Tätige Teilnahme - Teil 2

1. Im ersten Teil dieser Arbeit haben wir im Anschluß an Dr. Byrne unserem sinistren Verdacht Ausdruck verliehen, finstere Kräfte im Vatikan hätten bereits im Jahr 1903 die Worte des hl. Pius X. verfälscht und so hinterrücks die „tätige Teilnahme“ der Gläubigen in sein „Motu proprio“ über die Kirchenmusik eingeschmuggelt, die dort ursprünglich gar nicht zu finden war. Damit lagen wir falsch. Tatsächlich stammt der Ausdruck original von Pius X. selber, wie uns ein aufmerksamer Leser aufklären konnte.

Wir zitieren aus seinem Schreiben: „Ich glaube ..., daß sich zum hl. Pius X. leider eine Fehlinterpretation eingeschlichen hat, die so nicht stehen bleiben sollte, wenn auch, wie ich glaube, Ihre Argumentation davon nicht wesentlich beeinträchtigt wird. Es liegt mir natürlich fern, der 'actuosa participatio', so, wie sie sich in der liturgischen Bewegung entwickelt hat, das Wort zu reden. Wir wissen alle, wie diese Tendenz immer mehr ausgeartet ist. Ich glaube aber, und das muß man klar bedauern, daß auch der hl. Pius X. (wie später in verstärktem Maße die Päpste Pius XI. und Pius XII.) in diesem Zusammenhang ungewollt gewissen Tendenzen Vorschub geleistet hat, die dann zu Praktiken geführt haben, die nicht in seinem Sinne und im Sinne der Kirche waren und sind.“

Weiter: „Sie schreiben (aufgrund einer Studie von einer Frau Dr. Byrne, ich glaube 'Carol' ist eine Frau!): 'Das Motu proprio Papst Pius‘ X. [erschien] in den 'Acta Sanctae Sedis' (ASS) des Jahres 1903 in zwei Versionen, einer italienischen und der lateinischen. Die italienische fand sich mehr als fünfzig Seiten vor der lateinischen Version, mit etlichen anderen Dokumenten dazwischen. Auch war die italienische Fassung vom 22. November datiert, die lateinische mit 'X Kalendas Decembris', was zwar dasselbe Datum in der lateinischen Zählweise darstellt, einen der Sache unkundigen Leser jedoch verleiten könnte zu glauben, die lateinische Fassung sei erst im Dezember nach der italienischen entstanden. Das ist deshalb von Bedeutung, weil schon die italienische Übersetzung den eigentlichen Sinn der Aussage des hl. Pius X. an der genannten Stelle verfälscht.' Nun ist aber die italienische Fassung, entsprechend ihrer Erstveröffentlichung, gut 50 Seiten vor der lateinischen, in der Tat die Originalfassung dieses Motu proprio, das der Papst selber in seiner Muttersprache geschrieben hat. Somit ist der italienische Wortlaut der primär vom Papst intendierte und authentische. Entsprechend heißt es auf S. 329 der ASS 36/1903, wo der italienische Text abgedruckt wird, in einer Fußnote: Haec Instructio de Musica sacra, quamvis a Romano Pontifice italico idiomate exarata sit, tamen totum catholicum Orbem respicit; proindeque nos omnibus lectoribus nostris prospicere volentes, eiusdem versionem latinam, quam maxime fidelem in proximo fasciculo dabimus. Und im nächsten Heft erscheint dann tatsächlich wie angekündigt die lateinische Übersetzung, offenbar von der Redaktion der ASS verfaßt, und dazu S. 387 die Bemerkung: Textus officialis, italice exaratus, prostat in hoc ipso volumine pag. 329 (hier vernetzt: http://www.vatican.va/archive/ass/documents/ASS-36-1903-4-ocr.pdf ; zahlreiche Scanfehler, auch in den Seitenzahlen).“

