Fest der heiligsten Dreifaltigkeit

Der Dreifaltigkeitssonntag ist der Abschluß der Pfingstoktav und damit auch die Krone der Offenbarung, die damit abgeschlossen ist. So gesehen ist dieses Fest wie ein Schlußstein, aber zugleich auch wie eine ganz große Überraschung. Im Licht des Heiligen Geistes zeigt sich nämlich das Geheimnis der Geheimnisse: Wir beten den einen Gott an, den Vater und den Sohn und den Heiligen Geist.

Dieses Festgeheimnis ist der Mittelpunkt, das Herz, die Fülle unseres christkatholischen Glaubens. Es läßt sich nichts Größeres und Geheimnisvolleres über Gott sagen als dies: Daß der wahre Gott ein Gott ist, in dem in einer Wesenheit drei Personen subsistieren. Diesen Gott bekennen wir mit unserem hl. Glauben und diesem Gott leben wir durch die Erlösungsgnade. Doch wie gelingt uns das tatsächlich, mit der Allerheiligsten Dreifaltigkeit zu leben?

Der hl. Josef als Lehrer des Geheimnisses der Allerheiligsten Dreifaltigkeit

Die heilige Liturgie mit ihren Festen vom Advent über Weihnachten, die Fastenzeit und Ostern, Himmelfahrt und Pfingsten ist jedes Jahr eine Glaubensschule, also eine Schule des Dreifaltigen Gottes. Geleitet von den kirchlichen Festen sollen wir lernen, uns in der wiedergeschenkten Welt Gottes zurechtzufinden und aus der Erlösungsgnade heraus uns zu heiligen. Man kann es vergleichen mit dem Haus von Nazareth. Das, was Charles de Foucauld an Pater Hubelin am 4. April 1905 schreibt, gilt letztlich für jeden von uns: „Meine Berufung, die man so oft zu bestimmen versuchte, ist das Leben in Nazareth.“ Wir gehören als Gottes Kinder und Kinder der hl. Kirche zur hl. Familie. Darum wollen wir uns zuerst einmal an den hl. Josef wenden und ihn, den geheimnisvollen Schatten des himmlischen Vaters, um seine Fürsprache anflehen:

O lieber hl. Josef, dich hat der Sohn Gottes, der als Kind Mariens, deiner makellosen Braut, Mensch geworden ist, voller Liebe „Vater“ genannt, weil ER in dir in außerordentlicher Weise den Vater offenbaren wollte, denn du solltest im Haus von Nazareth dessen Schatten sein. Zeige uns, o hl. Josef, den Weg zum Vater, der Jesus ist. Erbitte uns die Gnade, wie Du im Licht des Heiligen Geistes dieses Geheimnis aller Geheimnisse soweit zu erfassen, daß unser Glaube unerschütterlich fest wird. Lehre uns sodann in deinem Haus recht zu leben, damit wir Jesus und Maria so lieben lernen, wie es ihnen gebührt und wie du es uns vorlebst. Deine Liebe ist so glühend vom Heiligen Geist, daß in Dir der himmlische Vater so gegenwärtig wurde, daß Jesus dir gehorchte wie Seinem Vater im Himmel. Erflehe auch uns die Gnade, dem Willen des Vaters ganz gehorsam zu sein um Jesu willen. Möge der Heilige Geist unsere Herzen so verwandeln, daß sie würdig werden, Tempel der Allerheiligesten Dreifaltigkeit zu sein. Amen.

Nun wollen wir versuchen, gestützt auf die Fürsprache des hl. Josef, mit den Augen des hl. Josef auf dieses Glaubensgeheimnis zu schauen und vereint mit seinem Herz dieses Fest zu feiern. Dabei gilt zunächst zu bedenken, was der hl. Thomas von Aquin grundsätzlich feststellt: „Daß Gott Einer ist und dreifaltig, ist einzig im Glauben zu fassen und kann auf keine Weise bewiesen und erwiesen werden – wenngleich hierfür wohl einige nicht zwingende und, außer für den Glaubenden, nicht sehr beweiskräftige Gründe beigebracht werden können.“

Also nicht so sehr durch Nachdenken, sondern vielmehr durch aus dem Glauben geformte Erfahrung nähern wir uns diesem Geheimnis der Geheimnisse. Gerade wenn sich die Theologie mit dem Geheimnis der Allerheiligsten Dreifaltigkeit beschäftig, zeigt sich, daß sie keine Wissenschaft wie die anderen ist, weil sie immer eine betende Wissenschaft sein muß. D.h. letztlich, nur aus unserer täglichen Gebetserfahrung heraus finden wir uns im Alltag von Nazareth zurecht. Dieser Alltag der hl. Familie läßt uns ahnen, wie gnadenreich ein Tag sein kann.

