Fasten und Frömmigkeit

Kein wahrer Katholik wird bezweifeln, daß sich in den letzten Jahrzehnten mit dem Glauben auch das Glaubensleben und die Frömmigkeit bei den allermeisten verändert hat. Die Frömmigkeit spielt entweder gar keine Rolle mehr, oder sie wird durch eine moderne Art von Spiritualität ersetzt. Der moderne religiöse Mensch ist nicht mehr fromm, sondern spirituell. Auch wenn er sich immer noch „katholisch“ nennt, also zur Menschenmachwerkskirche gehört, so hindert ihn das durchaus nicht, eine gute Portion fernöstlicher Praktiken oder Esoterik in sein religiöses Leben einfließen zu lassen. Wie der moderne Glaube, so ist auch die moderne Art, Glauben zu leben, letztlich dogmenfrei. So muß jeder seinen eigenen Weg finden, denn die Spiritualität ist ganz persönlich, vollkommen individuell, sie ist Geschmackssache wie der modernistische Glaube auch.



Diese Tatsache wird auch am Beginn der Fastenzeit greifbar. Abgesehen davon, daß die Fastenzeit in der Menschenmachwerkskirche letztlich auf zwei Tage zusammengeschrumpft ist, sieht wohl kaum jemand noch wirklich ein, warum ein Katholik jedes Jahr zu bestimmten Zeiten fastet. Mit anderen Worten: Das Fasten gehört wesentlich zur Frömmigkeit, es gehört jedoch nicht zur modernen Spiritualität – höchstens dann, wenn es gerade zum eigenen spirituellen Erlebnis paßt oder als Heilfasten.

Die Liturgie vom Aschermittwoch

Jeweils am Aschermittwoch beginnt die Fastenzeit. Wie eindrücklich gestaltet die hl. Liturgie den Einritt in diese Zeit des Fastens durch die Zeremonie der Aschenweihe und Aschenbestreuung! Der Priester weiht Asche, die aus den im Vorjahr am Palmsonntag geweihten Palmbüscheln besteht und streut den Anwesenden die Asche auf das Haupt, damit er es wieder ganz tief erwägt: „Bedenke, o Mensch, daß du Staub bist und wieder zum Staube zurückkehren wirst.“

Im Kontrast zum Ewigen sollen wir das Zeitliche betrachten, damit uns das Ewige umso fester ins Auge springt und wir es entsprechend anstreben können. Was für ein eindrückliches Bild ist diese Aschenbestreuung: Wie Staub ist alles in dieser vergänglichen Welt, darum bedenke wohl, daß auch du wieder zum Staube zurückkehren wirst! Johannes Brahms hat in „Ein deutsches Requiem“ die Worte aus dem ersten Petrusbrief wunderbar eindrücklich vertont:

„Denn alles Fleisch, es ist wie Gras
und alle Herrlichkeit des Menschen
wie des Grases Blumen.
Das Gras ist verdorret
und die Blume abgefallen.“
(1. Petrus 1, 24)

Wie ergreifend sind diese Worte, die durch die Musik lebendig werden. Das Menschenleben ist wie das Gras. Wie schnell vergeht es – und die Blume ist abgefallen! Das ist unsere irdische Wirklichkeit, das ist unser Los, seitdem die Sünde in unsere Welt gekommen ist. Darum bedenke ernsthaft im Angesicht Gottes und Seiner Ewigkeit, o Mensch, daß du Staub bist und wieder zum Staube zurückkehren wirst.

40 Tage Zeit zur Sammlung und Einkehr

Die ganze Fastenzeit ist eine besinnlich-ernste Zeit, eine Zeit der Sammlung und Einkehr, eine Zeit der Konzentration auf das Wesentliche. Diese Zeit ist, wenn man sie wirklich ernst nimmt, eine Zeit außerordentlicher Seelenarbeit. Denn die freiwillig auf uns genommenen Fastenopfer sollen uns den Reichtum der Gnade wieder neu erschließen und uns ein Erfahrungswissen schenken, wie wertvoll jedes Opfer ist, das man aus Liebe zu Gott erträgt. Wenn wir Gott wirklich lieben, werden wir mit einem großen Herzen und sogar mit Freude diese Übung der 40 Tage begehen, weil wir damit unseren Herrn nachahmen dürfen. Hat doch auch unser göttlicher Lehrmeister 40 Tage gefastet, weil Er Mensch war wie wir und weil Er uns ein Vorbild geben und sein wollte. Wir müssen bedenken: Er hätte gar nicht fasten müssen, waren Ihm doch alle Tugenden in vollkommenster Form eigen. Er hat natürlich auch keinerlei Buße tun müssen, war Er doch vollkommen sündenfrei. Also hat Er für uns gefastet, um uns Menschen zu zeigen, wie wichtig diese Bußzeit jedes Jahr ist.

Es ist zudem recht beeindruckend, sich daran zu erinnern, welche Bedeutung die 40 Tage haben. Bei der Sündflut hat es 40 Tage und 40 Nächte geregnet und nur Noe und seine Familie blieben in der Arche übrig. Die Israeliten mußten zur Strafe für ihren Unglauben 40 Jahre durch die Wüste wandern, ehe sie ins gelobte Land einziehen durften. Als Moses auf den Berg Sinai stieg, verhüllte eine Wolke den Berg. Am siebten Tage rief Gott den Moses aus dem Wolkendunkel und die Herrlichkeit des Herrn zeigte sich den Kindern Israels. Moses aber trat in die Wolke und fastete 40 Tage und 40 Nächte, ehe er die 10 Gebote für sein Volk von Gott erhielt. Schließlich wanderte der Prophet Elias unter 40tägigem Fasten zum Gottesberg Horeb, wo ihm eine wunderbare Offenbarung Gottes zuteilwurde.

