Gründonnerstag

Die wahre Religion kann nur eine Mysterienreligion sein, ist doch der wahre Gott für uns Menschen seinem Wesen nach unbegreiflich – also ein Geheimnis und zwar ein immerwährendes Geheimnis.

Es ist nun aber gar nicht so einfach zu unterscheiden, ob das Mysterium, das Geheimnis einer Religion, echt ist oder nicht – ob es wirklich göttlichen Ursprungs ist oder nur menschlichen oder gar dämonischen Ursprungs. Denn auch falsche Religionen sprechen vom Geheimnis, aber sie führen nicht zum wahren Gott, sie führen die Menschen in die Irre.

Für uns Katholiken ist das ganz anders, glauben wir doch an den menschgewordenen Gott und an die von IHM uns geschenkten hl. Sakramente. Wir wissen: In Jesus Christus wird uns das Geheimnis Gottes sichtbar vor Augen gestellt – und somit in seiner Wirklichkeit greifbar. Jesus ist unser Weg zum Vater – ER allein kann es sein, denn wie ER sagt: „Alles ist mir von meinem Vater übergeben worden; niemand kennt den Sohn als nur der Vater, und niemand kennt den Vater als nur der Sohn und der, dem es der Sohn offenbaren will.“ Wer sich Jesus anvertraut, der kann nicht in die Irre gehen. Jesus wird ihn den Vater offenbaren und ihn zum Vater führen.

Diese Einsicht hat auch ihre unmittelbare Folge für unser religiöses Leben. Dieses wird allein durch die heiligen Sakramente gnadenhafte Wirklichkeit. Das einzusehen ist entscheidend. Der katholische Glaube zeichnet sich durch einen Heilsrealismus aus, der letztlich atemberaubend ist.

Nach diesen vorbereitenden Gedanken können wir an die Ereignisse dieses Gründonnerstags herantreten. Der heutige Abend erinnert uns an eines der größten Ereignisse der Weltgeschichte: die Einsetzung des hl. Meßopfers und des Priestertums des Neuen Bundes. Der einzige wahre und ewige Hohepriester nach der Ordnung des Melchisedech feiert seine hl. Messe – ER feiert heute als Sakrament, was er erst morgen durchleben wird, denn in dieser hl. Messe nimmt ER das ganz Erlösungsopfer, all Sein Leiden und Sein Kreuz im Voraus auf sich. In dieses geheimnisvolle, sakramentale Opfer legt ER das ganze Heil der Welt – ER versiegelt es unter dem geheimnisvollen und gnadenwirksamen Zeichen dieses heiligen Sakramentes. Dabei vertraut ER dieses Geheimnis zuerst und vor allem den Priestern des Neuen Bundes an. Sie tragen fortan das Heil in ihren unwürdigen Priesterhänden, sie sind die Verwalter der Geheimnisse Gottes im Neuen Bund.

Es hat Gott im Laufe der Jahrhunderte gefallen, viele heilige Priester zu erwecken. Priester, die vollkommen aus dem Geheimnis des hl. Meßopfers lebten, weil ihr Glaube tief und lebendig genug war. Es ist etwas zutiefst Ergreifendes, deren Beispiele zu betrachten und sich vom Glauben und der Liebesglut dieser Priester nach dem Herzen Jesu entzünden zu lassen. Werfen wir darum an diesem Abend der Einsetzung des hl. Meßopfers einen Blick auf das Leben der Heiligen.

Beginnen wir mit dem hl. Leonard von Porto Maurizio. In seiner Lebensbeschreibung wird berichtet: „Die heilige Messe nannte er die Sonne des Christentums, die Seele des Glaubens, den Mittelpunkt der katholischen Religion, auf den alle Gebräuche, Zeremonien und die übrigen heiligen Sakramente hinzielen und den Inbegriff alles Guten und alles Schönen, welches in der Kirche Gottes sich finde. Diesem Glauben, den er gegen das hochheilige Sakrament hegte, ganz entsprechend war dann auch seine Andacht gegen dasselbe, besonders, wie gesagt, wenn er das heiligste Opfer darbrachte. Nie trat er an den Altar, ohne sich mit dem Cilicium (Bußgürtel) umgürtet und ohne zuvor dem ewigen Vater dreiunddreißigmal das kostbare Blut Jesu Christi zu Ehren der 33 Lebensjahre des Herrn aufgeopfert zu haben, um dadurch die Gnade zu erflehen, daß kraft dieses heiligsten Opfers seine Seele immerdar rein und unbefleckt bleiben möge. Schon beim Anlegen der heiligen Gewänder begleitete er jegliche Handlung mit so lebendigen Gefühlen des Glaubens und der Andacht, daß man die innere Glut, die in seiner Brust verschlossen war, auch äußerlich sichtbar gewahrte.“

