines der am besten bekannten Dogmen („notissimum catholicum dogma“) der katholischen Glaubenslehre ist. „Im Glauben müssen wir festhalten, daß außerhalb der apostolischen, römischen Kirche niemand gerettet werden kann; sie ist die einzige Arche des Heiles und jeder, der nicht in sie eintritt, muß in der Flut untergehen.“ Das „2. Vatikanum“ lehrt das Gegenteil: Die getrennten „christlichen Kirchen“ seien „nicht ohne Bedeutung und Gewicht im Geheimnis des Heiles. Denn der Geist Christi hat sich gewürdigt, sie als Mittel des Heiles zu gebrauchen“ (UR, Nr. 3). Und auch „Johannes Paul II.“ wiederholte diese Häresie in seinem Schreiben „Catechesi tradendae“ vom 16. Oktober 1979: Man müsse die Kinder lehren, daß auch nicht-katholische Religionen Wege zur Erlösung sein könnten. Das ist Häresie!

Die Lehre von der Religionsfreiheit, die behauptet, es gäbe ein natürliches Recht des Menschen, öffentlich auch eine falsche Religion auszuüben, woran er nicht gehindert werden dürfe, widerspricht der definitiven katholischen Lehre Papst Pius‘ IX. in „Quanta cura“ und seiner Vorgänger Pius‘ VII. und Gregors XVI. Letzter bezeichnete die Religionsfreiheit als „Wahnsinn“. Das will heißen, als einen der göttlichen Wahrheit entgegenstehenden Irrtum, also als Häresie!

In seiner Lehre über Wesen und Verfassung der Kirche verkündet das „2. Vatikanum“ ebenfalls Neues. Der überlieferte Glaube bezeugt eindeutig: Die Kirche Jesus Christi ist die römisch-katholische Kirche. Die Grenzen der Kirche Jesu Christi sind also identisch mit den Grenzen der römisch-katholischen Kirche. Das „2. Vatikanum“ hingegen behauptet mit seinem „subsistit in“ in der Dogmatischen Konstitution „Lumen gentium“ Nr. 8, daß die Kirche Jesu Christi größer sei als die Grenzen der römisch-katholischen Kirche. Die katholische Kirche sei nicht absolut identisch mit der Kirche Christ, sondern nur ihr vollkommenster bzw. vollständigster Teil. In ihr seien alle „kirchlichen Elemente“ (Glaubenssätze, Sakramente, Ämter, etc.) noch vollzählig erhalten, während in den anderen „christliche Gemeinschaften“ im Laufe der Zeit das eine oder andere „kirchliche Element“ (z.B. bei den Protestanten der Glaube an das Meßopfer etc.; bei den Orthodoxen der päpstliche Primat) fehle bzw. verloren gegangen sei. Dieser Verlust habe aber lediglich zur Folge gehabt, daß sie nicht mehr in „vollkommener Gemeinschaft“ mit der römisch-katholischen Kirche stünden. Dennoch seien sie Teile der Kirche Jesu Christi. Und zwar in dem Maß, als sie die übrigen „kirchlichen Elemente“ mehr oder weniger zahlreich bewahrt hätten. Gemäß dem „2. Vatikanum“ wären also auch die protestantischen Sekten, wenn auch nicht in „vollkommener Gemeinschaft“ mit der römisch-katholischen Kirche, so doch in jedem Falle Teile der Kirche Jesu Christi, und damit wiederum Heilswege. Mehr noch die orthodoxen Schismatiker. Diese haben noch mehr „kirchliche Elemente“ aufzuweisen als die Protestanten (gültige Weihesukzession; sieben statt nur zwei Sakramente etc.). – Diese Auffassung widerspricht klar dem katholischen Glauben: Wer nicht römisch-katholisch ist, der ist auch nicht Teil der Kirche Jesu Christi. Etwas anderes zu behaupten ist Häresie!

Die konziliare Lehre von der Kollegialität der Bischöfe, welche besagt, daß die Bischöfe der Welt angeblich zusammen mit dem Papst die Gesamtkirche leiten, widerspricht der Lehre von der hierarchischen Verfassung der Kirche mit dem Primat Petri an ihrer Spitze. Die katholische Kirche ist von Jesus Christus als Monarchie gestiftet, nicht als Parlament der Bischöfe unter der Präsidentschaft des Papstes. Das „2. Vatikanum“ spricht dem Bischofskollegium eine eigenständige Gewalt über die Gesamtkirche neben der Gewalt des Papstes zu. Aus der monarchischen Kirche sollte so eine „synodale“ Regierungsform gemacht werden. Der Papst müsse in der Leitung der Weltkirche das Kollegium der Bischöfe berücksichtigen. Die Kirche hätte also zwei Häupter. Das ist eine aufklärerische Erfindung aus dem 18. Jahrhundert, die Johann Nikolaus von Hontheim alias „Justinus Febronius“ vertreten hatte und die als „Febronismus“ vom kirchlichen Lehramt verurteilt wurde. Später trat der gleiche Irrtum in verfremdeter Gestalt als „Gallikanismus“ und wiederum später in Form des „Altkatholizismus“ auf. Behauptet wird, es müsse eine Gewalt in der Kirche geben, welche die kirchliche Autorität des Papstes überprüfen und gegebenenfalls korrigieren könne. Auch die meisten traditionalistischen Gruppierungen huldigen (ohne es zu merken?) diesem Denkansatz, um ein Mittel zu finden, ihre außer Rand und Band geratenen Konzilspäpste zu bändigen. Die Schöpfer des „2. Vatikanums“ weisen jene, die gottgegebene päpstliche Amtsvollmacht einschränkende Funktion dem Bischofskollegium zu, die heutigen Traditionalisten der privaten Auslegung ihrer namensgebenden „Tradition“.

All diese Auffassungen widersprechen dem Dogma vom Primat des Papstes, der allein die höchste Gewalt in der Kirche innehat und der, wie wir schon sagten, von niemandem überprüft, korrigiert oder gerichtet werden kann und darf.

Das sind nur die Hauptpunkte der Konzilsdoktrin, die dem katholischen Dogma eindeutig widersprechen. Man könnte noch mehrere andere Punkte anführen. Doch schon eine einzige doktrinelle Abweichung würde bereits den vom Heiligen Geist inspirierten Urteilsspruch des hl. Paulus auf sich ziehen: „Allein, wenn auch wir, oder ein Engel vom Himmel euch ein anderes Evangelium verkünden, als wir euch verkündet haben, der sei ausgeschlossen (anathema sit). … Wie wir eben gesagt haben, so sage ich auch jetzt abermals: Wenn jemand euch ein anderes Evangelium verkündet als das, welches ihr empfangen habt, der sei ausgestoßen (anathema sit)“ (Gal 1, 7-9).

3. Einwand: „Das 2. Vatikanum war nur ein fehlbares Pastoralkonzil.“

Diejenigen, welche diesen Einwand anführen, gehen davon aus, daß die Konzilspäpste wahre Päpste der katholischen Kirche sind. Demnach ist in ihren Augen das „2. Vatikanum“ rechtmäßig als ökumenisches Konzil abgehalten worden. Unsere Antwort versucht sich im Folgenden in diese gedachte Setzungen hineinzudenken und der Frage nach der Autorität des „Pastoralkonzils“ auf den Grund zu gehen.

a) „Pastoral“ heißt nicht beliebig

Wie Johannes XXIII. sagte und später Paul VI. wiederholte, war einer der Gründe für die Einberufung ein „pastoraler“. Die Pastoral ist die Anwendung und Umsetzung von Glaube, Dogma und Lehre auf das praktische kirchliche Leben. Eine pastorale Wirktätigkeit setzt also stets eine lehrmäßige Grundlage voraus, nach deren Prinzipien die Pastoral verwirklicht wird. Leider ist es einer der vielen Konzilsmythen, die in den Köpfen zahlreicher Traditionalisten herumgeistern, als hätten die Konzilspäpste, mit der „pastoralen Ausrichtung“ des „2. Vatikanums“, der Kirche keinerlei im Gewissen bindende Lehren auferlegen wollen bzw. können. Einzig die Methode (!) des Lehrens sollte „pastoral“ sein und das „2. Vatikanum“ von den vorhergehenden ökumenischen Konzilien der Kirchengeschichte unterscheiden: Vor allem sollte nicht mehr streng verurteilt werden. Denn es sei ja viel „pastoraler“, dem modernen, aufgeklärten Menschen die katholische Wahrheit einfach nur zu erklären. Dann würden sich von selbst alle Irrtümer auflösen; etwa so wie der Morgennebel verschwindet, wenn nur die strahlende Sonne darauf scheint. Daß das „2. Vatikanum“ keine dogmatischen Definitionen bzw. feierliche Verurteilungen von Irrlehren in seinen Akten aufzuweisen hat, bedeutet nun aber nicht, daß es jedem einzelnen überlassen bliebe, daraus auszuwählen, was oder wieviel man von den Lehren des „Pastoralkonzils“ annehmen wolle. Ganz im Gegenteil! „Paul VI.“ bekräftigte auf der Abschlußsitzung des Konzils am 8. Dezember 1965 mit seinem Schreiben „In Spiritu Sancto congregatum“ sehr wohl, daß die Gesamtheit der Konzilsbeschlüsse jeden Christgläubigen im Gewissen binden: „Wir befehlen aber und verordnen, daß alle Christgläubigen sich treu und gewissenhaft nach allen Konzilsbeschlüssen richten, zur Ehre Gottes, zum Ruhm der heiligen Mutter Kirche und für die Ruhe und den Frieden aller Menschen. Das alles haben Wir gebilligt und festgesetzt, und Wir entscheiden, daß diese Dokumente für immer fest, gültig und wirksam stehen und bleiben“ (AAS 58, S. 19).