Die Zahl 40 bezeichnet somit immer eine Zeit der Buße, eine Zeit der Vorbereitung oder auch eine Zeit der Bewährung. Jeder Katholik folgt deswegen Seinem göttlichen Erlöser zur Vorbereitung auf das Osterfest in die Wüste, um mit Ihm 40 Tage zu fasten.

Fasten bedeutet eine erhöhte Seelentätigkeit

Sobald man bewußt eine Zeit des Fastens auf sich nimmt, erlebt man, wie die inwenige Seelenlandschaft in Bewegung kommt, denn das Fasten ist gegen die Neigung unserer Natur. Sobald man mit dem Fasten ernst macht, spürt man den Widerstand der eigenen Natur, man spürt das Opfer. Infolgedessen offenbaren sich manch verborgene Wünsche, es beginnen innere Kämpfe oder es steigen gefühlsmäßige Abneigungen auf oder anstehende Entscheidungen werden greifbar.

Fasten ist immer verbunden mit einer erhöhten Seelentätigkeit. Fasten sollte man daher immer wachen Sinnes! Deswegen ist es während der Fastenzeit besonders notwendig, auf die innere Welt der Seele zu achten, damit man die verschiedenen Seelenbewegungen auch wahrnimmt. Mit anderen Worten: Man muß von der Seelenoberfläche in die Tiefe hinabdringen.

Wie wappnet man sich gegen den Teufel? Was muß man beachten?

Am ersten Fastensonntag beschreibt der hl. Paulus in der Lesung die Waffenrüstung Gottes, mit der wir uns wappnen müssen, um in diesem inneren Kampf bestehen zu können. Wenn man seine Worte hört, so erschrickt man unwillkürlich und staunt: Wie reich an Tugenden sollen wir sein! In der Tat, wir brauchen viele Tugenden, denn sobald wir beginnen, richtig zu fasten, wird auch der Teufel tätig werden, worauf uns die hl. Kirche im heutigen Evangelium aufmerksam macht.

1. Man muß nüchtern sein, um den Einfluß des Teufels wahrzunehmen

Als unser göttlicher Lehrmeister 40 Tage gefastet hatte, da trat der Versucher an Ihn heran. Wie beeindruckend ist das Verhalten Jesu bei diesen Versuchungen. Das wichtigste, was wir von Ihm lernen können und müssen, ist das Bewahren der Nüchternheit. Jedes Jahr stellt uns die hl. Kirche am Beginn der Fastenzeit Sein Vorbild ganz lebendig vor Augen, damit wir von Seinem Vorbild lernen: Er bleibt bei jeder Versuchung vollkommen ruhig, vollkommen souverän, vollkommen vernünftig, vollkommen im Willen des Vaters gefestigt.

Wenn uns das nur auch gelänge! Das Sprichwort sagt, daß der Teufel gerne im Trüben fischt. D.h. der Versucher möchte uns verwirren, unruhig machen, aus der Fassung bringen, um uns dann zu vorschnellen, falschen Entschlüssen treiben zu können. Man muß also doppelt vorsichtig sein, wenn die Seele unruhig oder aufgewühlt ist, wenn wir enttäuscht wurden oder einen Fehler gemacht haben.

Das erste, was es zu beachten gilt, ist nun dies: Wir müssen überhaupt erst lernen, den Einfluß des Teufels auf unsere Seele oder in unserer Seele nüchtern wahrzunehmen. Denn nur dann, wenn wir diesen nüchtern wahrnehmen, können wir auch vernünftig auf seine Versuchungen reagieren – so wie es uns unser göttlicher Herr vorlebt.

2. Erst der Geist, dann der Leib!

Ein zweites, worauf uns die Versuchung Christi verweist, ist: Der Teufel greift nicht sofort an. Nein, zunächst beobachtet er den Menschen und späht nach einer Schwäche. Dann wartet er auf eine günstige Gelegenheit, um diese Schwäche ausnutzen zu können. Bei der Versuchung unseres göttlichen Lehrmeisters meint er nach den 40 Tagen Fasten in der Wüste, jetzt sei eine solche Gelegenheit der Schwäche gegeben. Denn wenn der Mensch solchen Hunger hat, möchte er so schnell wie möglich etwas essen. Das ist das Normalste in unserer Menschenwelt.

Darum sagt der Teufel zu Jesus: „Wenn Du also der Sohn Gottes bist, so befiehl, daß diese Steine Brot werden.“ Das ist eine schnelle, ganz und gar praktische Lösung – aber es ist die falsche! Unser Herr antwortet dem Teufel: „Es steht geschrieben: Der Mensch lebt nicht allein vom Brote, sondern von jedem Worte, das aus dem Munde Gottes kommt.“ Mit diesen Worten formuliert Er den Grundsatz unseres irdischen Lebens: Erst kommt der Geist, dann erst der Leib. Zunächst gilt es, sich um den Geist und um die Gnade zu kümmern, dann um den Leib. Auch wenn das Materielle notwendig ist, weil wir keine Engel sind, so bleibt es dennoch immer das Zweitrangige.

Das Brot versinnbildet hier die Versuchung zu materiellem Sattsein. Durch dieses wird dem Menschen das Geistige fade, er verliert den Geschmack daran. Darum ist das Fasten von Zeit zu Zeit notwendig, damit der Geist sich wieder über das Leibliche erhebt und seine Freiheit in Gott festigt.

3. Der Teufel kann fromm tun

Nach der ersten Versuchung gibt der Teufel nicht auf, aber er wechselt seine Taktik. Der Teufel lernt hinzu, schnell hat er erkannt, daß er unseren Herrn durch Brot nicht versuchen kann. Womit dann?

