Das gottmenschliche Herz Jesu

In Seinen Reden über das Weltende sagt unser göttlicher Herr voraus, es werde sich Volk gegen Volk und Reich gegen Reich erheben, es werde allenthalben Hungersnot und Pest und Erdbeben geben. Auch wird man viele Christen töten um Seines Namens willen, ja diese werden von allen Völkern gehaßt werden. Dann werden viele zu Fall kommen, einander verraten und hassen. Es wird soweit kommen, weil falsche Propheten in großer Zahl auftreten werden und viele irreführen. Diese falschen Propheten werden den göttlichen Glauben vollkommen verwirren und die Gebote Gottes heuchlerisch außer Kraft setzen. Unser göttlicher Herr schließt Seine Schilderung dieser Zeit mit der Feststellung: „Weil die Gesetzlosigkeit überhandnimmt, wird die Liebe der meisten erkalten.“ Dieser Feststellung folgt sodann das Versprechen: „Wer aber ausharrt bis ans Ende, wird gerettet werden“ (vgl. Mt. 24, 4-13).

Muß nicht jeder, der unsere neuheidnische Gesellschaft nüchtern betrachtet, bekennen: Wie schwer ist es für uns Katholiken geworden, den wahren Glauben zu bewahren und acht zu haben, daß die Liebe nicht erkaltet? Es gibt ein Gebet der hl. Gertrud zum heiligsten Herzen Jesu, in dem es heißt: „Ich grüße Dich, o heiligstes Herz Jesu, Du lebendige und lebendigmachende Quelle des ewigen Lebens, Du unendlicher Schatz der Gottheit und flammender Glutofen der göttlichen Liebe! Du bist mein Ruheplatz und mein Zufluchtsort. O mein göttlicher Erlöser, entflamme mein Herz mit der heißen Liebe, von welcher Dein Herz ganz verzehrt wird! Gieße aus in mein Herz die großen Gnaden, deren Quelle Du bist, und mache, daß mein Herz so sich mit dem Deinen vereine, daß Dein Wille der meinige und mein Wille auf ewig dem Deinigen gleichförmig sei; denn ich wünsche fortan Deinen heiligen Willen zur Richtschnur aller meiner Handlungen zu haben. Amen.“

Wer aufmerksam, gesammelt und mit offenem, wachem Sinn diese Worte spricht, wird wohl angesichts des flammenden Glutofens der göttlichen Liebe dieses heiligsten Herzens spüren, wie kalt sein eigenes Herz ist. Wird uns nicht in dem Bild des gottmenschlichen Herzens Jesu ein unendlicher Abgrund sichtbar, in den hinein man sich versenken kann und soll, um daraus wie aus einer lebendigmachenden Quelle alle zur ewigen Seligkeit notwendigen Gnaden zu empfangen? Ganz in diesem Sinne beten wir auch in der Herz-Jesu-Litanei einerseits: „Herz Jesu, in dem die ganze Fülle der Gottheit wohnt, erbarme Dich unser!“, um anderseits hinzuzufügen: „Herz Jesu, aus dessen Fülle wir alle empfangen haben, erbarme Dich unser!“

Damit jedoch diese verborgene Quelle für uns einigermaßen in dem Bild vom Herzen Jesu sichtbar wird, müssen wir uns beständig betrachtend ins Geheimnis dieses heiligsten Herzens versenken. Dabei offenbart dieses Bild den erkalteten Herzen den Weg zum Himmel. Wie beklagt sich unser göttlicher Herr am 19. Juni 1675 in einer Vision der heiligen Margareta Maria Alacoque in Paray-le-Monial über deren Gleichgültigkeit: „Sieh hier das Herz, das die Menschen so sehr liebt, daß es nichts gespart hat, um sich zu opfern, und zu erschöpfen in Liebesbeweisen; und als Dank empfange ich von den meisten Menschen nur Kälte, Unehrerbietigkeit, Verachtung und Sakrilegien in diesem Sakrament der Liebe.“

Das Bild des Herzens

Damit nicht auch wir inmitten dieser neuheidnischen Welt die sichtbar gewordene Liebe unseres göttlichen Erlösers übersehen und zurückweisen, wollen wir uns etwas eingehender mit dem Bild des Herzens Jesu beschäftigen, damit uns dessen alle Geschöpfe erfüllende Liebe wieder verständlicher und sodann lebendiger wird. Grundlegend muß man zunächst fragen: Worauf verweist eigentlich dieses Bild? Was verbirgt sich dahinter? Vor allem: Welche Wirklichkeit benennt dieses Bild, d.h. was bedeutet das Wort „Herz“ genau?

Sobald wir versuchen, die letzte Frage möglichst kurz und klar zu beantworten, werden wir schnell einsehen müssen, daß die Antwort viel schwerer ist, als man sich das zunächst vorgestellt haben. Was also meinen wir, klar formuliert und auf den Punkt gebracht, wenn wir vom Herzen sprechen, besonders vom Herzen Jesu, dem Herzen des eingeborenen Sohns des ewigen Vaters?

