Ein Zeichen des Widerspruchs

Die Große Botschaft von La Salette ist zweifelsohne eine Verstehenshilfe der Apokalypse des heiligen Apostels Johannes. Wir wollen daher in einer kleinen Serie von Artikeln versuchen, sie näher kennenzulernen. Im ersten Teil unserer Arbeit über die Erscheinung von La Salette haben wir besonders auf die Seherin geschaut, an der sich bewahrheitet hat, was unser göttlicher Lehrmeister feststellte: „Gedenkt des Wortes, das ich zu euch gesprochen habe: Der Knecht ist nicht mehr als sein Herr. Haben sie mich verfolgt, so werden sie auch euch verfolgen. Haben sie mein Wort gehalten, so werden sie auch das eure halten“ (Joh. 15,20). Melanie wurde ihr ganzes Leben lang verfolgt, verleumdet, mißverstanden und wegen ihres himmlischen Auftrages lächerlich gemacht. Dennoch hatte es Gott gefügt, daß sie die ersten Jahre nach der Erscheinung zunächst unter dem Schutz von Mgr. Philibert de Bruillard, Bischof von Grenoble, einer „der schönsten Gestalten der hohen französischen Geistlichkeit und eine(r) der edelsten Ausnahmen innerhalb des angepaßten und bürokratisierten Episkopats seiner Zeit“ in relativer Ruhe leben konnte, so daß sich der Glaube an La Salette im Volk genügend festigte, um die folgenden schweren Stürme zu überdauern. „Seine hocharistokratische Art wurde durch so viel leutselige Großzügigkeit gemildert, dass er bei den Armen sehr beliebt war. Sein theologisches Wissen machte ihn tatsächlich zum Lehrer seiner Priester. Seine Kenntnis der Seelen stützte sich auf eine lange und gewissenhafte Erfahrung“ (Gouin, Paul: „Melanie, die Hirtin von La Salette“, Stein am Rhein 1982, S. 90f).

Mgr. Philibert de Bruillard war es auch, der die Untersuchung der Ereignisse von La Salette anordnete und diese leitete.

„Als er über das Geschehnis von La Salette und die Lage der Kinder unterrichtet worden war, übernahm er die Sorge für deren Erziehung und setzte den Eltern Melanies sogar eine kleine Pension aus. Er wollte sich über die Erscheinung kein Urteil erlauben, ehe er nicht alle Vorsichtsmaßregeln einer unparteiischen Prüfung getroffen hatte. Bischof de Bruillard bestellte zunächst im Dezember 1846 zwei Kommissionen, deren eine aus Domherren und deren andere aus Professoren bestand, die beauftragt waren, unabhängig voneinander alle Unterlagen der Untersuchung zu prüfen und daraus, ohne sich abzusprechen, jede einen Bericht zu verfassen.
Die Prüfung der Verhöre der Kinder und der Umstände der Erscheinung dauerte sieben Monate. Dann trat eine einzige Kommission aus sechzehn Mitgliedern unter dem Vorsitz des Bischofs zusammen und tagte achtmal. Hier machte sich die Opposition zur Anerkennung des Wunders drohend bemerkbar. Der Hauptgegner war der Pfarrer von Saint Joseph aus Grenoble, Abbé Cartellier. Bischof de Bruillard, weit davon entfernt, ihm zu widersprechen, bat ihn um nähere Erläuterung seiner Einwände. Er schrieb ihm am 8. Januar 1848: ‚Ich erwarte von Ihnen schriftlich, und wenn möglich umgehend, Mitteilung über die Dinge, welche Sie über die Kinder erfahren haben und einen Schatten auf deren Aussagen werfen, die sie Ihnen verdächtig machen ...‘ (Akt Chaper, No. 44)
Da Abbé Cartellier keine Beweise für seine Anspielungen fand, brachte er eine Methode auf, die nach ihm viele Male angewendet wurde und die darin bestand, die Kinder in Verruf zu bringen. Vor allem Melanie, weniger liebenswürdig und rätselhafter als Maximin, ist die Zielscheibe vager, aber heimtückischer Anspielungen in den Gesprächen von einem zum anderen, die nicht verfehlen, bald sie zu treffen und zu verleumden, bald ihr Zeugnis zu entstellen. Die Untersuchung führte aber nichtsdestoweniger zu einem der Kirchendoktrin gemässen Hirtenbrief, durch welchen Bischof de Bruillard auf die wunderbare Realität der Erscheinung schloss und die Wallfahrten nach La Salette gestattete. Dieser mit dem Datum vom 19. September 1851 versehene Hirtenbrief wurde in der ganzen Diözese von Grenoble am 16. November 1851 von den Kanzeln verkündet“ (Ebd. S. 92).

Von Leon Bloy haben wir schon gehört, daß das Leben Melanies von Anfang an ungewöhnlich war, d.h. ungewöhnlich begnadet. Dies zeigte sich vor allem in vielen außergewöhnlichen Leiden, welche dieses Mädchen schon in der Kindheit zu erdulden hatte, die aber letztlich bis zu ihrem Tode fortdauerten. Hierzu eine kleine Episode aus der Zeit nach der Erscheinung.

