Martyrium im vollen Sinne

1. Im vorigen Sommer war in Frankreich ein Priester grausam von Islamisten getötet worden. Der „Distriktobere“ der französischen Sektion der „Piusbruderschaft“ hatte daraufhin umwendend eine Stellungnahme verfaßt, welche auch im deutschen „Mitteilungsblatt“ derselben Bruderschaft veröffentlicht wurde: „In Saint-Etienne-du-Rouvray hat der Islam den ersten Martyrer Frankreichs im 21. Jahrhundert hervorgebracht. Ein Mensch wurde umgebracht, ihm wurde der Hals durchgeschnitten. Nicht aus politischen Gründen, sondern tatsächlich aus Hass auf den Glauben. Es geschah in einer Kirche, es passierte während einer Messe. Es handelte sich um einen Priester und die Mörder zitierten bei ihrem Tun das islamische Glaubensbekenntnis. Das Martyrium im kanonischen Sinne ist damit vollständig charakterisiert.“

Wir hatten uns damals erlaubt, in einem Artikel (Martyrium im kanonischen Sinne) vor einer vorweggenommenen Heiligsprechung zu warnen und die Frage, ob es sich tatsächlich um ein „Martyrium im kanonischen Sinne“ gehandelt habe, einem künftigen Papst zu überlassen (einem Papst, nicht einem Bergoglio!). Wir mußten uns daraufhin von „Pius“-Anhängern einige Kritik gefallen lassen, wir hätten uns erdreistet, „die Ehre des unter diesen Umständen Ermordeten anzukratzen“, ja wir hätten gar den „ermordeten französischen Priester den Geiern zum Fraß hingeworfen“ und dergleichen mehr. Wir können daher nicht verhehlen, daß es uns mit einiger Genugtuung erfüllt, wenn die „Piusbruderschaft“ nun offensichtlich selber ihr vorschnelles Urteil revidiert und öffentlich korrigiert hat.

2. Auf der „gebrandeten“ „Pius“-Seite „fsspx.news“ fand sich mit Datum vom 9. Juni diesen Jahres eine Meldung, daß der Seligsprechungsprozeß für den besagten ermordeten französischen Priester begonnen hat. Nach dem Bericht über diesen Prozeß wird die Stellungnahme des französischen „Distriktoberen“ wiederholt, welche wir oben zitiert haben, allerdings unter Weglassung des letzten Satzes, welcher lautete: „Das Martyrium im kanonischen Sinne ist damit vollständig charakterisiert.“ Stattdessen fährt der Text fort: „Das Martyrium im vollen Sinne setzt das Bekenntnis des integralen göttlichen und katholischen Glaubens voraus, des bis zum Blut bekannten übernatürlichen Glaubens.“ Darum verehre die Kirche in den Märtyrern das Wirken der übernatürlichen Kraft, welche es ihnen möglich machte, angesichts des Todes den Glauben zu bekennen. Für diese wunderbare heroische Kraft, welche die wahre Religion beweise, hätten sie sich die Palme der Märtyrer verdient.

„Im Fall des Pater Hamel“, heißt es weiter, „ist es sehr wohl der Haß auf den christlichen Namen und das, was das katholische Priestertum darstellt, was die Mörder zu ihrer Tat trieb“, doch sei dieser Priester wie viele andere, „von den Prinzipien des modernen Ökumenismus durchdrungen“ gewesen. Er sei nicht vom interreligiösen Geist unberührt geblieben, welcher bereit sei, in jedem Glauben, in jeder beliebigen Religion ein authentisches Bekenntnis der göttlichen Wahrheit zu erblicken. „Das ist es übrigens, was seine Pfarrkinder so erschütterte, da er doch so offen gegenüber dem Islam gewesen war.“ Dieser Punkt sei nun „kapital“ und müsse ernsthaft geprüft werden. Wenngleich der materielle Akt des Martyriums unzweifelhaft sei, so müsse sein formeller Aspekt festgestellt werden. Dazu verweist uns der Artikel auf eine Studie des vorzüglichen „Pius“-Theologen Abbé Jean-Michel Gleize, „Professor für Ekklesiologie am Seminar von Ecône“, über die Frage der „Ökumene des Blutes“, jene „irrige These, welche behauptet, daß alle christlichen Märtyrer, gleich ob sie katholisch, protestantisch, anglikanisch, orthodox, in Schisma oder Häresie sind, zur Kirche Gottes gehören“. Ist es also jetzt die „Piusbruderschaft“ selber, welche die „Ehre des unter diesen Umständen Ermordeten“ ankratzt und ihn „den Geiern zum Fraß“ hinwirft, weil sie ein „Martyrium im kanonischen Sinne“ oder doch „im vollen Sinne“ in Frage stellt?