Unser Leser kommt daher zu dem Fazit: „Offensichtlich ist also die lateinische (und dann auch andere Fassungen) tatsächlich nach der italienischen entstanden und liegt keine Verfälschung der Aussagen des Papstes vor. Trotz dieser Einschränkung meine ich, daß Ihre Schlußfolgerung aufrechterhalten werden kann.“ Wir hatten damals geschrieben: „Der Papst will somit sagen: Der Gregorianische Choral, wie er seit Jahrhunderten in der Kirche gepflegt wurde, soll durch geschulte männliche Sängerscholen in den verschiedenen Kirchen wieder verstärkt eingeführt und gesungen werden, um so den Gläubigen wieder zu jener innigen und innerlichen Anteilnahme an der Liturgie zu verhelfen, wie sie von jeher üblich war und in neuerer Zeit durch gewisse kirchenmusikalische Entgleisungen verdunkelt wurde.“ Dies hält unser Leser für zutreffend, denn „auch die italienischen Ausdrücke des Papstes nell’uso del populo (= apud populum, aber doch eigentlich sinngleich!), parte più attiva (=vehementius), come anticamente solevasì (=gemäß dem mos maiorum =wie von jeher üblich, eigentlich auch fast sinngleich!) lassen bei ihrer doch sehr allgemein gehaltenen Aussagekraft (die in der lateinischen Version wohl bewußt noch allgemeiner wurde, wie Sie bemerkt haben) m.E. nicht die pointierten viel weiter gehenden (und katholischerseits nicht mehr zu vertretenden) Schlüsse zu, welche die Neuerer, allen voran Dom Beauduin, einige Jahre später darin lesen wollten und allgemein einführen bzw. auferlegen (auch schon allein deswegen, daß die Stillmessen in diesem Motu Proprio überhaupt nicht einbezogen sind, und also das laute Mitbeten keineswegs im Sinne des hl. Papstes gewesen sein kann).“

2. Wir sind unserem aufmerksamen Leser sehr dankbar und freuen uns, solche Leser zu haben. Es bleibt also dabei, daß der hl. Pius X. mit seiner „tätigen Teilnahme“ etwas ganz anderes im Auge hatte als Beauduin und die übrigen „Neuerer“. Zumal er, wie wir gesehen haben, den Choralgesang als liturgischen Dienst im eigentlichen Sinn betrachtete und ihn daher ausschließlich Männern oder Knaben vorbehielt, was erst unter Pius XI. und vollends unter Pius XII. aufgeweicht wurde. Zur Erinnerung: Pius X. betonte in seinem „Motu proprio“ noch, „daß die Sänger in der Kirche ein echtes liturgisches Amt ausüben und daß daher Frauen, die doch zu einem solchen Amt nicht fähig sind, zur Mitwirkung in der Schola oder im Chor nicht zugelassen werden dürfen“. In der Enzyklika Papst Pius‘ XII. über die Kirchenmusik, „Musicae sacrae disciplina“, vom 25. Dezember 1955 hingegen lesen wir: „Wo aber solche Sängerscholen nicht eingerichtet werden können oder sich die entsprechende Zahl von Sängerknaben nicht findet, ist es gestattet, daß ‚ein Chor von Männern und Frauen oder Mädchen an einem nur für ihn bestimmten Platz außerhalb des Altarraumes im Hochamt die liturgischen Texte singen könne, vorausgesetzt, daß die Männer von den Frauen und Mädchen ganz getrennt sind…‘.“

Wir hatten gesehen, wie weit die „tätige Teilnahme“ der Gläubigen am Ende des Pontifikats von Pius XII. bereits fortgeschritten war, nicht zuletzt dank der liturgischen „Reformen“, welche die von ihm eingesetzte liturgische Kommission mit dem Sekretär Annibale Bugnini erarbeitet hatte. Bugnini soll als Bruder „Buan“ Mitglied der Freimaurer gewesen sein und von diesen den Auftrag zur Zerstörung der katholischen Liturgie erhalten haben. Wie dem immer sei, er hätte wohl kaum besser im Sinne der Freimaurerei agieren können.

Am 28. Oktober 1958 war Roncalli zum Gegenpapst „Johannes XXIII.“ erhoben worden, und schon im Januar 1959 kündigte er sein „Ökumenisches Konzil“ an, welches den Ideen der Neuerer endgültig den Durchbruch verschaffen sollte. In liturgischen Dingen war Roncalli eher konservativ. Auch als „Johannes XXIII.“ feierte er zumindest 1959 noch die Karwoche nach der alten, vor-bugninischen Form. Die von Pius XII. eingesetzte liturgische Kommission beendete ihr Werk im Jahr 1960. Ihr vorläufiges Ergebnis erschien in Gestalt neuer liturgischer Bücher im Jahr 1962, die sog. „Bücher Johannes' XXIII.“, nach welchen sich heute die „traditionalistischen“ Gemeinschaften richten.

Von 1960 bis 1962 fungierte Bugnini abermals als Sekretär, diesmal der zur Vorbereitung des „II. Vatikanums“ gebildeten Liturgischen Kommission. In dieser Eigenschaft hatte er Gelegenheit, maßgeblich den Text des Liturgieschemas zu entwerfen, der dann vom „II. Vatikanum“ verabschiedet werden sollte. Im Jahr 1962 fiel er aus irgendwelchen Gründen bei Roncalli in Ungnade und wurde von seinen Ämtern entfernt. Er war der einzige Sekretär einer vorbereitenden Konzilskommission, der nicht in die entsprechende Kommission des „Konzils“ selbst übernommen wurde. Doch sein Schema machte auch ohne ihn seinen Weg, bevor er 1964 von Montini, dem Nachfolger des 1963 verstorbenen Roncalli, abermals in eine neugeschaffene Liturgische Kommission berufen wurde, die nunmehr die vom „Konzil“ beschlossenen „Reformen“ umsetzen sollte. Und wieder arbeitete die Kommission im Geheimen, direkt unter dem „Papst“ und an der Gottesdienstkongregation vorbei.