Die Reaktion des Vaters auf die Berufung Melanies

Es war im Oktober 1851, Melanie hatte den Entschluß gefaßt, in ein Kloster einzutreten. Aber ihr Vater machte sich auf den Weg nach Corps und führte Melanie gewaltsam aus dem Kloster weg und nahm sie wieder mit sich nach Hause. In der Folge versuchte er alles, sie von ihrem Entschluß, in ein Kloster einzutreten, wieder abzubringen. Er schloß sie im Haus ein und wachte mit dem Gewehr unter dem Arm vor der Türe. Melanie aß vier Tage nicht und legte sich auch nicht schlafen. Sie wartete auf einen günstigen Moment, um fliehen zu können, der sich jedoch nicht ergab. Nach dem Gebet mit ihren Geschwistern sagte sie eines Tages zu diesen: „Was man auch immer tun wird, um mich zurückzuhalten, man wird damit nicht zu Rande kommen; ich werde mich in ein Kloster einschließen. Ich will Schwester werden, oder aber ich will eher sterben, als in diesem Ozean der Verbrechen bleiben, von dem die Erde überschwemmt ist“ (Ebd. S. 99). Die Kinder erzählten davon ihrem Vater, der sich darüber so sehr aufregte, daß er das Gewehr lud, Melanie packte, mit ihr aus dem Haus ging, sich ihr gegenüberstellte und schließlich abdrückte. Durch ein Wunder ging der Schuß unter dem Arm Melanies hindurch, ohne sie zu verletzen.

Als ein Herr aus Paris von dem Vorfall hörte, beeilte er sich, den Vater aufzusuchen. Und weil dieser ihm 600 Franken schuldete, machte er dem Vater den Vorschlag, er würde ihm diese Schuld erlassen, wenn er ihm Melanie verkaufe. Der Vater stimmte dem Handel zu. Es heißt in einem Bericht darüber: „Melanie war sehr glücklich darüber, mit unserem Heiland eine kleine Ähnlichkeit zu haben. Von diesem Augenblick an konnte sie sich etwas freier bewegen. Am darauffolgenden Tag brach sie nach Grenoble auf und machte Bischof Philibert de Bruillard ihre Aufwartung, der sie nach Corenc schickte“ (Ebd. S. 100).

Es ist kaum zu fassen, der Vater verkauft seine eigene Tochter um einen Schuldennachlaß von 600 Franken. Aber Melanie war dennoch glücklich, weil sie dadurch dem göttlichen Heiland ähnlich werden durfte, der um 30 Silberlinge verkauft wurde. Es wird Melanie ihr ganzes Leben so gehen, um Gottes und der Botschaft Unserer Lieben Frau willen, wird sie ihr ganzes Leben lang umhergestoßen werden.

Behandlung Melanies durch den Bischof von Grenoble

Mit dem Rücktritt und dem Tod von Bischof Philibert de Bruillard verliert Melanie ihren irdischen Beschützer. Der Nachfolger des Bischofs war von einem ganz anderen Geist erfüllt, einem ganz und gar unchristlichen. Melanie schreibt: „Die Pension, die Bischof de Bruillard immer für mich an die Schwestern von der Vorsehung bezahlt hatte, wurde bei Eintreffen von Bischof Ginoulhiac ausgesetzt. Alles wurde geändert. Ich war überzählig. Ich preise die Barmherzigkeit Gottes, die mich in meinem Nichts ließ. Wie der wohltuende Regen den Staub, den die Winde verweht haben, an den Boden bindet... so bewirken die Erniedrigungen, Verfolgungen und Entbehrungen, dass die Seele in ihre Nichtigkeit zurückkehrt…“ (Ebd. S. 105f).

Bischof Ginoulhiac galt zwar als guter Verwaltungsmann, hatte jedoch, wie viele damals, einen aufgeklärten Glauben. Nach der Revolution von 1848 bemühte sich Napoleon III., das Kaiserreich wieder aufzurichten, wovon sich alle einen neuen Frieden erwarteten. Der neue Bischof verheimlichte seine bonapartistischen Neigungen nicht, was natürlich dem Regime zusagte und entsprechende Erwartungen weckte. Aufgrund dieser politischen Erwartungen bereiteten dem Prälaten die Geheimnisse der Hirtenkinder eine nicht geringe Sorge. Man hatte schon versucht, Maximin sein Geheimnis zu entlocken, aber vergebens. Man befürchtete nämlich, die Geheimnisse von La Salette wären nicht gerade dazu angetan, die Absichten der Royalisten zu ermutigen, ja vielmehr befürchtete man, sie könnten bei den Katholiken eine Opposition heraufbeschwören, die sich gegen die kaiserliche Regierung richten könnte. Weil auch Melanie ihr Geheimnis vollkommen bewahrte, sah er in ihrer Gegenwart eine Gefahr für die geordneten Verhältnisse in seiner Diözese.