3. Die Studie des „Ekklesiologen“ erschien bereits in der Ausgabe Juli-August 2016, Nr. 590, des „Courrier de Rome“. „Kann man außerhalb der Kirche wahre Märtyrer finden?“ ist sie überschrieben. Sie beginnt mit einer Aussage von „Papst Franziskus“ über die „Ökumene des Blutes“: Wie in den ersten Zeiten des Christentums das Martyrium der Same für dessen Ausbreitung gewesen sei, so sei heute das Blut der zahlreichen Märtyrer aus den verschiedenen „Kirchen“ der Same für die „Einheit der Christen“. „Die Märtyrer und Heiligen aller kirchlichen Traditionen sind bereits eins in Christus; ihre Namen sind ins Martyrologium der Kirche Gottes eingetragen. Der Ökumenismus der Märtyrer ist eine Einladung, die sich heute an uns richtet, gemeinsam den Weg zur immer volleren Gemeinschaft zu gehen.“

Dem stellt der „Ekklesiologe“ einen Text des heiligen Augustinus gegenüber: „Ein Mensch kann sich nicht retten außer in der katholischen Kirche. Außerhalb der katholischen Kirche kann er alles haben, außer dem Heil. Er kann die Ehre haben (Bischof sein), er kann die Sakramente empfangen, er kann das Alleluja singen, er kann Amen antworten, er kann das Evangelium halten, er kann den Glauben im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes predigen, aber er kann nie das Heil finden, wenn er nicht in der katholischen Kirche ist. …. Er kann sogar sein Blut geben, aber nicht die Krone empfangen.“ Man könne nun einwenden, sagt der „Professor“, daß der heilige Augustinus von formellen Häretikern und Schismatikern spreche, welche bewußt ihrer falschen Religion anhängen und die wahre Kirche ausdrücklich zurückweisen. Anders verhalte es sich jedoch bei jenen, welche guten Willens seien und sich aufgrund einer unüberwindlichen Unwissenheit außerhalb der Kirche befänden, ohne daran schuldig zu sein. Kann man also doch außerhalb der katholischen Kirche wahre Märtyrer finden, in irgendeiner falschen Religion, im Schisma oder der Häresie?

Zur Antwort bezieht sich der Monsieur Abbé auf den Traktat Papst Benedikts XIV. „De servorum Dei beatificatione et de beatorum canonisatione“, Buch III, Kap. 20. Demnach definiere sich das Martyrium nicht nur nach seinem materiellen Element, nämlich daß eine Person aus Haß gegen den katholischen Glauben zu Tode komme. Vielmehr sei es in erster Linie und vor allem das formelle Element, welches den Märtyrer ausmache, nämlich daß er Beispiel und sichtbarer Zeuge sei für die heroische Tugend des Starkmuts. „Ein katholischer Priester kann sehr wohl von Muslimen aus Haß auf Christus und den katholischen Glauben getötet werden, das ist ein materielles Faktum. Aber ist er damit ein Märtyrer? Noch nicht. Das materielle Element ist notwendig, aber nicht ausreichend. Es fehlt noch das formelle Element. Wenn man feststellt, daß dieser Priester ernsthaft an seinem katholischen Glauben festhielt und lieber den Tod erlitt als vom Glauben abzufallen oder im Bekenntnis der wahren Religion schwach zu werden, dann hat dieser Priester einen absolut heroischen Akt gesetzt, übernatürlich und göttlich.“