3. Damit zur „Konstitution über die heilige Liturgie“ des „II. Vatikanums“ mit dem Titel „Sacrosanctum Concilium“ (SC). Laut Rahner-Vorgrimler (Kleines Konzilskompendium, Freiburg/Br., 20. Aufl. 1987) wurde diese „von der Vorbereitenden Kommission“ mit dem Sekretär Bugnini „entworfen“. „Das nachträglich etwas abgeschwächte Schema“ - so viel konnten die „konservativen“ unter den „Konzilsvätern“ immerhin erreichen - „wurde vom 22. Oktober 1962 ab als erster Konzilstext diskutiert und im November als Ganzes angenommen. Abänderungsvorschläge wurden bis Mai 1963 eingearbeitet. Im Oktober 1963 konnten bereits detaillierte Abstimmungen stattfinden, wobei neuerlich Änderungsvorschläge vorgebracht wurden. Die feierliche Schlußabstimmung ergab 2147 Ja- gegen 4 Nein-Stimmen; am gleichen Tag, dem 4. Dezember 1963, wurde die Konstitution feierlich verkündet.“

Trotz gewisser Abschwächung und mancher Änderungen blieb das Schema der Bugnini-Kommission in seiner Substanz erhalten. Die „tätige Teilnahme“ der Gläubigen nimmt erwartungsgemäß eine eminente Stellung darin ein. So ist bereits der zweite Abschnitt des ersten Kapitels, welches „Allgemeine Grundsätze zur Erneuerung und Förderung der heiligen Liturgie“ behandelt, überschrieben: „Liturgische Ausbildung und tätige Teilnahme“. Dieser Abschnitt beginnt mit der Nummer 14 des Dokuments, und darin liest es sich so: „Die Mutter Kirche wünscht sehr, alle Gläubigen möchten zu der vollen, bewußten und tätigen Teilnahme an den liturgischen Feiern geführt werden, wie sie das Wesen der Liturgie selbst verlangt und zu der das christliche Volk, 'das auserwählte Geschlecht, das königliche Priestertum, der heilige Stamm, das Eigentumsvolk' (1 Petr 2,9; vgl. 2,4-5) kraft der Taufe berechtigt und verpflichtet ist. Diese volle und tätige Teilnahme des ganzen Volkes ist bei der Erneuerung und Förderung der heiligen Liturgie aufs stärkste zu beachten, ist sie doch die erste und unentbehrliche Quelle, aus der die Christen wahrhaft christlichen Geist schöpfen sollen.“

Wir sehen, wie die Ideen Beauduins hier in vollem Umfang durchgeschlagen haben. Denn „alle Gläubigen“, das ganze „christliche Volk“ ist „kraft der Taufe berechtigt und verpflichtet“ zur „vollen, bewußten und tätigen Teilnahme an den liturgischen Feiern“. Diese „volle und tätige Teilnahme“ ist „die erste und unentbehrliche Quelle“ für den „wahrhaft christlichen Geist“. Da kann man nur schaudern, wie sträflich die Gläubigen vergangener Jahrhunderte bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts hinein diese ihre so strenge Pflicht vernachlässigt haben bzw. dieser durch den bösen „aristokratischen“ Klerus beraubt worden waren, und braucht sich nicht wundern, daß sie keinen „wahrhaft christlichen Geist“ mehr hatten, den erst die Neuerer wundersamer Weise wieder entdeckt und uns nun zurückgegeben haben.

Das allgemeine Priestertum der Gläubigen, welches diesen durch die Taufe verliehen wird, war eine der Lieblingsideen Martin Luthers. Sie diente ihm dazu, das Weihe-Priestertum gänzlich abzuschaffen und durch ein Laien-Priestertum zu ersetzen. Im Protestantismus kann grundsätzlich jeder Laie, ob Mann oder Frau, predigen und das „Abendmahl“ feiern. Taufe und „Abendmahl“ genügen daher als Sakramente. In Wahrheit jedoch ist es nicht so. Zwar gibt es zweifellos ein allgemeines Priestertum aller Getauften, wovon ja auch der heilige Petrus spricht, den das „II. Vatikanum“ zitiert. Die Taufe bewirkt eine Eingliederung in den Mystischen Leib Christi und verleiht daher auch Anteilnahme an Seinem Hohepriestertum. Doch wie genau sieht diese Anteilnahme aus?