Dieser Bischof von Grenoble paßt vollkommen zur einer Beschreibung Melanies in einem Brief aus Castellamare vom 23. Juni 1883: „Die Personen, die dem Teufel gehören, vollbringen die Werke des Teufels. Es sind die christlichen Seelen, die Leuchten in der Kirche, das Salz der Erde, die ihre Pflichten nicht mehr tun. Oh, ich höre nicht auf zu sagen, daß die Säulen der Kirche für die Gläubigen Steine des Anstoßes geworden sind ... Aber der Mond wird sich verdunkeln, die Sterne fallen herunter, doch der Mond erhält sein Licht von der Sonne, wie die Kirchenfürsten von Jesus Christus ihr göttliches Licht erhalten, damit sie es den Gläubigen weitergeben. Wenn aber der Glaube in ihnen nachläßt, bleiben die Gläubigen ohne geistige Nahrung. Gott der Schöpfer und Erhalter des Universums ist viel stärker als die Hölle; wenn folglich Gott mit den guten Seelen ist, vermögen die Bösewichte nichts. Man betet nicht mehr, und wenn man betet, geschieht das mit den Spitzen der Lippen. Die Gläubigen beten nicht, weil sie ihre Hirten nicht beten sehen. Die gottgläubigen Priester dürfen den heiligen Altar nur verlassen, um die Kranken und Betrübten zu besuchen. Wenn wir nicht Buße tun, werden wir alle verloren gehen.“

Es ist unschwer zu erkennen, wie in den Worten dieses Briefes die Mahnungen der Gottesmutter widerhallen. Die große Botschaft von La Salette ist ganz besonders eine Mahnung an die Priester, ein Vorausverkünden des großen Abfalls ganz besonders unter den Bischöfen und Priestern. Dieser Abfall der Hirten wird einen Großteil der Herde mit ins ewige Verderben stürzen. Wie erschreckend groß ist die Verantwortung der Hirten in der hl. Kirche: „Es sind die christlichen Seelen, die Leuchten in der Kirche, das Salz der Erde, die ihre Pflichten nicht mehr tun. Oh, ich höre nicht auf zu sagen, daß die Säulen der Kirche für die Gläubigen Steine des Anstoßes geworden sind.“ Das hat damals schon für viele Hirten gegolten, obwohl es auch noch viele vorbildliche, nach Heiligkeit strebende Bischöfe und Priester gab. Wie würde Melanie da erst heute klagen und mahnen?

Melanie unter der Obhut des Bischofs von Castellamare

Aber kommen wir zurück zu Melanie und dem Nachfolger von Bischof de Bruillard. Melanie berichtet von einem Besuch Bischofs Fava bei Bischof Francesco Saverino Petagna von Castellamare Ende des Jahres 1878. Der Besuch galt aber gar nicht Bischof Petagna, sondern, wie Mgr. Petana Melanie mitteilte: „Der Bischof von Grenoble verlangt mit dem Ausdruck gebieterischer Machtvollkommenheit, Sie zu zwingen, sich in seine Diözese zu begeben…“ Schon als sie ins bischöfliche Palais kam, begegnete sie einigen weinenden alten Domherren, die sagten: „Es wäre besser gewesen, er wäre in seiner Diözese geblieben und nicht hierhergekommen, um unseren Bischof zu töten. Hätte er keine Soutane angehabt, so hätten wir ihn für einen Gendarmen gehalten, hochmütig und gebieterisch wie er sich benahm.“ Andere Domherren baten Melanie: „Sorgen Sie aus Barmherzigkeit dafür, daß die grausamen Vorstellungen des Bischofs von Grenoble bei Mgr. Petagna, der ohnehin schon krank genug ist, aufhören.“

Da ihr Bischof schon sehr leidend war, nahm Melanie die Bürde auf sich, mit den Gästen zu speisen. Es ist durchaus wert, den Bericht Melanies über dieses Mittagessen etwas eingehender auf sich wirken zu lassen: „Zu Mittag erschien der Bischof von Grenoble mit Pater Berthier. Sein erstes Wort war: ‚Nach Rom bin ich aus drei Gründen gekommen: Um meine Ordensregel für die Patres und die Schwestern genehmigen zu lassen; dann, um die Bezeichnung Basilika für die Kirche auf dem Berge von La Salette zu erreichen und schließlich, um eine neue Marienstatue ähnlich dem Modell, das ich mitgebracht habe, schaffen zu lassen; denn sehen Sie, keine Statue stellt die Heilige Jungfrau wirklich gut dar, die weder ein Halstuch noch eine Schürze gehabt haben dürfte; alle Welt hält sich darüber auf und missbilligt diese Bäuerinnentracht. Das Modell, das ich herstellen ließ, ist wesentlich besser! Vor allem wird sie kein Kreuz tragen, denn sehen Sie, das bedrückt die Pilger, und die Heilige Jungfrau wird wohl kein Kreuz gehabt haben…‘ Ich verzichte auf weitere Schilderungen, da sich meine Feder sträubt, alles niederzuschreiben, was der Bischof gesagt hatte. Ich war erschrocken; kaum brachte ich heraus; ‚Und am Sockel Ihrer Statue, Euer Gnaden, werden Sie in großen Lettern eingravieren lassen: Die Jungfrau nach der Vision von Mgr. Fava‘“ (Gouin, Paul: „Melanie, die Hirtin von La Salette“, Stein am Rhein 1982, S. 145).

