Zur Oktav der Unbefleckten Empfängnis

Es sollte für jeden Katholiken ein besonderes Herzensanliegen sein, daß es richtig Advent wird. Wenn es nämlich in unserer Seele nicht richtig Advent wird, dann wird es auch nicht wirklich Weihnachten werden. Und wie traurig wäre das, wenn es nicht Weihnachten würde – Immer Winter und niemals Weihnachten wie im Land Narnia. Etwa Furchtbareres läßt sich wohl kaum ausdenken, immer Winter und niemals Weihnachten.

Wohl das einfachste und zugleich beste Mittel, um die Seele adventlich zu stimmen, ist die Verehrung der Immaculata, der Unbefleckten Empfängnis der allerseligsten Jungfrau Maria. Sicherlich nicht zufällig wird dieses Fest jedes Jahr inmitten des Advents gefeiert.

Maria ist die Neue Welt der Gnade in ihrer ganzen Fülle. Maria zeigt uns die unermeßlichen Möglichkeiten, die uns durch die Erlösungsgnade neu geschenkt wurden. In der Hl. Messe, bei der Vermischung des Tropfens Wasser mit dem Wein betet der Priester: „mirabilius reformasti“ – „die Du wunderbarer erneuert hast“ – damit ist die menschliche Natur gemeint: unsere menschliche Natur ist in Jesus und Maria noch wunderbarer erneuert worden, als sie ursprünglich geschaffen wurde! Maria ist der Beginn der neuen, erlösten sündenlosen Schöpfung. In ihr hat Gott unser Heil neu begründet, weil Er sie auserwählt hat, Mutter Gottes zu sein.

Wie sehr liebt Gott Seine Immaculata, weil sie voller Gnade ist. Wir müßten schon Gott sein, um die unaussprechlich hohe Würde Mariens recht zu verstehen. Ihr reinstes Wesen, ihr unbeflecktes Herz, ihre Fülle der Gnade – eine überfließende Fülle der Gnade! Ihr ganzes Wesen ist ein „Hin-sein-auf-Jesus“ – und in Jesus auf den Vater. Ja, Sie ist die Immaculata, die makellose Jungfrau um Jesu willen. Maria ohne Jesus ist einfach undenkbar, denn Maria ist die wunderbare Morgenröte des Gottmenschen Jesus Christus. Oh, Maria ist ein unbeschreiblich schöner Advent Jesu.

Das Wesen der Immaculata

Betrachten wir doch das Wesen der Immaculata noch etwas ausgiebiger. Die Theologen sagen: Maria habe vom ersten Augenblick ihres Daseins eine wunderbare Schau des Wesens Gottes gehabt. Vom Mutterschoß an schaut die Immaculata das unergründliche Geheimnis Gottes und betet Gott an. Aus dieser so wunderbaren Gottesschau heraus vollzog Maria sodann, kraft der eingegossenen Liebe vom Heiligen Geiste bewegt, einen Akt der Gottesliebe von unvergleichlicher Kraft, Reinheit und Glut, die Gott mehr verherrlichte und der Menschheit mehr verdiente als die Liebe und das Martyrium aller Heiligen zusammen. Es ist nun leicht einzusehen: Einer solchen Liebe konnte Gott nicht widerstehen. Gott mußte ihr Gnade um Gnade schenken, bis eine Fülle erreicht war, die alle anderen Geschöpfe übertrifft.

Blickt man auf die Gnadenvolle, blickt man auf die Immaculata, so erkennt man, eines ist einfach ganz wahr: Ohne Maria gäbe es gar keinen Advent und wir blieben ewig gefangen in unserer Sündenwelt. Die Immaculata allein durchbricht den Teufelskreis der Sünde, weil ihr Sohn sie vorerlöst hat, denn Er hat sie auserwählt, Seine Mutter zu sein. Sie, ein Menschenkind, wird Mutter Gottes genannt werden und es auch sein. Was für ein kühner Gottesgedanke: Aus ihr will er, der ewige Sohn des Vaters, als Mensch geboren werden. Die Immaculata ist die göttliche Schau der Welt Gottes – Wirklichkeitsschau unserer Welt aufgrund der ungeahnten Möglichkeiten der Gnade – einer ganz und gar heiligen Welt, hervorwachsend über Jahrtausende aus unserer Menschensündenwelt.