Das Innenleben unserer Seele

Das, was wir mit unserem deutschen Wort „Herz“ benennen, bezeichnet zunächst einmal das ganze, so reichhaltige und vielgestaltige Innenleben unserer Seele. Wobei mit dem Bild des Herzens zugleich etwas ganz Entscheidendes ausgesagt wird: Wir Menschen sind nicht nur Seele, sondern auch Leib – d.h. wir sind keine reinen Geister, keine Engel, vielmehr verwirklicht sich unser Geist in einem Leib. Die Folge davon ist unsere ganz besondere Art zu leben und deswegen auch zu glauben und zu hoffen und zu lieben – all unser Tun hat einen sinnlichen und einen geistigen Aspekt. Wir haben Augen, Ohren, einen Geruch- und Tastsinn und wir besitzen eine geistige Erkenntnisfähigkeit und einen freien Willen. Alle Tätigkeiten der Seele finden nun ihre zusammenbindende Einheit im Herzen oder anders gesagt, in der Person. Das, was wir „Person“ nennen, bestimmt die christliche Philosophie als geistige Substanz, also als ein geistiges Sein mit Selbststand und daraus aufgrund der geistigen Erkenntnisfähigkeit und des freien Willens folgend mit einer Selbstverantwortung. Das Herz aber bildet die inwendige Instanz dieser Selbstverantwortung.

Wir verbinden mit dem Begriff „Herz“ vor allem eine Tätigkeit der Seele: Die Liebe. Diese hat dem Wesen des Menschen entsprechend zwei Seiten, eine sinnliche und eine geistige. Die sinnliche Liebe bezeichnen wir auch mit dem Wort „Verliebtsein“, womit vordergründig das Emotionale, Gemüthafte, Leidenschaftliche derselben zum Ausdruck kommt. Eine geistige Liebe ist viel anspruchsvoller als ein bloßes sinnliches Verliebtsein. Die massenhaft gescheiterten Beziehungen des modernen Menschen geben davon beredt Zeugnis. Während das Verliebtsein als bloßes Gefühl der Laune der Natur unterworfen ist, gründet eine geistige Liebe in einem Erkenntnisakt, sie liebt den Nächsten, weil er wahrhaft liebens-wert ist.

Weil gerade die Modernisten einerseits so verdächtig viel von der Liebe reden, anderseits aber gerade die Herz-Jesu-Verehrung immer mehr in den Hintergrund gedrängt haben, scheint ein tieferes Verständnis für uns besonders wichtig zu sein. Wenn der Modernist vom Herzen spricht, so möchte er damit vor allem den Sitz seines Gefühlsglaubens bezeichnen. Aufgrund seines vollkommen falschen Glaubensverständnisses spielt er gewöhnlich das Herz gegen die Vernunft aus und zitiert hierzu oft mißbräuchlich den Satz Pascals: „Das Herz kennt Vernunftgründe, die die Vernunft nicht kennt.“

Dabei meint Pascal gar nicht dasselbe wie die Modernisten, denn für ihn handelt das Herz durchaus nicht unvernünftig, ist es doch der Sitz der ersten Prinzipien, wie Anton Maxsein in seinem Buch Philosophia Cordis darlegt: „Das Herz hat ein Wissen um die ersten Prinzipien, auf das sich die Vernunft stützen muß, auf das sie alle Ableitungen gründet. Weiterhin spricht Pascal von einem Erfühlen der Prinzipien, während die Lehrsätze sich erschließen lassen. Das Herz habe aber ein so ursprüngliches Wissen um die ersten Prinzipien, daß es ebenso unnütz wie lächerlich wäre, wenn die Vernunft, um ihm beizustimmen, vom Herzen Beweise für seine ersten Prinzipien verlangte, wie es lächerlich wäre, wenn das Herz von der Vernunft, um allen Lehrsätzen, die sie beweist, zuzustimmen, ein Gefühl forderte“ (Anton Maxsein, Philosophia Cordis, Otto Müller Verlag Salzburg, S. 14).

In diesen Gedanken Pascals läßt sich noch das uralte Wissen von jenem, dem Menschen von Gott eingestifteten Wissen der Urprinzipien greifen, auf dem unser ganzes vernünftiges Denken und jegliches moralische Urteil aufruht, nämlich dem Widerspruchsprinzip und dem Spruch des Urgewissens, daß man nämlich das Gute tun und das Böse meiden soll. Wobei aber der Ausdruck „Gefühl“ von Pascal schon unglücklich gewählt ist, weil er im höchsten Maße mißverständlich ist. Viel besser wäre der Ausdruck „Intuition“. Unser Herz erfaßt intuitiv, also mit einem sicheren Blick des Geistes, diese ersten Prinzipien und wendet sie zunächst ganz einfach und selbstverständlich im alltäglichen Leben an. So setzt etwa jegliches Vernunfturteil das Widerspruchsprinzip immer schon voraus, daß nämlich etwas nicht zugleich sein und nichtsein kann, und jegliches sittliche Tun gründet in der Einsicht des Urgewissens, daß das Gute zu tun und das Böse zu meiden ist. Der menschlichen Vernunft kommt sodann die Aufgabe zu, diese Einsichten rational aufzuarbeiten und zu zeigen, wie ein rechtes, sinnvolles Leben nur auf diesem Fundament möglich ist. Die wahre christliche Philosophie hat durch all die Jahrhunderte diese so wichtige Arbeit geleistet und gezeigt, ein den Geboten Gottes entsprechendes Leben ist immer auch ein vernünftiges Leben, weil das Gute immer das der Vernunft entsprechende ist, denn wie der hl. Thomas von Aquin lehrt, setzt das Sittliche das Natürliche voraus – und weiter lehrt er: „Die Ur-Grundsätze der Vernunft sind die gleichen, die der Natur gemäß sind.“

