Leben in der Gegenwart Gottes

Der Katholik ist seinem Wesen nach Realist, also jemand, der nüchtern und klar auf die Wirklichkeit achtet und jederzeit bereit ist, sich nach dieser auszurichten. Während der moderne Mensch sich immer mehr in einer Traumwelt, einer virtuellen, künstlichen Medienwelt, einer Spielewelt verliert, lebt der Katholik in der wahren Welt mit ihrem unendlichen natürlichen und übernatürlichen Reichtum. Der katholische Glaube ist keine Träumerei, keine Schwärmerei, keine Einbildung, sondern göttlich verbürgte Wahrheit, also Erkenntnis der ganzen sichtbaren und unsichtbaren Wirklichkeit. Kardinal Mercier schreibt in seiner kleinen Schrift über die christliche Abtötung: „Wenn Sie das Bedürfnis zu träumen verspüren, dann töten Sie es erbarmungslos ab.“ Ein Katholik kann es sich nicht leisten zu träumen oder in eine Traumwelt zu flüchten, das gilt in der heutigen Zeit doppelt oder dreifach. Denn je mehr die christliche Gesellschaft zerbricht, desto mehr ist der Katholik zum ganzen Einsatz aufgefordert, um die Welt der Gnade wenigstens in sich zu bewahren.

Der französische Schriftsteller De Camille schildert im Jahr 1872 die Situation des Katholiken in der Gesellschaft so: „Niemand kann sich Rechenschaft geben von dem schauerlichen Geheimnisse, welches im Schoße dieser modernen Welt eingeschlossen ruht; aber alle sehen, daß dasselbe einen Strom gefälschter Bildung, falscher Öffentlicher Meinung, falscher Wissenschaft, falscher Grundsätze, falscher Ideen, falscher Wünsche, falschen Gewissens und falscher Sitte hervorgebracht hat. Es hat alle Dinge angesteckt, vom Königspalast an bis zur Hütte, vom Staatsmann bis zum letzten Gassenjungen, der bei einer öffentlichen Demonstration hinter einer Fahne herläuft. Es hat in den Regierungen den Kultus der Wahrheit, Gerechtigkeit und Sittlichkeit verdreht, erschüttert, vielleicht gar vernichtet, oder wenigstens diese modernen Regierungen derart in Schrecken betäubt, daß der allerschärfste Instinkt, welchem die Einzelwesen ebenso unterworfen sind wie die Nationen, der Trieb der Selbsterhaltung, in ihnen nichts mehr vermag.“ Pater G. M. Pachtler S.J., der diese Stelle in seinem Buch „Der stille Krieg gegen Thron und Altar“ zitiert, ergänzt sie mit der Bemerkung: „Und im Angesichte dieser drohenden Gefahr können es noch liberale Christen über ihr vermeintlich gläubiges Gewissen bringen, dem internalen (verinnerlichten) Geiste unter dem Aushängeschild der modernen Ideen Zugeständnisse zu machen, mit ihm sich vertragen und auf Beelzebubs Mühle Wasser tragen, unter der Bedingung, daß er ihnen ihr Hauskapellchen nicht umstürze.“ Kommt einem das nicht sehr bekannt vor? Wie viele sog. Traditionalisten gibt es, die schon damit zufrieden sind, wenn sie von den Modernisten das Zugeständnis erhalten, in ihren Hauskapellchen mehr oder weniger unbehelligt den außerordentlichen Ritus feiern zu dürfen? Solch ein Fehlverhalten kann nur durch eine weit vorangeschrittene Verblendung erklärt werden. Während der allgemeine Glaubensabfall die Massen in die Hölle hinabreißt, verschanzen sich diese Traditionalisten in ihrer Scheinwelt und sind zufrieden, wenn man sie ein wenig alte Messe spielen läßt.

Angesichts solcher Seltsamkeiten ist es immer wieder überraschend festzustellen, daß wahre Denker die Wirklichkeit schon vor vielen Jahrzehnten klarer gesehen haben als die scheinkonservativen Halblinge unserer Zeit. So beschreibt etwa Hilaire Belloc den Unterschied zwischen dem alten Heidentum und dem modernen Neuheidentum vor etwa hundert Jahren folgendermaßen: „Das alte Heidentum hatte einen feinen, ausgeprägten Sinn für das Übernatürliche. Dieser Sinn wandte sich oft falschen und immer unzulänglichen Objekten zu, aber er war scharf und beständig wach. Die Poesie der Antike verrät diesen Sinn und erweist ihn sogar in Stimmungen der Verzweiflung. Selbst bei Dichtern, die, wie zum Beispiel Lukretius, die Religion bekämpfen, findet sich ein tief religiöser Sinn für Würde und Ordnung. Das Neuheidentum genießt triumphierend seine eigene Flachheit und glaubt, das Böse wie das Gute als abergläubische Illusion der Vergangenheit über Bord geworfen zu haben. Die Menschen können auf die Dauer nicht leben ohne Götter. Wenn aber einmal die Götter des Neuheidentums erscheinen werden, so werden sie nicht bloß falsche, mit Schwächen behaftete Götter sein, wie die der alten Mythologie, sondern sie werden böse Götter sein. Man könnte den Satz aufstellen: Das Neuheidentum, das sich törichterweise die vollste Zufriedenheit und das Glück der Menschen verspricht, wird, bevor es noch recht weiß, was vor sich geht, einem Satanskult anheimfallen“ (Aus: Gespräch mit einem Engel, Verlag Herold, Wien München, 1954).