„Darauf nahm Ihn der Teufel mit in die hl. Stadt und stellte Ihn auf die Zinne des Tempels…“ Und was macht er da? Der Teufel malt Ihm ein Schauwunder vor Augen, er möchte Ihn, den Sohn Gottes, zur Ruhmsucht verführen. Ruhm ist etwas Geistiges. Der Teufel sagt sozusagen zu Jesus: Benütze doch Deine göttliche Macht, um Dir damit Ruhm und Anerkennung vor allen Menschen zu verschaffen. Denke nur, wie Dich die Leute bejubeln werden, wenn Du ganz elegant vor ihren Augen von der Zinne des Tempels niederschwebst. Was für einen Erfolg wirst Du dann haben, alle laufen Dir nach! Du willst doch Erfolg haben und die Menschen für Dich gewinnen, oder etwa nicht?

Der Teufel kaschiert diesmal zudem seine Versuchung mit einem frommen Spruch! „Es steht ja geschrieben: Seine Engel hat Er ja zu Deinem Schutz befohlen; auf ihren Händen sollen sie Dich tragen, daß niemals Deinen Fuß an einen Stein Du stoßest.“ Wie wenige bedenken es, der Teufel kann durchaus fromm tun. Wie leicht lassen sich selbst viele Traditionalisten davon täuschen. Diese Laufen jeder Erscheinung hinterher und glauben jedem Geist, ohne ihn vorher geprüft zu haben. Was für ein gefährlicher Leichtsinn, was für eine Leichtgläubigkeit. Diese Tradis wären sofort von der Tempelzinne gesprungen, weil der Teufel doch so fromm gesprochen hat. Wie kann das dann noch falsch sein?

Unser göttlicher Lehrmeister fällt nicht auf das fromme Geschwätz des Teufels herein, Er erwidert ihm ganz nüchtern: „Es steht auch geschrieben: Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht versuchen.“ Nein, ein Schauwunder und menschlicher Ruhm, das ist nicht der Erfolgsweg des göttlichen Erlösers. Der Ruhm unseres göttlichen Heilandes wird das Kreuz sein, das in der Auferstehung seine erlösende Kraft offenbaren wird.

4. Jede Sünde ist letztlich Götzendienst

Der Teufel muß also nochmals einsehen, diesen Mann kann er nicht so leicht umgarnen. Ruhm und Ehre vor den Menschen bedeuten Ihm ebenfalls nichts. Aber wie ist es mit Macht und Reichtum? Werden da nicht die allermeisten Menschen schwach?

Der Teufel nimmt also unseren Herrn mit auf einen sehr hohen Berg und zeigt Ihm alle Reiche der Welt. Diese bietet er Ihm an. Reichtum und Macht über alle Maßen! Ich mache Dich um reichsten Mann der Welt! Was kannst Du mit all diesem Reichtum anfangen! Es gibt nur eine ganz kleine Bedingung: „…wenn Du niederfällt und mich anbetest.“

Schließlich zeigt der Teufel ganz offen, um was es ihm letzten Endes geht: Er möchte immer noch sein wie Gott, er möchte angebetet und wie Gott verehrt werden. Das ist der Kaufpreis für die vom Teufel verliehene Macht und den Reichtum dieser Welt – dessen Fürst der Teufel ist. Mit jeder Versuchung möchte uns der Teufel von Gott loslösen, damit wir ihm dienen müssen und ihn anbeten, ist doch jede Sünde letztlich Götzendienst.

Wie erfolgreich ist Satan mit dieser Versuchung in unserer modernen Welt mit ihrem Neuheidentum. Satan hat ganz neue Götzen erfunden, andere als im alten Heidentum, um den modernen Menschen an sich zu binden. Dieser glaubt zwar nicht mehr so sehr an Götzenbilder oder Götzenstatuen, hängt jedoch genauso seine Seele an fremde Götter. Bedenken wir etwa den modernen Sport, der sicherlich zu einem Götzen geworden ist. Welchen Raum nimmt dieser in der Öffentlichkeit ein, welcher Aufwand wird dafür getrieben und wie viel Geld damit gemacht! Auch gibt es richtige Rituale, in denen der Sport in einer Weise gefeiert wird, die mindestens bedenklich ist. Ganz besonders auf dem Fußballplatz haben sich solche Rituale entwickelt, die schon lange pseudoliturgische Formen angenommen haben. Da geht es schon lange nicht mehr nur um Sport, das ist neuheidnischer Götzendienst. Die Stars werden verehrt wie die Götter der Heiden! Dasselbe gilt von den Filmstars und Rockstars. Diese Stars haben die Heiligen verdrängt, diese Stars sind die Vorbilder unserer Jugend, ja nicht nur der Jugend, auch vieler vieler Erwachsener.

Es ist immer wahr: „Dies alles will ich Dir geben, wenn Du niederfällst und mich anbetest.“ Gegen diese Versuchung hilft nur eins, ein ganz entschiedenes: „Weiche Satan! Denn es steht geschrieben: Den Herrn, Deinen Gott sollst Du anbeten und Ihm allein dienen.“ Damit ist die Grundordnung unserer Welt benannt: Gott muß über allem stehen, Ihm darf nichts und niemand vorgezogen werden. Das ganze moderne Leben steht dieser Grundordnung vollkommen entgegen. In ihm spielt Gott allerhöchstens, wenn überhaupt noch nur eine bescheidene Nebenrolle. Mehr gesteht man Ihm nicht mehr zu, denn die Götzen haben Ihn verdrängt.