Es besteht kein Zweifel, daß dieses Konzil einen verbindlichen lehrmäßigen, d.h. einen dogmatischen Zweck verfolgte. Zwei bedeutende Dokumente werden ausdrücklich „Dogmatische Konstitution“ genannt. Es ist eine phantastische Erfindung der traditionalistischen Bewegung, die behauptet, daß man das „2. Vatikanum“ und alles, was aus ihm hervorgegangen ist, mit der Begründung einfach beiseite schieben und ignorieren könne: „Das 2. Vatikanum hat keine dogmatische Autorität beansprucht und ist deshalb nicht unfehlbar.“

Es ist wahr, daß auch die Größen der Konzilskirche vom „Pastoralkonzil“ sprechen und einräumen, daß diesem ein niedrigerer Rang zukäme als den früheren Konzilien. Aber keiner von ihnen gibt zu, daß deshalb die Annahme des „2. Vatikanums“ der Beliebigkeit anheimgestellt sei. Gerade der eben erwähnten erfindungsreichen Traditionalistengruppe wird als unbedingte Voraussetzung für die „vollkommene Gemeinschaft“ mit der Konzilskirche auferlegt, sie müsse die Konzilsbeschlüsse ohne Abstriche annehmen. Die Konzilskirche ordnet also die Lehren des „2. Vatikanums“ sehr wohl als „kirchliche Elemente“ solchen Ranges ein, die eine Grundvoraussetzung für die „vollkommene Gemeinschaft“ mit ihr darstellen. [„Paul VI.“ schrieb am 29. Juni 1975 an Erzbischof Lefebvre, daß das „2. Vatikanum“ „nicht weniger Autorität beansprucht und unter gewissen Gesichtspunkten sogar wichtiger ist als das von Nizäa“.]

Es wäre ja auch unmöglich und lächerlich, wollte man behaupten, daß die Bischöfe der ganzen Welt auf Geheiß des Papstes zusammenkommen und dann deren Glaubenszeugnis keine amtliche Autorität zukäme. Auf dem „2. Vatikanum“ war die ganze lehrende Kirche anwesend! Und zwar nicht im Jogginganzug und mit Baseballmütze, sondern mit den offiziellen Insignien ihrer Würde und ihres Amtes. Es wäre gegen die Natur der katholischen Kirche und gegen den gesunden Menschenverstand, wollte man behaupten, sie hätten sich in diesem Rahmen getroffen und wollten gar nicht ihres Amtes walten. Dann wäre das ganze Konzil nur so etwas wie ein riesengroßer Rom-Ausflug des Weltepiskopates gewesen. – Man stelle sich zwei Richter eines weltlichen Amtsgerichtes vor. In ihrer Freizeit verabreden sie sich zum Golfspielen. Dabei sagt der eine zu seinem Kollegen: „Also nach all den Indizien und Zeugenaussagen glaube ich, daß dieser Angeklagte sicher schuldig ist.“ Jedem wäre klar, daß es sich bei einer solchen Meinungsäußerung in diesem inoffiziellen Rahmen um kein amtliches Urteil handeln kann. Die Aussage des Richters hätte keine Verbindlichkeit und keinerlei Rechtsfolgen für den Angeklagten. Ganz anders sähe es aus, wenn der Richter im Sitzungsaal, mit seiner Amtsrobe bekleidet, „im Namen des Volkes“ sein Urteil in dieser Angelegenheit verliest. Ein solcher Akt hat Rechtsfolgen. Genau so aber ist das „2. Vatikanum“ in einem höchst offiziellen Rahmen abgelaufen. Es hat amtliche, von allen anwesenden Entscheidungsträgern unterzeichnete Urkunden verfaßt und verkündet. Wie rechtskräftige Gerichtsbeschlüsse durchaus von zwingender Kraft sind, so also auch die Beschlüsse eines ökumenischen Konzils, ganz unabhängig, ob es „von seiner Unfehlbarkeit auf außerordentliche Weise Gebrauch gemacht“ hätte oder nicht.

b) Die Autorität, welche auch einem „Pastoralkonzil“ zukäme

Auf einem ökumenischen Konzil spricht die gesamte lehrende Kirche zusammen mit ihrem Oberhaupt aus einem Munde! Es gibt keine sichtbarere Manifestation und keine höhere Autorität kirchlichen Lehrens als diese. Und dieser an einem Ort versammelte Lehrkörper der katholischen Kirche sollte nun keine Autorität gehabt haben, die Gewissen zu binden? Lesen wir, was an das Ende eines jeden Konzilsdokumentes zur amtlichen Inkraftsetzung (d.h. Promulgation) gesetzt ist: „Dies in dieser dogmatischen Konstitution (bzw. in diesem Dekret) im gesamten und im einzelnen Ausgesprochene, hat bei den Konzilsvätern Wohlgefallen gefunden. Und Wir, kraft der von Christus Uns übertragenen Apostolischen Vollmacht, billigen, beschließen und erlassen diese Satzungen zusammen mit den ehrwürdigen Vätern im Heiligen Geiste und gebieten zur Ehre Gottes die Veröffentlichung dessen, was so durch das Konzil verordnet ist. … Ich Paulus [VI.] Bischof der katholischen Kirche“ (AAS 53, S. 830; 1024). Jeder Konzilsvater schloß sich dem Willen „Pauls VI.“ mit seiner Unterschrift an. Die einzelnen Akte des Konzils sind Verordnungen des Papstes zusammen mit den ihm untergebenen Bischöfen der ganzen Welt, die im Heiligen Geist für die gesamte Kirche zur Veröffentlichung erlassen sind. Auch „Paul VI.“ und die Konzilsväter waren offenbar durchaus der Meinung, daß ihre Satzungen Verbindlichkeitscharakter besitzen.

Das wird um so einleuchtender, wenn wir einen Blick darauf werfen, welche Autorität schon einfache, regionale Bischofssynoden genießen. Bloße Provinzialsynoden, auf denen sich nur die Bischöfe einer Kirchenprovinz versammeln, haben bei weitem nicht den Stellenwert und die Autorität eines ökumenischen Konzils. Aus sich selbst heraus kann eine solche Synode keine Glaubensstreitigkeiten entscheiden oder allgemeingültige Gesetze erlassen. Und dennoch: Die Beschlüsse einer solchen Synode sind für die betroffenen Katholiken der jeweiligen Kirchenprovinz sehr wohl im Gewissen bindend. Kein in dieser Kirchenprovinz lebender Katholik könnte am Ende hergehen und sagen: „Was unsere Bischöfe auf der Synode beschlossen haben, ist nicht unfehlbar. Also werde ich, ehe ich ihre Beschlüsse annehme, erst einmal selbst prüfen, was davon meiner Meinung nach mit der Tradition übereinstimmt und was nicht.“ Eine noch größere Verbindlichkeit erhalten Bischofssynoden, wenn sie durch den Papst bestätigt werden. Zur Bedeutung und Autorität solcher Provinzialsynoden liest man bei Neuner-Roos: „Die Bedeutung solcher Lehrentscheidungen (von Provinzialsynoden) wächst, wo die ausdrückliche Bestätigung des Papstes hinzutritt. Werden durch den Papst Lehrentscheidungen eines Provinzialkonzils als endgültig verbindlich für die ganze Christenheit erklärt, so kommen sie einer unfehlbaren Entscheidung gleich. Das gilt insbesondere für die Entscheidungen des Provinzialkonzils von Karthago und Orange.“ Wollte man das "2. Vatikanum" auch nur als eine globale Provinzialsynode betrachten, so käme seinen Akten auf jeden Fall durch die Promulgation des Papstes eine zur Annahme nötigende Autorität zu.

c) Die Unfehlbarkeit, die auch einem „Pastoralkonzil“ eigentlich zukäme

Die Gegner werden an dieser Stelle einwenden: „Das 2. Vatikanum hat aber keine 'endgültigen', d.h. definitiven Lehrentscheidungen getroffen. Es hat seine Unfehlbarkeit nicht bemüht!“ – Aber hat es das wirklich nicht getan?

„Paul VI.“ selbst scheint den Gegnern scheinbar Recht gegeben zu haben. Wenige Wochen nach Konzilsende gab er in einer offiziellen Erklärung folgendes bekannt: „In Anbetracht des pastoralen Charakters des Konzils, hat dieses es gemieden, Dogmen, versehen mit der Eigenschaft der Unfehlbarkeit, auf ‚außerordentliche‘ Weise zu verkünden. Aber das Konzil hat ihren Lehren die Autorität des höchsten ordentlichen Lehramtes zugeteilt; welches so offensichtlich authentisch ist, daß es von allen Gläubigen angenommen werden muß, nach den Normen, die das Konzil bestimmt hat, mit Berücksichtigung der Natur und des Zieles eines jeden Dokumentes“ (Erklärung Pauls VI. vom 12. Januar 1966).