Bei einer solchen Dreistigkeit verschlägt es einem direkt die Sprache. „Der Bischof von Grenoble verlangt nicht nur mit dem Ausdruck gebieterischer Machtvollkommenheit“, daß Melanie in seine Diözese kommen muß, er schreibt mit derselben gebieterischen Machtvollkommenheit der Gottesmutter vor, wie sie zu erscheinen hat, was sie zu tragen und zu tun hat. Ihm paßt nicht das Halstuch, die Schürze und die Bäuerinnentracht und schon gar nicht das Kreuz, das doch die Pilger nur erschrecken und bedrücken würde. Man kann es wirklich kaum fassen, so etwas denkt und sagt ein katholischer Bischof. Ein solcher Ungeist kann nicht ohne Folgen bleiben. Aber sehen wir noch etwas weiter: „Wir wurden zur Tafel gerufen. Nach dem Essen öffnete der Bischof von Grenoble eine Balkontür, um das Land ringsum und vor allem den Vesuv zu betrachten, den wir vor uns hatten. Seine Gnaden fragte mich, wen wir als Nachbarn hätten. Ich erwiderte ihm, dass wir allein seien. ‚Oh! Sie sind ja fürstlich untergebracht.‘ Dann ging er durch sämtliche Räume. Er betrat die Terrasse, die als Erholungsstätte für meine Schüler diente, wenn es nicht regnete. Er betrachtete noch lange Zeit den Vesuv, das Meer und die Landschaft; dann kam er wieder herein, nicht ohne noch mein Arbeitszimmer geöffnet und besichtigt zu haben. Als er eine Menge Briefe auf meinem Schreibtisch liegen sah, sagte er zu mir: ‚Aber Ihre Korrespondenz ist viel umfangreicher als die meinige! Von woher bekommen Sie denn all diese Briefe?‘ ‚Aus ganz Europa, Euer Gnaden…‘ ‚Sie leben in einem viel zu schönen Palais! Ohne ausgehen zu müssen, können Sie hier spazieren gehen.‘“

Ist es möglich, daß ein Bischof der katholischen Kirche ein solcher Flegel ist? Ein Mann ohne jegliches Taktgefühl, denn seine Bemerkungen sind letztlich eine Kränkung des Gastgebers, Bischofs Petagna, der in allem für Melanie sorgt, aber natürlich auch gegenüber Melanie. Sie zeigen zudem, dieser Bischof ist vollkommen verweltlicht und ohne übernatürlichen Geist. Da wird es auch verständlich, daß solch ein Bischof, dem schon die Kleidung der Erscheinung nicht paßt, natürlich erst gar nichts von der Großen Botschaft hören will, in der immerhin zu lesen ist: „Die Häupter, die Führer des Gottesvolkes, haben das Gebet und die Buße vernachlässigt, und der Dämon hat ihren Verstand verdunkelt; sie sind irrende Sterne geworden, die der alte Teufel mit seinem Schweife nach sich zieht, um sie zu verderben.“

Der Bischof von Grenoble war offensichtlich einer dieser Führer des Gottesvolkes, dessen Verstand vom Dämon verdunkelt wurde und der sich deswegen einbildete, der Himmel müsse sich nach ihm, dem Bischof, richten und nicht umgekehrt. Lassen wir Melanie noch etwas weiter berichten:

„Nach Ablauf von dreiviertel Stunden oder einer Stunde sagte Seine Gnaden, dass er nun noch Bischof Petagna grüßen wolle, um dann wieder den Zug nach Rom zu besteigen.
Am späten Nachmittag kam zu meinem großen Erstaunen eine von meinem gütigen Bischof geschickte Person, um mir mitzuteilen, dass er mir etwas zu sagen habe. Ich fragte diese Person, ob der Bischof von Grenoble abgereist sei. Er war glücklicherweise dabei, wegzugehen, als ein Bote eintraf und Mgr. Petagna einen Briefumschlag überreichte, der aus Rom kam und Ihnen überbracht werden sollte. Da ist doch dieser ‚Karbonari-Bischof‘ (Mitglied einer geheimen revolutionären Gesellschaft Italiens in den Jahren 1820 - 1841) wieder hereingekommen; er wollte unter allen Umständen wissen, was in dieser Depesche stand. Er bereitete unserem Bischof schweren Kummer. Ich brach mit der gleichen Person zum Bischofssitz auf. An der Pforte angelangt, sagte ich zu ihr: ‚Ohne Zweifel ist der Bischof von Grenoble dageblieben; gehen Sie hinein und sagen Sie Bischof Petagna, daß ihn die betreffende Person erwartete.‘ Und so haben wir es gemacht. Mein gütiger Bischof kam mit der Depesche heraus, und mit leiser Stimme sagte er sinngemäß folgendes: ‚Der Heilige Vater möchte mit Ihnen sprechen: Hier ist der Inhalt der Depesche, soweit es Sie betrifft: Wenn Melanie nicht leidend ist, und wenn sie nach Rom kommen kann, möchte Seine Heiligkeit mit ihr sprechen. Wenn sie nicht reisen kann, soll sie alles schicken, was sich auf die Gründung des neuen Ordens der Apostel der Endzeit beziehe.‘ Ich fragte Seine Eminenz, wann er wolle, dass ich abreisen solle. ‚Heute ist Sonntag,’ sagte er, ‚und es ist ja auch zu früh, da Sie ja noch Vorbereitungen treffen müssen; es eilt nicht.’
In diesem Augenblick kam der Bischof von Grenoble herzu und sagte: ‚Herr Bischof, ich glaube, Sie haben Melanie den ganzen Inhalt der Depesche mitgeteilt; Sie können ihn mir nun auch bekanntgeben.‘ Und mein gütiger Bischof antwortete in bescheidenem Ton: ‚Verzeihen Sie, Monseigneur, in der Botschaft stehen Dinge für sie (Melanie) und für mich… was aber kein Geheimnis ist, ist, dass sie in Rom verlangt wird.‘ ‚Ach so, und wissen Sie warum? Was wird sie dort machen?‘ Nun schwieg mein gütiger Bischof. ‚Nun das ist ausgezeichnet, dann werden wir heute abend gemeinsam abfahren.‘
Da warf ich ein: ‚Ich reise sonntags nicht.‘
Darauf Mgr. Fava von Grenoble: ‚Aber Sie müssen dem Papst gehorchen!‘ —
‚Der Heilige Vater hat mir nicht mitgeteilt, dass ich gleich nach Erhalt seiner Botschaft zu reisen habe.‘
Nun sah er meinen Bischof an und sagte zu ihm: ‚Sie müssen ihr den Befehl erteilen, heute abend mit mir zu reisen, Euer Gnaden.‘ — ‚Herr Bischof, sie kann nicht einfach so wegfahren. Wenn sie etwas vorzubereiten hat, muss man ihr die Zeit dazu lassen, oder nicht?‘ — ‚Sie müssen gehorchen, gehorchen! Sie wissen, dass ich der Bischof von Grenoble bin! Ich habe Ihnen sehr viel mitzuteilen, vieles zu sagen und Sie auch viel zu fragen! Nun machen Sie keine Umstände, heute abend um zehn Uhr müssen wir den Zug nach Rom nehmen. Sie werden also dort sein, nicht wahr?‘ –‚Ich weiss nicht, Euer Gnaden.‘ —
‚Aber es muss sein! Herr Bischof‘, rief er aus, ‚zwingen Sie sie, geben Sie ihr den Befehl, mit mir zusammen abzureisen!‘ Mein gütiger Bischof, bleich wie der Tod, erwiderte ihm: ‚Ich beherrsche die Kunst nicht, jemandem zu befehlen, der auf das geringste Zeichen hin gehorcht.‘ …
Von diesem Tage an verliess Bischof Petagna das Bett nicht mehr, und unter dem Volk erzählte man sich, dass der Bischof von Grenoble an seinem Tod schuld sei…“ (Gouin, Paul: „Melanie, die Hirtin von La Salette“, Stein am Rhein 1982, S. 145f).

Melanies Aufenthalt in Rom

Es ist leicht einzusehen, daß so ein Mann vor Intrigen, Bestechungen, Lügen und Verleumdungen nicht zurückschreckt und es wundert einen nicht, daß der Aufenthalt in Rom für Melanie zu einem wahren Martyrium wurde. Melanie widersteht zwar allen Anfeindungen und Versuchungen, aber ihre Gesundheit leidet sehr darunter. „Eine der Salesianerinnen, Schwester Placidia, die kein Blatt vor den Mund nimmt, wagt der Superiorin zu sagen, dass der Heilige Vater ihnen Melanie bei guter Gesundheit anvertraut habe, und jetzt sähe sie aus wie eine Leiche; sie erinnert die Superiorin an ihre Verantwortung. Kurz und gut: die Superiorin schreibt an den Kardinal Ferrieri, worauf der Befehl des Heiligen Vaters erfolgt, dass man sie entlässt und nach Castellamare zurückschickt. Sie veranlasste, dass die Bestimmungen der Regel, die sie ganz in Italienisch niedergeschrieben hatte, Kardinal Ferrieri übergeben werden; sie sah aber einzig und allein Mgr. Bianchi“ (Ebd. S. 149), – der sich offensichtlich von Mgr. Fava kaufen und instrumentalisieren ließ.

Aufgrund der Wühlarbeit dieses dämonisierten Prälaten konnte zwar die Große Botschaft von La Salette nicht ganz unterdrückt werden, aber Melanie wurde noch mehr verleumdet und in Verruf gebracht. Die Seherin von La Salette berichtet ihrerseits: „…ich war sehr erstaunt, als der Heilige Vater mir ausrichten liess, ich könne nach Castellamare zurückkehren, und auch darüber, dass Mgr. Bianchi ins Empfangszimmer kam, um zu wiederholen, dass ich nach Castellamare zurückreisen solle. Ich bat ihn um die Erlaubnis, den Papst zu sehen. Meine Bitte machte ihn unsicher. Als ich zu allererst nach dem Gesundheitszustand des Heiligen Vaters fragte, sagte er mir, dass er sich in bester Verfassung befinde; doch jetzt sprach er zu mir, dass er etwas leidend sei. Daraufhin teilte ich ihm mit, dass ich einige Tage warten würde, da ich mit ihm sprechen müsse. Da sagte er zu mir, das sei unnütz, da der Papst leidend sei und sich nicht so schnell wieder erholen werde…Wenn ich sagen soll, was vorgefallen war, dass der Papst seine Meinung und seinen Willen geändert habe, so könnte ich es nicht sagen. Meine persönliche Überzeugung ist, dass man mich dem Papst gegenüber verleumdet haben muss. Mgr. Bianchi und Bischof Fava mussten ein Komplott geschmiedet haben… Beim Letzten Gericht werden wir alles über diesen Handel wissen, der das Licht getrübt hat…“ (Ebd. S. 160).