„Beim Hingehen zum Altar pflegte er sich vorzustellen, als besteige er den Kalvarienberg; Mit dem Auge des Glaubens sah er dann die Allerheiligste Dreifaltigkeit, wie sie von allen Engeln und Heiligen begleitet, bereit stand, das Opfer, welches er darzubringen im Begriffe war, anzunehmen. Schon sein Gang war so andächtig und so angemessen, daß er allen, welche ihn sahen, wie ein Mann erschien, der über sich erhoben und ganz in seinem Gott versunken war. Und dieselbe Sammlung gewahrte man auch, so lange er am Altar stand und dies Opfer feierte. Um Zerstreuungen möglichst vorzubeugen und mit seinem ganzen Gemüte in Gott gegründet zu bleiben, hatte er die Vorsorge getroffen, die heilige Messe in fünf Teile einzuteilen: in die Vorbereitung, den Eingang bis zum Offertorium, die Opferung, die Kommunion und die Danksagung. In dem ersten Teil von dem Beginn bis zum Introitus verrichtete er innere Akte der Reue und Verdemütigung, indem er sich unwürdig bekannte, ein so erhabenes, großes Opfer darzubringen. Im zweiten Teil vom Introitus bis zum Schluß des Credo richtete er seine ganze Aufmerksamkeit auf den Sinn der Worte, welche er auszusprechen hatte, um aus denselben jenes Licht zu schöpfen, welche Gott an dieselben zu knüpfen geruhen würde. Im dritten Teil, der vom Offertorium bis zur Kommunion sich erstreckte, war er bemüht, jene vier Hauptzwecke sich lebendig zu vergegenwärtigen, die man beim heiligen Meßopfer haben soll, nämlich: Gott den Herrn zu loben und zu ehren, seiner Gerechtigkeit Genugtuung zu leisten für die unzähligen Sünden, ihm zu danken für die unzähligen Wohltaten, die man empfange, und endlich ihn um neue Wohltaten zu bitten. Zu dem letzten Teil, von der Kommunion bis zum Ende der Messe, vereinigte er mit den üblichen Gebeten die lebendigsten Danksagungen gegen den im Allerheiligsten gegenwärtigen Heiland, den er nun in seinem Herzen trug. Sein Gebet war alsdann nur ein Anbetungs- und Liebesakt. Wenn ihm wohl einmal gesagt wurde, er sei doch auch dar zu langsam bei der Feier der heiligen Messe, antwortete er auf der Stelle: ‚Wißt ihr denn nicht, daß es mein größter Trost ist, die heilige Messe zu lesen, und daß es für mich keinen größeren Schmerz gibt, als einen Priester zu sehen, der eilfertig Messe liest? Hätten wir einen lebendigen Glauben, wir würden alle nicht wissen, wie wir vom Altar wegkommen sollten!‘“

Erwägt man die reichen Akte, welche der Heilige im Laufe einer hl. Messe erweckte, so erkennt man auch den unerschöpflichen Gnadenreichtum jeder hl. Messe, ist doch dieser die Voraussetzung für all seine Gedanken, Worte, Anmutungen. Auch sieht man, daß nur eine wahre Andacht, die mit dem Geheimnis vereinigt diese Schätze für einem selbst fruchtbar machen kann. Der Biograph fährt weiter: „Daß in der Tat sein Glaube so beschaffen und es deshalb seine höchste Wonne war, dem ewigen Vater seinen eingeborenen göttlichen Sohn darbringen zu dürfen, das ließ er ganz besonders durchblicken bei der heiligen Wandlung, wobei er innerlich so entflammt war, daß sein Antlitz glühte, und bei der heiligen Kommunion, wo er so ganz voll Freude zu sein und wie ein Freund mit seinem vertrautesten Freunde sich zu unterreden schien. Kurz, während der ganzen heiligen Messe schien er völlig außer sich und auf- und untergegangen in seinem sakramentalischen Herrn.“