Der hl. Bernardin von Siena erklärt es so: „…alle Geschöpfe suchen sich an ein bestes Wesen reiner Geschöpflichkeit anzuschließen. Unter diesen Umständen wurde für die Welt durch eine über alles gebenedeite Frau vorgesorgt: nur einmal ward sie Mutter. Und durch diese einmalige Mutterschaft trug sie allen Arten der geschaffenen Dinge ihre höchste und letzte Vollendung zu.“

Der höchste Gipfel der geschöpflichen Vollendung

Maria ist der höchste Gipfel der geschöpflichen Vollendung. Sie ist zugleich Urgrund und Ziel. Durch diesen Urgrund wird die ganze Schöpfung wieder auf das wahre Ziel ausgerichtet, nämlich durch Jesus Christus, dem Sohn Mariens. In ihr berührt sich die geschöpfliche Welt mit der Welt Gottes, wie es der hl. Thomas von Aquin in seiner theologischen Summe ausdrückt: „Die allerseligste Jungfrau hat dadurch, daß sie Mutter Gottes ist, eine gewisse unendliche Würde erlangt, durch Teilnahme an dem unendlichen Gute, das Gott ist, und in dieser Hinsicht ist nichts Vollkommeneres möglich.“

Der Aufbruch von Nazareth nach Bethlehem

Betrachten wir Maria noch ein wenig in ihrem ganz persönlichen Advent. Noch sind Maria und Joseph in Nazareth. Sie wollen womöglich bald aufbrechen. Der Weg ist schließlich für Maria recht weit und beschwerlich. Der hl. Joseph ist darob verständlicher Weise sehr besorgt: „Willst Du nicht lieber daheim bleiben, Maria. Die müssen doch einsehen, daß Du in diesem Zustand keine so weite Reise mehr wagen kannst. So etwas kann man doch keinem Menschen zumuten.“ Aber Maria beruhigt ihn schnell: „Es wird schon recht werden, Joseph. Mach Dir nur keine Sorgen, Gott weiß alles recht zu fügen.“

Bei diesen Worten spürt sie das Kind unter ihrem Herzen, und sie weiß es ganz sicher, es ist der Wille des ewigen Vaters, daß sie mit dem Kind unter ihrem Schoß nach Bethlehem reist. Zudem weiß sie, der Weg wird ein Opfergang werden, aber gerade deswegen ist es der rechte Weg, denn auch der Weg ihres Sohnes wird allezeit ein Opferweg sein.

Sobald man über diese Zeit vor Weihnachten in Nazareth nachzudenken beginnt, ist man ganz sicher: Maria gehört einfach zum Advent – und auch der hl. Joseph. In gewisser Weise kann man sogar sagen: Maria ist der Advent. In ihr faßt sich tatsächlich nochmals alles zusammen, was all die vielen vielen Jahrhunderte an wahrer Sehnsucht unter den Menschen war. Maria ist die Frau, welche allein die Weltgeschichte wendet. In ihre Hand hat Gott das Schicksal der ganzen Menschheit gelegt.

O komm, o komm, Emmanuel!

Seit Adam und Eva hat es keinen Menschen mit einer solch weltweiten, universalen Verantwortung mehr gegeben. Adam und Eva hatten ebenfalls die Verantwortung für alle Generationen von Menschen, die nach ihnen kommen würden. Auch Maria hat Verantwortung für alle Menschen, alle, die vor ihr gelebt haben und die leben werden bis ans Ende der Welt. Wie groß muß also diese Frau sein, daß Gott es wagen kann, das Geschick aller Menschen von ihrer freien Entscheidung abhängig zu machen?

Zunächst erahnt Maria wohl diese Verantwortung nur. Aber durch Gott belehrt, wird es in ihrer Seele immer lichter und die Einsicht immer klarer. Darum betet sie immer öfter, immer tiefer, immer brennender darum, daß der Messias kommen möge. Maria sehnt den von Gott verheißenen Retter herbei. Maria betet den Messias herbei. Maria opfert Ihn herbei. Maria ruft Ihn herbei.

Wenn wir die Jungfrau von Nazareth in ihrem persönlichen Advent betrachten, dann wird es unmittelbar greifbar: Alles Große reift in der Stille, alles wahrhaft Große reift im Gebet. Man kann es sich nicht anders denken, und alle Künstler haben es so gesehen und gemalt: Maria war beim Gebet, als der Erzengel Gabriel bei ihr eintrat. Ihre Seele war wohl ganz versunken in die Betrachtung der Not der Menschen und in die Verheißung, daß Gott einen Erlöser senden wird: „Herr sende Deinen Messias, sende den Retter, der alle Not von uns nehmen kann und wird. Er ist die Hoffnung Israels, Er ist unser Trost, Er ist unser Heiland.“ Wie wunderbar kann die Jungfrau beten. Was für ein Vorbild für uns arme, moderne, zerstreute Menschen.

Das Gebet Mariens

Ein Einsiedler schreibt: „Wenn du die Gabe des Gebetes willst, mußt du auch den Preis bezahlen. Du mußt deine Seele in Ruhe besitzen. Wenn du dein Herz an etwas hängst, so nimmt es dich in Besitz und zieht dich in seine Atmosphäre hinein. Der Geist des Gebetes zieht dich in die innere, verborgene Atmosphäre des Herzens.“ Und was geschieht in dieser inneren, verborgenen Atmosphäre meines Herzens, wenn ich die Gabe des Gebetes erhalten habe? Dort begegne ich Gott! Keiner hat je gebetet wie Maria, keiner ist jemals Gott so begegnet wie sie. Niemals hat ein Geschöpf so im Heiligen Geist geglüht wie die Immaculata. Deswegen versteht auch niemand besser als Maria: Gott wollte eine heilige Welt.