Durch das Fasten soll unsere Welt wieder in Ordnung gebracht werden, wir sollen wenigstens z.T. ausdrücklich auf ein paar dieser Nebensächlichkeiten verzichten, um die Hauptsache wieder fester in den Blick zu fassen. Dabei müssen wir jedoch mit den Angriffen des Teufels rechnen und diesen nüchtern, wachsam und beharrlich entgegentreten. Wenn wir nur treu und entschieden den Anfechtungen des bösen Geistes widerstehen, werden wir auch jenes Trostwort des hl. Evangeliums erfahren dürfen: „Hierauf verließ Ihn der Teufel, und siehe, Engel kamen und dienten Ihm.“

Verschiedene Seelenzeiten

Die Fastenzeit ist, wie wir festgestellt haben, eine seelisch sehr erlebnisreiche Zeit. Das ernsthafte Fasten öffnet die Seele dem Wirken der Gnade. Dabei ist zu beachten, daß es vor allem zwei verschiedene Zeiten der Seele gibt. Die Lehrer des inneren Lebens heben das besonders hervor, weil es für ein geordnetes religiöses Leben, d.h. ein geordnetes Gebetsleben unabdingbar ist, sich darin richtig zu verhalten. Es gibt Zeiten des Trostes und der Trostlosigkeit. Gott, der sicherlich der allerbeste Psychologe ist, nützt dieses Wechselspiel der Seelenzeiten, um die Seele zu formen, zu erziehen und in der Gnade zu festigen. Von unserer Seite aus ist es deswegen entscheidend, uns dementsprechend auch von Gott formen, erziehen und festigen zu lassen, was nur möglich ist, wenn wir selber die Seelenzeit verstehen und klar unterscheiden können.

Der geistliche Trost

Lassen wir uns hierzu durch den hl. Ignatius von Loyola, diesem Meister der Seelenführung und Seelenkenntnis, belehren. In seinem berühmten Exerzitienbüchlein hat er einige Regeln zur Unterscheidung der Geister wiedergegeben, die im ersten Teil auf unser Thema eingehen. In der dritten Regel handelt er vom geistlichen Trost, den er folgendermaßen beschreibt:

„Ich rede von Trost, wenn in der Seele eine innere Bewegung sich verursacht, bei welcher die Seele in Liebe zu ihrem Schöpfer und Herrn zu entbrennen beginnt und demzufolge kein geschaffenes Ding auf dem Antlitz der Erde mehr in sich zu lieben vermag, es sei denn im Schöpfer ihrer aller. Desgleichen: wenn einer Tränen vergießt, die ihn zur Liebe Seines Herrn bewegen, sei es aus Schmerz über seine Sünden oder über das Leiden Christi Unseres Herrn oder über andere unmittelbar auf Seinen Dienst und Lobpreis hingeordnete Dinge. Und endlich nenne ich Trost jede Zunahme von Hoffnung, Glaube und Liebe, und jede innere Freudigkeit, die ihn zu den himmlischen Dingen ruft und zieht und zum eigenen Heil seiner Seele, indem sie ihn besänftigt und befriedet in seinem Schöpfer und Herrn.“ (Ignatius von Loyola, Die Exerzitien, Johannes Verlag, Einsiedeln 1990, S. 82)

Beim aufmerksamen Lesen dieser Zeilen dürfte deutlich werden, daß hier mit „Trost“ nicht einfach ein Gefühl gemeint ist, sondern viel mehr. Trost ist eine Seelenstimmung, die aus der gegenwärtigen Gnade Gottes hervorgeht. Gott zieht die Seele zu sich, weshalb die Gegenwart Gottes lebendig empfunden wird. Die Wirkung der göttlichen Gegenwart aber ist die Heiligung der Seele, ihre Durchdringung mit göttlichen Gedanken, Empfindungen und Haltungen. Der geistliche Trost etwa läßt die Seele so sehr in Gott ruhen, daß sie „kein geschaffenes Ding auf dem Antlitz der Erde mehr in sich zu lieben vermag, es sei denn im Schöpfer ihrer aller“. In Zeiten des Trostes ist die Seele in Gott geborgen, alles Irdische hat keine Gewalt mehr über die Seele, denn die Gottesliebe bewegt sie sanft und zieht sie an sich. Trost ist somit „jede Zunahme von Hoffnung, Glaube und Liebe, und jede innere Freudigkeit, die ihn zu den himmlischen Dingen ruft und zieht und zum eigenen Heil seiner Seele, indem sie ihn besänftigt und befriedet in seinem Schöpfer und Herrn“.

Die Seele kann nicht immer nur getröstet sein, denn das wäre ihr auf die Dauer schädlich – so seltsam sich das zunächst anhören mag. Seit der Erbsünde ist der Mensch seelisch verwundet, eine der schlimmsten Wunden aber ist der Stolz, die ungeordnete Selbstliebe. Diese verführt dazu, sich ungeordnet an den Trost zu hängen und nicht den Gott des Trostes, sondern den Trost selber zu suchen, um ihn selbstsüchtig zu genießen.

… und die Zeiten der Trostlosigkeit

Darum läßt es Gott geschehen, daß immer wieder Zeiten der Trostlosigkeit kommen. Zuweilen kann dieser Wechsel äußerst schnell geschehen, von einem Augenblick auf den anderen fühlt sich die Seele von Gott verlassen. Unser Meister der Seelenführung schreibt über die geistliche Trostlosigkeit:

„Ich nenne Trostlosigkeit alles, was zur dritten Regel in Gegensatz steht, als da ist: Verfinsterung der Seele, Verwirrung in ihr, Hinneigung zu den niedrigen und erdhaften Dingen, Unruhe verschiedener Getriebenheiten und Anfechtungen, die zum Mangel an Glauben, an Hoffnung, an Liebe bewegen, wobei sich die Seele ganz träg, lau, traurig findet und wie getrennt von ihrem Schöpfer und Herrn. Denn wie der Trost das Gegenteil der Trostlosigkeit ist, so sind auch die Gedanken, die der Trostlosigkeit entspringen, entgegengesetzt den Gedanken, die aus dem Trost entstehen.“ (Ebd. S. 83)

Jeder, der ein geordnetes religiöses Leben führt, jeder, der regelmäßig betet und sich bemüht, die Gebote Gottes zu halten, weil er Gott liebt, kennt diesen Zustand. Bei aller Mühe fällt es ungemein schwer, sich zu sammeln und länger zu beten. Verschiedene Ängste können plötzlich die Seele quälen und die Freude an Gott rauben, wenn man nicht wachsam ist. Der hl. Ignatius gibt in seinem Exerzitenbuch verschiedene Verhaltensregel für diese Zeit der Trostlosigkeit, die eine große Hilfe für jeden sind, der solche Zeiten durchleiden muß. Das erste, was man beachten muß ist dies:

„Zur Zeit der Trostlosigkeit soll man nie eine Änderung treffen, sondern fest und beständig in den Vorsätzen und der Entscheidung stehen, in denen man am Tag vor dieser Trostlosigkeit stand, oder in der Entscheidung, in der man im vorausgehenden Troste stand. Denn wie uns im Trost jeweils mehr der gute Geist führt und berät, so in der Trostlosigkeit der böse, auf dessen Ratschläge hin wir den Weg nie finden können, um das Rechte zu treffen.“ (Ebd.)