Wir müssen in unserem Bemühen nur dem Vorbild des hl. Josef folgen, denn vor allem er offenbart uns den dreifaltigen Gott, weil er als Haupt der hl. Familie ganz besonders in dieses Geheimnis getaucht ist. Echtes Beten mündet nämlich immer in das Lob der Allerheiligsten Dreifaltigkeit. Die heilige Liturgie beendet deswegen jeden Psalm mit dem „Gloria Patri“, mit dem „Ehre sei dem Vater und dem Sohne und dem Heiligen Geist“. Immer wieder sammeln sich so alle Gedanken über Gott und das Leben im Lob der Dreieinigkeit Gottes.

Unser göttlicher Lehrmeister selbst hat gesagt: „Wer mich liebt, wird mein Wort bewahren; mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm nehmen“ (Joh 14,23). Hat sich diese Verheißung nicht ganz wörtlich in Nazareth erfüllt: Der Vater und der Sohn kommen im Heiligen Geist nach Nazareth, um dort bei Maria und Josef Wohnung zu nehmen. Damit wird uns auch sofort die Nahtstelle, die Türe zum Geheimnis offenbar: Jesus Christus, wahrer Gott und wahrer Mensch! In Jesus Christus gelangen wir erfüllt vom Heiligen Geist zum Vater, denn Er ist der Weg, die Wahrheit und das Leben.

Was geschieht nun eigentlich im Haus von Nazareth? Beim Evangelisten Lukas lesen wir: „Und Jesus nahm zu an Weisheit und Wohlgefallen vor Gott und den Menschen“ (Lk 2,52). Natürlich nahm Er nicht als Gott zu an Weisheit und Wohlgefallen, was unmöglich ist, sondern als Mensch. Wie geschah das aber genau? Durch Seinen Gehorsam gegenüber Josef und Maria, also gegenüber Seinen Eltern. Sie erzogen Ihn, wie man ein Menschenkind erzieht. Aber was für ein wunderbarer Unterricht war das und was für ein vollkommener Gehorsam war das! Alles im Haus von Nazareth ist voller Heiligkeit, Ehrfurcht, Stille und Anbetung. Sind auch wir bereit, uns von Josef und Maria unterrichten zu lassen, wenn wir im Haus von Nazareth sind? Sind wir bereit, uns erziehen zu lassen, vor allem in der Gottesliebe?

Beim Propheten Osee lesen wir: „Als Israel jung war, gewann ich ihn lieb … Ich war es, der Efraim gehen lehrte, ich nahm ihn auf meine Arme … Ich war da für sie wie die Eltern, die den Säugling an ihre Wange heben“ (Os 11,1-4). Und weiter: „Ich war es, der Efraim gehen lehrte, ich nahm ihn auf meine Arme. Sie aber haben nicht erkannt, daß ich sie heilen wollte. Mit menschlichen Fesseln zog ich sie an mich, mit den Ketten der Liebe“ (Os 11,3-4). Sind diese Worte nicht voll göttlicher Wehmut? Die unendliche Liebe Gottes sorgt sich um Sein Geschöpf und wie erfinderisch und zärtlich ist dabei Seine Liebe. Beim Propheten Jeremias heißt es: „Ich hatte gedacht: Ja, ich will dich unter die Söhne aufnehmen, um dir ein liebliches Land zu geben, das herrlichste Erbteil unter den Völkern. Ich dachte, du würdest mich Vater nennen und dich nicht abwenden von mir“ (Jer 3,19).

Auch aus diesen Worten hört man dieselbe Wehmut: „Ich dachte, du würdest mich Vater nennen und dich nicht abwenden von mir.“ Was ist jedoch geschehen? Nicht nur die Heiden, sondern selbst die Israeliten, das auserwählte Volk, verstanden die Liebe des Vaters nicht recht und wendeten sich immer wieder widerspenstig von Ihm ab und den Götzen zu. Darum klagt unser Herr angesichts der hl. Stadt: „Jerusalem, Jerusalem! Du mordest die Propheten und steinigst, die zu dir gesandt sind! Wie oft wollte ich deine Kinder sammeln, wie eine Henne ihre Küken unter die Flügel sammelt; aber ihr habt nicht gewollt“ (Mt 23,37).