Heute müssen wir nüchtern und erschrocken feststellen, die Voraussage Bellocs hat sich erfüllt: „Wenn aber einmal die Götter des Neuheidentums erscheinen werden, so werden sie nicht bloß falsche, mit Schwächen behaftete Götter sein, wie die der alten Mythologie, sondern sie werden böse Götter sein.“ In der Tat, die Dämonen sind zurückgekehrt! Wobei man niemals vergessen darf zu erwähnen: Sie sind unter Duldung, nein sogar mit offizieller Einladung der neu errichteten Menschenmachwerkskirche in die alten christlichen Heiligtümer eingezogen und nunmehr tanzen sie auf den „Altären“ dieser „Kirche“, oder besser und genauer gesagt: Auf den Tischen ihrer Kultstätten.

Martin Mosebach beschreibt in seinem Buch „Häresie der Formlosigkeit“, was er während seines Aufenthaltes in Capri mit einem englischen Priester erlebt hat, der „allen Ernstes gedachte, jeden Tag allein eine Heilige Messe zu zelebrieren“. Die zuständige Autorität war darüber sehr verwundert und bot diesem an, doch einfach „in der Kathedrale an der Konzelebration teilzunehmen“. Aber der englische Priester lehnte das ab und erreichte es schließlich, daß man ihm „den Schlüssel zu dem Kapellchen in der Villa Jovis, ein ferngelegener, ungefährlicher Ort“ überließ, denn da „würde er niemanden irritieren“. „An einem späten Nachmittag stiegen wir zuerst dort hinauf, einen langen, beständig leicht ansteigenden Weg über die Höhen mit einem weiten Blick über den Golf. Oben wollte sich das Schloß nicht drehen lassen, es war in der hohen Luftfeuchtigkeit der Insel seit dem letzten Jahr eingerostet. Moderluft kam uns entgegen, als die Tür sich dann öffnete. Die Blechtüre des Tabernakels stand offen. Ein paar schmutzige Blumenvasen standen auf der Altarplatte, eine Plastikdecke schützte ein unter ihr verfaulendes Altartuch. Die Kerzen waren heruntergebrannt. Die Stühle standen unordentlich herum. Die Sakristei sah aus, als sei sie fluchtartig verlassen worden. Leere Flaschen, ein kitschiger Kelch aus irgendeiner kupfrigen Legierung, Mausefallen, elektrische Drähte für die alljährliche Illumination, verkrustete Blumenvasen, ein Stuhl mit drei Beinen - daraus bestand das Stilleben, worauf wir blickten. Der Priester öffnete die Schubladen. Von der Feuchtigkeit zusammengebacken lag da die Altarwäsche und die Alben, ein schimmelbedecktes zerfallendes Meßbuch kam zum Vorschein. Meine Eltern hatten mir gerade ein altes Meßbuch geschenkt, ich wollte gern eines aus der Zeit des Heiligen Römischen Reiches haben, es war von 1805, also gerade noch richtig, in Regensburg herausgegeben, und dies hier war dieselbe Ausgabe, mit denselben blassen naiven Kupferstichen. Die Verwahrlosung der Kapelle hatte keinen Charme, dies war kein Pompeji, sondern ein Müllhaufen, der noch nicht Kompost geworden ist. Üble Gerüche hingen in der Luft, dies war ein toter Ort“ (Martin Mosebach, Häresie der Formlosigkeit, Carl Hanser Verlag München 2007, S. 53f).

Diese Beschreibung ist ein lebendiges Bild dafür, was passiert, wenn das hl. Opfer auf den Altären nicht mehr dargebracht wird. Die Gnadenwelt vermodert gleichsam, die übernatürliche Welt der Erlösung stirbt – „dies war ein toter Ort“.

Martin Mosebach beschreibt sodann ebenso anschaulich, ja wortmalerisch, wie dieses Kapellchen notdürftig zur Feier der hl. Messe hergerichtet und durch die Darbringung des hl. Meßopfers wieder zum Leben erweckt wird. Doch wollen wir diesen Bericht übergehen und uns ein wenig später wieder in den Gedankengang des Autors einklinken. Da heißt es: „Das Grab von Jerusalem ist das Bild der alten Liturgie. Sie hatte den Auferstandenen im Blick und wandte sich deshalb nach Osten. Die aufgehende Sonne war für sie Zeichen der Welterschaffung, der Auferstehung und der Wiederkunft Christi. In ihrer Erwartung beteten Priester und Gemeinde in derselben Richtung. Nach der Liturgiereform hat sich der Priester umgedreht, sieht die Gemeinde an, während er vorgibt, mit Gott zu reden. Das Modell der neuen Liturgie ist der Vorstandstisch bei einer Partei- oder Vereinsversammlung mit Mikrophon und Papieren, links steht eine Ikebana-Schale mit alter Wurzel und bizarrer orangefarbener exotischer Pflanze, rechts befinden sich zwei Fernsehkerzen in hand-getöpfertem Leuchter. Würdig und gesammelt blicken die Vorstandsmitglieder ins Publikum, wie die Kleriker während einer Konzelebration. Eine solche Vereinssitzung mit demokratischer Geschäftsordnung ist der Phänotyp der neuen Liturgie, und das ist auch nur konsequent, denn wer das überzeitliche Mysterium nicht will, der wird unvermeidlich in der politischen und gesellschaftlichen Wirklichkeit landen. Einen dritten Weg gibt es nicht“ (Ebd. S. 85f).