Wir erwähnten schon, daß der Teufel gerne im Trüben fischt. Zeiten der Trostlosigkeit sind trübe Zeiten der Seele. Weil man in diesen trüben Zeiten kein klares und nüchternes Urteil fällen kann, soll man keine Entscheidungen treffen, keine Änderungen vornehmen. Denn es ist naheliegend, daß genau das der Teufel will, uns von einem guten Vorsatz abzubringen. Es gilt also geduldig auszuharren, bis sich das Gewitter gelegt hat und wieder Ruhe eingekehrt ist.

Den Teufel überwinden durch Gebet und Betrachtung

Sodann mahnt der hl. Ignatius:

„Sollen wir in der Trostlosigkeit die früheren Vorsätze nicht ändern, so ist es doch sehr von Nutzen, uns selber entschieden gegen eben diese Trostlosigkeit hin zu ändern, so etwa, daß wir uns mehr dem Gebet, der Betrachtung hingeben, uns viel prüfen und in irgendeiner angemessenen Weise freigebiger Buße tun.“ (Ebd.)

Die Versuchung in Zeiten der Trostlosigkeit ist, daß man im Eifer nachläßt, weil alles viel mühsamer ist. Darum ist man vor allem geneigt, weniger zu beten, weniger eifrig im Guten zu sein. Genau das Gegenteil ist richtig. Die Seele soll lernen, über die Stimmungsschwankungen hinauszuwachsen. Darum soll sie jetzt mehr beten und sich der Betrachtung der göttlichen Dinge hingeben, um somit die Trostlosigkeit zu überwinden – und darin den Teufel, der Einfluß auf unser Gemüt hat.

Durch die Trostlosigkeit wird uns eine grundlegende Wahrheit unseres Gnadenlebens erfahrbar: Die Gnade ist immer ein freies Geschenk Gottes und ohne Gnade vermögen wir im Reich unseres Herrn nichts. In der Trostlosigkeit spürt man die eigene Ohnmacht, weshalb vorrangig das Vertrauen auf Gott besonders treu geübt werden muß. Auch soll man sich prüfen, welche kleinen Untreuen man sich womöglich erlaubt hat, um sich wieder zu bessern. Auch wenn die Trostlosigkeit zuweilen sehr drückend sein kann, läßt uns Gott nicht im Stich, wie der hl. Ignatius betont:

„Wer in Trostlosigkeit ist, erwäge, wie der Herr ihn zur Probe in seinen natürlichen Fähigkeiten gelassen hat, zu dem Zweck, daß er den verschiedenen Antrieben und Anfechtungen des Feindes widerstehe. Er kann es nämlich mit der göttlichen Hilfe, die ihm stets verbleibt, auch wenn er sie nicht deutlich spürt, da ihm der Herr zwar seine große Glut, die besondere Liebe und die intensive Gnade entzogen, ihm aber die zum ewigen Heil genügende Gnade gelassen hat.“ (Ebd.)

Aus diesen Worten heraus kann man verstehen, was man meint, wenn man vom reinen Glauben spricht. Der reine Glaube ist ein Glaube, der über den Gefühlen steht, der allein vom Willen getragen wird. In den Zeiten der Trostlosigkeit soll man lernen, ganz nüchtern den verschiedenen Antrieben und Anfechtungen des Feindes zu widerstehen. Daraus zieht die Seele großen übernatürlichen Gewinn! Ganz wichtig ist nach dem hl. Ignatius dabei die Beharrlichkeit:

„Wer in Trostlosigkeit ist, gebe sich Mühe, in der Geduld auszuharren, die den ihn überkommenden Quälereien entgegenwirkt. Und er möge bedenken, daß er gar bald wieder getröstet sein wird; dabei aber sorgsam die Mittel gegen solche Trostlosigkeit an wenden, wie in der sechsten Regel gesagt worden ist.“

Es gilt im Vertrauen auf die göttliche Vorsehung auszuharren, bis einem Gott wieder tröstet. Er ist wie der beste Vater zu uns, der nur das Beste für uns will. Die Trostlosigkeit kann verschiedene Gründe haben, wie unser hl. Seelenführer noch bemerkt:

„Drei Gründe sind es vornehmlich, warum wir uns trostlos finden. Der erste, weil wir lau, träge oder nachlässig in unseren geistlichen Übungen sind: so zieht sich durch unsere Schuld der geistliche Trost von uns zurück.“ (Ebd. S. 83 f.)