J.B. Heinrich schreibt in seiner Dogmatik (Bd. 9, 1901 S. 299) über die Wirkungen der Taufe: „Zugleich gibt der Taufcharakter dem Christen eine amtliche Stellung in dem kirchlichen Organismus.“ Er führt aus: „Die Gliederung dieses Organismus wird durch den dreifachen Charakter der drei Sakramente, welche Untertanen [Taufe], Streiter [Firmung] und Priester Christi [Priesterweihe] besiegeln, hergestellt. Dem Taufcharakter als dem ersten und allgemeinsten kommt es zu, die Christen aus der Welt auszuscheiden, die Christen von den Nichtchristen zu unterscheiden und alle Glieder des Leibes Christi einheitlich miteinander zu verbinden, die Einheit der Kirche in realer Weise herzustellen.“ Weiter: „Durch den Charakter bekommt der Getaufte alle Rechte und übernimmt alle Pflichten eines Untertanen Christi, eines Gliedes seines mystischen Leibes. Durch die Taufe wird der Christ erst befähigt, aber auch berechtigt, alle übrigen Sakramente, sowie alle Segnungen und Wohltaten, welche der Herr in seiner Kirche niedergelegt hat, zu empfangen“ (ebd. S. 300).

Das allgemeine Priestertum der Getauften besteht also in der Befähigung und Berechtigung dazu, „alle übrigen Sakramente, sowie alle Segnungen und Wohltaten, welche der Herr in seiner Kirche niedergelegt hat, zu empfangen“, darunter vor allem auch die Wirkungen des heiligen Meßopfers. Es besteht aber nicht darin, die heilige Messe selber zu feiern oder andere liturgische Handlungen vorzunehmen; dafür gibt es im Mystischen Leib Christi einen eigenen Stand, welcher den Charakter des Priestertums trägt. Dem Priester allein steht es zu, das Altarsakrament zu spenden, dem Gläubigen jedoch gebührt das Recht, das Altarsakrament aus der Hand des Priesters zu empfangen. Da sehen wir so recht den Unterschied zwischen dem Priestertum, zu welchem den Charakter der Priesterweihe ermächtigt, und dem allgemeinen Priestertum der Laien, zu welchem die Taufe befähigt. Wir sehen zugleich jene wunderbare hierarchische Gliederung, welche dem Mystischen Leib Christi gebührt.

Die Ordnung, die in der Kirche immer herrschte, war dieser Struktur vollkommen angemessen und entsprechend. Der Priester ist derjenige, der die Heilige Messe „liest“ und vollzieht, der Laie ist es, der die Messe „hört“ und innerlich mitvollzieht. Dieser innerliche Mitvollzug besteht im wesentlichen in drei inneren Akten: Aufopferung, Anbetung, Vereinigung mit dem göttlichen Erlöser; entsprechend den drei Hauptakten der Heiligen Messe, die der Priester am Altar vollzieht: Opferung, Wandlung, Kommunion. Das ist die wahre „tätige Teilnahme“ der Gläubigen, das „allgemeine Priestertum“ der Getauften.

4. Daß diese innere Teilnahme den „liturgisch bewegten“ Neuerern nicht mehr genügte, haben wir bereits gesehen. Und so fand es schon Pius XI., wie wir gleichfalls gesehen haben, „in der Tat höchst notwendig, daß die Gläubigen nicht wie Fremde oder stumme Zuschauer [!], sondern, von der Schönheit der Liturgie zuinnerst ergriffen, an den heiligen Zeremonien so teilnehmen, daß sie mit dem Priester und dem Sängerchor nach den gegebenen Vorschriften im Gesange abwechseln“, also auch äußerlich tätig sind. Im gleichen Sinn ermahnt denn auch die Konstitution „Sacrosanctum Concilium“ in Nr. 19: „Die Seelsorger sollen eifrig und geduldig bemüht sein um die liturgische Bildung und die tätige Teilnahme der Gläubigen, die innere und die äußere, je nach deren Alter, Verhältnissen, Art des Lebens und Grad der religiösen Entwicklung. Damit erfüllen sie eine der vornehmsten Aufgaben des treuen Spenders der Geheimnisse Gottes.“

In der Nr. 21 der Konstitution wird die „volle und tätige Teilnahme“ der Gläubigen zum Hauptziel der gesamten liturgischen „Reformen“ erklärt: „Damit das christliche Volk in der heiligen Liturgie die Fülle der Gnaden mit größerer Sicherheit erlange, ist es der Wunsch der heiligen Mutter Kirche, eine allgemeine Erneuerung der Liturgie sorgfältig in die Wege zu leiten. … Bei dieser Erneuerung sollen Texte und Riten so geordnet werden, daß sie das Heilige, dem sie als Zeichen dienen, deutlicher zum Ausdruck bringen, und so, daß das christliche Volk sie möglichst leicht erfassen und in voller, tätiger und gemeinschaftlicher Teilnahme mitfeiern kann.“