Wir brauchen dagegen nicht bis zum letzten Gericht warten, um zu sehen, wie es Mgr. Fava bei seinem Tod erging. Man fand den Bischof von Grenoble eines Morgens tot auf dem Fußboden liegen. Er war entkleidet, hatte die Arme ganz verdreht und die Fäuste geballt, zudem ließ sein wilder Blick vermuten, er habe im Augenblick des Todes etwas Abscheuliches gesehen. Es ist nicht schwer zu erraten, was dieser „Karbonari-Bischof“, also Freimaurer-Bischof, bei seinem Tod so überaus Erschreckendes hat ansehen müssen.

Das Schicksal einiger Gegner der Großen Botschaft

Auch bei anderen Gegnern von La Salette zeigt sich, daß Gott Seiner und am allerwenigsten Seiner Mutter spotten läßt. Nach der Erscheinung waren viele Würdenträger darauf aus, den Seherkindern ihr Geheimnis vorzeitig zu entlocken. Einer davon war der Pariser Erzbischof Darbois. Dieser ließ am 4. Dezember 1868 Maximin in seine Residenz rufen, um ihm sein „Geheimnis“ zu entlocken, aber Maximin blieb standhaft. Er ließ bei allen Verhören auch nicht die geringste Andeutung durchschlüpfen. Das erzürnte den Erzbischof so sehr, daß er sich über die Worte der „schönen Frau“ lustig machte: „Dumm war ihr Gerede, und recht dumm muß auch ihr Geheimnis sein.“ Maximin war über diese Ehrfurchtslosigkeit des Erzbischofs entsetzt und prophezeite diesem mit tiefem Ernst, wie einst der Prophet Jeremias dem Lügenpropheten: „Daß die heilige Jungfrau mir auf La Salette erschienen ist und zu mir gesprochen hat, ist ebenso wahr wie es wahr ist, daß Sie in drei Jahren vom Gesindel werden erschossen werden.“ Und wirklich, am 4. April 1871 wurde der Erzbischof von der Pariser Kommune verhaftet und ins Gefängnis Mazat gebracht. Von dort wurde er am 22. Mai ins Gefängnis Grand Roquette überführt, wo die zum Tode Verurteilten bis zu ihrer Hinrichtung warteten. Schließlich führte man den Erzbischof am 24. Mai unter Schimpfreden, Spott und Hohngelächter in den Gefängnishof, wo er von Soldaten niedergeschossen wurde. Er fiel erst nach der zweiten Salve. Wie Prof. Konzionator schreibt, wurde sein Leichnam in viehischer Weise verstümmelt, auf einen Karren geworfen und am Friedhof Père la Chaise mit anderen Hingerichteten in eine Grube geworfen. Bemerkenswert ist noch Folgendes: Im Kerker stellte man dem Erzbischof seine Befreiung durch Helfershelfer in Aussicht, doch er soll dazu erklärt haben: „Es ist alles vergeblich, ich werde erschossen werden. Maximin hat mir das schon vor drei Jahren prophezeit.“ Auf dem Weg zur Hinrichtung sagte der Erzbischof zu seinem Generalvikar Petit: „Erinnern Sie sich der Weissagung Maximins?“ So ist zu hoffen, daß dem Erzbischof von Paris die Prophezeiung Maximins zu Einsicht, Reue und Umkehr verholfen hat, so daß er gerade aufgrund des göttlichen Strafgerichts das ewige Heil seiner Seele erwirkt hat.

Es ist sehr auffallend, daß mehrere Priester und Bischöfe, die besonders heftige Gegner von La Salete waren, in ihrem späteren Leben vom Schicksal bitter heimgesucht und gedemütigt wurden. So schrieb etwa ein Priester an Msgr. Ernest Rigaud, den unerschrockenen Verteidiger von La Salette: „Sie sind verrückt.“ Ein halbes Jahr später kam er ins Irrenhaus – natürlich nicht der „verrückte“ Verteidiger, sondern der ungläubige Priester. Ein Bischof, der Msgr. Rigaud ebenfalls in einem Brief einen Verrückten nannte, wurde später ebenfalls wahnsinnig. Einem anderen Bischof, der in seiner Diözese mit allen Mitteln die Andacht zur Muttergottes von La Salette verhindern wollte, faulte der Fuß ab, und er starb an dieser Krankheit.