Die Trostlosigkeit kann eine Folge unseres Nachlassens im Eifer für Gott sein. Wenn wir nicht mehr genügend beten – und jede Seele muß herausfinden, wie viel Gebet sie täglich braucht! – zieht sich der geistliche Trost durch unsere Schuld zurück. Es gibt jedoch auch noch zwei andere Gründe:

„Der zweite, damit Gott uns erprobe, wie weit wir sind und in welchem Ausmaß wir uns ausgeben in seinem Dienst und Lobpreis ohne einen so großen Sold an Tröstungen und besonderen Gnaden. Der dritte, um uns die wahre Kenntnis und Einsicht zu geben, dazuhin, es inwendig zu erleben, daß es nicht unsere Sache ist, große Hingabe, intensive Liebe, Tränen oder irgendeinen andern geistlichen Trost uns zu verschaffen oder zu erhalten, sondern daß es ganz eine Gabe und Gnade Gottes Unseres Herrn ist, und wir uns nicht in ein fremdes Haus einnisten und unsern Geist in irgendeinem Stolz oder eitlem Ruhm aufblähen, indem wir die Andacht oder andere Teile des geistlichen Trostes uns selber zuschreiben.“ (Ebd. S. 84)

Dem Fasten ist mehr die Zeit der Trostlosigkeit, die Zeit der Prüfung, der Bewährung zugeordnet, wenn auch das Fasten an sich nicht notwendig trostlos ist, ja im Gegenteil in der Freude unseres Herrn geschehen soll. Jedenfalls sollen wir während des Fastens besonders wachsam sein, denn der Teufel wird sich bemühen, uns in irgendeiner Weise von unserem guten Vorsatz abzubringen und uns die Freude zu rauben.

Die ersten beiden Fastensonntage

Der erste und der zweite Fastensonntag bilden eine lehrmäßige Einheit. Unsere hl. Liturgie ist nicht nur Gottesdienst – also Sühnopfer, Lobopfer, Bittopfer und Dankopfer – sie enthält immer auch in der Lesung und im hl. Evangelium Belehrung in der Glaubenslehre und dem Glaubensleben. Lassen wir uns den Zusammenhang dieser beiden Fastensonntage von einem Geistesriesen erklären, den hl. Kirchenvater Augustinus. Die Kirchenväter sind ein wesentlicher Teil unseres Traditionsschatzes. Sie stellen die Verlängerung der apostolischen Unterweisung da, d.h. in ihnen ist der apostolische Glauben noch in ganz außerordentlicher Weise lebendig.

Am Quatemberfreitag nach dem ersten Fastensonntag wird das Evangelium von der Heilung des Kranken am Teich Bethsaida gelesen. Der Mann war seit 38 Jahren krank und da er niemanden hatte, der ihn in den Teich hob, wenn er aufzuwallen begann, wurde er niemals geheilt. Hören wir nun dazu die Auslegung des hl. Augustinus:

„Wir wollen sehen, was Christus durch diesen Einen andeuten wollte, da er selbst an der bedeutungsvollen Einzahl festhielt und von so vielen Kranken nur diesen Einen gesund machte. Er fand in der Zahl seiner Jahre eine Art Krankheitszahl. Er war nämlich seit 38 Jahren krank. Inwiefern diese Zahl mehr mit dem Kranksein als mit der Gesundheit in Beziehung steht, das müssen wir etwas ausführlicher darlegen. Seid also recht aufmerksam! Der Herr wird helfen, daß ich mich entsprechend ausdrücke und ihr mich recht versteht. Die Zahl 40 ist uns heilig und durch eine gewisse Vollkommenheit ausgezeichnet; ich denke, das ist euch bekannt, meine Lieben. Die Heiligen Schriften bezeugen sehr oft und ihr wißt sehr gut, daß durch diese Zahl das Fasten geheiligt ist. Denn Moses fastet vierzig Tage, und ebenso Elias; und selbst unser Herr und Heiland Jesus Christus hat bei seinem Fasten diese Zahl eingehalten. Durch Moses wird das Gesetz, durch Elias die Propheten durch unseren Herrn das Evangelium versinnbildet. Deshalb erscheinen auch diese drei auf dem Berge, wo der Herr sich seinen Jüngern mit verklärtem Angesichte und in strahlendem Gewande zeigte. Da erschien er inmitten zwischen Moses und Elias, als ob das Evangelium vom Gesetze und den Propheten seine Bestätigung erhielte.“

Wir haben schon oben angemerkt, daß die Zahl 40 oft eine „Zeit der Buße, eine Zeit der Vorbereitung oder auch eine Zeit der Bewährung“ bedeutet. Unser hl. Kirchenvater fügt dazu noch einen weiteren Gedanken: „Die Zahl 40 ist uns heilig und durch eine gewisse Vollkommenheit ausgezeichnet.“ Diese Zahl bringt also zum Ausdruck, daß es sich um ein heiliges oder heiligendes Fasten handelt. Hierzu erwähnt der hl. Augustinus, welche sinnbildliche Bedeutung sich aus dem Fasten des Moses, Elias und unseres Heilandes ergibt: „Deshalb erscheinen auch diese drei auf dem Berge, wo der Herr sich seinen Jüngern mit verklärtem Angesichte und in strahlendem Gewande zeigte.“

Eine gnadenhafte Läuterung der Seele

Hiermit sind wir auch schon beim Evangelium des zweiten Fastensonntags, wobei man jedes Jahr überrascht ist, direkt in der Fastenzeit dieses Evangelium von der Verklärung Christi zu hören. Erst durch tieferes Nachdenken versteht man den Zusammenhang, bzw. die Notwendigkeit dieses Evangeliums. Unsere hl. Mutter Kirche gibt sich sehr viel Mühe, uns nicht in eine gedankliche Sackgasse laufen zu lassen. Es gilt immer wieder zu bedenken: Wir sollen nicht fasten um des Fastens willen, nicht opfern um des Opfers willen. Das Fasten und das Opfer sind niemals Selbstzweck. Anders gesagt: Wir Katholiken sind keine verbissenen Asketen, die an nichts mehr eine Freude haben, weshalb sie mit stets mit trüber Miene, mit saurem Gesicht durch die Welt laufen. Das wahre Fasten ist nicht einfach eine asketische Übung, ein Training des Leibes, sondern eine gnadenhafte Läuterung der Seele. Etwas anders ausgedrückt: Der Sinn des Fastens ist die „40“, die Heiligung.