Für die in Angriff genommene „allgemeine Erneuerung der Liturgie“ werden uns nun „Regeln aus der Natur der Liturgie als einer hierarchischen und gemeinschaftlichen Handlung“ vorgelegt. Deren erste lautet: „Die liturgischen Handlungen sind nicht privater Natur, sondern Feiern der Kirche, die das 'Sakrament der Einheit' ist; sie ist nämlich das heilige Volk, geeint und geordnet unter den Bischöfen. Daher gehen diese Feiern den ganzen mystischen Leib der Kirche an, machen ihn sichtbar und wirken auf ihn ein; seine einzelnen Glieder aber kommen mit ihnen in verschiedener Weise in Berührung je nach der Verschiedenheit von Stand, Aufgabe und tätiger Teilnahme“ (Nr. 26).

Die Kirche als „Sakrament der Einheit“ ist ebenfalls ein Lieblingstopos der Neuerer. Demnach ist die Kirche berufen, die Einheit der Menschen untereinander und mit Gott herzustellen, sodaß sie in erster Linie gemeinschaftsstiftenden Charakter hat und nicht so sehr als Heilsanstalt zur Rettung und Heiligung der Seelen dient. Darum muß auch die Liturgie und namentlich die Messe, in welcher dieser Zug der Kirche zum Ausdruck kommt, vor allem Gemeinschaftscharakter haben. Daraus folgt: „Wenn Riten gemäß ihrer Eigenart auf gemeinschaftliche Feier mit Beteiligung und tätiger Teilnahme der Gläubigen angelegt sind, dann soll nachdrücklich betont werden, daß ihre Feier in Gemeinschaft - im Rahmen des Möglichen - der vom Einzelnen gleichsam privat vollzogenen vorzuziehen ist. Das gilt vor allem für die Feier der Messe - wobei bestehen bleibt, daß die Messe in jedem Fall öffentlichen und sozialen Charakter hat - und für die Spendung der Sakramente“ (Nr. 27).

Die Messe ist also „gemäß ihrer Eigenart auf gemeinschaftliche Feier mit Beteiligung und tätiger Teilnahme der Gläubigen angelegt“, weshalb ihre „Feier in Gemeinschaft ... der vom Einzelnen gleichsam privat vollzogenen vorzuziehen ist“. Eigentlich müßte man dann auf die „vom Einzelnen gleichsam privat vollzogenen“, die sog. Privatmessen, ganz verzichten, da sie ja der „Eigenart“ der Messe nicht entsprechen, doch ganz so weit konnten die Neuerer damals noch nicht gehen. Sie wollen jedoch, daß bei den liturgischen Feiern „jeder, sei er Liturge oder Gläubiger, in der Ausübung seiner Aufgabe nur das und all das tun, was ihm aus der Natur der Sache und gemäß den liturgischen Regeln zukommt“ (Nr. 28). Erstmals gibt es auch für die teilnehmenden Gläubigen eine „Aufgabe“ mit entsprechenden „liturgischen Regeln“. Daher rühren die Anordnungen, wie die Gläubigen sich in der Heiligen Messe zu verhalten haben, wann sie aufstehen und wann sie hinsitzen müssen usw., wie sie auch bei den „Traditionalisten“ unserer Tage im Schwange sind. Kirchliche Tradition ist das nicht, wohl aber Tradition der „Liturgischen Bewegung“ mit ihrer „tätigen Teilnahme“.

Tatsächlich lesen wir in Nr. 30: „Um die tätige Teilnahme zu fördern, soll man den Akklamationen des Volkes, den Antworten, dem Psalmengesang, den Antiphonen, den Liedern sowie den Handlungen und Gesten und den Körperhaltungen Sorge zuwenden. Auch das heilige Schweigen soll zu seiner Zeit eingehalten werden.“ Und in Nr. 31: „Bei der Revision der liturgischen Bücher soll sorgfältig darauf geachtet werden, daß die Rubriken auch den Anteil der Gläubigen vorsehen.“ Rubriken für die Teilnahme der Gläubigen sind in der Tat ein absolutes Novum, aber folgerichtig. Rubriken regeln den Vollzug der Liturgie. Sind die Gläubigen Mitvollziehende, so müssen auch sie den Rubriken gehorchen. Vorbei also die Freiheit, der Heiligen Messe in Stille und Sammlung nach dem Zug des eigenen Herzens zu folgen. Fortan ist gemeinschaftliches Tun angesagt, in dauernder Beschäftigung mit „Akklamationen“, „Antworten“, „Psalmengesang“, „Antiphonen“, „Liedern“, unter sorgfältiger Beachtung der wechselnden „Handlungen und Gesten und ... Körperhaltungen“. Damit da noch Platz für das „heilige Schweigen“ bleibt, muß ihm freilich „zu seiner Zeit“ ein eigener Platz eingeräumt werden. Und wieder merken die „Traditionalisten“ nicht, wie sehr sie sich ihrerseits durch solche „liturgische Animation und Gymnastik“ bereits in den Spuren der Neuerer hin zum „Novus Ordo“ bewegen.