Wahrlich eine meisterhafte phänomenologische Beschreibung der postkonziliaren Pseudoliturgie! Es ist jedoch für einen Katholiken meist notwendig, hinter die Phänomene zu schauen, denn die eigentliche Welt der Gnade ist eine verborgene Wirklichkeit. Von hier aus gesehen, von der Wirklichkeit der Gnadenwelt aus, greift die Analyse von Martin Mosebach ein wenig zu kurz. In der Welt der Gnade stimmt es zwar ebenfalls, daß es einen dritten Weg nicht gibt, aber die Alternative schaut um Vieles grauenvoller aus: Denn „wer das überzeitliche Mysterium nicht will“, wer die Gnade zurückweist und den göttlichen Ritus zerstört, der landet nicht bloß in einer „politischen und gesellschaftlichen Wirklichkeit“, sondern er landet ganz im wörtlichen Sinne in „Teufels Küche“. Wer könnte auch angesichts der ungenierten öffentlichen Umtriebe Bergoglios noch vernünftigerweise leugnen, daß die postmoderne Konzilssekte einen Strom gefälschter Bildung, falscher Öffentlicher Meinung, falscher Wissenschaft, falscher Grundsätze, falscher Ideen, falscher Wünsche, falschen Gewissens und falscher Sitte hervorgebracht hat? Wer könnte leugnen, daß diese dem Gott dieser Welt die allerbesten Dienste leistet und maßgeblich dazu beigetragen hat, daß die Mehrheit der Katholiken ihren übernatürlichen Glauben verloren und einen Menschenmachwerksglauben angenommen hat, weshalb Millionen von ihnen eine leichte Beute von Sekten aller Art geworden sind? Ebenso ungeniert,wie gegenwärtig Bergoglio alle Reste christlicher Werte zerstört, hat darum auch das „Time“-Magazin am 24. Juli 2013 und gleich noch einmal am 23. Dezember 2013 auf seiner Titelseite das Portraitphoto von Bergoglio genau so positioniert, daß dieser jeweils durch den bis auf die beiden Spitzen verdeckten Buchstaben „M“ von „TIME“ gewissermaßen mit Teufelshörnern abgebildet wurde. Einmal war der „Dämon“ Bergoglio „Der Volkspapst“, einmal der „Mann des Jahres“. Die liberale Presse weiß also sehr wohl, die Taten Bergoglios recht zu deuten, ganz im Gegensatz zu den meisten sog. Traditionalisten und Konservativen aus der Konzilssekte.

Ja, die Dämonen sind zurückgekehrt, das Neuheidentum hat das christliche Abendland zurückerobert. Was heißt das aber für den heiligen Rest, der noch übrig ist? Wie kann sich ein Katholik in dieser neuheidnischen Umwelt behaupten? Wie seine Seele vor den unzähligen schädlichen Einflüssen bewahren, die ihn ständig in den höllischen Abgrund zu ziehen drohen? Wie kann er den fehlenden öffentlichen Halt durch die Gesellschaft und Kirche ausgleichen?

Je intensiver und ernster man sich mit diesen Fragen beschäftigt, desto klarer wird die Antwort: Entscheidend ist der Wandel in der Gegenwart Gottes!Das ganze Gnadenleben ist in dieser einen Übung konzentriert. Selbst die durch die hl. Sakramente vermittelten Gnaden sollen uns letztlich immer mehr dazu verhelfen, vollkommen gefestigt in der Gegenwart Gottes zu leben. Wir müssen darum in die Schule der Heiligen gehen, denn im Grunde war das das Geheimnis aller Heiligen: sie lebten beständig in der Gegenwart Gottes. Schon in einem vorigen Beitrag haben wir über die „Ewigkeit im Augenblick“ gesprochen. Wir wollen diesen Gedanken, weil er so außerordentlich wichtig ist,noch einmal aufgreifen, um ihn weiter zu vertiefen.

Wandel in der Gegenwart Gottes

Zwei Glaubenswahrheiten tragen die Übung des Wandels in der Gegenwart Gottes. Diese ist nämlich nur dann sinnvoll und wirklichkeitsentsprechend, wenn erstens Gott überall gegenwärtig ist und zweitens Gott Augenblick für Augenblick sich um mich sorgt. Wir müssen keine weite Reise machen, um Gott finden und IHM begegnen zu können. Gott ist überall, und ER ist nochmals ganz besonders in der Seele desjenigen, der in der heiligmachenden Gnade lebt. Gott ist außerdem nicht gleichgültig gegenüber Seinem Geschöpf. ER begleitet es vielmehr das ganze Leben hindurch in väterlicher Sorge, um es sicher zum ewigen Ziel zu führen – sofern es sich führen läßt, denn Gott respektiert jederzeit die Freiheit Seines Geschöpfes.