Wie bei jedem Wunder bestehe das Martyrium nicht formell in der sichtbaren Wirkung. Zwei Tatsachen könnten materiell identisch sein, als Wirkung, und doch verschiedene Ursache haben. So liege der formelle Unterschied zwischen einem wahren Martyrium und einem scheinbaren, wenngleich beide materiell darin bestünden, daß ein Gläubiger aufgrund seines Glaubens getötet wird, nicht allein darin, daß im einen Fall der wahre Glaube bekannt werde, im anderen nicht. Es wäre auch denkbar, daß zwei Katholiken wegen ihres Glaubens getötet würden, der eine als wahrer Märtyrer, der andere nicht. Vielmehr bestehe der wahre Unterschied darin, daß das Martyrium ein „moralisches Wunder“ sei und dieses Wunder beweise, daß der Glaube des Märtyrers wahr und von Gott gewollt sei. Formell bestehe das Martyrium in einem heroischen Akt der Tugend des Starkmuts,welcher die Heiligkeit und damit die Göttlichkeit der Kirche beweise. Kurzum, ob sich das Martyrium durch natürliche Motive erklären lasse oder nicht, das mache den Unterschied.

4. Die Theologen, und namentlich die „Pius-Theologen“, machen die Dinge immer gerne etwas kompliziert. Wir dürfen daher noch einmal kurz darlegen, was der Katechismus dazu sagt, damit wir alle verstehen, was ein Märtyrer wirklich ist. „Wer seines Glaubens wegen große Verfolgungen zu ertragen hat, heißt Bekenner“, heißt es da. „Wer des Glaubens wegen getötet wird, heißt Märtyrer oder Blutzeuge, weil er mit seinem Blute, d.h. durch Hingabe seines Lebens, seinen Glauben bezeugt hat“ (Spirago, Volkskatechismus, S. 44). Zwei Bedingungen sind dazu notwendig: Er muß bereitwillig den Tod auf sich nehmen, also nicht widerwillig oder gezwungenermaßen, darf dabei aber nicht „die Verfolgungen oder den Martyrertod absichtlich aufsuchen“; und er muß für den wahren Glauben sein Leben geben, denn wer „für eine Irrlehre stirbt, ist kein Martyrer“, weil ihm die Gottesliebe fehlt, „ohne welche selbst der Martyrertod keinen Wert hat (1 Kor 13,3)“ (S. 45). „Wohl aber ist der ein Martyrer, der des Glaubens wegen verwundet wird und an der Wunde stirbt; auch wer seines Glaubens wegen zu lebenslänglichen Kerker oder zur Verbannung verurteilt wird, oder wer einer christlichen Tugend wegen ums Leben kommt (wie z.B. Joh. der Täufer, Joh. von Nepomuk), weil die christliche Tugend ein gewisses Bekenntnis des Glaubens ist (hl. Thom. v. Aquin)“ (ebd.).

Daraus folgt: Wer zwar um des Namens Christi willen getötet wird, aber nicht im wahren Glauben und der wahren Kirche ist, oder wer zwar im wahren Glauben und der wahren Kirche ist, den Tod aber nicht um des Glaubens willen frei und duldend annimmt, erleidet kein wahres Martyrium. Er ist, wenn wir so sagen wollen, „materiell“ Märtyrer, aber nicht „formell“. Das Martyrium ist ein heroischer Akt übernatürlicher Tugend, der Starkmut, zugleich aber auch der theologischen Tugenden, des Glaubens, der Hoffnung und vor allem der Liebe, die diesen Akt letztlich formt (wie bei allen echten Tugendakten). Ein Wunder im eigentlichen Sinne ist der Tod des Märtyrers nicht, auch wenn er bisweilen von Wundern begleitet wird.

„In der Tat fließt der Heroismus der Tugend [beim Martyrium] aus der Liebe als ihrem notwendigen Prinzip, und dies kann nicht geschehen außer in der einzigen wahren Kirche“, weiß auch unser „Ekklesiologe“. Außerhalb derselben könne er höchstens „per Akzidenz“ vorkomme, „d.h. nicht durch das Mittel der falschen Religion, sondern aufgrund von aktuellen Gnaden, welche der Heilige Geist zuteilt, wie er will, und welche stets die Seelen erlangen können, auch außerhalb der Kirche, aber trotz des Hindernisses, welches die falsche Religion darstellt“. Wir dürfen ergänzen, daß die aktuelle Gnade allein nicht genügt, denn die übernatürlichen Tugenden setzen die heiligmachende Gnade voraus und sind stets mit ihr verbunden. „Daher ist das Martyrium per se an die wahre Religion und die wahre Kirche gebunden“, schließt der „Professor“. Außerhalb der Kirche könne man das materielle Element des Martyriums ganz oder teilweise beobachten, es gebe Personen, welche aus Haß auf ihren Glauben getötet würden, doch das genüge nicht, um einen wirklichen Märtyrer auszumachen. Das formelle Element des Martyriums könne nicht aus einer falschen Religion stammen, diese bilde vielmehr ein Hindernis.