„Auch die Ministranten, Lektoren, Kommentatoren und die Mitglieder der Kirchenchöre vollziehen einen wahrhaft liturgischen Dienst“, werden wir in Nr. 29 belehrt. Eben dies war der Grund, warum Frauen und Mädchen für solche Dienste nicht zugelassen waren, denn da sie „wahrhaft liturgisch“ sind, sind sie recht eigentlich priesterliche Dienste. Dafür gab es in der alten Kirche einen eigenen Stand der Minoristen, die durch die sog. Niederen Weihen Anteil am Priestertum erhielten. Seit die niederen Weihen nurmehr als Stufen zur Priesterweihe verliehen werden, wurden diese Dienste auch Laien übertragen, aber natürlich nur männlichen und bevorzugt unverheirateten oder Knaben. Jetzt aber werden sie auch für Frauen und Mädchen geöffnet, und dadurch dem allgemeinen Priestertum der Laien zugeordnet. Es war daher nur konsequent, daß nach der Beteiligung von Frauen und Mädchen an Kirchenchören und ihrer Einbeziehung als Lektorinnen und Kommunionhelferinnen auch ihre Zulassung als Ministrantinnen erfolgen mußte, auch wenn man aus psychologischen Gründen damit ein wenig zurückhaltender war. Die „Konservativen“, die in den 1970er Jahre und teilweise noch bis heute ein Drama daraus machen, haben nie „Sacrosanctum Concilium“ gelesen oder doch den Sinn all der liturgischen Neuerungen nicht verstanden. Die „Progressisten“ hingegen denken folgerichtig weiter und sind daher schon bei der Forderung nach Frauendiakonat und Frauenpriestertum angelangt.

5. Im zweiten Kapitel der Konstitution geht es um das „heilige Geheimnis der Eucharistie“. Hier „richtet die Kirche ihre ganze Sorge darauf, daß die Christen diesem Geheimnis des Glaubens nicht wie Außenstehende und stumme Zuschauer [!] beiwohnen“ (Nr. 48). Eben das war ja schon die Sorge von Pius XI. gewesen. „Sie sollen vielmehr durch die Riten und Gebete dieses Mysterium wohl verstehen lernen und so die heilige Handlung bewußt, fromm und tätig mitfeiern, sich durch das Wort Gottes formen lassen, am Tisch des Herrenleibes Stärkung finden. Sie sollen Gott danksagen und die unbefleckte Opfergabe darbringen nicht nur durch die Hände des Priesters, sondern auch gemeinsam mit ihm und dadurch sich selber darbringen lernen. So sollen sie durch Christus, den Mittler, von Tag zu Tag zu immer vollerer Einheit mit Gott und untereinander gelangen, damit schließlich Gott alles in allem sei“ (ebd.).

So stellt sich also „Sacrosanctum Concilium“ vor, wie die Gläubigen die Messe „tätig mitfeiern“. Sie sollen sich „durch das Wort Gottes formen lassen“ und „am Tisch des Herrenleibes Stärkung finden“. Das sind die beiden „Tische“, welche dem „Novus Ordo“ seine Gestalt gegeben haben: der „Tisch des Gotteswortes“ und der „Tisch des Herrenleibes“. Beide dienen nicht mehr der Verherrlichung Gottes, sondern der Formung und Stärkung der Gläubigen. Diese sollen ferner „Gott danksagen und die unbefleckte Opfergabe darbringen nicht nur durch die Hände des Priesters, sondern auch gemeinsam mit ihm“. Damit wird jeder Laie tatsächlich zum Mitzelebranten und jede Messe zu einer wahren „Konzelebration“. Und dieses gemeinschaftliche Tun ist auch sehr notwendig, denn schließlich sollen die Gläubigen ja „von Tag zu Tag zu immer vollerer Einheit mit Gott und untereinander gelangen“ (man erinnere sich an das „Sakrament der Einheit“), und das geht nur, indem man miteinander, in Gemeinschaft handelt: „sie sollen überzeugt sein, daß die Kirche auf eine vorzügliche Weise dann sichtbar wird, wenn das ganze heilige Gottesvolk voll und tätig an denselben liturgischen Feiern, besonders an derselben Eucharistiefeier, teilnimmt“ (Nr. 41). Wie sehr eine solche Auffassung von Liturgie und Messe der Denkweise des Rationalismus und Naturalismus verpflichtet ist, brauchen wir nicht weiter darzulegen.