Der hl. Leonard von Porto Maurizio war Missionar und als solcher natürlich eifrig bestrebt, dem katholischen Volk, die Reichtümer des hl. Glaubens nahe zu bringen. Auch darüber weiß unser Biograph Erstaunliches zu berichten: „Hierauf beschränkte sich jedoch die Andacht unseres Heiligen zu dem allerheiligsten Sakrament nicht; er bemühte sich aus allen Kräften, daß es von anderen verehrt und angebetet würde. In allen Missionen schärfte er es seinen Zuhörern mit dem brennendsten Eifer ein, daß sie das allerheiligste Sakrament zu den Kranken mit möglichst größter Feierlichkeit und recht vielen brennenden Kerzen begleiten möchten. Der Erfolg solcher Ermahnungen blieb nicht aus. An vielen Orten, wo die heilige Wegzehrung vormals fast ganz unbeachtet zu den kranken gebracht wurde, sah man es nach der Mission unter zahlreichen Gleite in der erbauensten Weise einhergetragen. Ganz besonders auffallend war dies in Ancona, wo er in seinen Predigten unter anderem darauf aufmerksam machte, wie sehr es die vielen Fremden, welche von verschiedenen Nationen und Religionen in ihrem Seehafen zusammenströmten, erbauen würde, wenn sie die Ehrfurcht sähen, womit die Katholiken der Stadt ihren sakramentalischen Gott über die Straßen begleiteten. Diese seine Ermahnung hatte eine solche Wirkung, daß die Bürger seitdem scharenweise herbeieilten, wenn das Allerheiligste zu den Kranken getragen wurde. Zählte man doch bei einem Zuge mitunter fünfhundert Lichter.“

Da kann man nur seufzend feststellen: Das waren noch andere Zeiten als heute. Ein Versehgang durch eine lebensprühende italienische Stadt – und fünfhundert Katholiken begleiten mit brennenden Kerzen in der Hand das Allerheiligste zum Sterbenden.

Hierzu wollen wir noch ein Beispiel aus dem Leben des hl. Franz Borgia, Herzog von Gandia, später Priester der Gesellschaft Jesu und schließlich Jesuitengeneral anfügen. Dieses Beispiel, Franz von Borgia war noch Herzog von Gandia, läßt einen ahnen, was ein katholischer Staat ist.

„Eines Tages“, so erzählt des Heiligen Sohn, Karl von Borgia, „befanden wir uns auf der Jagd zerstreut, ziemlich weit von Gandia, unsere Gedanken ganz darauf gerichtet, die Jagd fortzusetzen, als plötzlich mein Vater still hielt, ein wenig horchte und rief: ‚Man läutet‘, womit er das Zeichen der Glocke in Gandia zum Tragen der heiligen Wegzehrung zu einem Kranken meinte. Wir blieben sämtlich stehen und horchten. Trotz unseres guten Gehörs konnten wir nichts vernehmen; ja wir hätten auch das größte Geläute von Gandia in einer zwei Stunden weiter Entfernung auf der Wiese im Tale von Alfandach oder in den Ebenen von Torre di Xario gar nicht hören können. Er aber blieb fest dabei, daß man läute, verwunderte sich, daß wir jungen Männer mit besserem Gehör nichts vernahmen, was er doch so deutlich höre, wandte sein Pferd um und jagte nach Gandia zurück. Wir folgten, und als wir anlangten, fanden wir in der Tat gegründet, daß man das Zeichen mit der Glocke gegeben habe und der Priester sich zum Ausgange mit dem Allerheiligsten rüste.“ – Unser Biograph bemerkt abschließend noch dazu: „Aus diesem Zeugnis des Sohnes des Heiligen dürfte nicht unwahrscheinlich hervorgehen, daß es vielmehr der Schall einer inneren Stimme, als der einer Glocke war, der ihn vernehmen ließ, was die Übrigen mit besserem Gehör bei aller Aufmerksamkeit nicht zu hören vermochten.“