Der große Exerzitienmeister P. Considine S.J. erklärt seinen Schülern, worauf es ankommt:

„Mein Los ist in Deinen Händen.“ Nehmen wir an, Gott würde uns, die wir den Wert unserer Seele erkennen, die Wahl der Mittel überlassen, durch welche wir deren Heil wirken sollen. Er würde uns Reichtum und Armut, Gesundheit und Krankheit, Erfolg und Mißerfolg, ein langes und ein kurzes Leben vorlegen; und wir sollten das nehmen, was uns das beste schiene. Würden wir dann zufrieden sein? Würden wir nicht, wenn wir weise wären, sagen: „Lieber Gott, erspare mir solche Entscheidung! Ich soll wählen? Ich weiß, daß ich nicht das wählen werde, was das beste für mich ist, sondern das, was mir am meisten zusagt.“
Nehmen wir weiter an, daß Gott einer Reihe von Seelen diese Entscheidung nicht überließe, entweder weil sie zu schwach wären, oder weil Gott aus Besorgtheit, sie zu retten, die Wahl der Mittel andern anvertraute, die sie mehr liebten, als jene sich selbst lieben, und die auch mit mehr Weisheit wählten: ihrem Schutzengel oder ihrem Namenspatron oder Maria, dem „Sitz der Weisheit“ selbst. Oder nehmen wir an, wir wären selbst so ausgezeichnet und begnadet wie diese. Würden wir wählen wollen? Würden wir nicht vielmehr sagen: „Mein Gott, verzeih meine Verlegenheit! Ich weiß, daß mein Schutzengel, meine heiligen Patrone und namentlich meine himmlische Mutter Maria mich zärtlich lieben und ihr Bestes für mich tun würden. Aber ihre Weisheit ist doch endlich, begrenzt. Sie könnten einen Mißgriff tun, und dieser Mißgriff könnte für mich den Verlust von allem bedeuten. Das kann ich nicht riskieren. Ich habe nur eine einzige Seele. Diese muß ganz sicher gerettet werden. Ich darf sie nicht in meinen Händen halten, ich darf sie aber auch selbst den höchsten, heiligsten und weisesten Wesen um Deinen Thron nicht anvertrauen.“
Nehmen wir einen dritten Fall an: Gott würde sagen: „Die Rettung einiger weniger Seelen ist mir so teuer, daß ich die Wahl der Mittel keinem anvertrauen will. Ich will selber alles planen und ordnen. Nichts soll ihnen begegnen, was nicht meine unendliche Weisheit und Güte von aller Ewigkeit her vorausgesehen und vorbereitet hat. Gar nichts soll sie auf ihrem Wege treffen, weder Freud noch Leid, ja kein Haar soll ihnen vom Kopfe fallen ohne mein Wissen und ohne meine Erlaubnis.“ Würden wir nicht ausrufen: „O mein Gott, ich wage kühn Dich zu bitten, doch eine von diesen wenigen glücklichen, auserwählten Seelen sein zu dürfen; denn diese werden sicher gerettet werden!“
Daraufhin aber würde Gott uns durch die Warnung abschrecken wollen: „Diese Seelen werden im Leben nicht ihren eigenen Weg gehen dürfen. Ihre Lebensbahn wird hart und rauh sein. Sie werden sehen müssen, wie andern alles vonstatten geht, während ihnen alles mißglückt. Sie werden von ihrer nächsten Umgebung hart behandelt, falsch beurteilt, beiseite geschoben, ungerecht gerichtet werden, und das Leben der meisten wird ein mühseliges Werk sein.“ — Werde ich dann zurückweichen oder nicht vielmehr ausrufen: „Einerlei! Warum mich sorgen, wenn Deine Hand mich führt beim Aufwärtssteigen? Deine Hand sendet Kreuz, Mißgeschick, Schmerz.Von Dir, mein Gott, schreckt es mich nicht. Laß mich nur eine von jenen Seelen sein, deren Los gänzlich in Deinen Händen liegt, und ich werde nichts fürchten. Ich will sogar dankbar sein für alles, was mich trifft. Ich will Deine Hand küssen, selbst wenn Du mich schlägst. Friedvoll und glücklich werde ich sein in dem steten Gedanken, daß die Weisheit Gottes alles für mich anordnet, und daß die Liebe meines himmlischen Vaters mir in allem hilfreich zur Seite steht. Laß mich zu Deinen Erwählten gehören, und Du wirst sehen, wie ich diesen Vorzug würdigen und alles schätzen werde, was Du mir schickst.“
„Nehmen wir an“ — so sagte ich oben. Aber es ist ja nicht bloß eine Annahme. Ich bin in der glücklichen Lage, daß mein Leben bis in die kleinsten Einzelheiten von Gott geordnet und umsorgt ist. Wie sollte ich mich beklagen, mein Gott? Warum sollte ich mißtrauisch oder auch nur im geringsten ängstlich sein? „Mein Los ist in Deinen Händen.“
(P. Considine, Gott liebt uns, Verlag Ars Sacra Joseph Müller, München 1962, S. 85ff)

Niemand kann besser für uns sorgen als der allweise und allmächtige Gott. Das sagt uns unser hl. Glaube. Dabei ist dies keine bloße, trockene Theorie, sondern konkret erfahrbare Wirklichkeit. Wie aber kommt man dazu, immer öfter, immer lebendiger, immer wirklichkeitsgemäßer daran zu denken, daß Gott immer bei mir ist? Wie lernt man diese Wahrheit so zu fassen, daß sie einem Augenblick für Augenblick trägt und innerlich erfreut?