Dieser neuen Sichtweise gemäß soll nun der „Meß-Ordo ... so überarbeitet werden, daß der eigentliche Sinn der einzelnen Teile und ihr wechselseitiger Zusammenhang deutlicher hervortreten und die fromme und tätige Teilnahme der Gläubigen erleichtert werde“ (Nr. 50). Zu diesem Ende sollen „die Riten unter treulicher Wahrung ihrer Substanz einfacher werden“ (ebd.), es soll „den Gläubigen der Tisch des Gotteswortes reicher bereitet“ werden (Nr. 51), es wird die „Homilie“, also die Predigt, „als Teil der Liturgie selbst sehr empfohlen“ (Nr. 52), und es soll nach Predigt und „Homilie“ „das 'Allgemeine Gebet' oder 'Gebet der Gläubigen' wiedereingeführt werden, damit unter Teilnahme des Volkes Fürbitten gehalten werden“ (Nr. 53). Natürlich darf der „Muttersprache ... in den mit dem Volk gefeierten Messen ein gebührender Raum zugeteilt werden“ (Nr. 54), und es wird mit „Nachdruck .. jene vollkommenere Teilnahme an der Messe empfohlen, bei der die Gläubigen nach der Kommunion des Priesters aus derselben Opferfeier den Herrenleib entgegennehmen“ (Nr. 55). Konsequent soll auch „ein neuer Konzelebrationsritus geschaffen und in das Römische Pontifikale und Missale eingefügt werden“ (Nr. 58), da die Messe ohnehin immer „Konzelebration“ ist. All das ist mit dem „Novus Ordo Missae“ zweifellos geschehen und glücklich erfüllt.

6. Auch im dritten Kapitel der Konstitution über die „übrigen Sakramente und Sakramentalien“ darf die „tätige Teilnahme“ nicht fehlen. So heißt es in Nr. 79: „Die Sakramentalien sollen überarbeitet werden, und zwar im Sinne des obersten Grundsatzes von der bewußten, tätigen und leicht zu vollziehenden Teilnahme der Gläubigen und im Hinblick auf die Erfordernisse unserer Zeit.“ Man fragt sich schon, wie etwa die „bewußte, tätige und leicht zu vollziehende Teilnahme der Gläubigen“ bei der Weihe einer Kerze oder der Segnung eines Automobils aussehen soll (vielleicht indem sie das Weihwasser reichen oder die Kerze halten oder sich ins Auto setzen und hupen) und was „die Erfordernisse unserer Zeit“ an solchen Segnungen ändern. Doch das sind Nebensächlichkeiten. Denn schließlich geht es vor allem darum, das anmaßend „aristokratische“ Amtspriestertum durch das „demokratische“ allgemeine Priestertum der Laien zu ersetzen.

Kommen wir zu Kapitel sechs über die „Kirchenmusik“. Über diese fand ja die „tätige Teilnahme“ ihren Eingang in die Liturgie, weshalb sie natürlich auch in unserer Konstitution in prominenter Weise auftauchen muß. Hierbei wird direkt auf Papst Pius X. und seine Nachfolger Bezug genommen, denn es ist von den Päpsten die Rede, „die in der neueren Zeit im Gefolge des heiligen Pius X. die dienende Aufgabe der Kirchenmusik im Gottesdienst mit größerer Eindringlichkeit herausgestellt haben“ (Nr. 112). „Ihre vornehmste Form nimmt die liturgische Handlung an, wenn der Gottesdienst feierlich mit Gesang gehalten wird und dabei Leviten mitwirken und das Volk tätig teilnimmt“, heißt es in Nr. 113. Also nicht bereits durch Gesang und Leviten, sondern erst durch die „tätige Teilnahme“ des Volkes gewinnt die „liturgische Handlung“ ihre „vornehmste Form“.

„Die Sängerchöre sollen nachdrücklich gefördert werden, besonders an den Kathedralkirchen. Dabei mögen aber die Bischöfe und die übrigen Seelsorger eifrig dafür Sorge tragen, daß in jeder liturgischen Feier mit Gesang die gesamte Gemeinde der Gläubigen die ihr zukommende tätige Teilnahme auch zu leisten vermag, im Sinne von Art. 28 und 30“ (Nr. 114). In Nr. 116 wird der Artikel 30 (die „tätige Teilnahme“) ausdrücklich als „Geist der Liturgie“ genannt. Bei „liturgischen Feiern mit Gesang“ darf dieser also nicht dem Sängerchor vorbehalten bleiben, sondern auch „die gesamte Gemeinde der Gläubigen“ hat „die ihr zukommende tätige Teilnahme“ zu leisten, muß daher auch am liturgischen Gesang beteiligt sein. Deshalb sollen die Kirchenmusiker „Vertonungen schaffen, welche die Merkmale echter Kirchenmusik an sich tragen und nicht nur von größeren Sängerchören gesungen werden können, sondern auch kleineren Chören angepaßt sind und die tätige Teilnahme der ganzen Gemeinde der Gläubigen fördern“ (Nr. 121). Letzteres ist leider vielfach nicht gelungen, mit Ausnahme vielleicht von Taizé-Gesängen.