Bei oberflächlicher Lektüre könnte man meinen, das Konzil habe tatsächlich seine Unfehlbarkeit suspendiert, weil es darauf verzichtete, Dogmen auf „außerordentliche“ Weise zu verkünden. Doch beschränkt sich das unfehlbare Lehren der Kirche tatsächlich allein auf die Fälle, in denen Dogmen auf „außerordentliche“ Weise verkündet werden? Was hat „Paul VI.“ da wirklich gesagt? Er spricht von der „Autorität des höchsten ordentlichen Lehramtes“. Was ist damit gemeint? Man spricht vom ordentlichen Lehramt, wenn der Papst und die Bischöfe an ihren jeweiligen Bischofssitzen in der ganzen Welt zerstreut ihr offizielles Lehramt ausüben, jeder in seinem Amtsbereich. Tagtäglich ist das der Fall. Wenn dabei der Weltepiskopat zusammen mit dem Papst dieselben Lehrinhalte in bezug auf Glaube und Sitten vertreten, bzw. der Papst lehrt und der Weltepiskopat dessen Lehre einmütig annimmt, so spricht man vom allgemeinen ordentlichen Lehramt. Diesem kommt nach katholischer Lehre ebenfalls Unfehlbarkeit zu. Was überall und von allen Bischöfen auf der Welt im Einklang mit dem Statthalter Christi auf Erden verkündet und gelehrt wird, muß mit unfehlbarer Sicherheit wahr sein (s.o.).

Was hat das mit dem „2. Vatikanum“ zu tun? Auf dem „2. Vatikanum“ hat der „Papst“ zusammen mit dem in Rom versammelten Weltepiskopat einmütig gelehrt, bzw. die vom Papst promulgierten Konzilsdokumente wurden einmütig angenommen. Deshalb kommt der „Autorität des höchsten ordentlichen Lehramtes“ auf dem Konzil, auch wenn es keinen Glaubenssatz definiert hat, sehr wohl Unfehlbarkeit zu und muß folglich erst recht „von allen Gläubigen angenommen werden“. Wenn nämlich der einmütig unter dem Papst lehrende Weltepiskopat irren könnte, dann irrte die gesamte lehrende Kirche! Das aber wäre mit dem Dogma von der Unfehlbarkeit der Kirche und dem immerwährenden Beistand des Heiligen Geistes unvereinbar. Gemäß der Verheißung Christi (Mt. 28, 20) ist es unmöglich, daß dessen Statthalter auf Erden samt dem gesamten auf einem ökumenischen Konzil versammelten Lehrkörper der Kirche Irriges, für das Seelenheil Schädliches auferlegt. Wenn also nicht jeder Satz der Konzilsdokumente einer dogmatischen Definition gleichkommt, weil eben keine definitive Entscheidung beabsichtigt war, so sind doch die Lehrinhalte unfehlbar sicher (s.o.). Und zwar sowohl die objektive Sicherheit der dargelegten Lehre selbst, als auch die subjektive Sicherheit, insofern es für alle unfehlbar sicher ist, diese Lehre anzunehmen und zu befolgen.

Die Irrtumslosigkeit des allgemeinen, universalen Lehramtes liegt in der Natur der Kirchenverfassung begründet. Sie ist göttlicher Einsetzung und kann folglich von keinem Menschen irgendwie suspendiert oder vereitelt werden. Die Konzilsväter konnten gar nicht freiwillig auf den Beistand des Heiligen Geistes verzichten, wie so oft fälschlich behauptet wird! Allein die Tatsache, daß die Konzilsväter auf einem ökumenischen Konzil unter dem Papst lehren, zieht notwendigerweise den unfehlbaren Beistand des Heiligen Geistes herab, damit das, was auf diesem Konzil beschlossen wird, unfehlbar sicher wahr, heilig und sowohl der Ehre Gottes als auch dem Heil der Seelen förderlich ist.

d) Was das „2. Vatikanum“ wirklich gewesen ist ...

Wie aber kann man sich dann die oben erwähnten Irrtümer des „2. Vatikanums“ erklären? – Es gibt nur eine einzige Möglichkeit: Irrtümer auf einem ökumenischen Konzil sind nur solange möglich, als seinen Dokumenten die Promulgation des Nachfolgers Petri fehlt! Denn: Nur der Papst allein hat den Lehrauftrag für die Gesamtkirche. Deshalb kommt zunächst auch nur ihm allein der Beistand des Heiligen Geistes beim Lehren und Regieren der Kirche zu. Die Bischöfe nehmen auf einem ökumenischen Konzil nur durch Anteilnahme und in vollkommener Abhängigkeit vom Papst an dessen Lehrauftrag über die gesamte Kirche teil. Tatsächlich hat beispielsweise Papst Leo II. die Akten des III. Konzils von Konstantinopel, an er nicht persönlich teilnehmen konnte, vor der Promulgation korrigiert. Erst im feierlichen Augenblick der päpstlichen Promulgation erlangen die Beschlüsse und Verordnungen eines Konzils allgemeine Verbindlichkeit für die Gesamtkirche und erfreuen sich dadurch ihrer Unfehlbarkeit.

Die Irrtümer des „2. Vatikanums“ sind also einzig und allein dadurch zu erklären, daß dieser Kirchenversammlung der Beistand des Heiligen Geistes ermangelte; was wiederum voraussetzt, daß seinen Dokumenten, obwohl sie die Unterschrift „Pauls VI.“ tragen, offensichtlich, allem äußeren Anschein zum Trotz, die päpstliche Promulgation fehlt… Allein schon die Tatsache, daß es auf dem „2. Vatikanum“ überhaupt zu einer wesentlichen Verfälschung des katholischen Glaubens kommen konnte, ist bereits ein eindeutiges Indiz dafür, daß dieses Konzil ohne einen Papst abgehalten worden sein muß. Das „2. Vatikanum“ war also kein ökumenisches Konzil, weder ein dogmatisches noch ein „pastorales“. Es war eine hochstaplerische Räubersynode!

4. Einwand: „Die Konzilspäpste sind nur materielle Häretiker.“

Die einzige Möglichkeit, eine Häresie von sich zu geben und dabei trotzdem unschuldig zu bleiben, also kein formeller, sondern bloß materieller Häretiker zu sein, ist unverschuldete Unwissenheit! Wenn ein in einem Missionsgebiet lebender Analphabet, also jemand, der weder lesen noch schreiben kann, bei sich glaubt, daß es seit der Himmelfahrt Mariens vier Personen in der Allerheiligsten Dreifaltigkeit gibt, so wird man annehmen dürfen: „Nun gut, er weiß darüber nicht hinreichend Bescheid. Er wurde nicht hinreichend unterrichtet, hat die selten stattfindenden Unterweisungen des Missionars völlig falsch verstanden und hat keine Möglichkeit, es besser zu wissen.“ Er ist ein materieller Häretiker. Diese unverschuldete Unwissenheit zerstört bei diesem Menschen nicht die Tugend des Glaubens, denn er kann es nicht besser wissen.

Aber wer will ernsthaft behaupten, daß jemand vom Format beispielsweise eines Joseph Ratzinger unverschuldet unwissend sei? Daß er außerstande sei, die katholische Glaubenslehre zu kennen? Jemand wie er, der in den 1920er Jahren geboren wurde, in einer katholischen Familie aufgewachsen ist [im katholischen Bayern!], der Lesen und Schreiben gelernt hat, der in seiner gesamten Schullaufbahn als Katholik erzogen wurde, dem aufgrund seiner Studien alle Lehrbücher und Dokumente der Päpste, Kirchenväter und Konzilien zugänglich waren; er, dem es als „Präfekt der Glaubenskongregation“ zugekommen ist, den Glauben wie vielleicht kein Zweiter zu kennen, um ihn erklären und verteidigen zu können – er soll im katholischen Glauben unwissend sein? Er soll keine Möglichkeit gehabt haben, sich die hinreichenden Kenntnisse der katholischen Glaubenslehre anzueignen?

Oder Jorge Mario Bergoglio, geboren in den 1930ern, erzogen als ein Katholik in einer frommen italienischen Auswandererfamilie; er – ein Jesuit! – soll die katholische Glaubenslehre nicht kennengelernt haben? Er sagte: „Ich glaube nicht an einen katholischen Gott. Es gibt keinen katholischen Gott.“ Will da wirklich jemand ernsthaft behaupten, daß durch eine solche Aussage nicht das katholische Glaubensbekenntnis in seinem Wesenskern getroffen wird und die Tugend des Glaubens nicht zerstört würde? Mit dieser Aussage weist er alle katholischen Glaubensbekenntnisse zurück, die beschreiben, daß der allein wahre Gott der Dreifaltige ist, so wie ihn die römisch-katholische Kirche bekennt. Dieser Gott existiert in den Augen Bergoglios nicht. „Es gibt keinen katholischen Gott.“

Die Behauptung, daß die Konzilspäpste nur materielle Häretiker sind, ist abwegig! Es ist absurd zu glauben, daß Männer wie Montini, Wojtyla, Ratzinger oder Bergoglio den katholischen Glauben nicht kennen bzw. daß ihnen der katholische Glaube nicht in der Weise zugänglich (gewesen) wäre, daß sie ihn nicht genauer kennen konnten. Nein, sie alle haben bzw. hatten durch ihre Sprachkenntnisse und ihre akademische Laufbahn Zugang zu den Dokumenten, die den katholischen Glauben und die ihm entgegenstehenden Irrtümer mehr als deutlich beleuchten. Sie hatten durch ihre Ämter die Pflicht, wie sonst niemand den katholischen Glauben zu kennen. Wenn diese Männer, mit dieser hochkarätigen theologischen Ausbildung nur materielle Häretiker und unverschuldet Unwissende sein sollen, dann brauchen wir uns um den Glauben und das Seelenheil der Protestanten und Orthodoxen überhaupt keine Sorgen mehr zu machen. Denn dann sind diese erst recht unverschuldet Unwissende.