Die Vertraute der Engel, Mechthild Thaller, gibt einer Ordensschwester in einem ihrer Briefe darüber folgende Belehrung: „Der bewußte Wandel in der Gegenwart Gottes ist eine ganz besondere Gnade. Ich habe jahrelang darum gebetet. Der leichteste Weg diese Gabe zu erlangen ist, die gute Meinung möglichst oft zu wiederholen. Nehmen wir z.B. an, Sie würden eine Zurücksetzung erfahren, dann denken Sie an die Zurücksetzung Jesu hinter Barrabas und sagen: 'Mein allerliebster, mit Schmach bedeckter Jesus! Ich danke Dir, daß Du mir diese Zurücksetzung — oder was es sonst ist — geschickt hast, ich nehme alles mit Geduld an und vereine es mit Deiner Sanftmut, Demut und Geduld, womit Du Dich dem Barrabas nachgesetzt sahest!' Bei Aufsässigkeiten der Untergebenen, namentlich Ihrer Aspirantinnen [= Postulantinnen], können Sie Ihre Leiden mit der Dornenkrönung Jesu vereinigen und den Herrn bitten, er möge Ihre Geduld als Sühne für Ihre Beleidiger ansehen. Ich weiß bestimmt, daß Seelen, die die gute Meinung recht oft wiederholen, eine unschätzbare Menge ganz eigentümlicher Gnaden erhalten, abgesehen vom fühlbaren Wandel in Gottes Gegenwart. Auch haben sie im Himmel einen Anteil an der Glorie der glückseligen Veronika, die Jesus ihren Schleier als Schweißtuch darbot. Sie sind eine glückliche Seele, da Sie sich schon mit 14 Jahren zu Gott wandten“ (Irmgard Hausmann, Die Vertraute der Engel, Band 2, Miriam Verlag Jestetten 1984, S. 86).

Wandel in der Gegenwart Gottes heißt, jedes Geschehen des alltäglichen Lebens mit den Augen des Glaubens und in Vereinigung mit unserem Herrn Jesus Christus, unserem göttlichen Erlöser zu sehen und dadurch zur Gnade wandeln. Alles soll durch das Denken an das Leben Jesu, der Urform jedes heiligen Lebens, mit der Gnade durchtränkt werden. Der leichteste Weg das Ziel zu erreichen ist es, die gute Meinung möglichst oft und mit einem entsprechenden Erfindungsreichtum zu erwecken, denn Liebe macht erfinderisch.

Mechthild Thaller erklärt in einem anderen Brief nochmals, wie sie das versteht: „Bete ohne Unterlaß um die Gnade, jede Deiner Handlungen in direkter Willensmeinung mit Gott, dem Wandel Jesu auf Erden und seinem bitteren Leiden zu vollbringen. Es gibt nichts, was man nicht durch eine gute Meinung heiligen könnte, sogar die Ruhe. ‚O Herr, in Vereinigung mit der Liebe, mit der Du Dich während Deines irdischen Lebens dem Schlaf, der Erholung hingegeben hast, will auch ich jetzt schlafen. Jeder Atemzug, jeder Pulsschlag sei eine Anbetung Deines göttlichen Willens, eine Fürbitte für die Bekehrung der Sünder, ein Beistand für die Sterbenden, ein Fürbittgebet für die Armen Seelen. Nimm diese gute Meinung an zur größeren Ehre der allerheiligsten Dreifaltigkeit, in Vereinigung mit Deinem bitteren Leiden und Sterben. Amen!‘ Du mußt nicht sklavisch Dich an diesen Meinungsausdruck halten, Du kannst, je nach den Zeiten des Kirchenjahres, verschiedene Meinungen erwecken, aber der Grundgedanke soll sein, die Ehre Gottes zu fördern und für Deine Mitmenschen zu bitten. Selig sind die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit erlangen!“ (Ebd. S. 94f).

Unser Leben ist ohne Übertreibung unendlich reich. Jeder Augenblick ist nämlich ein Gnadenangebot Gottes an Sein Geschöpf. Der Schlüssel zu dieser Gnade aber ist unser eigenes Herz, ist unsere persönliche Willensneigung. Für wen möchte ich diesen Augenblick verwenden? Wem möchte ich ihn schenken? Es geht für Dich darum, jede Deiner Handlungen in direkter Willensmeinung mit Gott, dem Wandel Jesu auf Erden und seinem bitteren Leiden zu vollbringen. Allein mit deinem Willen kannst Du alles in Gnade verwandeln oder nicht. Selbst die Zeit des Schlafes ist keine verlorene, verschlafene Zeit, wenn wir sie nur Gott anbieten, wie Mechthild Thaller es in dem Gebet formuliert. Bei allem Bemühen um den Wandel in der Gegenwart Gottes ist es jedoch wichtig, die innere Freiheit nicht zu verlieren. Unser Bemühen darf nicht zu einem Zwang werden, dieser würde alles verderben. Wir müssen immer bedenken, der Wandel in der Gegenwart Gottes ist eine Gnade, also ein Geschenk Gottes, um das man vor allem beharrlich beten muß. Nur dann, wenn wir beharrlich darum bitten, wird unser Bemühen wahre Frucht bringen.