Es geht somit bei der eigenen Herzensbildung zunächst darum, sich einen tiefen und gefestigten Sinn anzueignen, wodurch man einer erkannten Wahrheit auch dann treu bleiben kann, wenn diese den momentanen persönlichen Neigungen widerspricht. Der hl. Thomas von Aquin betont: „Das Wirken gemäß der Kunst und der Vernunft muß gleichförmig sein dem, was der Natur gemäß, also von der göttlichen Vernunft gegründet ist.“ Die von Gott geschaffene Natur gibt uns das Richtmaß unseres Handelns, bildet also den Rahmen unserer Freiheit. Der hl. Thomas gibt zu bedenken: „Herr unseres Tuns sind wir, sofern wir uns für dies oder jenes zu entscheiden vermögen. Entscheidung aber gibt es nicht über das Ziel, sondern nur über das, was zum Ziele führt. Das Verlangen nach dem letzten Ziel ist nicht unter den Dingen, deren Herr wir sind.“

Unser Leben ist wesentlich hingeordnet auf die ewige Glückseligkeit im Himmel, also die allein uns glücklich machende ewige Anschauung Gottes. Dieses Ziel unterliegt nicht unserer Wahlmöglichkeit, sondern ist uns von Gott vorgegeben. Freiheit gibt es nur bezüglich der rechten Mittel, die uns zum Ziel führen, nicht bezüglich des Zieles selbst. Daraus folgert der hl. Thomas weiter: „Sich für das Böse entscheiden zu können, gehört nicht zum Wesen des freien Willens; es folgt jedoch aus dem freien Willen, sofern dieser in einem geschaffenen Wesen wohnt, der also des Versagens fähig ist.“ Die sog. Freiheit des modernen Menschen – tun und lassen zu können, was man will! – ist somit gar keine Freiheit, sondern ganz im Gegenteil das Versagen des freien Willens. Wird doch etwas nicht einfach dadurch gut, weil man es will, sondern der Wille wird allein dann gut genannt, wenn er etwas Gutes anstrebt, d.h. etwas, das zum letzten Ziel führt. Wohingegen all das, was uns hindert, dieses Ziel zu erreichen, Böse genannt wird.

Echte Herzensbildung

Nun muß jeder, der sich um echte Herzensbildung bemüht, feststellen, daß es einen seltsamen Widerstreit in seinem Herzen gibt, weil sich unser Willen nur allzu gerne und allzu leicht nicht dem Guten, sondern dem Bösen zuneigt. Mit anderen Worten: Unser Streben ist seit der Erbsünde nicht mehr von der Vernunft her geordnet, es widerstrebt dieser sogar sehr oft und zuweilen heftig. Es ist darum eine der wichtigsten Aufgaben unseres Lebens, durch die Übung der Tugenden die ursprüngliche Ordnung wieder herzustellen, denn wie der hl. Thomas ausführt: „Sittliche Tugend ist nichts anderes als eine Teilhabe der Begehrungskraft an der rechten Vernunft.“

Wie schwer fällt es uns, unsere Begehrungskraft der rechten Vernunft unterzuordnen, denn wie unbeständig ist unsere Seele durch die erbsündliche Verwundung geworden. Der hl. Augustinus gibt zu bedenken: „Es lebt Gott, es lebt aber auch die Seele, aber das Leben Gottes ist unveränderlich, das Leben der Seele ist veränderlich. Gott nimmt weder zu noch ab, sondern ist immer derselbe in sich, er ist, wie er ist, nicht anders jetzt, anders nachher, anders vorher. Das Leben der Seele ist aber in hohem Grade anders und wieder anders; sie lebte töricht, sie lebt jetzt weise, sie lebte ungerecht, sie lebt jetzt gerecht, jetzt erinnert sie sich, jetzt vergißt sie, was sie gelernt hatte, jetzt fällt ihr wieder ein, was sie vergessen hatte; veränderlich ist das Leben der Seele“ (In Joh. Ev. tr. XIX,11).

Es ist nun die Aufgabe des Herzens, in diesen ständigen Wandel durch die vom Glauben erleuchtete Vernunft eine Ordnung zu bringen. Diese Vernunft gibt dem Herzen den rechten Sinn und kann mit inneren Augen verglichen werden, die ihren Blick auf die Wirklichkeit der Seins richten – d.h. auf das endliche und durch dieses auf das unendliche Sein als Wesensgrund aller Dinge. Der Blick auf das ewige Ziel des Lebens aber versetzt unser Herz in Unruhe, wie es der hl. Augustinus zu Beginn seiner Bekenntnisse so unübertrefflich formuliert hat:

„Groß bist du, o Herr, und deines Lobes ist kein Ende; groß ist die Fülle deiner Kraft, und deine Weisheit ist unermeßlich. Und loben will dich der Mensch, ein so geringer Teil deiner Schöpfung; der Mensch, der sich unter der Last der Sterblichkeit beugt, dem Zeugnis seiner Sünde, einem Zeugnis, daß du den Hoffärtigen widerstehest; und doch will dich loben der Mensch, ein so geringer Teil deiner Schöpfung. Du schaffest, daß er mit Freuden dich preise, denn zu deinem Eigentum erschufst du uns, und ruhelos ist unser Herz, bis es ruhet in dir. Kläre mich auf, o Herr, und laß mich erkennen, ob wir dich zuerst anrufen oder dich preisen; ob wir dich eher erfassen als anrufen sollen? Doch wer ruft dich an, solange du ihm unbekannt bist? Könnte dich, der dich nicht erkennt, statt des einen ein anderes Wesen anrufen? Oder wirst du zuvor angerufen, auf daß du erkannt werdest? Wie sollen sie aber anrufen, an den sie nicht glauben? Wie sollen sie aber glauben an den, der ihnen nicht geprediget worden? Loben werden den Herrn, die ihn suchen. So ihn aber suchen, werden ihn finden, und die ihn finden, werden ihn loben. Ich will dich suchen, o Herr, im Gebet, und ich werde dich anrufen im Glauben: denn du bist uns verkündiget worden. Mein Glaube, den du mir gegeben, o Herr, ruft dich an, mein Glaube, den du mir einhauchtest durch die Menschwerdung deines Sohnes durch die Vermittlung deines Predigers.“
(Augustinus, Bekenntnisse, Erstes Buch – Erstes Kapitel)