Kommen wir nun noch auf die Andacht beim Empfang der hl. Kommunion zu sprechen. Auch hier sind natürlich die Heiligen unsere großen Vorbilder. Hören wir eine Aufzeichnung des heiligen Johannes Berchmans über die Vorbereitung und den Empfang der heiligen Kommunion: „Auf dem Wege (zum Tisch des Herrn) bedenke ich, was ich tun will, nämlich das wahre Fleisch und Blut des Sohnes Gottes und des Sohnes der heiligsten Jungfrau empfangen; dann lade ich meine Schutzpatrone ein, mir mein Herz zu bereiten. An Ort und Stelle bitte ich um Gnade und erneuere die in der Frühe gemachte Meinung (nämlich: Alles, was ich heute denken, reden oder tun werde, soll nur zur Ehre Gottes und zur Danksagung für die Wohltat der heiligen Kommunion geschehen…); dann bedenke ich ein wenig mein Elend, meine Sünden und meine Unvollkommenheit; erwecke zuerst Reue und Leid über jede Sünde, welche ich begangen, und den aufrichtigen Vorsatz zur Besserung. Vom Offertorium bis zum Sanktus bete ich irgend ein frommes mündliches Gebet, dann gehe ich bis zur Wandlung das ganze Leiden Christi durch; unter der Wandlung bedenke ich, wie derselbe Christus vom Himmel auf den Altar niedersteigt und zwar, um bald in meine Seele einzugehen; dann bete ich ihn an mit den Worten des heiligen Thomas: 'Du, Christus! Bist der König der Glorie usw.'; dann verharre ich in den Akten des Glaubens und der Liebe bis zum Pater noster. Hierauf beginne ich, nach Christus zu seufzen mit den Worten: 'Wer wird mich dich, meine Bruder, geben usw. Meine Seele dürstet nach dem starken und lebendigen Gott usw. Mein Geliebter kommt in seinen Garten usw.' Diese Anmutungen opfere ich Christus durch die heilige Jungfrau auf und stelle mir vor, wie er antwortet: 'Ich will kommen und ihn heilen' und dann spreche ich demütig: 'O Herr! Ich bin nicht würdig usw. – In deine Hände, o Herr! empfehle ich meinen Geist. – Der Leib unseres Herrn Jesus Christus bewahre meine Seele zum ewigen Leben. Amen.'“

„Sobald ich die heilige Hostie empfangen habe, erwecke ich einen Akt des Glaubens, daß das, was ich empfangen habe, wahrhaft der Sohn Gottes und der heiligen Jungfrau sei, dann frage ich mit aller Demut: ‚Woher geschieht mir dies, daß mein Herr zu mir kommt?‘ Dann mache ich die Danksagung mit einem mündlichen Gebet und bitte, daß meine Schutzpatrone dasselbe tun; dann opfere ich ihm meinen Leib und meine Seele auf, mache ihm noch besonders ein kleines Geschenk, z.B. mit einer Abtötung; dann bringe ich ihm meine Gelübde dar, indem sich sie erneuere; dann mache ich den festen Vorsatz, seiner Mutter, der heiligen Jungfrau, zu dienen und spreche das Bruderschaftsgebet; endlich wende ich mich an Gott Vater und bitte, er möge auf das Angesicht seines Gesalbten schauen und flehe durch seine heiligen fünf Wunden um Alles, wie oben. Zum Schluß mach ich wieder eine Danksagung und bitte um Verzeihung, daß ich ihn nicht würdig genug geehrt habe und spreche den Psalm: ‚Lobet den Herrn alle Völker usw.“ (Alle Beispiele sind aus dem „Eucharistie-Buch“ von G. Ott aus dem Jahr1868 genommen.)

Wir sehen, wie reich das Innenleben dieses Heiligen war und welche Sorgfalt er darauf verwendete, besonders bei der hl. Kommunion in das Geheimnis der kleinen weißen Hostie einzudringen – und im Vergleich dazu kommen wir uns sicherlich armselig vor.