Die Vertraute der Engel hatte nicht nur mit den hl. Engeln einen außerordentlich innigen Umgang, sondern auch mit den Armen Seelen. In ihrem Tagebuch findet sich folgende Aufzeichnung:

„Pater Policarp war heute bei mir. Er hat nur mehr die Pein der Sehnsucht nach der Anschauung Gottes zu erdulden. Als ich den Pater beglückwünschte, dankte er mir so demütig — er, der Priester, mir armen Sünderin. Obwohl ich es jetzt als Überhebung bekenne, fand ich in meiner Mitfreude kein anderes Wort als: „Im Namen Jesu wünsche ich Dir den seligsten Frieden!“ Dieser Wunsch steht doch nur den Priestern zu.
Der arme Pater aber verneigte sich und sprach: „Der Friede des Herrn ist allezeit mit Dir!“ Das ergriff mich so sehr, daß ich weinte. Ich schämte mich dessen und sagte: „O diese unnützen Tränen!“ Da lächelte der Pater und sprach: „Warum sollen diese Tränen überflüssig sein? Schon seit Deiner Kindheit vereinigtest Du Deine Tränen mit denen Jesu und Mariens und aller heiligen Büßer und Büßerinnen. Wie oft, wenn Du einen bedrängten Menschen weinen sahst, opfertest Du an seiner Stelle diese Tränen auf in Vereinigung mit den Tränen Christi. Dieses Weinen ist wahrlich nicht vergebens. Opfere auch alle Tränen Deiner frühesten Kindheit auf, Gott möge sie nachträglich noch so annehmen, als ob Du sie schon damals mit seinen Leiden und den Tränen Mariens vereinigt hättest. Die göttliche Barmherzigkeit erfüllt nicht nur dieses Verlangen, nein, sie eilt Deinen Wünschen voll Ungeduld entgegen. Faste, bete, gib Almosen, übe Selbstverleugnung und Gehorsam und Du wirst selig werden. Erwecke bei allem, was Du tust, die „gute Meinung“, es in Jesu Namen und mit Jesu Leiden zu verrichten, und Du wirst heilig und vollkommen. Wenn ich nur noch eine Stunde ins Leben zurückkönnte, ich würde nichts anderes tun, als über den unermeßlichen Wert der guten Meinung sprechen. Im Leben gab mir Gott die Gabe des Wortes. Ich war ein beliebter Prediger, ein gesuchter Beichtvater, ein guter Guardian, aber wenn ich alles gewußt hätte wie jetzt, würde ich immer nur gepredigt haben: „Vergeßt die gute Meinung nicht!“ Durch die ständige gute Meinung lernt man vollkommenen Gehorsam, vollkommene Reue, und kommt zu einer so brennenden Liebe, daß man an gar nichts anderes mehr denken kann als an Gott. Durch die ständige gute Meinung wirst Du heilig werden. Ich sage es Dir als Dank für Dein Gebet. Noch einmal komme ich, dann gehe ich ein zum ewigen Frieden.“ Damit verschwand er, ich aber fühlte mich sehr getröstet.“
(Irmgard Hausmann, Die Vertraute der Engel, Band 1, Miriam Verlag Jestetten 1984, S. 65f)

Das 19. Jahrhundert war ein sehr aufgewühltes, sozial unruhiges, revolutionäres Jahrhundert. Dennoch gab es damals noch ein erstaunlich lebendiges kirchliches Leben, das sich vor allem in der Gründung einer großen Zahl von Ordensgemeinschaften zeigte. Eine dieser Ordensgründerinnen war Maria Luise Christine Klara Fey, die am 11. April 1815 in Aachen als Kind einer angesehenen und begüterten Familie geboren wurde. Das fromme christliche Elternhaus wirkte auf Klara tief ein und formte schon früh ihren Glauben. Als sie 26 Jahre alt war, strahlte in ihrem Herzen ein Gedanke auf, der sie ihr ganzes Leben nicht mehr losließ: „Emmanuel! Gott mit uns! O meine Seele, und sollten wir nicht mit unserem Gott sein wollen?... Gott mit uns – warum sind wir denn nicht gern mit ihm, der uns so innig liebt?“ Eine nur allzu berechtigte Frage, die uns in die Dunkelheiten unserer Seele schauen und unsere große menschliche Schwäche begreifen läßt. Klara Fey ließ dieser Gedanke nicht mehr los und später als Gründerin ihrer Ordensgenossenschaft hat sie das schlichte Mittel der „Übung“ ersonnen, mit dem sie ihren Töchtern den beständigen Umgang mit ihrem göttlichen Bräutigam lehrte.