Die Philosophie des Herzens

Lassen wir hierzu erklärend Anton Maxsein in seinem Buch Philosophia Cordis zu Wort kommen: „Der Mensch ist von der Unruhe gezeichnet. Er erfährt sie in sich selbst. Aber kennt er ihre Herkunft? Kann er diese aufdecken? Ist die Unrast des Menschen, in der er ständig sich wie auf einer Flucht befindet, nicht eine Flucht vor seiner Unruhe? Hier liegt das Geheimnis des obigen Satzes. Der Mensch der Unrast und der Mensch der Unruhe sind nicht derselbe. Der Mensch der Unruhe fühlt, wie fruchtbar sein tiefster Grund ist. In ihm liegt eine Kraft, die ausreifen will; sie ist eine Kraft des Wachsens. Der Mensch der Unrast hingegen will über sich hinweg, er jagt, er will fort, er will sich zerstreuen. Der Mensch der Unruhe will gesammelt sein; er findet sich in einer Erwartung, da das Ziel in ihm wirkt, auch wenn es sich nicht vollends öffnet; aber es ist am Werke. Darum ist unruhig etwas anderes als unstet. Dieses ist ziellos; etwas Ungeheuerliches sagt dieses Wort aus“ (Ebd. S. 47).

Jeder aufmerksame Mensch, der in sein Herz hineinhorcht, nimmt diese geheimnisvolle Unruhe wahr, die hindrängt zu Gott. Er begegnet aber auch der Unrast, die ihn fortzureißen droht, die zerstreut und nicht sammelt. So weiß der Mensch sich in seinem Innern hin- und hergerissen, aber er weiß auch das eine ganz genau: „unruhig ist unser Herz, bis es ruht in dir.“ Daran kann und muß er sich immer festhalten, denn durch den Glauben an Jesus Christus ist es dem Herzen zur vollkommenen Sicherheit geworden: „Mein Glaube, den du mir gegeben, o Herr, ruft dich an, mein Glaube, den du mir einhauchtest durch die Menschwerdung deines Sohnes durch die Vermittlung deines Predigers.“

Dennoch bleibt der Mensch, obwohl er im Glauben an die Menschwerdung des Sohnes Gottes Gott gefunden hat, solange er in dieser Welt lebt, immer weiter auf der Suche, weil er das unverlierbare, ewige Glück noch nicht erreicht hat. Diese Unruhe wird nie ganz aus dem Herzen weichen, denn immer muß der Mensch vor seiner eigenen Schwachheit auf der Hut sein, weshalb der hl. Augustinus weiter forscht: „Wer wird mir verleihen, zu ruhen in dir? Wer mir beistehen, daß du kommst in mein Herz und es ganz erfüllst, daß ich vergesse all mein Elend und dich nur, mein einziges Gut, umfasse? Was bist du mir? Habe Erbarmen mit mir, daß ich mich unterfange, von dir zu reden. Was bin ich dir, daß du Liebe von mir forderst und dein Zorn mir droht und unermeßliches Elend, wenn ich es nicht täte? Ist es denn ein geringes Elend, wenn ich dich nicht liebe? Wehe mir! Sage mir, o mein Herr und mein Gott, um deiner erbarmenden Liebe willen, was du mir bist. Sprich zu meiner Seele: Ich bin deine Hilfe. So sprich, auf daß ich dich hören kann. Siehe meines Herzens Ohr lauschend vor dir; erschließe es, o Herr, und sprich zu meiner Seele: Ich bin deine Hilfe. Betend will ich folgen dieser Stimme und dich ergreifen. Verbirg dein Angesicht nicht vor mir, ich will sterben, damit ich (ewig) lebe und dich schaue von Angesicht zu Angesicht. Eng ist das Haus meiner Seele, erweitere es, daß es werde deine Wohnung. Hinfällig ist es, darum erneuere es. Flecken sind darin enthalten, welche dein Auge beleidigen, gern bekenne ich es, aber wer wird es reinigen? Oder wem anders als dir kann ich zurufen: Mache mich rein von verborgenen Fehlern und bewahre deinen Knecht vor fremder Missetat“ (Ebd. Erstes Buch – Fünftes Kapitel).

Das Suchen nach Gott - Die Bekenntnisse des hl. Augustinus

Es offenbart sich in den Bekenntnissen des hl. Augustinus eine von der göttlichen Liebe verwundete und darum ununterbrochen suchende Seele. Anton Maxsein gibt in seinem schon erwähnten Buch einen gerafften Überblick über dieses vielfältige Suchen:

„Die Confessiones (Bekenntnisse) Augustins als die Geschichte des bekennenden Menschen beginnen mit der Größe Gottes, für den es kein Maß gibt. … Die Anfangskapitel der Bekenntnisse beginnen mit Fragen: Wie werde ich Gott anrufen? Fassen dich Himmel und Erde? Was ist mein Gott? Wer wird mir geben, in dir zu ruhen?
Wie im ersten Kapitel die grundlegende Aussage über das Herz als ein cor inquietum (unruhiges Herz) gemacht wird, so erscheint auch im fünften Kapitel das Cor (Herz) in Verbindung mit der Eingangsfrage: Quis mihi dabit adquiescere in te — Wer wird mir geben, in dir zu ruhen? Quis dabit mihi, ut venias in cor meum — Wer wird mir geben, daß du in mein Herz kommst?
Ist die Unruhe zunächst als Grundkategorie menschlicher Existenz noch ohne Beziehung auf die persönliche Fragestellung, so prägt sich nun in der Frage, wer die Ruhe in Gott verleihen wird, das ganz persönliche Wesen des Menschen aus: Quid mihi es — was bist du mir? Quid tibi sum — was bin ich dir? Das Fragen zwischen Gott und Mensch erscheint als Verdichtung der allgemeinen Grundkategorie der Unruhe, die sich im persönlichen Verhältnis Mensch — Gott darbietet.
Es ist ein unendliches Verhältnis, weil der Mensch als endliches Sein dem unendlichen Sein Gottes zugeordnet ist: Ich wäre nicht, wenn du nicht in mir wärest, oder besser, wenn ich nicht in dir wäre.
Es ist ein Verhältnis der letzten Hingabe und Abhängigkeit seitens des Menschen bis zum Tode: Verbirg dein Angesicht nicht vor mir; ich will sterben, damit ich nicht sterbe, sondern dein Antlitz sehe!
Es ist ein Verhältnis der unendlichen Weite gegenüber der endlichen Enge: Das Haus meiner Seele ist eng ... es möge von dir geweitet werden.
Es ist ein Verhältnis der absoluten Vollkommenheit gegenüber der Zerstörung menschlichen Lebens: Mein Haus der Seele ist zerstört, stelle es wieder her.
Es ist ein Verhältnis der Anerkennung: Du befiehlst mir, dich zu loben und dich zu bekennen.
Es ist eine unendliche Lebensbeziehung: Gott ist höchstes Sein und höchstes Leben. Kein Künstler kann sich selbst erschaffen, und keiner kann selbst in sich die Ader leiten, wodurch Sein und Leben in ihn fließt.
Es ist ein Verhältnis ewigen Suchens, das Freude macht; der Mensch möge lieber im Nicht-Finden finden als im Finden Gott nicht zu finden.
Es ist das Verhältnis der absoluten Form und jeglichen Maßes gegenüber dem Sein, das Maß und Form empfängt: Du Einziger, von dem jegliches Maß ist, du Wohlgestalter, der du alles gestaltest und durch dein Gesetz alles ordnest.“
(Ebd. S. 47f)

Die Herz-Jesu-Litanei und…

Beim Lesen dieser Zeilen ahnt man allmählich „die Breite und Länge, die Höhe und die Tiefe“ des Menschenherzens und begreift die riesenhafte Aufgabe der eigenen Herzensbildung, damit wir „mit der ganzen Fülle Gottes erfüllt werden“ (vgl. Eph. 3,18) können. Unser Herz ist zutiefst und wesentlich hingespannt auf Gott. Beim Beten der Herz-Jesu-Litanei flehen wir so eindringlich: „Jesus, sanftmütig und demütig von Herzen – bilde unser Herz nach deinem Herzen.“ Muß man sich dabei nicht fragen: Wissen wir eigentlich, um was wir hier bitten? Nehmen wir ernst, was wir von unserem göttlichen Erlöser erflehen – „bilde unser Herz nach deinem Herzen“?

Sein Herz soll also das Vorbild unserer eigenen Herzensbildung sei, Sein Herz, das ein „Abgrund aller Tugenden“ ist, „das alle Schätze der Weisheit und Erkenntnis in sich birgt“, „geduldig und von großer Erbarmung“ ist und „gehorsam geworden“ ist „bis zum Tode“, usw. Ein solch himmelhohes Ideal übersteigt Menschenherzenkraft unendlich! Eines ist ganz sicher, ohne die Hilfe der Gnade ist es vollkommen aussichtslos, das eigene Herz dem Herzen Jesu nachbilden zu wollen. Damit aber die Gnade wirksam werden kann, muß das Vertrauen auf die Hilfe des göttlichen Herzens Jesu gefestigt werden und beständig wachsen. Was sollte uns dazu mehr anregen können als die Betrachtung des Herzens Jesu, diesem Feuerherd der göttlichen Liebe?

…die Herz-Jesu-Verehrung

Schon seit der Väterzeit war die Verehrung der heiligen Seitenwunde unseres göttlichen Erlösers immer schon Herz-Jesu-Verehrung gewesen. In seinem Büchlein „Die heilsamen Wunden“, schreibt P. Otto Hophan, Cap. Darüber: „Und nun wollen wir heimkommen zur königlichsten aller Wunden des Herrn, zur Wunde Seiner rechten Seite, dadurch die Lanze des Soldaten ging bis hinüber, bis hinein ins heiligste Herz. Es ist die Wunde, die von allen fünf Wunden die erste Verehrung fand, auch die begeistertste und weiteste. Noch viele Jahrhunderte später rankte sich am Stamm des Kreuzes als neues, treues Efeu die besondere Andacht zum Herzen Jesu empor. Auch das Evangelium berichtet in besonderer, ausdrücklicher Weise nur von der Wunde des Herzens. ‚Die Juden baten Pilatus, er möge den Gekreuzigten die Gebeine zerschlagen und sie vom Kreuze abnehmen lassen, damit sie nicht den Sabbat über am Kreuze blieben. Jener Sabbat war nämlich ein hoher Feiertag. So kamen denn die Soldaten und zerschlugen dem einen wie dem andern der Mitgekreuzigten die Gebeine, Als sie aber zu Jesus kamen, sahen sie, daß Er schon tot war. Darum zerschlugen sie Ihm die Gebeine nicht, sondern einer der Soldaten durchbohrte Seine Seite mit einer Lanze, und sogleich floß Blut und Wasser heraus‘“ (Otto Hophan, Cap. Die heilsamen Wunden, Verlegt bei der Drittordenszentrale Schweiz, S. 61).