Damit aber die Menschen guten Willens dennoch gerettet werden, hat Gott sich ein wunderbares Haus erbaut, ein Haus in Nazareth, das voll von Gotteserkenntnis war. In diesem Haus lebte der Sohn, um den Vater zu offenbaren. Er offenbarte aber den Vater, indem Er zunächst den hl. Josef „Vater“ nannte. Indem aber Er, der ewige Sohn des Vaters, menschgeworden aus der Jungfrau Maria, als Mensch den hl. Josef „Vater“ nennt, wobei Er doch ewig den himmlischen Vater vor Augen hat, weil Er in einer ewigen Zeugung aus dem Vater hervorgeht, verdient und lehrt Er uns, Seine Brüder und Schwestern, Gott ebenfalls „Vater“ nennen zu dürfen und zu können. Und damit nimmt Er uns mit hinein in Sein innertrinitarisches göttliches Leben. Denn so übte Er uns sozusagen langsam in Seine göttliche Sprache ein, weshalb Er dann als Zwölfjähriger im Tempel zu Maria und Josef ganz überraschend sagt: „Wußtet ihr nicht, daß ich in dem sein muß, was Meines Vaters ist?“ Maria und Josef waren über diese Worte ganz überrascht und wohl auch wieder aufs Neue ganz erschrocken über das göttliche Geheimnis, das seit Ewigkeit zwischen Vater und Sohn waltet, die im Heiligen Geist ein Gott sind. Wir wissen, unser göttlicher Heiland ging dennoch wieder mit zurück nach Nazareth, um weitere 18 Jahre mit Josef und Maria zu sein, mit ihnen Menschenworte zu reden und ihnen zu gehorchen wie ein wahrer Sohn. Unfaßbar ist diese Demut des göttlichen Herzens Jesu.

Doch kehren wir nochmals zurück zu Josef: Muß dieses Gespräch zwischen Jesus und Josef nicht überaus geheimnisvoll gewesen sein? Taucht es doch den hl. Josef immer wieder unmittelbar und direkt ins dreifaltige Geheimnis Gottes ein. Denn wie könnte er mit dem Sohn Gottes Tag für Tag sprechen, ohne zugleich immer wieder des Vaters zu gedenken und des Heiligen Geistes, in dem Vater und Sohn ein Gott sind! Vielleicht können uns die Worte des hl. Dionysius vom Areopag ein wenig helfen, die Seelenstimmung des hl. Josef bei seinen Gesprächen mit Jesus zu erahnen: „Überwesentliche, übergöttliche und übergute Dreifaltigkeit, Leiterin und Hüterin der Gottesweisheit der Christen, führe uns auf den überunerkennbaren, überleuchtenden höchsten Gipfel der mystischen Sprüche Gottes, wo die einfachen, (von aller Umkleidung) losgelösten, unwandelbaren Mysterien der Theologie in dem überlichthaften Dunkel des mysterienverbergenden Schweigens verhüllt sind, die in ihrem Finstersten das Überhellste überstrahlen und in dem ganz Unfaßbaren und Unsichtbaren mehr als der überschönste Glanz die augenlosen (nicht mit leiblichen Augen sehenden) Geister erfüllen. Dies sei mein Gebet.“

In diesen Worten bemüht sich der hl. Dionysius, die Unbegreiflichkeit Gottes in Worte zu fassen. Die Anhäufung von Superlativen dient dazu, auf die unendliche Wirklichkeit Gottes aufmerksam zu machen, die in jedem Menschenwort droht verlorenzugehen. Der hl. Josef stand jeden Tag diesem „überunerkennbaren, überleuchtenden höchsten Gipfel der mystischen Sprüche Gottes“ gegenüber, wenn er mit seinem Pflegesohn sprach – „wo die einfachen, (von aller Umkleidung) losgelösten, unwandelbaren Mysterien der Theologie in dem überlichthaften Dunkel des mysterienverbergenden Schweigens verhüllt sind“. Da ist es zu vermuten, daß die Gespräche nicht sehr wortreich waren, aber umso inhaltsreicher.

Das Beispiel des hl. Josef stellt uns die Frage: Wie ist eigentlich unser Gespräch mit Gott? Wie ist unser Gebet – ist es ein Sprechen mit dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist – wie das Gebet Josefs? Ist es ein Eintauchen ins göttliche Geheimnis und ein die Ewigkeit vorausnehmendes Entzücken über dieses unaussprechliche Ineinandersein von Vater, Sohn und Heiligem Geist in der einen göttlichen Wesenheit?