Die „Übung“ der Mutter Klara Fey

„Es ist eine Glaubenswahrheit, daß Gott überall gegenwärtig ist. Steigen wir hinauf gen Himmel, steigen wir hinab in die Hölle, begeben wir uns bis an das Ende des Meeres – überall ist unser Gott und Herr (Ps. 138,8); am nächsten aber ist er der Seele des Menschen, die er nach seinem Ebenbild geschaffen, die ihr Leben, ihr Dasein von seinem Hauch, von seinem Atem empfangen hat. Ja, im Innersten unseres Herzens wohnt und weilt der allmächtige Gott, dessen Thron die Himmel sind, dessen Fußschemel die Erde ist.
Wenn wir diese fest glauben, muß unser Herz sich dann nicht mit Trost und Freude erfüllen? Derjenige, den die Himmel nicht fassen (3 Kön. 8,27), derjenige, der die Himmel der Himmel mit Jubel und Wonne erfüllt, hat auch unser armseliges Herz zum Thron sich erkoren.
O Seele, was könnte tröstlicher sein!
Was aber muß diese göttliche Gegenwart in uns wirken? Wenn wir von ihr recht durchdrungen sind und das Andenken an sie überall mit uns tragen, wie rein und vorsichtig müssen wir da nicht wandeln, welche Kraft zu allem Guten müssen wir nicht aus dieser göttlichen Vereinigung ziehen! Wenn dein bester Freund, den du ehrst, den du liebst, allezeit bei dir wäre, würdest du da wohl vor dessen Augen etwas tun, was ihn beleidigen, was ihm mißfallen könnte? Gewiß nicht! Nun weicht aber dein Gott, dein Herr, dir nicht von der Seite; wie vollkommen müßte deshalb dein Wandel sein, wie rein und heilig deine Gedanken, die du vor ihm denkst, wie vorsichtig deine Worte, die du vor ihm redest, wie vollendet deine Werke, die du vor ihm verrichtest!
Die Heiligen sind auf diese Weise zur Heiligkeit gelangt. Der hl. Franz von Sales war nach dem Zeugnis einer Seele, die es gar wohl wissen konnte, in steter Liebesvereinigung mit seinem Herrn und lebte in stetem Andenken an den Geliebten. Die Finsternisse der Nacht waren ihm nicht schaurig, sondern lieblich wegen dieser süßen Gegenwart, die er alsdann ungestörter genießen konnte, wie er sich ausdrückt. Was aber wirkte der Gedanke an diese Gegenwart in dem Heiligen? Was bezeugen die Freunde des hl. Franz von Sales, die ihn beobachteten, auch wenn er sich allein glaubte? Man hat ihn nie sich träge anlehnen, nie einen Fuß über den anderen legen sehen, seine Haltung war allezeit so ehrfurchtsvoll wie die eines Menschen, der vor einem großen König sich befindet.
O Seele, du hast dieselben Mittel in Händen wie die Heiligen, willst du denn nicht anfangen, sie zu benutzen? Dein Gott ist in dir, wie er in ihnen war. Willst du denn aus dieser göttlichen Gegenwart nicht Nutzen ziehen, großen Nutzen, überschwenglichen Gewinn? Du hast zwei Augen: mit dem linken sollst du deine Geschäfte und Berufsarbeiten sehen, das rechte aber soll unverwandt den Bräutigam anschauen. – Du hast zwei Hände: die eine soll wirken aus Liebe im Dienste der Liebe, mit der anderen aber sollst du an deinem Herrn festhalten, auf Ihn dich stützen, ohne jemals nachzulassen. – Du hast zwei Ohren: das eine soll offen sein für die Bedürfnisse des Nächsten, das andere aber soll stets horchen und lauschen auf die Stimme des Geliebten, der im Innern weilt (Hohel. 5,2).
O Seele, so sollte es sein!
Wie aber wirst du dazu gelangen? Du mußt allmählich diese selige Gewohnheit zu erringen streben; du mußt jeden Morgen diese Übung dir vorsetzen und mittags und abends dich fragen, ob wohl eine halbe Stunde vergangen, wo du nicht an deinen Herrn gedacht, der mit dir ist, und ihn um Verzeihung bitten, wenn du ihn lange allein gelassen.
Das kürzeste Mittel aber ist, daß du den Herrn recht liebest; wenn du treu ihn liebst, wirst du auch treu und beständig an ihn denken; denn wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz (Matth. 6,21)
Übrigens soll diese Übung ohne Zwang und Unruhe geschehen; denn sie ist eine Gnade des Heiligen Geistes, der ein ruhiges, sanftes, demütiges Herz begehrt, um es mit derselben zu erfüllen.“
(Die „Übung“ der Mutter Klara Fey, Herder Freiburg im Breisgau 1931)

Hier spricht eine Meisterin des inneren Lebens. Aus der Glaubenswahrheit und -wirklichkeit fließt die praktische Anwendung. Anhand der wiederholten Betrachtung des Psalmwortes, „Ich sehe den Herrn allezeit vor meinen Augen, er ist zu meiner Rechten, damit ich nicht wanke“ (15,8), entwickelt sich Gedanke um Gedanke allmählich die Praxis der „Übung“. Ein anderer Psalmvers steht ihr sicherlich ebenfalls immer wieder vor Augen: „Wie der Knechte Augen auf die Hände ihrer Herren, wie der Magd Augen auf die Hände ihrer Gebieterin, so schauen unsere Augen auf den Herrn, unseren Gott“ (122,2). In einer Betrachtung dieses Psalmverses schreibt sie einmal: „Wir sind Mägde Christi; wir haben einen guten, einen vortrefflichen Herrn, wir haben den vollkommensten Herrn und Meister; es kommt nur darauf an, daß wir unsere Augen auf ihn richten, wie die Magd sie gerichtet hält auf die Hände ihrer Gebieterin. Tun wir dies, so werden wir von ihm lernen und vollkommen sein. – Bei jeder Gelegenheit, bei allen unseren Handlungen, beim Aufstehen und Schlafengehen, bei der Mahlzeit und bei der Erholung, bei jeder Arbeit und Pflichterfüllung, vorzüglich beim Gebet sollen wir uns fragen: Wie würde sich Jesus an meiner Stelle verhalten haben? O, da werden wir das vollkommenste Tugendmuster vor Augen haben, wonach wir uns richten können. Besonders aber, wenn Trübsal kommt und Widerwärtigkeit, wenn der Nächste uns zu leiden gibt, müssen unsere Augen schnell sich richten auf das geduldige Gotteslamm, von dem wir lernen sollen, sanftmütig zu sein und demütig von Herzen. – Wenn wir darin treu sind, stets auf den Herrn zu schauen, so werden wir bald die Livree unseres Meisters tragen, indem wir nach seinem Beispiel wandeln in herzlicher Demut, Liebe und Sittsamkeit“ (Ebd.).