5. Der strittige Punkt in den Worten des „Franziskus“ sei nun dieser: „Ist es möglich, daß ein Häretiker oder Schismatiker, ja ein Modernist im wahren Glauben stirbt? Und wenn ja, handelt es sich um ein Martyrium?“ Dazu mache Benedikt XIV. mehrere Unterscheidungen. Der erste Fall sei der eines Häretikers, welcher im voller Kenntnis der Sachlage an seiner Häresie festhält und den Katholizismus zurückweist. „Wird er aus Haß gegen Christus getötet, so ist das eine einfache materielle Tatsache, aber formell kann es sich bei einem formellen Häretiker nicht um einen heroischen Akt der Tugend des Starkmuts handeln, sondern mehr oder weniger um einen natürlichen Akt des Beharrens oder des sich Abfindens.“ Denn dieser Häretiker sterbe nicht für Christus, er sterbe für seine Häresie, welche dem Willen Christi entgegen sei. „Sogar wenn er für eine Wahrheit stirbt, stirbt er nicht für die Wahrheit, wie sie der katholische Glaube vorlegt, da er von diesem getrennt ist“, zitiert der Abbé den Papst Benedikt XIV. „Hus aus Prag, der sich 1415 in Konstanz lieber verbrennen ließ, als daß er auf seine eigene Meinung verzichtet und der Irrlehre entsagt hätte, war also kein Martyrer. (Er starb aus Eigensinn und nicht wegen Gott)“, bemerkt Spirago (a.a.O.).

Der zweite Fall sei der eines Häretikers, welcher aus schuldloser Unwissenheit und daher nur materiell seiner Häresie anhänge. Hier müsse man von einem guten Willen ausgehen, welcher bereit sei, alle von der Kirche vorgelegten Glaubensartikel anzunehmen, wenn die Person davon Kenntnis hätte. Es gebe daher kein inneres Hindernis gegen ein verdienstliches Martyrium. Dennoch könne auch in so einem Fall die Kirche nicht offiziell die Person zum Märtyrer erklären und als Beispiel für die Gläubigen hinstellen. Die Zugehörigkeit zu einer falschen Religion begünstige gewöhnlich die Annahme eines Zurückweisens oder doch wenigstens Verneinens des katholischen Glaubens. „Ist eine Seele in unüberwindlicher Unwissenheit, muß sich das beweisen.“ Dies sei eine innere Angelegenheit des Gewissens, über welche man schwerlich urteilen könne. Daher beschränke sich die Kirche auf das, was sich im äußeren Bereich ereigne. Nach den „geheiligten Ausdrücken der Theologie und des kanonischen Rechts“ könne man sagen, daß ein Häretiker oder Schismatiker Märtyrer in den Augen Gottes sein könne („coram Deo“), aber nicht in den Augen der Kirche („coram Ecclesia“).

Der dritte Fall sei der eines formellen Schismatikers, welcher in Kenntnis der Dinge seinem Schisma anhange. Da der Liebe beraubt, könne er kein wahrer Märtyrer sein. Er könne scheinbar für den christlichen Glauben den Tod erleiden, aber dies wäre rein materiell und fruchtlos. Der vierte Fall wäre der eines materiellen Schismatikers. Hier verhalte es sich wie beim materiellen Häretiker. Er könne durchaus die Liebe haben und als Märtyrer sterben, was jedoch allein Gott wissen könne, während die Kirche darüber nichts sage.

„Franziskus“ beschränke in seinen Aussagen das Martyrium auf seine rein materielle Seite, und zwar unter Bezug auf einen allgemeinen Glauben eines hypothetischen reinen Christentums, welches die lehrmäßigen Besonderheiten des katholischen Glaubens auf den Rang einer nicht notwendigen Meinung herabsetze. Das formale Element des Martyriums fehle in der Perspektive des „Papstes“ völlig. Es füge sich ja auch nicht zum Ökumenismus.