5. Einwand: „Allein die Kirche ist berechtigt darüber zu urteilen, ob jemand Papst ist oder nicht.“

Darauf ist zu antworten: Ja, es ist richtig, daß die Kirche, ehe sie zu einer Papstwahl schreiten kann, immer erst erklären muß, daß der Stuhl Petri derzeit vakant ist. Erst dann ist es nämlich legitim, ein Wahlkonklave einzuberufen. – Nicht wahr ist hingegen die Behauptung des Einwandes, daß allein die Kirche erkennen und erklären könne, daß die Konzilspäpste keine wahren Päpste sind. Mit anderen Worten: Natürlich hat niemand von uns Katholiken für sich genommen die amtliche Autorität, richterlich zu erklären, daß irgend jemand irgendein Amt habe oder nicht habe. Wir sind keine Richter, noch weniger kirchliche Richter. Jedoch haben wir das Recht und die Pflicht, wie es der hl. Paulus im Brief an die Galater (1, 6 ff.) schreibt, jemanden für nicht-katholisch zu halten, der uns eine falsche Religion auferlegen will. Und das führt uns wieder zurück zu der entscheidenden Feststellung, daß das „2. Vatikanum“ eine wesentliche Verfälschung der katholischen Religion ist. Wenn uns die Konzilspäpste eine falsche Religion auferlegen, so ist es unmöglich, daß sie die dreifache Vollmacht Christi haben, die Kirche zu lehren, zu heiligen und zu leiten. – Ein zugegebenermaßen drastisches Beispiel mag dies verdeutlichen: Angenommen, wir würden in der Nachbarschaft eines öffentlich bekannten Kinderschänders wohnen. Mehrere Straftaten sind sicher bekannt. Das ganze Wohnviertel ist in Aufregung. Neue Anzeigen sind zwar erfolgt, aber diese wurden bislang nicht bearbeitet. Würden wir dann ernsthaft sagen: „Nun, es gibt noch kein amtliches Urteil. Die Polizei hat ihn noch nicht verhaftet. Die Justiz hat ihn noch nicht zur Rechenschaft gezogen. Lassen wir einfach unsere Kinder weiter zu ihm gehen und vor seiner Haustür spielen.“ Verantwortungsvolle Eltern würden nie erlauben, daß ihre Kinder in die Nähe einer solchen Gefahr spielen dürften. Mit anderen Worten: Der Kinderschänder ist sicher schuldig, ein solches Verbrechen begangen zu haben. Seine Tat ist offenkundig! Niemand würde sagen: „Ich halte meine Kinder erst ab dem Tag von ihm fern, wenn er von der amtlichen Justiz verurteilt worden ist.“

Anderes Beispiel: Ein Amokläufer, der mehrere Menschen wahllos erschossen hat, ist klar des Verbrechens des Mordes schuldig. Es gibt keinen Zweifel, daß er es getan hat. Alle Überwachungskameras zeigen ihn mit der Waffe in der Hand, wie er wahllos in die Menge feuert. Er ist klar schuldig. Freilich muß ihm auch der Prozeß gemacht werden. Dennoch ist er schon vor Prozeßbeginn schuldig. Seine Tat ist offenkundig! Niemand würde sagen: „Solange kein offizielles Gerichtsurteil gegen ihn vorliegt, muß man ihn auf freiem Fuß herumlaufen lassen, da überhaupt nicht sicher ist, ob er die Morde begangen hat.“

Wenn die Konzilspäpste mit dem „2. Vatikanum“ und ihren Reformen die katholische Religion wesentlich verändert haben, dann sind sie schuldig an einem Verbrechen gegen den katholischen Glauben. Ihre Taten sind offenkundige Akte vor aller Welt! Wie wir oben gesehen haben, können sie nicht durch Unwissenheit – also nur materiell – schuldig geworden sein, sondern aufgrund ihres theologischen Wissens müssen sie formell schuldig sein. Im Falle des Amokläufers mag die Frage untersucht werden, ob die Mordtat womöglich auf eine schwere seelische Erkrankung des Täters zurückzuführen ist. Wenn ja, wird man ihn aufgrund seiner mangelnden Zurechnungsfähigkeit trotzdem für den Rest seines Lebens in einer geschlossenen Psychiatrie unterbringen. Im Falle der Konzilspäpste ist eine schwere seelische Erkrankung nicht festzustellen, sonst wären sie gar nicht in der Lage gewesen, die Amtsgeschäfte der Konzilskirche über so lange Jahre zu leiten. Die Art und Weise, wie sie den Ökumenismus umgesetzt haben, weist ein systematisches, wohldurchdachtes Vorgehen auf. Außerdem zählen die theologischen Lehrbücher (z.B. Scheeben, Vermeersch) unter den vier Möglichkeiten, wie eine sofortige Vakanz des päpstlichen Stuhles erkennbar ist, neben Tod, Abdankung und öffentliche Häresie, den Wahnsinn auf.

Wenn man behauptet, allein die amtliche Autorität in der Kirche könne erkennen und beurteilen, ob die Konzilspäpste nun wahre Päpste sind oder nicht, müßte man dann nicht logischerweise auch fragen: Warum weisen die Vertreter dieses Einwandes dann die „Neue Messe“ zurück? Wer gibt ihnen das Recht dazu? Warum wagen sie es, das „2. Vatikanum“ - wenigstens in wichtigen Teilen - zurückzuweisen? Die Kirche hat die „Neue Messe“ (noch) nicht durch ein offizielles Urteil verworfen! Die Kirche hat das „2. Vatikanum“ (noch) nicht richterlich verurteilt! Warum weisen wir diese Dinge dann trotzdem zurück, ohne ein amtliches Urteil der Kirche abzuwarten? – Richtig: Weil es offensichtlich ist, daß all diese Dinge nicht katholisch sind. Jeder, der es erkennen will, kann das erkennen. Und wenn er es erkannt hat, muß er sich dieser Einsicht entsprechend verhalten.

Wenn man das praktische Verhalten der Lefebvristen konsequent interpretiert, so liefern sie selbst in ihrem Widerstand gegen die konziliaren Reformen ein lebendiges Anschauungsbeispiel für die Unsinnigkeit des von ihnen hier erhobenen Einwandes. Ja, konsequent zu Ende gedacht, schließt die Zurückweisung der „Neuen Messe“ und die Zurückweisung „des Konzils“ notwendigerweise auch die Zurückweisung der „Novus-Ordo“-Hierarchie mit ein, und zwar ohne eine amtliche Deklaration durch die Kirche! Wollten wir ernsthaft so lange auf ein „amtliches Urteil der Kirche“ warten, ehe wir dementsprechend handeln, dann müssen wir – wie oben schon gesagt – auch so lange sonntags unsere Luftballons aufblasen und in der Pfarrkirche bei der „Novus-Ordo“-Messe mitschunkeln.

Zudem: Wer wird das hochoffizielle Verdammungsurteil über das „2. Vatikanum“ (!), und erst in der Folge auch über seine „Päpste“ aussprechen? Bergoglios Kardinäle? Oder etwa der in Einheit mit ihm stehende Konzilsepiskopat? Es scheint, als müßten wir da wohl noch lange, ja sogar noch sehr lange warten; und bis dahin eben sonntags … mitschunkeln.

6. Einwand: „Auch ein schlechter Vater bleibt doch immer der wahre Vater seiner Kinder.“

Dies ist ein Argument, das sich auf eine Analogie, d.h. einen Vergleich, stützt. Aufgrund der Ähnlichkeit zweier Sachverhalte wird der eine unklare Fall genauso beurteilt, wie der andere, welcher klar auf der Hand liegt. Der ganze Einwand lautet wie folgt: Der Papst ist der Vater der Christenheit. So wie ein schlechter Familienvater stets wahrer Vater seiner Kinder bleibt, so bleibt auch ein schlechter (d.h. ein vom Glauben abweichender) Papst doch immer wahrer Papst der Kirche.
Will sich eine Schlußfolgerung wie diese auf einen wirklich zutreffenden Vergleich stützen, so muß man prüfen, ob denn tatsächlich ein übereinstimmender Vergleichspunkt gegeben ist. Der Vergleichspunkt unseres Einwandes zielt auf den Begriff der „Vaterschaft“. Und bezieht das Eigenschaftswort „schlecht“ mit ein. Die Frage lautet also: Wird der Begriff „Vater“ in der Rede vom Familienvater in der gleichen Bedeutung gebraucht, wie in der Rede vom Vater der Christenheit? Ist ein schlechter Familienvater tatsächlich mit einem schlechten Papst vergleichbar? Wenn ja, wäre das Argument stichhaltig und der Einwand berechtigt. Wenn nicht, dann hätten wir es mit einem Sophismus zutun.

a) Der Familienvater und der Vater der Christenheit

Betrachten wir zuerst, wie es sich mit der Begriffsbedeutung von „Vaterschaft“ in den beiden Fällen verhält. – Bezüglich des Familienvaters steht unbezweifelbar fest, daß er immer der Vater seiner Kinder bleibt. Ganz egal was er tut, bleibt die physische Zeugung seiner Kinder ein unwiderrufliches Faktum. Selbst wenn er seine Kinder tötet, bleibt er doch ihr Vater. Er hat sie nun einmal gezeugt. Und auch umgekehrt gilt: Wenn er selbst eines Tages stirbt, so bleibt er über sein Grab hinaus der Vater. Seine Vaterschaft ist in das Erbgut seiner Kinder unauslöschlich, unverlierbar und unwiderruflich eingeprägt. Kein anderer Mann, mag er sich nun Adoptivvater oder Stiefvater nennen, kann an seine Stelle als physischer Vater treten. Da die Vaterschaft wesentlich durch den einmaligen Zeugungsakt realisiert wird, ist sie nicht übertragbar.