Derjenige, der immer mehr auf die Gegenwart Gottes in unserer Menschenwelt achtet, wird von selbst auf eine besondere Art Seiner Gegenwart aufmerksam werden, die Gegenwart im Allerheiligsten Altarsakrament. Wo ist Gott mehr der „Emmanuel“, der „Gott mit uns“, als in unseren Tabernakeln? Mutter Klara betont selbst: „Der Kern, der Mittelpunkt ist Jesus im allerheiligsten Sakrament.“

Hören wir dazu nochmals ihre Ausführungen:

„Betrachten wir, welch herrliche Verheißung der Herr jenen macht, die sein Fleisch und Blut als Speise genießen: ‚Wer mein Fleisch ißt und mein Blut trinkt, der bleibt in mir und ich in ihm.‘ Nicht vorübergehend will der Herr in uns wohnen durch die heilige Kommunion, nein, sein Aufenthalt in uns soll geistigerweise ein beständiger sein: er bleibt in uns. Der nämliche Herr, der morgens in unser Herz eingekehrt, begleitet uns den ganzen Tag mit seiner Gnade und ist am Abend noch da, um uns zu beschützen in der Nacht.
Ein treffliches Mittel, unsere Gebete und Handlungen auf eine vollkommene Weise zu verrichten, wäre wohl dies, wenn wir bei allem, was wir tun – es sei Gebet oder Berufsarbeit – uns vorstellen, wir ständen gerade vom Kommuniontisch auf, und uns dann bemühen, so zu beten und zu arbeiten, als ob wir eben erst den Herrn empfangen hätten.
Wie würden wir dann vorsichtig wandeln, wie würden wir uns hüten, unserem erhabenen Gast zu mißfallen, wie sorgfältig würden wir in unseren Reden und Handlungen sein‘! Wie würden unsere Augen auf den Freund, der im Innersten der Seele weilt, gerichtet sein, wie würden wir in seinen Zügen forschen, ob wir ihm wohlgefallen, wie emsig würden wir unter seinen Augen unsere Berufspflichten erfüllen; wie aufmerksam und andächtig würden wir unser Gebet zu seinen Füßen verrichten!
Ja, es ist wirklich so: der Herr, der diesen Morgen bei uns eingekehrt, ist seiner Gottheit nach in unserem Herzen. Nehmen wir uns denn einmal vor, ehe wir ein Gebet oder eine Arbeit anfangen, zu dem Gast, der in unserer Seele weilt, zurückzugehen, als wäre er eben erst eingekehrt; es wird uns dies ein mächtiger Antrieb sein, nach seinem heiligen Wohlgefallen zu wandeln und immer mehr mit ihm vereint zu werden.“ (Ebd.).

Es leuchtet unmittelbar ein, die „Übung“ von Mutter Klara Fey ist immer auch eine ständige Übung unseres übernatürlichen Glaubens. Dieser wird durch die ständige Übung nicht nur einfach wachsen und fester werden, er wird zudem lebendiger, freudiger, zärtlicher, echter. Daraus ergibt sich auch, wie viel Ausdauer und Geduld man braucht, will man sich diese Übung aneignen. Hier gilt sicherlich das Sprichwort: „Rom wurde nicht an einem Tag erbaut.“

Mutter Klara lehrte ihren Schwestern die „Übung“ nicht nur, sie lebte sie ihnen täglich vor:

„Wie sehr die innere Sammlung und der vertrauliche Verkehr mit Gott unserer Mutter Klara gleichsam zur zweiten Natur geworden war, zeigte sich auch in der Erholungszeit. Obgleich sie immer den gehörigen Anteil an der Unterhaltung nahm und das in so ungezwungener, anziehender Weise, daß es allen Schwestern zur Freude gereichte, konnte man doch während jeder Erholungszeit mehrmals bemerken, wie ihr Herz sich zu dem wandte, den sie einzig liebte und allzeit suchte. Ihr selbst unbewußt – sonst hätte sie es ängstlich zu vermeiden gesucht – machte sie eine kleine Wendung des Hauptes, ihr Blick wurde leuchtender als gewöhnlich noch und nahm einen ganz innigen, sprechenden Ausdruck an.“ – „Wenn man viel mit ihr verkehrte, sah man deutlich den schönen, liebreichen Blick, den sie etwa alle Viertelstunden eben zur Seite wandte, wie um sich mit Innigkeit an jemand zu wenden.“

Das waren die Herzenserhebungen, die geistigen Kommunionen der Mutter Klara. Wobei Mutter Klara aber durchaus keinen verkrampften, gezwungenen Eindruck machte, sondern vollkommen ruhig und ausgeglichen war. Auch dazu noch ein Zeugnis: „Solche Herzenserhebungen geschahen aber keineswegs auf Kosten der Rekreation (Erholungszeit im Kloster), sie gehörten bei unserer Mutter selbstredend mit dazu, wie sie denn auch diese Stunden in der unbefangensten Weise zubrachte.“ Und noch eine Bemerkung der Schwestern: „Im Augenblick war die Mutter dann aber wieder bei der Sache, ernst oder fröhlich heiter, wie der Moment es eben von ihr verlangte.“

Mögen die Worte und Beispiele Mutter Klaras uns dazu ermuntern, in der hohen Kunst des inneren Lebens soweit voranzuschreiten, sodaß unser Leben beständig in der Gegenwart Gottes steht.