Durch unser Fasten gelangen wir auf den Berg der Verklärung, von der Trostlosigkeit zum Trost, wobei unser Trost Jesus Christus ist. Dieser offenbart uns Seine Herrlichkeit, wenn wir Ihm nur Zutritt zu unserer Seele gewähren – gemäß dem wunderbaren Wort in der Geheimen Offenbarung des hl. Johannes: „Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an. Wenn jemand meine Stimme hört und die Tür öffnet, werde ich bei ihm einkehren und mit ihm essen und er mit mir“ (Off. 3, 20). Aber folgen wir zunächst noch weiter den Gedanken des hl. Augustinus, der uns die zum himmlischen Gastmahl notwendigen Seelenbedingungen benennt:

„Im Gesetze also, wie bei den Propheten, sowie auch im Evangelium wird die Zahl 40 beim Fasten hervorgehoben. Das große, vollkommene Fasten aber besteht darin, sich zu enthalten vom Bösen und von den unerlaubten Freuden dieser Welt. Das ist das rechte Fasten, daß wir den Gottlosigkeiten und den Lüsten dieser Erde entsagen und in Mäßigkeit, Gerechtigkeit und Frömmigkeit auf dieser Welt leben. Welchen Lohn verheißt der Apostel für solches Fasten? Er fährt fort und sagt: Wir sollen erwarten die selige Hoffnung und die Offenbarung der Herrlichkeit des heiligen Gottes und unseres Heilandes Jesus Christus.“

Was aber ist „die Offenbarung der Herrlichkeit des heiligen Gottes und unseres Heilandes Jesus Christus“ an uns oder vielleicht besser in uns? Es ist das Geschenk der heiligmachenden Gnade, das uns zu Kindern Gottes macht. Was für ein Verwandlungs-, was für ein Verklärungswunder ist das! Wir heißen nicht nur Kinder Gottes, sondern wir sind es, wie der hl. Apostel Johannes in seinem ersten Brief schreibt. Und dann heißt es darin weiter: „Geliebte, jetzt sind wir Kinder Gottes, und noch ist nicht offenbar geworden, was wir sein werden. Wir wissen, daß wir bei seinem Erscheinen ihm ähnlich sein werden, weil wir ihn sehen werden, wie er ist“ (1 Joh. 3, 2). Da ist man einfach sprachlos!

Eine wunderbare Verwandlung

Es gibt ein Gleichnis in der Natur, das uns das Gesagte etwas verständlicher machen kann. Die Metamorphose eines Schmetterlings zu beobachten, ist außerordentlich faszinierend. Aus einer dicken, ekeligen, stacheligen Raupe wird auf einmal ein wunderschöner Schmetterling. Wer hätte das gedacht, als er die Raupe vor sich auf dem Boden kriechen sah? Wer hätte auch nur im Geringsten diese seltsame Wandlung erahnt?

Man kann es kaum glauben: Die Raupe verpuppt sich eines Tages, sie umgibt sich mit einer eigenartigen Schale und verborgen in dieser Schale vollzieht sich eine ungeheure Verwandlung. Nach einiger Zeit öffnet sich die Schale, und es schlüpft nicht eine neue Raupe heraus, nein, ein neugeborener Schmetterling entfaltet seine Flügel. Wie wunderschön ist dieser Schmetterling im Vergleich mit der Raupe! Und während die Raupe mühsam auf dem Boden kroch, erhebt sich der Schmetterling spielend und federleicht in die Höhe und gaukelt spielend durch die Luft.

Ist es nicht so? Gott hat schon seltsame Ideen, Er hat schon wirklich überraschende Einfälle! Wenn man etwas über das Werden des Schmetterlings nachsinnt, dann beginnt man sich schon zu fragen: Liegt in diesem Geschehen nicht ein verborgener Hinweis auf unser Leben? Ist unser irdisches Leben nicht auch eine Art Metamorphose? Birgt dieses Leben nicht ebenfalls eine geheimnisvolle Wandlung mit sich – zunächst geheimnisvoll verborgen, aber einmal ganz offenbar?

Diese Wandlung wird – wie in der Puppe der Schmetterling – schon in diesem Leben vorbereitet. Sie hat begonnen mit unserer hl. Taufe. In der hl. Taufe hat sich der neue Mensch – „der nach Gott in wahrer Gerechtigkeit und Heiligkeit geschaffen ist“ (Eph 4, 24) – unsichtbar in unserer Seele zu gestalten begonnen. Damals wurde uns ein neues Leben eingegossen, das wir jedoch mit unseren Sinnen nicht wahrnehmen können. Vorher waren wir wie eine dicke, ekelige, stachelige Raupe, dann begannen wir uns zu verpuppen, um uns schließlich ganz zu verwandeln. Noch leben wir wie in der Puppe, noch ist der Schmetterling nicht voll ausgebildet und noch nicht entfaltet, noch zeigt sich das verborgene Wunder nach außen hin nicht. Noch kann man die Gnade nicht sehen, sie kaum einmal greifen. Wer eine Puppe vor sich sieht, wer denkt da schon an einen Schmetterling? Dennoch wissen wir als Katholiken natürlich um dieses verborgene Wunder der Verwandlung unserer Seele durch die Gnade. Aber sind wir auch erfüllt von einer innigen, heiligen Sehnsucht, daß es offenbar werde, was wir eigentlich, was wir letztlich in der Gnade Gottes sein werden?