Wenn ein Mann zum Papst gewählt wird, kommt seine „Vaterschaft“ nicht durch physische Zeugung zustande. Nichts geschieht auf der Ebene der Natur. Das Erbgut seiner Untergebenen bleibt unangetastet. Allein auf der geistigen Ebene tritt eine Änderung ein. Dem Erwählten wird in dem Moment, da er die Wahl zum Papst annimmt, die Autorität Jesu Christi über die gesamte Kirche übertragen. So entsteht eine neue Beziehung zu allen Christgläubigen, die aus der Autorität Jesu Christi hervorgeht. Und zwar handelt es sich bei dieser Beziehung um eine geistige, nicht um eine physische! Die Vaterschaft des Papstes besteht in der Autorität Christi, die er fortan besitzt. Ist diese Vaterschaft nun ebenso unauslöschlich, unverlierbar und unwiderruflich? Nein, das ist nicht der Fall. Wie oben gesehen, kann diese Vaterschaft auf die vier genannten Weisen aufhören. Etwa durch den Tod, durch eine Abdankung, durch öffentliche Häresie oder durch Wahnsinn. Tritt einer dieser Fälle ein, so wird die „Vaterschaft“ konstituierende Beziehung zu allen Christgläubigen gelöst und ein anderer kann zum „Vater der Christenheit“ gewählt werden. Der Neugewählte stünde dann wiederum im absolut identischen Verhältnis zu allen Christgläubigen wie sein Vorgänger. Ein und dieselbe päpstliche Vaterschaft ist also, im Gegensatz zur physischen, sukzessive übertragbar auf einen Nachfolger.

Wenn wir beide Formen der Vaterschaft einander gegenüberstellen, so müssen festhalten: Beide Begriffe der Vaterschaft stehen nicht auf gleicher, und damit auch nicht auf vergleichbarer Bedeutungsebene, sondern bezeichnen etwas der Natur der Sache nach Grundverschiedenes. Die unverbrüchliche Vaterschaft des biologischen Vaters gründet auf physischer Abstammung. Die päpstliche Vaterschaft ist in der geistigen Autoritätsbeziehung grundgelegt. Die wesentliche Verschiedenheit beider Begriffe wird besonders deutlich, wenn wir nochmals auf den angesprochenen Verlust der päpstlichen Vaterschaft eingehen, und diesen mit der biologischen Vaterschaft vergleichen. Kann ein Familienvater jemals seine Vaterschaft verlieren? Wie gesagt: Nein! Verfällt er dem Wahnsinn, so bleibt er trotzdem der Vater seiner Kinder. Fällt er öffentlich vom Glauben ab, so ändert sich an der Tatsache, daß er seine Kinder gezeugt hat, rein gar nichts. Auch kann er nicht von seiner Vaterschaft zurücktreten. Sie ist und bleibt eingeschrieben in das Erbgut seiner Kinder. Er mag seine Vaterschaft leugnen. Jeder medizinische Vaterschaftstest fördert sie zu Tage. Nicht einmal der Tod löst die biologische Vaterschaft im Gegensatz zur päpstlichen Vaterschaft auf.

Wenn aber der Begriff der biologischen Vaterschaft keine Übereinstimmung mit der päpstlichen hat, dann ist es unzulässig, von der einen auf die andere zu schließen. Es liegt also keine wahre Analogie, sondern eine sophistische Täuschung vor!

b) Die väterliche Autorität und ihr schlechter Gebrauch

Ein Vergleich zwischen der biologischen Vaterschaft auf der einen und der Vaterschaft des Papstes auf der anderen Seite könnte allein in dem Bereich versucht werden, in welchem beide Formen der Vaterschaft miteinander übereinkommen. Das scheint der Fall im Bereich der „väterlichen Autorität“ zu sein. Denn auch dem Familienvater kommt als Folge seiner physischen Vaterschaft, eine naturgemäße Autorität über seine Kinder zu. Die väterliche Autorität ist aber im Gegensatz zur biologischen Vaterschaft sehr wohl verlierbar – etwa durch Vernachlässigung der Kinder oder durch schweren Mißbrauch derselben. Wenn ein Vater seine Kinder verwahrlosen läßt, sexuell mißbraucht oder krankenhausreif prügelt, wird sich das Jugendamt einschalten und dem Vater die Autorität über seine Kinder wegnehmen. Deshalb bleibt er freilich der biologische Vater, aber er verliert die Autorität des Vaters.

Die päpstliche Vaterschaft besteht ihrer Natur gemäß allein in der Autorität, welche keine andere ist, als die Autorität Jesu Christi selbst. Und schon bei dieser Feststellung stoßen wir auf etwas Entscheidendes, das uns wiederum den Schluß von der menschlichen Vaterschaft auf die päpstliche Vaterschaft verbietet. Die päpstliche Autorität ist eine übernatürliche. Wenn der Papst als „Vater der Christenheit“ seine Autorität ausübt, so ist sie verbürgt durch den Beistand des Heiligen Geistes. Dieser übernatürliche, göttliche Beistand; das „Charisma der sicheren Wahrheit“, wie dieses Phänomen schon von den Kirchenvätern treffend bezeichnet wird, würde den Papst daran hindern seine Autorität im Bereich des Lehrens, Heiligens und Leitens der Gesamtkirche falsch zu gebrauchen, oder sie gar zu mißbrauchen. Der von Christus zugesicherte Geistesbeistand könnte unmöglich zulassen, daß sein sichtbarer Stellvertreter Seine, also Christi, Autorität gegen den von Ihm selbst der Kirche eingestifteten Zweck – nämlich die Verherrlichung Gottes und das Heil der Seelen – aufbietet.

Natürlich kann ein Papst ein schlechter Mensch sein, ein Sünder, ja sogar ein schwerer Sünder. Selbstverständlich kann er das Ansehen seines Amtes um zeitlicher Güter willen oder im Streben nach Einfluß und Macht mißbrauchen und somit ein „schlechter“ Papst sein. Da der Papst von niemandem gerichtet werden kann als von Gott allein, bliebe ein wie eben beschriebener „schlechter“ Papst wahrer Stellvertreter Christi auf Erden. „Schlechte“ Päpste hat es ja auch in der Geschichte der Kirche gegeben. Niemals aber hat es einen „schlechten“ Papst im Sinne unseres Einwandes geben. Nie kann es einen Papst geben, der in seiner Verkündigung vom geoffenbarten Glauben abweicht und Kraft seiner Amtsautorität das Seelenheil all der ihm Untergebenen gefährdet. Niemals kann es einen „schlechten“ Papst, im Sinne eines „häretischen Papstes“ geben.

Wenn ein Mann in Papstkleidern seine „Kinder“ (also die gläubigen Katholiken) mißbraucht, indem er ihnen eine falsche ökumenistische Religion auferlegt, so würde damit nicht etwa offen zutage treten, daß er seine päpstliche Autorität ipso facto – wie sich etwa die Kanonisten ausdrücken – verloren hätte, oder daß ihm dieselbe von der Kirche erst aberkannt werden müßte; sondern, daß er sie überhaupt niemals besaß. Denn bedenken wir es nochmal: Die päpstliche Autorität ist die Autorität Christi! Diese Autorität ist in Folge der Würde dieser Autorität einerseits, und aufgrund der Gebrechlichkeit seines menschlichen Trägers andererseits notwendigerweise mit dem göttlichen Beistand des Heiligen Geistes verknüpft. Die Autorität Christi über die Gesamtkirche zieht notwendigerweise auch den Beistand des Heiligen Geistes bei Akten, welche die Gesamtkirche betreffen, nach sich. Kurz: Ein schlechter Papst (!) bleibt stets Papst der Kirche. Ein häretischer „Papst“ war gar nie Papst!

c) Der Zweck jeder Autorität – das Heil der Untergebenen

Gott selbst, „von dem alle Vaterschaft im Himmel und auf Erden ihren Namen hat“ (Eph. 3,15), ist das Urbild jeder Vaterschaft und Autorität der Geschöpfe. Wozu gebraucht Gott nun seine Autorität? – Um seine Geschöpfe auf ihr von Ihm gesetztes Ziel hinzulenken, auf ihr Heil, ihr Glück. Nur in dieser väterlich wohlwollenden Zweckursächlichkeit der Autorität, welche die „Kinder“, also die Untergebenen, zu ihrem wahren Daseinszweck und letztlich zu ihrem ewigen Glück anleitet; nur in dieser Zweckursächlichkeit finden wir eine vergleichbare Entsprechung der Vaterschaft des Papstes und der des Familienvaters, während sie in ihrem Wesen und in ihrer Dauer grundverschieden sind. Beiden ist ihre Autorität gegeben, um sie, dem Willen Gottes gemäß, zum Wohle der ihnen Anvertrauten einzusetzen.

Man erlaube uns an dieser Stelle eine Feststellung und eine Spekulation. Zunächst die Feststellung: Die Konzilspäpste gebrauchten und gebrauchen ihre Autorität nicht, um die Seelen auf ihr ewiges Heil hinzulenken, sondern, um das Wesen der römisch-katholischen Kirche in eine neue Kirche der Freiheit, der Gleichheit und der Brüderlichkeit umzuwandeln. Die Autorität Christi, wird aber nicht dazu verliehen, um das Wesen der Kirche zu verändern, sondern, um die Kirche gerade vor solchen Änderungsversuchen zu bewahren!