6. Was ist nun mit den Modernisten? Papst Benedikt XIV. sage nichts über sie, wohl aber der heilige Papst Pius X. Dieser erkläre uns, daß der Modernismus in keiner Weise katholisch ist. „Und wenn heute die Katholiken (wenn sie es denn bleiben wollen) Modernisten geworden sind, so deswegen, weil sie von den Irrtümern des Konzils verführt wurden“, welches sich als von Männern der Kirche durchgeführt darstellte. So könne man „per Analogie“ die Situation der sogenannte „konziliaren Katholiken“ mit jener derjenigen vergleichen, welche sich zwar im Irrtum befänden, aber guten Glaubens. „Es scheint uns nicht leicht, unter diesem Umständen etwas dazu zu sagen, ob ein vom Ökumenismus durchdrungener Priester, welcher während der Feier der neuen Liturgie von Muslimen aus Haß auf den christlichen Glauben ermordet wurde, wirklich einen Akt des Martyriums vollbracht hat, einen heroischen Akt der übernatürlichen Tugend des Starkmutes, als Zeugnis für den wahren Glauben. Und es scheint und nicht offensichtlich, daß es angemessen ist, diese Tötung öffentlich und offiziell zum Martyrium zu erklären.“

Das Zeugnis der Märtyrer sei gewöhnlich ein Glaubwürdigkeitsmotiv und ein Zeichen, welches die Seelen guten Willens einlade, zum wahren Glauben in der einen wahren Kirche zu konvertieren. Die Aussagen von „Papst Franziskus“ hätten nicht nur eine Leugnung des Dogmas „Außerhalb der Kirche kein Heil“ zur Folge, sondern nähmen auch dem Martyrium seinen ganzen apologetischen Wert. „Der Ökumenismus stellt die Verneinung des Kennzeichens der Heiligkeit der Kirche dar. Er leugnet nicht nur die wahre Heiligkeit, sondern auch ihre Beweiskraft und ihren missionarischen Wert. Er ist daher kein Ausdruck der Liebe Christi.“

Wir möchten noch einmal wiederholen: Es ist ein „Pius-Theologe“ und nicht wir, der hier „die Ehre des unter diesen Umständen Ermordeten anzukratzen“ gewagt und ihn „den Geiern zum Fraß hingeworfen“ hat. Mit seinen Beobachtungen zur „Ökumene des Blutes“ hat er übrigens nicht unrecht. Er scheint jedoch nicht zu bemerken, daß nicht nur der Ökumenismus, sondern auch die seltsame Haltung der „Piusbruderschaft“ zu den Heiligsprechungen eine „Verneinung des Kennzeichens der Heiligkeit der Kirche“ beinhaltet und „nicht nur die wahre Heiligkeit, sondern auch ihre Beweiskraft und ihren missionarischen Wert“ leugnet. Bekanntlich stellen die „Pius“-Theologen, unter ihnen auch der Pater Gleize, die Unfehlbarkeit von Heiligsprechungen, oder doch von gewissen Heiligsprechungen (was auf dasselbe hinausläuft), in Frage (Drohende Unfehlbarkeit). Wir erinnern an das Diktum des Melchior Cano: „Es ist nicht möglich, daß der Oberste Pontifex die gesamte Kirche in Dingen, welche die Moral und den Glauben betreffen, in die Irre führt. Das jedoch würde geschehen, wenn er sich in den Heiligsprechungen täuschen könnte. Den Menschen einen Verdammten zur Verehrung vorzustellen, würde das nicht im letzten heißen, dem Teufel selbst einen Altar zu errichten?“ Wo wäre dann noch die Heiligkeit der Kirche, wo „ihre Beweiskraft und ihr missionarischer Wert“?

7. Da die „Piusbruderschaft“ nun wenigstens den unbesonnenen und voreiligen Kommentar eines ihrer „Distriktoberen“ revidiert hat, gibt uns das Hoffnung, daß sie vielleicht auch bei dem einen oder anderen ihrer sonstigen Provisorien nachbessern wird. Es läge nahe, bei der Frage der Heiligsprechungen anzufangen und dann über die Frage der Unfehlbarkeit sich der des päpstlichen Primates zu nähern. Bei entsprechender intellektueller Redlichkeit und Vorurteilslosigkeit sollte es ihr dann möglich sein, aus dem Gefängnis ihrer Ideologie herauszufinden.