Diese Stelle aus dem Johannesevangelium ist die biblische Grundlage aller Herz-Jesu-Verehrung und darum auch Teil des Festtagsevangeliums des Herz-Jesu-Festes. Die göttliche Vorsehung hat es so gefügt, daß dem göttlichen Erlöser am Kreuz nicht die Gebeine zerbrochen wurden, sondern Sein Herz mit einer Lanze durchbohrt und dadurch geöffnet wurde. Seitdem steht das Erlöserherz jedem Menschen offen. P. Hophan kommentiert: „Es ist der Evangelist Johannes, der vom Karfreitagabend diesen wehmütig-schmerzlichen Vorgang meldet, derselbe Johannes, der beim Abendmahl an diesem Herzen hatte ruhen dürfen und schon von dorther wußte, wie offen und durchstoßen das heilige Herz Jesu war. Johannes macht in seinem Bericht nachdrücklich darauf aufmerksam, daß jener Lanzenstich ins Herz des Herrn nicht von ungefähr, aus Zufall oder Einfall geschehen sei. Die Vorsehung hatte die Hand jenes Soldaten geführt. Mit seiner Lanze sollte er wie mit mächtigem Finger alle Geschlechter auf das geöffnete Herz des Herrn hinweisen als auf das Denkmal höchster und ewiger Liebe: ‚Das ist geschehen, damit die Schrift in Erfüllung geht: Kein Bein soll Ihm zerbrochen werden, und auch die andere Schriftstelle: Sie werden aufblicken zu Dem, Den sie durchbohrt haben‘“ (Ebd. S. 61f).

Das durchbohrte Herz Jesu, das Heiligtum der göttlichen Liebe

Das durchbohrte Herz markiert den Mittelpunkt der ganzen Erlösungswelt. In Seiner alles Begreifen übersteigenden Erlöserliebe ist es zum König und Mittelpunkt aller Menschenherzen geworden. In diesem Herzen hat die Liebe vollkommen über die Sünde gesiegt und dieses Herz steht jedem Menschen offen, denn was offenbart uns ein tieferer Blick auf dieses durchbohrte Herz vor allem? P. Hophan gibt die Antwort: „Der heilige Bonaventura, der tief und innig wie kaum ein anderer über das Leiden Christi schrieb, bemerkt vom durchstochenen Herzen des Herrn, daß die sichtbare die unsichtbare Wunde dieses Herzens zeige. Dieses Herz war verwundet von Liebe. In keinem Menschen ist größere Liebe gewesen; es staute sich in diesem Herz, um dieses Herz wie um eine Insel die Liebe Gottes selber, das unendliche Meer. … ‚Feuer bin Ich gekommen auf die Erde zu werfen, was will ich anders, als daß es brenne? Mit einer Taufe habe Ich getauft zu werden, wie drängt es Mich, bis sie vollzogen ist.‘ ‚Und mit Sehnsucht habe Ich verlangt, dieses Ostermahl mit euch zu essen, bevor Ich leide.‘ Er litt, weil Er liebte. Wer nicht leidet, liebt nicht. Und je mehr einer liebt, desto mehr leidet er. Aus dem erschreckenden Leiden Jesu leuchtet wie aus blutroten Nebeln Seine erschreckend große Liebe durch. Hier, in diesem durchstochenen Herzen, haben alle andern Wunden ihre Heimat. Nur deswegen hatte der Herr durchbohrte Hände, durchbohrte Füße, weil Er ein von Liebe durchbohrtes Herz hatte. Diese heiße Liebe ließ endlich Sein Herz auch sichtbar öffnen, im Sommer tun sich die Rosen auf. Der Herr sagte von Seiner Liebe: ‚Eine größere Liebe hat niemand.‘ Ja, niemand, Herr! Niemand als Du allein hat das Herz von soviel Liebe und Leid durchstochen“ (Ebd. S. 62f).

Das durchbohrte Herz Jesu offenbart uns das Geheimnis des gottmenschlichen Herzens, wie nämlich die Erlöserliebe dieses Herzens aus Mit-leid mit den Sündern leid-voll geworden ist. Alles Leiden der Sünder hat es sich zur Sühne für deren Sünden zu eigen gemacht. Liebe und Leid sind Zwillinge geworden. Deswegen ist ein Wesensgesetz der Gnadenwelt: Wer in dieser Welt, die von der Sünde gezeichnet ist, liebt, der wird Leiden müssen. Die wahre Liebe kann letztlich in dieser Welt nur im Leiden wachsen. Das gilt sowohl für die Gottes- als auch für die Nächstenliebe. Und gerade bei der Liebe zum Nächsten wird jedem ständig erfahrbar, wie verletzlich die Liebe hienieden immer bleibt. So gibt P. Hophan zu bedenken: „Selbst in der höchsten Form der Menschenliebe, der ehelichen, bleibt etwas im innersten Raum des eigenen und des andern Herzens unbeantwortet, unerfüllt. Dieser unverschmolzene beidseitige Rest schafft dem Herzen eine feine Wunde, die um so tiefer geht, je tiefer die Liebe ist.“ – und er fährt fort:

„Daß es bei dieser feinen Wunde bliebe! Doch wie oft klafft sie durch Gleichgültigkeit, Selbstsüchtigkeit, Rücksichtslosigkeit immer breiter, immer weiter. Man versteht sich nicht, wird sich fremd, reibt sich wund. Vielleicht sind es nur Nadelstiche. Doch auch Nadelstiche tun weh, wenn sie das Herz treffen. Es gibt in der Liebe aber auch Lanzenstiche, furchtbar und tödlich: betrogene Unschuld, verratene Freundschaft, gebrochene Ehe, geschiedene Herzen. An dieser Wunde des Herzens sind unzählige Menschen verblutet. Sicher sind auch die andern Wunden des Menschensohnes schwer, die durchbohrten Hände, die durchstochenen Füße. Aber selbst die unheimliche Wunde des linken Fußes ist weniger qualvoll als die Wunde des Herzens. Jene wird uns von solchen geschlagen, die uns hassen, diese von jenen, die wir lieben und die auch uns einmal liebten.
Und selbst wenn die Liebe ihre Erfüllung vollkommen wie möglich findet, ja gerade dann bleibt sie dem Herzen eine Wunde. Jede echte Liebe sorgt sich. Unser Herr, obwohl Er am Kreuze nur wenige Worte sprach, sorgte Sich noch sterbend für Seine Mutter wie für den Jünger, den Er lieb hatte: ‚Frau, sieh da deinen Sohn! Sohn, sieh da deine Mutter!‘ Wer einmal eine große Liebe in sein Herz eingelassen hat, dem wird diese Wunde durch sein ganzes Leben bleiben, bis zum Tod.“
(Ebd. S. 64f)

Die göttliche Erlöserliebe geht bis zum Tod, zum Letztmöglichen dessen, was Liebe auf sich nehmen kann. Hier stehen wir vor dem tiefsten Geheimnis des Herzens Jesu, Er ist gehorsam geworden bis zum Tod, ja bis zum Tod am Kreuz. Wie schmerzlich empfinden wir den Tod, wenn ein geliebter Mensch stirbt – selbst dann, wenn er gut gestorben ist und uns der gemeinsame Glaube an das ewige Leben tröstet. Die Liebe sucht das stille, vertraute Zusammensein, der Tod ist die gewaltsame Trennung. Es ist ganz und gar richtig, was P. Hophan zu bedenken gibt: „Unfaßbar, untragbar ist der Liebe der Tod! Er ist die abgründigste aller Wunden des Menschensohnes, mitten ins Herz hinein, und welche Ströme von Blut und Wasser sind aus dieser Wunde schon geflossen! Unser aller wartet dieses größte, letzte Leid. Doch stirbt ein Mensch nicht nur einmal, sondern soviel mal, als ein tief geliebter Mensch ihm wegstirbt. ‚Wo du stirbst, sterbe auch ich!‘ Wie übervoll des Leides ist die Liebe! Warum muß das sein, daß das süßeste zugleich das bitterste, das wonnereichste zugleich das schmerzenreichste Geheimnis des Menschen ist?“ (Ebd. S. 65f).

Schuld und Sühne

Wir können dieses Geheimnis nur verstehen, wenn wir das Geheimnis der erbsündlichen Verwundung des Menschengeschlechtes verstehen. Unsere Menschengeschichte ist eine Geschichte von Schuld und Sühne geworden. Ohne die Bereitschaft zur Sühne gibt es keine Verzeihung der Sünden. Wobei immer zu bedenken bleibt: Die Sühne für unsere Sünden hat unser Herr am Kreuz für uns geleistet. Darum fließt das wiedergeschenkte Gnadenleben aus dem durchbohrten Herzen Jesu zu uns, woran auch P. Hophan erinnert:

„Die Schrifterklärer haben jenes Blut und Wasser, das aus dem durchstochenen Herzen Jesu floß, von altersher sinnvoll auf die beiden grundlegenden Sakramente der Kirche, Taufe und Eucharistie gedeutet. Am Kreuze, aus der Seite des im Tode entschlummerten Herrn, wurde, ähnlich wie aus der Seite des schlafenden Adam, die neue Eva, die Kirche, gebildet. Wie tief ist der Gedanke, daß aus dem durchstochenen Herzen Jesu uns das neue Leben kommt!
Das ist nun der letzte Sinn der Lanzenstiche, die auch unser Herz durchbohren, daß daraus ‚Blut und Wasser‘ zum Heile fließen. Auch unser Herz wird deswegen durchstochen, damit es offen werde — offen für andere, offen für Gott. Wie die Liebe des Herrn, soll darum auch unsere Liebe Erkühlung, Entfremdung, Enttäuschung überdauern! Wie hat der Herr geliebt! Nichts blieb dieser Liebe erspart und ziemlich alles blieb ihr versagt, was ihr zum Tröste hätte werden können. Dennoch liebte Er uns bis zur Durchbohrung Seines Herzens. Beim entzweigeschnittenen Herzen unseres Herrn beginnen wir wohl zu ahnen, was wahre Liebe ist. Vom Soldaten, der mit der Lanze die Seite des Herrn geöffnet hatte, will die Legende wissen, daß er als Heiliger gestorben sei. Das Blut und Wasser, das auch aus unserem durchbohrten Herzen fließt, muß, darf an der Rettung jener Menschen mithelfen, die uns diese Wunde schlugen. Welch unvorstellbarer Segen ist aus durchbohrten Herzen sorgender Mütter, duldender Frauen, opferfreudiger Priester und aller edel Liebenden über jene gekommen, denen diese Wunde galt! Ja, vielleicht kommt alles wahre Heil überhaupt nur aus durchbohrten Herzen“
(Ebd. S. 66f).