Und vielleicht verbirgt sich gerade darin die Ursache, wie es geschehen konnte, daß gültig zum Papst gewählte Kardinäle, wie etwa Roncalli oder später Montini, in dem Augenblick, als sie in der Sixtinischen Kapelle das „accipio – Ich nehme die Wahl an“ sprachen, doch nicht Päpste der katholischen Kirche wurden. Ihre späteren Werke legen ein beredtes Zeugnis von ihren unorthodoxen Absichten ab. Sie wollten die Autorität Christi in ihrer unabänderlichen Zweckbestimmung, den Glauben rein zu bewahren und dem Heil der Seelen zu dienen, gar nicht annehmen, sondern trachteten nur nach der Macht, um das Papstamt wider seine Natur zu gebrauchen und den Idealen der Freimaurerei, auf Kosten des Heiles der Seelen, zum Siege zu verhelfen. Offenbar hatten sie gar nicht die Absicht Papst und „Vater der Christenheit“ zu werden. Und womöglich findet sich gerade darin der Grund, warum sie es auch nie geworden sind. Freilich läßt sich viel über die Ursachen spekulieren. Welche Ursache dafür auch verantwortlich gewesen sein mag. Fakt ist, daß sie es tatsächlich nie geworden sind.

7. Einwand: „Schlechte Päpste, wie die Konzilspäpste, hat es immer schon in der Kirchengeschichte gegeben.“

Dieser Einwand zielt in ähnlicher Weise wie der 6. Einwand auf die moralische Integrität des Trägers des Papstamtes ab. Diese ist in der Tat für die Klärung der Frage, ob ein bestimmter Mann Papst ist oder nicht, irrelevant. Der Einwand übersieht, daß es noch keinen „schlechten“ Papst in der gesamten Kirchengeschichte gegeben hat, der die katholische Religion in ihrem Wesen verändert hätte. Also sind wir wieder bei der alles entscheidenden Frage: Ist das 2. Vatikanum katholisch oder nicht? – Wenn die Konzilspäpste den katholischen Glauben hochhalten würden, so würde es uns wenig schaden, wenn sie Unsittliches täten, wie etwa einige Päpste in der Renaissancezeit. Sie würden zwar durch das Bekanntwerden sittlicher Exzesse ihre persönliche Glaubwürdigkeit verlieren, nicht aber ihre amtliche Autorität, genausowenig wie auch wir nicht den heilsnotwendigen Glauben verlieren würden, wenn wir ihnen gehorchen. Ein Papst, der „bloß“ unmoralisch handelte, würde unseren Glauben nicht berühren. Die Doktrin und Disziplin der katholischen Kirche bliebe davon völlig unberührt. Wir könnten weiterhin in die heimatliche Pfarrkirche zur hl. Messe gehen, denn die hl. Messe und die Sakramente wären von sittlichen Exzessen eines Papstes nicht betroffen. Auch die Moral und die disziplinaren Vorschriften würden dadurch nicht gelockert. Wir würden nur erkennen, daß ein Papst, der sich nicht an die Moralgesetze der katholischen Kirche hält, selbst Gefahr läuft, sein Seelenheil zu verlieren und ewig verloren zu gehen.

Das 2. Vatikanum berührt aber unseren Glauben! Die Konzilspäpste bestehen auf der vollständigen und unbedingten Annahme der Konzilsbeschlüsse. Sie erlegen sie jedem Katholiken, im Namen ihrer „apostolischen Autorität“ auf. Die Institutionen der Konzilskirche setzen sie tagtäglich um. Wenn sie wirklich Päpste wären, geschähe dies mit vollem Recht in der Autorität Jesu Christi. Wären sie Päpste, müßten wir Lehren annehmen, die im Gegensatz zum Wesen der katholischen Religion stehen. Wir wären verpflichtet, eine wesentlich neue Religion anzunehmen, die zwar so ähnlich aussieht wie die katholische, aber doch eine wesentlich andere ist (s.o.).

Auch wenn die Renaissance-Päpste aufgrund ihres unsittlichen Lebens alles andere als vorbildliche Nachfolger Petri waren, so haben diese nicht selbst – genausowenig übrigens wie alle anderen Päpste der Kirchengeschichte – den Katholiken falsche Lehren zur Annahme auferlegt. Nicht in ihrem allgemeinen, universalen Lehramt und erst recht nicht in ihrem feierlichen.

8. Einwand: „Der Sedisvakantismus verstößt gegen das Dogma von der Sichtbarkeit der Kirche.“

Dieser Einwand baut auf dem Dogma auf, welches besagt, daß die katholische Kirche bis zum Ende der Welt als eine sichtbare Gesellschaft fortbestehen wird. Das Argument lautet: Wenn seit dem 2. Vatikanum die gesamte Hierarchie der Kirche ihre Ämter verloren hätte, dann gäbe es keine sichtbare Kirche mehr. Damit die Sichtbarkeit der Kirche gewährleistet bliebe, müsse man notwendigerweise annehmen, daß die Konzilspäpste und Konzilsbischöfe wirkliche Päpste und Bischöfe der katholischen Kirche seien, also ihre Ämter trotz ihrer Abweichungen in Glaube, Moral, Kult und Disziplin weiterhin innehaben.

Dieses Argument nützt rein gar nichts, um die Sichtbarkeit der katholischen Kirche zu „retten“. Denn ein Misthaufen ist zwar überaus sichtbar und mit den verschiedensten Sinnesorganen wahrnehmbar, aber es handelt sich dabei nicht um die römisch-katholische Religion. Vergessen wir nicht, was uns der hl. Apostel Paulus lehrt: „Die Kirche ist die Säule und Grundfeste der Wahrheit“ (1. Tim. 3,15 ). Was wir sehen, was also sichtbar ist, das ist jedoch alles andere als der Leuchtturm der katholischen Wahrheit. Es ist ein Misthaufen bzw. eine doktrinelle „Kloake“, wie Unsere Liebe Frau in La Salette die Afterkirche beschrieben hat. An der Konzilskirche sehen wir keine katholische Glaubensverkündigung. Wir sehen keine katholische Glaubenspraxis. Sie ist gleichsam ein lehrmäßiger und sittlicher Misthaufen. Dieser freilich ist ziemlich sichtbar! Gerade darin besteht sogar das Problem, daß nämlich fast alle Menschen, welche falschen Religionen anhängen, meinen, daß dieser Misthaufen die katholische Kirche sei und sich in ihrem falschen Glauben bestärkt fühlen.

Die Sichtbarkeit der Konzilskirche ist gewiß kein Argument gegen das Faktum der heutigen papstlosen Zeit. Im Gegenteil! Gerade weil es so lange schon keinen Papst mehr gibt, der ja das einheitsstiftende Moment in der katholischen Kirche ist, sehen wird überall Zersetzung, Auflösung und Glaubensabfall. Man kann die Sichtbarkeit der Kirche, der Säule und Grundfeste der Wahrheit, nun einmal nicht mit einer Hierarchie von öffentlichen Häretikern, mit Männern, welche die Kirche zerstören und in etwas anderes umfunktionieren, aufrecht erhalten.

Trotzdem ist und bleibt die Kirche nach wie vor sichtbar! Freilich ist diese Sichtbarkeit bis zur Wiederherstellung der Hierarchie durch den nächsten Papst (oder durch Elias? vgl. Mt. 17,11) verdunkelt. Doch dürfen wir nicht vergessen, worin die Sichtbarkeit der Kirche in ihrem Wesenskern besteht: In der katholischen Glaubenslehre, im göttlichen Kult und in der katholischen Disziplin. Die Sichtbarkeit der Kirche ist demnach durch die Glaubenspraxis zahlreicher Gruppen treu gebliebener Katholiken, die begründeter Weise dem Konzil und seinen Reformen widerstehen, ohne dabei selbst – etwa wie die Lefebvre-Traditionalisten – eine unkatholische Haltung einzunehmen; die ihren Glauben öffentlich bekennen und praktizieren, nach wie vor vorhanden. Diese Katholiken sind dadurch sichtbar, wahrnehmbar für die ganze Welt; nicht weniger wahrnehmbar als die kleine Gemeinde am Pfingsttag in Jerusalem, die ja bereits ausreichend sichtbar war. Schon damals war die Kirche sichtbar vor aller Welt in Erscheinung getreten, obwohl sie nur in Jerusalem wahrnehmbar war. Das aber war hinreichend.

Jeder weiß, daß es Katholiken gibt, die der katholischen Überlieferung treu geblieben sind. Es handelt sich um keine Geheimgesellschaft. Es gibt Orte, wo katholische (Weih-)Bischöfe und Priester das hl. Meßopfer „non-una-cum“ darbringen und die Sakramente spenden. Es gibt Gläubige, die sich an die katholische Disziplin, wie sie vor dem 2. Vatikanum in allgemeiner Geltung war, halten und die den Willen haben einem Papst oder einem Diözesanbischof, wenn es nur einen solchen gäbe, nicht nur durch Lippenbekenntnisse, sondern tatsächlich (!) Gehorsam zu leisten.

Die Vertreter unseres Einwandes setzen oft vorschnell die Sichtbarkeit der Kirche gleich mit der Existenz einer weltweiten Organisationsstruktur, wie wir sie Jahrhunderte hindurch in Europa und darüber hinaus vorgefunden haben. Das ist jedoch, wie zahlreiche Theologen bestätigen, nicht das eigentliche Kriterium der Sichtbarkeit. Für die Sichtbarkeit des Katholischen und damit der katholischen Kirche, sind nötig: das öffentliche Bekenntnis des katholischen Glaubens, die gemeinschaftliche Feier der katholischen Liturgie, sowie der entschiedene Wille, dem regierenden katholischen Kirchenoberhaupt durch Gehorsam unterworfen zu sein. Überall dort, wo Menschen dies praktizieren, ist die katholische Kirche auch in einer lange anhaltenden papstlosen Zeit sichtbar.