Wie wir oben schon kurz gehört haben, war auch der Nachfolger von Bischof de Bruillard, aufgrund seiner bonapartistischen Neigungen ein Gegner von La Salette. Msgr. Ginoulhiac brachte es Napoleon III. zuliebe zuwege, daß Melanie in ein Kloster in England eintrat, wodurch sie aber an der ihr von der Muttergottes übertragenen Mission behindert war. (Sie mußte später wieder auf Befehl des Papstes Pius IX. aus dem Kloster in England freigelassen werden.) Melanie berichtet:

„Der Bischof von Grenoble antwortete den Personen, die von ihm Rechenschaft wegen seines Verhaltens den beiden Hirten gegenüber verlangten… (hier fehlen einige Worte)
1. Dass sein Selbstgefühl durch die Weigerung der Hirten, ihm ihre Geheimnisse auszuliefern, verletzt worden ist, und dass er entschlossen sei, sich für diese Beleidigung zu rächen;
2. Dass er sich das Wohlwollen Napoleons verschaffen wolle und er die Hirtin ausgewiesen habe, um sich anschliessend durch den Kaiser zum Erzbischof oder Kardinal erheben zu lassen, usw.“ (Gouin, Paul: „Melanie, die Hirtin von La Salette“, Stein am Rhein 1982, S. 111).

Bischof Ginoulhiac wurde kurze Zeit darauf geisteskrank und starb. Im Irrenhaus spielte er ständig mit Puppen, wie es kleine Mädchen zu tun pflegen. Ein gotterbärmlicher Anblick, ein erschütterndes Strafgericht Gottes über diesen untreuen Diener der hl. Kirche.

Gott schützt und verbreitet die Botschaft, doch das gallikanische Frankreich...

Wie wir gesehen haben, hatte es die Gottesmutter schwer mit ihren Söhnen, die ihre Mahnungen nicht hören wollten. Wenn die Päpste sich nicht immer wieder mit ihrer ganzen Autorität hinter La Salette gestellt hätten, wäre wohl letztlich alles verschwiegen und sodann vergessen worden. Unter der Führung und der Druckerlaubnis von Bischof Salvatore Luigi Zola aber kam es am 15. November 1879 zur Veröffentlichung des vollständigen Berichtes über die Erscheinung. Diese schlichte Broschüre wurde in Rom zunächst ganz ohne Widerrede angenommen. Anders war es in Frankreich, wie Melanie in einem Brief zu berichten weiß: „Französische Bischöfe, unter anderen der Bischof von Nimes und ein weiterer, ich weiss nicht mehr von welcher Diözese, schrieben an die Heilige Kongregation der Bischöfe und Ordensleute und machten darauf aufmerksam, dass es unbedingt notwendig sei, diese Bücher (die Broschüre von Lecce) aus den Händen der Gläubigen zu nehmen und die Propaganda für solche Bücher zu verhindern, da sonst ganz Frankreich den Peterspfennig nicht mehr entrichten würde“ (Ebd. S. 161).

Da man aber auch in Rom damals auf Ausgleich mit den französischen Bischöfen bemüht war, hieß das große Losungswort „Aussöhnung“. Die römische Kurie war deswegen sehr daran interessiert, das Verhältnis zu den republikanischen Regierungen zu verbessern, ganz besonders mit der französischen. Frankreich war schon so lange hartnäckig gallikanisch gewesen, daß der französische Episkopat nur noch mit einen hauchdünnen Faden an der römischen Kirche hing. Da wollte man kein Risiko eingehen und alles vermeiden, was neue Spannungen hervorbringen konnte.

So erhielt Melanie halbamtliche Aufforderungen, nicht mehr zu schreiben, und ihre Beschützer und Freunde wurden ebenfalls dazu gedrängt, ihre Schriften nicht mehr zu verbreiten – obwohl kein Präfekt einer römischen Kongregation direkt einschritt. So hat etwa Kardinal Caterini, Sekretär des Heiligen Offiziums, Mgr. Sarnelli, Bischof von Castellamare, angewiesen, Melanie einzuschärfen, weder zu schreiben, noch Kommentare über das Geschriebene abzugeben. Selbst Mgr. Zola wurde getadelt. Was war der Grund dafür? Melanie nennt ihn in einem Brief vom 31. März 1895 an M. Schmid:

„Dies ist vertraulich. Es war in den Jahren 1880 oder 1881, so glaube ich, dass Kardinal Caterini an Mgr. Zola schrieb, mir nicht mehr die Beichte abzunehmen und mich auch nicht mehr geistlich zu führen… Mgr. Zola begab sich nach Rom zu diesem Kardinal, sagte ihm, dass er seinen Brief erhalten habe und ihm dafür danke und fügte dann noch hinzu, dass er sich zum Heiligen Vater begeben werde, um seinen Abschied als Bischof von Lecce einzureichen. ‚Und warum?‘ fragte Caterini.
‚Da ich die Seele einer kleinen Frau wie der Hirtin von La Salette nicht führen kann, bin ich noch viel weniger fähig, eine so bedeutende Diözese wie Lecce zu führen.‘
‚Aber Euer Gnaden! Ich bitte Sie, fügen Sie dem Heiligen Vater dieses Leid nicht zu, er leidet ohnehin schon so sehr. Versprechen Sie mir, dass Sie ihm diesen grossen Kummer nicht zufügen! Ich habe diesen Brief unter dem Druck der Verhältnisse geschrieben. Da, schauen Sie meinen Schreibtisch an! Sehen Sie diese Berge von Briefen, die jeden Tag aus Frankreich eintreffen und gegen Melanie gerichtet sind. Man beklagt sich, dass sie zuviel Freiheit hätte; dass sie Dinge schreibt, die angsteinflössend sind... man beschwört uns, dieser Unordnung, die ihr Buch hervorgerufen hat, Einhalt zu gebieten‘ etc. …“ (Ebd. S. 162).