Die hl. Magdalena Sophie Barat

Die hl. Magdalena Sophia Barat, die Gründerin der „Gesellschaft der Ordensfrauen vom Heiligen Herzen Jesu“ schreibt nach der Bestätigung der Konstitutionen durch Papst Leo XII. an M. Philippine Duchesne: „Grüßen Sie mir Ihre ganze Ordensgemeinde! Sagen Sie ihr, daß ich sie beschwöre, den Namen des Herzens Jesu nicht umsonst zu tragen. Soeben hat das Oberhaupt der Kirche ihn uns angesichts des Himmels und der Erde verliehen. Welche Pflichten legt er uns auf? Jene, die Jesus aus Liebe zu uns einging: ein Leben voller Leiden, ein ständiges Opferleben für das Heil der Seelen ... O, wie vollkommen sollten wir werden, um diesem himmlischen Beruf zu entsprechen! … Bleiben wir uns stets bewußt, daß eine Braut des heiligsten Herzens nur zu Füßen des Kreuzes herangebildet wird!“ (Gottes Gegenwart, Die Mystik der Heiligen Magdalena Sophie Barat, Gotthard Media, Goldau, Schweiz, 2000, S. 18).

Der Orden der Heiligen hat sich vor allem um die Erziehung der Mädchen bemüht. Wahre christliche Erziehung ist aber immer mit vielen Opfern und Kreuzen verbunden. Am 3. Februar 1806 schrieb sie an Philippine: „Es wäre unvollkommen, sich den Mühen und Bitterkeiten zu entziehen; im Gegenteil sollen wir eben davon leben. Wie sollten wir nicht Jesu Leiden teilen? ... Weh tut es einem, zu beobachten, wie die Vergnügungssucht so manches fromm und tugendhaft erzogene junge Mädchen mit sich fortreißt! ... Welche Verheerungen hat seit einem einzigen Jahre der Weltgeist hier angerichtet! Ach, man kann diesen Kindern kaum mehr von der Liebe Gottes reden, dafür sind sie verständnislos geworden. Den Gedanken an Gottes Gerechtigkeit und an die ewigen Strafen muß man ihnen einprägen, damit sie wenigstens in schweren Versuchungen sich daran erinnern. Das bleibt fast unser einziges Mittel, sie zu retten. Ja freilich, es wäre trostreicher, den armen Heiden das Evangelium zu verkünden, wo die Saat in ganz neues Erdreich fällt und nicht in Herzen, die so viel Gnaden verscherzen!“ (Ebd. S. 53).

Die Julirevolution im Jahr 1830 war ein Aufstand der Gottlosigkeit. Schon im Juni 1829 wurde in Paris die erzbischöfliche Residenz geplündert und die Kirche von St. Germain l’Auxerrois verwüstet. Zudem gab es überall im Land öffentliche Gotteslästerungen und Sakrilegien, insbesondere wurden Kruzifixe verhöhnt, beschimpft, verstümmelt. Schon im März 1829 schrieb die hl. Magdalena Sophia Barat: „O ja, meine liebe Emilie, wir müßten Bände füllen, wollten wir beschreiben, was wir im Herzen leiden. Es bedürfte eines neuen Jeremias; wenigstens können wir seine Klagelieder auf uns anwenden. Wir sollten diese bösen Tage ausnützen, um uns von allem loszulösen, frei von irdischer Neigung mit dem höchsten Gute zu vereinigen. Aber ach, so viele uns gewordenen Leiden, so viel Opfer und Enttäuschungen haben uns bisher nur heilsame Überzeugungen gebracht... Wo bleibt die Tat? ... Beeilen wir uns, die Zeit drängt, der Bräutigam steht an der Tür und klopft, o wie laut bisweilen! ... Wir müßten stumpf oder betäubt sein, wollten wir ihm nicht eiligst öffnen. Seien wir wenigstens jetzt nicht so töricht; sind wir es doch lang genug gewesen! Wie schmerzlich leiden wir nun unter all den Lästerungen und den Abscheulichkeiten, die in der Welt vor sich gehen! Wie können unsere Kinder - arm und reich - einst diesem Strom widerstehen? ... O, mein Kind, verdoppeln Sie ihren Eifer für alle. Man flöße ihnen besonders den Abscheu vor der Sünde und die Furcht Gottes ein. Unser eigener Glaube ist nicht lebendig genug, sonst hätten unsere Worte die Kraft eines zweischneidigen Schwertes, und wie sehr tut ein solches Schwert heute not! Die Herzen erlahmen und verhärten. Wenn wir nur so viel Tugend besitzen, als früher nötig war, um gut christliche Seelen zu beeinflussen, die in günstiger Umwelt lebten, so werden wir nichts erreichen. Außergewöhnliche Zeiten erheischen außergewöhnliche Tugend“ (Ebd. S. 53f).

Wie bedenkenswert ist letzteres heute: „Außergewöhnliche Zeiten erheischen außergewöhnliche Tugend.“ Und was könnte uns mehr dazu ermuntern, uns diese außerordentlichen Tugenden anzueignen, als die Verehrung des heiligsten Herzen Jesu? Die hl. Magdalena Sophie Barat schreibt: „Das Herz Jesu sei wie ein offenes Buch, aus dem sie jede einzelne Tugend erlernen. Aus der Wertschätzung, die das Herz des Heilands für diese Tugenden gehegt, aus der Art und Weise, wie er sie geübt hat, sollen sie ihre Wertschätzung und Ausübung lernen, damit bei eintretender Gelegenheit ein einziger Blick auf das heiligste Herz Jesu ihnen genüge, um sich mit seinen inneren Gesinnungen zu vereinigen und sich ihnen anzugleichen.“

Herz-Jesu-Monat

Einen Monat lang, sollen wir dem Willen unserer hl. Kirche gemäß unsere Herz-Jesu-Verehrung erneuern und vertiefen. Dadurch soll die Liebe zum göttlichen Herzen Jesu neu erglühen und uns helfen, all jene Tugenden treu zu üben, die notwendig sind, unseren Alltag vereint mit dem Herzen Jesu zu bewältigen.