9. Einwand: „Der Sedisvakantismus verstößt gegen das Dogma, daß es bis zum Ende der Welt Päpste geben wird.“

Das Dogma des Vatikanischen Konzils von 1870 lautet: „Wer also sagt, es sei nicht aus der Einsetzung Christi, des Herrn, selbst bzw. göttlichem Recht, daß der selige Petrus im Primat über die gesamte Kirche fortdauernd Nachfolger [perpetuos successores] hat: oder der Römische Bischof sei nicht der Nachfolger des seligen Petrus in eben diesem Primat: der sei mit dem Anathema belegt.“ (DH 3058). Dieser Kanon des Vatikanischen Konzils richtet sich zum einen gegen die Protestanten, die behaupten, daß bereits mit dem Tod des hl. Apostels Petrus auch dessen Primat erloschen sei, und es folglich seither gar keine Primatialgewalt in der Kirche mehr gäbe und geben solle. Zum anderen aber richtet er sich gegen die Orthodoxen, die stets bestritten haben, daß die römischen Bischöfe und nur sie allein die Vollgewalt über die gesamte Kirche innehaben. Diesen Häresien trat das Konzil entgegen, indem es definierte: 1. Bis zum Ende der Welt wird der Primat Petri in dessen Nachfolgern fortdauern. 2. Diese Nachfolger Petri im Primat sind allein die römischen Päpste.

Diejenigen, welche nun den oben genannten Einwand zur Widerlegung des „Sedisvakantismus“ gebrauchen, legen besonderen Wert auf den Ausdruck „daß der selige Petrus im Primat … fortdauernd Nachfolger hat“. Das lateinische Wort „perpetuus“ deckt das Bedeutungsspektrum „ununterbrochen, beständig, ewig“ ab. Die Kette der Nachfolger Petri kann also bis zum Ende der Welt niemals abreißen.

Dem stimmen wir, also die Katholiken, die überzeugt sind, daß die katholische Kirche sich nun schon seit Jahrzehnten in einer papstlosen Zeit befindet, voll und ganz zu! Ja, die Kette von Päpsten wird bis zum Ende der Welt nicht abreißen. Durch das hier im Raum stehende Dogma ist gerade dieses Faktum unfehlbar gewiß. Mit anderen Worten: Es ist sicher, daß wieder ein Papst gewählt werden wird. Und dieser wird wiederum Nachfolger haben – bis zum Ende der Welt. Das Dogma schließt jedoch nicht aus, daß es bisweilen lange dauern kann, bis ein Nachfolger für den verstorbenen Papst gewählt werden kann. Denn, unmöglich kann das Konzil den Primat als ein „Perpetuum mobile“ definiert haben. Als würde der Primat, einmal von Christus in Gang gesetzt, ohne jegliche Unterbrechung, wie jene utopische Maschine, bis zum Ende der Welt ununterbrochen aktiv sein, d.h. ausgeübt werden. Petrus und seine Nachfolger waren nicht unsterblich. Mehr als 260 Mal in der Geschichte trat eine Vakanz des Papstamtes ein. Ein Zeitabschnitt also, in dem einstweilen niemand den Primat Petri inne hatte, bis nach kurzer oder längerer Dauer ein neuer Papst gewählt werden konnte. Genau in so einer Zwischenzeit, leben wir heute: in einer papstlosen Zeit.

Dessen sind sich die „Sedisvakantisten“ bewußt. Zweifelsohne hat ein solches Interregnum noch nie so lange gedauert wie dieses. Doch hat es der Herr dem Satan offensichtlich zugestanden, die derzeitige Vakanz durch zahlreiche Scheinpäpste, die trotz ihrer Häresien und Irrtümer von einer verblendeten, weil ungläubigen und apostatischen Welt für wahre Päpste der katholischen Kirche gehalten werden, künstlich zu verlängern. Auf die Frage, wie lange es maximal dauern könne, bis ein neuer Papst gewählt sein muß, wird von der dogmatischen Definition des Vatikanischen Konzils überhaupt nicht eingegangen. Gewiß ist aber, daß die heutige Sedisvakanz unfehlbar sicher überwunden werden wird.
Die Haltung der „Sedisvakantisten“ wird somit durch das Dogma keineswegs verurteilt, ja nicht einmal berührt. Freilich, die Vertreter dieses Einwandes gehen in der Regel davon aus, daß eine so lange andauernde Vakanz des Apostolischen Stuhles nicht mehr überbrückbar sei und folglich das Papsttum unwiederbringlich erloschen wäre. Doch das führt uns zum nächsten Einwand.

10. Einwand: „Wie sollte es jemals wieder einen Papst geben, wenn es keine Kardinäle mehr gibt?“

Wenn es seit 1958 keine Päpste mehr gibt, sondern nur noch Scheinpäpste, dann gibt es auch inzwischen keine Kardinäle mehr, sondern nur Scheinkardinäle. Denn nur ein wahrer Papst kann wirkliche Kardinäle kreieren. Wie soll es dann aber jemals wieder einen Papst geben, wenn es niemanden mehr gibt, der ihn überhaupt wählen kann?

Darauf ist zu antworten, daß es in der Kirchengeschichte bereits einen vergleichbaren Fall gab. Im großen Abendländischen Schisma (1378 - 1417) gab es zeitweise drei Päpste mit ihrem jeweils eigenen Kardinalskollegium. Ein Papst konnte nur der richtige sein. Nur ein Kardinalskollegium konnte rechtmäßig ernannt sein. Oder aber – wie einige Kirchenhistoriker meinen – keiner der drei war in Wirklichkeit Papst, da allesamt nicht gewillt waren, das Schisma durch ihren Rücktritt zu heilen. Das würde bedeuten, daß es schon einmal eine Sedisvakanz von ca. 40 Jahren gegeben hat.

Die Rettung aus der verfahrenen Situation kam von einer ganz unerwarteten Seite. Ein Eingreifen des Kaisers schuf der mißlichen Lage Abhilfe, indem es ihm gelang alle „Päpste“ zum Rücktritt zu bewegen bzw. zu zwingen und ein Konklave in Konstanz einzuberufen. Zu diesem Zeitpunkt gab es jedoch nur noch einen einzigen lebenden Kardinal, der von Papst Gregor XI., dem letzten Papst vor dem Beginn des Schismas, kreiert wurde und damit als einziger sicher wahlberechtigt war. Das Konklave wurde jedoch aufgestockt mit allen „Kardinälen“ der jeweiligen „Päpste“ sowie mit einer zahlenmäßig noch stärkeren Fraktion bestehend aus den Ständen der sechs katholischen Nationen. Am 11. November 1417 wurde Papst Martin V. von einer Mehrheit gewählt, die überwiegend aus Nicht-Kardinälen bestand!

Mit anderen Worten: Die Kirche braucht nicht unbedingt Kardinäle, um einen Papst wählen zu können. Das Privileg den Papst zu wählen wurde erst im dem 11. Jahrhundert ausschließlich auf das Kardinalskollegium beschränkt. Die Kirche benötigt nur die Erkenntnis, daß es einer solchen Papstwahl bedarf, einer moralischen Autoritätsperson, wie damals den Kaiser, die ein Konklave zusammenruft und einer katholischen Öffentlichkeit, die den Gewählten als Papst der römisch-katholischen Kirche anerkennt. Diese Gegebenheiten herbeizuführen ist freilich in erster Linie, wie damals Anfang des 15. Jahrhunderts, Sache der göttlichen Vorsehung. Doch die Möglichkeit einer Papstwahl ist heute wie damals gegeben.

11. Einwand: „Vielleicht irren sowohl die Konzilspäpste als auch die Traditionalisten schuldlos.“

Alle katholischen Moraltheologen sprechen über die sogenannte „unüberwindliche Unwissenheit“. Darunter versteht man, wie wir schon in unserer Antwort auf den 4. Einwand dargelegt haben, eine Unwissenheit, die nicht durch normale Mittel behoben werden kann. Ein ungebildeter Mensch, der niemals das Lesen gelernt hat und keine Gelegenheit hatte am Katechismusunterricht teilzunehmen, kann sich durchaus in Bezug auf sichere Dogmen des Glaubens in unüberwindlicher Unwissenheit befinden.

Die hl. Bernadette war in unüberwindlicher Unwissenheit bezüglich des Dogmas von der Unbefleckten Empfängnis. Sie gab dem Priester, der sie beauftragt hatte die Erscheinung nach ihrem Namen zu fragen, zur Antwort, die Dame habe gesagt: „Ich bin die Unbefleckte Empfängnis.“ Aber Bernadette wußte damals gar nicht, was die Unbefleckte Empfängnis überhaupt ist. Daraus erkannten ihre Prüfer, daß sie die Erscheinungen nie und nimmer erfunden haben konnte. Bernadette selbst hatte keine Möglichkeit gehabt, von der Unbefleckten Empfängnis Mariens etwas in Erfahrung zu bringen. Sie befand sich in schuldloser Unwissenheit. Ähnliche Fälle hat es unter ähnlichen Umständen immer gegeben und gibt es auch heute noch. Was früher in zivilisierten, christlichen Ländern oder Gesellschaftsschichten ganz selbstverständlich von jedermann gewußt werden konnte, war in Missionsländern oder in den unteren gesellschaftlichen Milieus gänzlich unbekannt. Wenn jemand über ein Dogma einfach nicht Bescheid wissen kann, so handelt es sich um unüberwindliche Unwissenheit. Dieses Unwissen entschuldigt, gerade weil es unüberwindlich ist, von einer sündhaften Schuld, weshalb sie auch „unverschuldete Unwissenheit“ genannt wird.