Auf dem Berg der Verklärung, also zur Zeit des Trostes dürfen wir von der zukünftigen Herrlichkeit ahnen. Doch ist diese hienieden nicht von Dauer. Man kann den Trost, solange wir hier in der Fremde sind, nicht festhalten, so wie es der hl. Petrus gerne getan hätte, als er zu Jesus spricht: „Herr, hier ist gut sein für uns: willst Du, so wollen wir hier drei Hütten bauen. Dir eine dem Moses eine und dem Elias eine.“ Im Kommentar von Allioli-Arndt heißt es dazu: „Wenn der heilige Petrus von der Verklärung Christi so beseligt wird, daß er auf immer die Süßigkeit, die sie gewährt, genießen möchte, wie unbeschreiblich groß wird da die Seligkeit des Himmels sein!“

Der hl. Petrus kommt nicht dazu, die drei Hütten zu bauen, erscheint doch eine lichte Wolke und aus der Wolke erschallt die Stimme des himmlischen Vaters: „Dieser ist mein geliebter Sohn, an dem ich Mein Wohlgefallen habe; Ihn sollt ihr hören.“ Noch ist nicht die Zeit des Ausruhens und Genießens, noch ist die Zeit des Dienstes an unserem Herrn Jesus Christus, auf den wir hören sollen, weil Er der Sohn des Vaters ist. Und zu diesem Dienst gehört die Bewährung in Trost und Trostlosigkeit. Lassen wir dazu nochmals den hl. Ignatius zu Wort kommen:

„Wer im Trost ist, bedenke, wie er sich in der Trostlosigkeit benehmen werde, die später kommen wird, indem er für dann neue Kräfte sammelt.“ (Ebd. S. 84)

Durch Opfer zur Verklärung

Während die drei Apostel mit Jesus vom Berg herabsteigen, sagt er ihnen: „Saget niemand etwas von der Erscheinung, bis der Menschensohn von den Toten auferstanden ist.“ Erst nach der Auferstehung wird den Aposteln das Geheimnis unserer Erlösung verständlich werden, daß nämlich aus der vollkommenen Trostlosigkeit des Leidens und Kreuzes unsere Erlösung gewirkt wurde. Darum sollen wir, solange wir getröstet sind, bedenken, daß wieder eine Zeit der Trostlosigkeit kommen wird und uns darauf vorbereiten, indem wir unsere Kräfte sammeln. Dabei kann die Erinnerung des himmlischen Lohnes eine große Hilfe sein, wie auch der hl. Augustinus hinzufügt:

„In dieser Welt also feiern wir gleichsam ein großes vierzigtägiges Fasten, wenn wir tugendhaft leben und uns von Sünden und unerlaubten Vergnügungen enthalten. Weil solche Enthaltsamkeit nicht unbelohnt bleiben wird, darum erwarten wir die selige Hoffnung und die Offenbarung der Herrlichkeit des heiligen Gottes und unseres Heilandes Jesus Christus. In dieser Hoffnung werden wir, wenn aus der Hoffnung einmal Wirklichkeit wird, als Lohn den Denar empfangen. Dieser Lohn wird denen, die im Weinberge arbeiten, zuteil, wie euch aus dem Evangelium (vom Sonntag Septuagesima) wohl bekannt ist; denn ich brauche nicht alles zu wiederholen, wie vor Anfängern und Unwissenden. Der Denar, der seinen Namen von der Zahl 10 hat, wird also ausgeteilt. Fügen wir ihn zu 40 hinzu, so ergibt sich 50. Daher feiern wir unter Opfern die vierzig Tage vor Ostern, in heiliger Freude aber die fünfzig Tage (bis Pfingsten) nach Ostern, gleichsam als hätten wir bereits den Lohn empfangen.“

Über den letzten Gedanken sollten wir nicht einfach hinweggehen, weil unsere Wahrnehmung irgendwie anders ist: „Daher feiern wir unter Opfern die vierzig Tage vor Ostern, in heiliger Freude aber die fünfzig Tage (bis Pfingsten) nach Ostern, gleichsam als hätten wir bereits den Lohn empfangen.“ Die Zeit der Auferstehungsfreude ist 10 Tage länger als die Fastenzeit. Für die Kinder Gottes ist selbst in diesem Jammertal schon mehr Freude als Leid. Dabei wird die Freude durch die Zahl 10 erweitert, also durch den ewigen Lohn. Denn die Freude der Kinder Gottes ist wesentlich anders als die Freude der Kinder dieser Welt, wird diesen doch nicht der Denar als Lohn versprochen. Sie freuen sich umsonst und mühen sich umsonst ab. Bei uns ist es ganz anders, darum ist unsere Freudenzeit schon jetzt um die „10“ erweitert. Schon jetzt schwingt die Ewigkeit in unserer Freude mit, wenn sie nur echt ist.

Der Aufstieg zum Berge Tabor

Dennoch wissen wir, solange wir in dieser Welt sind, ist und bleibt unser ewiges Erbe immer auch gefährdet. Viele kleine, unscheinbare tägliche Opfer sind notwendig, wenn wir das Ziel erreichen wollen, wenn wir den Berg Tabor bis zum Gipfel ersteigen wollen. Der hl. Ignatius rät uns darum:

„Wer getröstet ist, sorge sich zu demütigen und zu erniedrigen soviel er kann, indem er bedenkt, wie wenig er wert ist zur Zeit der Trostlosigkeit ohne diese besondere Gnade oder Tröstung. Und im Gegenteil bedenke, wer in der Trostlosigkeit ist, daß er viel vermag mit der Gnade, die genügt, um allen seinen Feinden zu widerstehen, indem er die Kräfte bei seinem Schöpfer und Herrn sich holt.“ (Ebd. S. 84)

Wie oft spüren wir inmitten der täglichen Kämpfe unsere eigene Schwäche. Doch brauchen wir selbst vor der eigenen Schwäche keine Angst haben, wenn wir nur auf unseren Herrn Jesus Christus vertrauen. Dementsprechend beten wir in der heutigen Oration: „Du siehst, o Gott, daß jegliche Kraft uns mangelt; drum behüte uns innen und außen, auf daß unser Leib vor allem Unheil gesichert sei und unsre Seele von verkehrten Gedanken gereinigt werde. Durch unseren Herrn…“