Der hl. Josef wird es wohl nach solchen Gesprächen mit Jesus jeweils sehr schwer in der Menschenwelt gehabt haben, war doch seine Seele ganz und gar in Gott versunken. Es wird ein überaus großes Opfer für ihn gewesen sein, zuweilen das Haus von Nazareth verlassen zu müssen und in die Welt hinauszugehen, die Gott nicht kennen will, weil er nun einmal arbeiten mußte, um den Lebensunterhalt zu verdienen. So gesehen war der hl. Josef durchaus mit den Märtyrern vergleichbar, denn dieses Leiden war sicherlich für ihn sehr sehr groß.

Der hl. Dionysius fügt obigen Text an: „Du aber, lieber Timotheus, wenn Du Dich um die mystische Schau strebend bemühst, verlaß die sinnliche Wahrnehmung und die Denktätigkeit, alle Sinnendinge und Denkinhalte, alles Nicht-Seiende und Seiende, und strebe erkenntnislos zum Geeintwerden – soweit dies möglich ist – mit dem über allem Sein und Erkennen Liegenden empor. Denn durch das von allem Gehaltenwerden freie und rein von allem gelöste Heraustreten («Ekstase») aus Dir selbst wirst Du, alles von Dir abtuend und von allem gelöst, zum überwesentlichen Strahl des göttlichen Dunkels emporgehoben werden.“

Dies hier Beschriebene wurde zu einer Grunderfahrung im Leben des hl. Josef. Wenn er in der Nähe des Sohnes Gottes war, wenn er mit Ihm sprach, wußte er sich „zum überwesentlichen Strahl des göttlichen Dunkels emporgehoben“. Auch der hl. Johannes vom Kreuz schreibt: „Denke nicht an die Geschöpfe, wenn du das Bild Gottes klar und einfach in deiner Seele behalten willst; mache vielmehr deinen Geist entschieden von ihnen frei, ziehe dich weit von ihnen zurück, und du wirst im göttlichen Licht gehen, denn Gott ist den Geschöpfen nicht gleich.“

Diese Wahrheit stand dem hl. Josef immer vor Augen, wenn er die Haustüre hinter sich zumachte. Sein Gespräch mit Jesus ging im Herzen weiter – und in Jesus zum Vater in der Liebe, die der Heilige Geist ist. Darum erschien der hl. Josef den Leuten in Nazareth wohl auch wie ein Träumer und ein einfältiger Mann, weil er immer etwas geistesabwesend wirkte. Er konnte nicht mehr anders, denn sein Herz war verwundet von der göttlichen Liebe, war doch sein Pflegesohn der Sohn Gottes, der zum ihm wirklich „Vater“ sagte. Wie sollte da der hl. Josef noch aus dem Staunen herauskommen. Das war unmöglich. Manchmal wollte sein Herz zerspringen vor Freude, vor Verwunderung, vor Demut oder vor Ehrfurcht. Dann war er wieder froh, wenn er mit Maria ein Wort sprechen konnte – und ihm Maria versicherte, daß es schon wahr war, er war der Vater im Hause von Nazareth, der sichtbare Schatten des Vaters im Himmel.

Wir erkennen wohl nun etwas besser: Der ewige Sohn des Vaters mußte selbst in unsere Menschenwelt kommen, um uns aus unserer durch die Sünde selbstverschuldeten Sprachlosigkeit zu befreien, wie der hl. Paulus an die Galater schreibt: „So waren auch wir, solange wir unmündig waren, Sklaven der Elementarmächte dieser Welt. Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau und dem Gesetz unterstellt, damit er die freikaufe, die unter dem Gesetz stehen, und damit wir die Sohnschaft erlangen. Weil ihr aber Söhne seid, sandte Gott den Geist seines Sohnes in unser Herz, den Geist, der ruft: Abba, Vater. Daher bist du nicht mehr Sklave, sondern Sohn; bist du aber Sohn, dann auch Erbe, Erbe durch Gott“ (Gal 4,3-7).

So soll dieses Dreifaltigkeitsfest ein ganz großes Freudenfest sein, an dem wir den dreifaltigen Gott für die Gnade der Erlösung danken. Lassen wir den Heiligen Geist in uns jenes „Vater“ sprechen, das uns wieder zu Kindern Gottes macht, weil unsere Seele durch die heiligmachende Gnade ganz und gar verwandelt wird. Und stimmen wir ein in jenen himmlischen Lobpreis, der Gott in Ewigkeit gebührt, wie er uns in der Geheimen Offenbarung beschrieben wird: „Jedes der vier Wesen hat sechs Flügel, ringsum und innen übersät mit Augen. Tag und Nacht rufen sie ohne Unterlaß: ‚Heilig, heilig, heilig ist der Herr, der allmächtige Gott, der war, der ist und der kommen wird‘.“