Von dieser unverschuldeten Unwissenheit ist jedoch die schuldbare Unwissenheit zu unterscheiden! Auch hierbei handelt es sich um eine tatsächliche Unwissenheit. Der Betreffende weiß von einem Sachverhalt gar nichts oder hat nur ein lückenhaftes bzw. entstelltes (Halb-)Wissen. Aber er könnte diesen Mangel sehr leicht überwinden, da ihm die Mittel, sich das notwendige Wissen zu erwerben, zur Verfügung stehen. Das klassische Beispiel, welches hierfür in der Moraltheologie gerne angeführt wird, lautet wie folgt: Ein Arzt muß an einem unbekannten Patienten ein Bein amputieren. Im OP-Saal fragt er sich jedoch, welches Bein nun wohl abgenommen werden muß – das linke oder das rechte? Er sagt sich: „Ich glaube, das rechte muß wohl weg.“ Obwohl er es also nicht genau weiß, amputiert er das falsche Bein. Das tut er ohne irgendeine böse Absicht! Und doch verursacht seine Unwissenheit, die ihn das rechte statt das linke Bein abnehmen ließ, großen Schaden und großes Leid. Aus Unwissenheit hat er das falsche Bein amputiert. Doch diese Unwissenheit ist klar schuldbar! Ein einfacher Blick in die Krankenakte hätte genügt! Kein Richter würde sagen: „Nun gut, Sie haben es ja nicht gewußt. Sie haben es ja gut gemeint und wollten der Person, welcher Sie das falsche Bein amputiert haben, ja nicht schaden. Wir haben Verständnis dafür. Deshalb können sie wieder nach Hause gehen. Ich spreche sie frei.“ Nein! Sicherlich wird ein solcher Arzt, der nicht auf die Idee kommt, sich zu vergewissern, welches Bein abgenommen werden muß, seine Lizenz verlieren und völlig zu recht zu einer hohen Schadensersatzzahlung verurteilt werden.

Es gibt also auch eine (unent-)schuldbare Unwissenheit. (Unent-)Schuldbar wird sie dann, wenn sie verhältnismäßig leicht zu überwinden wäre – z.B. in unserem Falle durch die aufmerksame Lektüre des Katechismus, durch das Studium eines dogmatischen Handbuches oder der päpstlicher Lehrschreiben … Sowohl im Lager der Modernisten als auch im Lager der sog. Traditionalisten gibt es Menschen, die in schuldbarer (!) Unwissenheit leben. Am meisten diejenigen, die durch ihren Stand als Theologen und Gottgeweihte Verantwortung für jene tragen, die sich ihnen anvertraut haben. Sie wenigstens wären „von Amts wegen“ zu einer genauen Kenntnis der katholischen Glaubenslehre im Bezug auf die Unfehlbarkeit und Unveränderlichkeit der Kirche, wie auch im Bezug auf den päpstlichen Primat, verpflichtet, damit sie den orientierungslosen Seelen richtige Auskünfte geben können. Bedauerlicherweise werden gerade diese Themengebiete selbst bei der traditionalistischen Priesterausbildung sträflich vernachlässigt. – Warum? Weil man die Ergebnisse fürchtet … !

12. Einwand: „Es genügt für uns den katholischen Glauben zu bewahren. Ob die Konzilspäpste nun Päpste sind oder nicht, spielt für uns keine Rolle.“

Darauf sind zwei Dinge zu antworten. Erstens: Wenn sich jemand in der Feststellung sicher ist, daß das 2. Vatikanum eine Verfälschung des Glaubens und eine wesentliche Veränderung der römisch-katholischen Glaubenspraxis veranlaßt hat, dann weiß er genug, um mit derselben Sicherheit sagen zu können, daß die Konzilspäpste keine Päpste der katholischen Kirche sein können. Wenn das eine sicher ist, so ist das andere genauso sicher, denn beide Feststellungen sind mit logischer Notwendigkeit miteinander verknüpft. Sobald jemand diese logische Verbindung erfaßt hat, kann er eigentlich nicht mehr sagen: „Wir nehmen das 2. Vatikanum nicht an und weisen die Neue Messe zurück, aber wir können nicht mit Sicherheit sagen, ob dieser weißgekleidete Mann in Rom der Papst ist oder nicht; das muß erst die Kirche entscheiden.“ Das mit gutem Gewissen zu sagen ist logisch und theologisch unmöglich! – Woher wissen wir denn, daß das 2. Vatikanum dem katholischen Glauben widerspricht? Warum gehen wir nur zur traditionellen Messe? Welche Prinzipien leiten uns? – Dieselben Prinzipien, warum wir so handeln, diktieren uns, daß die Konzilspäpste keine katholischen Päpste sein können.

Zweitens: Man bewahrt den katholischen Glauben nicht allein dadurch, daß man sagt: „Ich glaube alles, was die katholische Kirche lehrt.“ Nein! Zum Akt der inneren Glaubenszustimmung muß auch das äußere Bekenntnis, d.h. das Leben gemäß dem Glauben kommen. Wie wir dargelegt haben, gehört es aber zum Leben nach dem Glauben, demjenigen, den man als Papst anerkennt, in allem, was den kirchlichen Sektor berührt, gehorsam und unterworfen zu sein. Deshalb spielt die sichere Antwort auf die Frage, ob das 2. Vatikanum katholisch ist oder nicht, und folglich, ob die Konzilspäpste wahre Päpste sind oder nicht, eine ganz entscheidende Rolle. Wie schon öfters gesagt: Man kann nicht den Glauben bewahren, wider oder in Gleichgültigkeit gegen den Papst! Wer so etwas vertritt, der gibt kein äußeres Glaubensbekenntnis; der lebt nicht den katholischen Glauben; der bewahrt nicht den katholischen Glauben; und der gibt den Glauben auch nicht weiter – obwohl er dies vielleicht felsenfest meint.

13. Einwand: „Große Heilige haben irrtümlich Gegenpäpste anerkannt. Sollten sich die Konzilspäpste tatsächlich eines Tages als falsche Päpste herausstellen, bedeutet es keinen Nachteil für uns, sie anerkannt zu haben.“

Es ist richtig, daß beispielsweise der hl. Vinzenz Ferrer zu eben jener Zeit, als drei Männer gleichzeitig die Papstwürde für sich beanspruchten, – wie wir heute wissen – einem Gegenpapst anhing. Trotzdem wurde er 1455 heiliggesprochen. Doch handelte es sich bei den damaligen Verhältnissen nicht um analoge Zeitumstände! Der Vergleichspunkt, der ja jede wahre Analogie begründet, ist auch bei diesem Einwand nicht derselbe. Denn die Ursache für die Verwirrung während des Großen Abendländischen Schismas war nicht die gleiche Ursache für die Verwirrung heute. Damals ging es nicht um Fragen der katholischen Glaubenslehre. Es war eine Frage im Bezug auf die Gültigkeit der Papstwahl. Der Streit bei allen Gegenpäpsten der Kirchengeschichte entstand stets hinsichtlich der Gültigkeit oder Ungültigkeit einer Papstwahl. Wenn sich einer als Gegenpapst erhob, so ging es immer um die Rechtmäßigkeit der Wahl des einen bzw. des anderen. Niemals aber war der katholische Glaube des einen oder des anderen in Zweifel gestanden bzw. Ursache dafür, den einen oder den anderen als Papst anzuerkennen.

Es wurde also durch den hl. Vinzenz Ferrer der katholische Glaube in keinster Weise kompromittiert, wenn er einem Mann, der in Wirklichkeit ein Gegenpapst war, folgte. Denn: 1. Dieser Gegenpapst lehrte das katholische Dogma, genauso wie die anderen beiden Prätendenten. 2. Erkannte der hl. Vinzenz den Gegenpapst auch tatsächlich durch persönlichen Gehorsam an, indem er sich ihm gehorsam unterwarf. Er hat den in seinen Augen rechtmäßigen Papst auch wie den Papst behandelt! Egal, welchen der drei „Päpste“ er anerkannt hätte – ob er nun die römische, oder die französische Wahl anerkannt hätte, oder die von Pisa – in keinem Fall hätte er den katholischen Glauben damit kompromittiert. Ganz anders verhält es sich bei den heutigen Lefebvre-Traditionalisten, welche die Konzilspäpste zwar trotz ihrer doktrinellen Irrtümer anerkennen, ihnen aber nicht gehorchen wollen. Damit verletzen sie das katholische Glaubensdogma!

Bei einer zweifelhaften Papstwahl könnte man berechtigterweise sagen: „Gut, entweder ist der eine der Papst oder der andere. Das muß durch die Autorität der katholischen Kirche entschieden werden.“ Aber heute geht es nicht um die Gültigkeit einer Papstwahl, sondern um eine Frage des Glaubens, um die Frage, ob man mit seinem Gehorsam riskiert, eine falsche Religion anzunehmen. Damals ging es nicht darum! Die behauptete Analogie liegt also nicht vor. Es sind ganz eindeutig Äpfel und Birnen, zwei völlig verschiedene Fälle, die man da wieder einmal vergleicht. Bei den Konzilspäpsten haben wir es mit einem klaren Bruch mit der katholischen Glaubenslehre zu tun. Dieser betrifft das 1. Gebot! Der hl. Vinzenz Ferrer würde dabei gewiß nicht mitmachen.