So war es also damals um Rom und Frankreich bestellt. Die Große Botschaft stand der großen europäischen Politik im Wege, darum mußte sie verschwiegen werden. Aber noch bis heute werden über Melanie und auch die Botschaft viele Lügen weitergebeben, die damals von den Feinden von La Salette in die Welt gesetzt wurden.

Durch Nachrichten aus Rom wurde Mgr. Zola und Melanie bekannt, daß die Präfekten der Kongregationen und der Heilige Vater den Brief Caterinis nicht kannten. Dieser war offensichtlich von der Anti-La-Salette-Partei verlangt worden und der Kardinal hat dem wachsenden Druck nachgegeben. Die Römer sollen sich bei Mgr. Zola entschuldigt haben.

Das Lebensende Melanies

Wenn man diese vielen erstaunlichen Geschichten überblickt, kann man nur feststellen: Da gäbe es noch viel, wofür man sich entschuldigen müßte. Aber dafür ist es jetzt natürlich viel zu spät, denn die betroffenen Personen sind alle schon lange gestorben und der entstandene Schaden ist wohl nicht mehr gutzumachen. Eines ist aber sicher: Sowohl Freunde als auch Gegner, Glaubende und Ungläubige mußten sich vor ihrem göttlichen Richter für ihre Werke verantworten.

Eine, die das sicherlich ohne jegliche Angst oder Bedenken konnte, war Melanie, die Hirtin von La Salette. Sie, die ihr ganzes Leben für ihre himmlische Mutter und Herrin von einem Ort zum anderen gezogen ist, weil die Menschen sie dazu zwangen, fand ihr letztes Heim wieder in Italien und zwar in Altamura. Als sie dort am Bahnhof ankam, war niemand da, der sie abholte, denn man hatte sie vergessen. So machte sie sich mühsam mit geschwollenen Beinen und Händen auf den Weg zur Stadt, um ein Hotel zu finden. Nach einigen Zwischenstationen nahm sie erst dann die Gastfreundschaft der „distinta Signora Emilia Giannuzzi“ an, als man sie auf die Straße setzte. Die Signora brachte sie aufs Land. Als Bischof Cecchini zurück war, ließ er sie im Kloster Maria Heimsuchung unterbringen. Melanie sehnte sich nur nach ihrer teuren Einsamkeit und ihrer geliebten Armut. Ende August hatte sie endlich wieder ihr eigenes Heim in der Estramurale 87 (also außerhalb der Mauern), am Fuße des Monte Calvario, also am Fuße des „Kalvarienberges“ gefunden. Was für ein Einfall der göttlichen Vorsehung, die letzte Lebensstation der Hirtin von La Salette befand sich außerhalb der Mauern, am Fuße des Kalvarienberges, auf dem unser göttlicher Erlöser für uns starb.

Melanie war zwar wieder allein, aber immer noch drangen die Geräusche der Welt bis zu ihr vor. Die Hirtin von La Salette war immer noch gut genug, um Almosen und Spenden zu sammeln, wie ihre Schwestern wußten und eine Madame Guignier machte sogar im Namen Melanies Weissagungen!

Jeden Morgen stieg Melanie zur Kathedrale hinab, um an der hl. Messe teilzunehmen. Am 15. Dezember jedoch erschien sie nicht in der Kathedrale. Bischof Cecchini wurde darob unruhig und schickte seinen Kammerdiener um nachzusehen. Alles war verschlossen. Man verständigte das Rathaus und brach die Türe auf. Melanie lag ganz bekleidet und mit einem friedlichen Gesichtsausdruck tot auf dem Boden ihres Zimmers.

Es erfüllte sich alles, was sie schon im Februar 1903 vorausgesagt hatte. Es war in Diou. Mademoiselle Marie Babin, die sie versorgte, nahm aus Vorsicht den Hausschlüssel mit und sagte erklärend zu Melanie: „Für den Fall, daß Sie ganz allein sterben sollten und niemand etwas davon wüßte! Man müßte die Türe aufbrechen und fände Sie dann tot.“ Melanie erwiderte: „Nun ja, auf diese Weise werde ich auch sterben… aber nicht hier… ich werde in Italien sterben — in einem Land, das ich nicht kenne — in einem beinahe unwirtlichen Land, wo man aber nicht flucht und wo man Gott liebt. Ich werde allein sein. Eines schönen Morgens wird man merken, dass meine Fensterläden geschlossen sind, und man wird die Türe gewaltsam öffnen und mich tot vorfinden“ (Ebd. S. 204).

Genauso war es auch. Die Hirtin von La Salette ging einsam in die Ewigkeit ein, aber sicherlich von ihrer himmlischen Herrin abgeholt und begleitet, stand doch ihr ganzes Leben in ihrem Dienst. Jedenfalls lag es nicht an Melanie, daß das Anliegen der weinenden Jungfrau von La Salette so wenig bekannt und befolgt wurde.

Was es aber für eine Botschaft war, welche die Welt nicht hören wollte, werden wir im nächsten Teil unserer Gedanken über die Große Botschaft von La Salette sehen.