Aber wie hat Ihn die Welt enttäuscht, wie haben Ihn die Geschöpfe enttäuscht? Von Luzifer, dem Fürsten unter den Engeln angefangen über Adam und Eva und die ganze Menschengeschichte hindurch – wie haben die Geschöpfe Ihn allezeit enttäuscht! Maria sieht das Versagen der Geschöpfe, aber sie erkennt zudem in Gott die Heilsmöglichkeit für uns sündige Menschen. Und sie ist bereit, alles zu tun, damit unsere Welt wieder geheiligt werden kann.

Eine neue Welt soll erstehen, so heilig wie am Anfang, wie in der Urzeit, so wie Gott sie seit Ewigkeit erdacht und gewollt hat. Maria will alles tun, damit unsere Menschenwelt wieder zu Gott zurückkehrt. Das ist jedoch ohne Eingreifen Gottes unmöglich. Er selbst muß kommen, denn die Menschen vermögen nichts mehr, sie stehen ratlos vor dem Trümmerhaufen ihrer unzähligen Sünden.

Tautet Himmel den Gerechten, Wolken regnet Ihn herab!

Darum: „Tautet Himmel den Gerechten, Wolken regnet Ihn herab!“ So fleht und bittet Maria, so ringt sie mit Gott, so seufzt ihre makellose Seele. Der hl. Grignon von Montfort lehrt: „Wie sehr auch die Patriarchen nach ihm geseufzt, wie sehr auch die Propheten und Heiligen des Alten Bundes viertausend Jahre lang um den Besitz dieses Schatzes gefleht, Maria allein hat ihn durch die Kraft ihrer Gebete und die Größe ihrer Tugenden verdient und Gnade gefunden bei Gott!“ (Grignon von Montfort in seiner Abhandlung von der vollk. Andacht).

Was für ein Wunder: Maria allein hat ihn durch die Kraft ihrer Gebete und die Größe ihrer Tugenden verdient und Gnade gefunden bei Gott! Da öffnet sich der Himmel und der ewige Sohn des Vaters steigt von seinem göttlichen Thron herab und nimmt Wohnung im Schoße der armen, demütigen Jungfrau. Der Advent Mariens dauert nicht nur 4 Wochen, sondern 9 Monate. Dieser ganz und gar einzigartige Advent der Jungfraumutter ist das Vorbild für unseren Advent. Eine unvorstellbar schöne und gottinnige Zeit muß das für sie gewesen sein. Obwohl sie schon ganz in der Gegenwart Gottes lebte, konnte sich Maria dennoch nicht vorstellen, daß man Gott so nahe sein kann. Niemals hätte sie zu wünschen gewagt, so in Gottes innerstes Geheimnis hineingenommen zu werden, wie sie es jetzt Tag für Tag erlebte.

Sie spürt das Kind unter ihrem Herzen, von dem der himmlische Vater sagen wird: „Dieser ist mein geliebter Sohn; auf Ihn sollt ihr hören!“ Sie spürt sozusagen das göttliche Erbarmen Tag für Tag in sich wachsen und größer werden. Oft denkt sie dabei: Wenn es doch die ganze Welt sehen könnte, wie nahe uns Gott ist und wie wunderbar Seine Gegenwart ist. Sehnsuchtsvoll betet sie wieder und wieder in ihrem Herzen: „Herr, zeige Dich der Welt. Zeige Dich doch deinen Brüdern. Offenbare ihnen Deine Herrlichkeit, dann müssen sie Dich doch auch lieben.“

Zitternd spricht sie sodann folgende Worte leise vor sich hin: Sie werden Dich doch auch lieben? Denn sie sieht so viele Menschen, die Gott nicht lieben. So viele Menschen, die Seine Gebote nicht achten. Da spürt sie, daß das auch nicht viel anders werden wird, wenn ihr Sohn vor ihnen stehen wird. Viele werden Ihn dann hassen. Aber viele werden sich auch bekehren, werden sich rühren lassen von der sichtbar gewordenen Barmherzigkeit Gottes.

So sehnt sich die heiligste Jungfrau nach dem Augenblick, an dem sie ihren Sohn zum erstenmal sehen wird. Mit jedem Tag ihres Advents wächst diese Sehnsucht. Immer öfter verliert sie sich in dem Gedanken: Wie wird Er wohl aussehen? Welche Gesichtszüge hat der Sohn Gottes? Wem ähnelt Er? Wie sieht eigentlich ein Gott in Menschengestalt aus? Da freut sich die Jungfraumutter mit einer unbeschreiblichen Freude auf Weihnachten. Sie freut sich auf Bethlehem, sie freut sich auf ihren ersten großen Opfergang mit Ihm und für Ihn. Denn es ist alle Opfer wert, wenn man Ihn nur sehen darf. Ist das nicht schon wie ein Vorgeschmack des Himmels?

O Maria, Jungfraumutter des Advents – bitte für uns! Amen