In Kapitel sieben wird schließlich auf die sakrale Kunst eingegangen. Hier lesen wir: „Beim Bau von Kirchen ist sorgfältig darauf zu achten, daß sie für die liturgischen Feiern und für die tätige Teilnahme der Gläubigen geeignet sind“ (Nr. 124). Da haben wir die ganzen modernen Sakralbauten vor unserem Auge, bei welchen sich die „Gemeinde“ elliptisch um die beiden Zentren, „Tisch des Gotteswortes“ alias Ambo und „Tisch des Herrenleibes“ alias „Volksaltar“, schart, um solcherart gemeinschaftlich und tätig „Liturgie“ zu feiern, mit Auf- und Abtritten verschiedener Akteure, gemeinsamem Singen, Beten, Tanzen, Händeschütteln, Prozession zur „Gabenbereitung“, Antreten zur „Mahlfeier“ und was dergleichen Aktivitäten mehr sind. Nicht nur Kirchenneubauten wurden nach diesen Vorgaben errichtet, sondern auch die alten Kirchen wurden, soweit möglich, den neuen Bedürfnissen der „tätigen Teilnahme“ angepaßt, durch Aufstellen von Ambo und „Volksaltar“ (wenn möglich mit Beseitigung von Kanzel, Hoch- und Seitenaltären), Entfernung der Kommunionbank etc.

7. Im Jahr 1964 hatte Montini alias „Paul VI.“ ein „Consilium zur Durchführung der Liturgiereform“ eingesetzt, dessen Sekretär abermals Annibale Bugnini hieß. Das „Consilium“ war bis 1969 tätig, wieder an der „Ritenkongregation“ vorbei wie schon unter Pius XII., danach wurde Bugnini als Sekretär für die neugeschaffene römische „Gottesdienstkongregation“ übernommen. 1975 fiel er ein zweites Mal in Ungnade und wurde als Nuntius nach Teheran verbannt. Bugnini selbst bezeichnete rückblickend die Zeit von 1948 bis 1975 als die Zeit der großen „Liturgiereform“.

Am 5. März 1967 veröffentlichte die „Ritenkongregation“ erneut eine „Instruktion über die Musik in der heiligen Liturgie“, in welche vor allem die Ergebnisse des „II. Vatikanums“ eingearbeitet worden waren. Bezeichnend ist, daß diese Instruktion an erster Stelle von „Giacomo Kardinal Lecaro“ unterzeichnet ist, „Erzbischof von Bologna, Vorsitzender des Rates zur Ausführung der Konstitution über die heilige Liturgie“, und erst danach auch von „Arcadio M. Kardinal Larraona, Präfekt der Ritenkongregation“, und dem „Sekretär der Ritenkongregation“, Ferdinando Antonelli. Es handelt sich also weniger um ein Dokument der „Ritenkongregation“ als vielmehr um eines des „Consilium“ mit Sekretär Bugnini.

Geradezu hymnisch beginnt der Abschnitt „Allgemeine Richtlinien“: „Ihre vornehmere Form nimmt eine liturgische Handlung an, wenn man sie singend vollzieht, die liturgischen Diener jeder Stufe ihr Dienstamt ausüben und das Volk sich an ihr beteiligt. In dieser Form wird nämlich das Beten inniger zum Ausdruck gebracht, das Mysterium der heiligen Liturgie und ihr hierarchisches und gemeinschaftliches Wesen besser verdeutlicht, durch den Einklang der Stimmen die Einheit der Herzen vertieft, durch den Glanz des heiligen Geschehens der Geist leichter zu Höherem erhoben, und die ganze Feier wird klarer zum Vorausbild der himmlischen Liturgie der heiligen Stadt Jerusalem“ (Nr. 5).

Nach dieser schwärmerischen Einleitung geht es etwas banaler weiter, und es folgt die eigentliche Instruktion: „Darum sollen die Seelsorger eifrig danach trachten, diese Form der Feier zu erreichen. Sie sollen sogar die für die singend gefeierten heiligen Handlungen eher charakteristische Verteilung der Aufgaben und Teile in angemessener Weise auch auf andere Feiern ohne Gesang übertragen, die mit dem Volke gehalten werden; dabei sollen sie vor allem für die benötigten fähigen Ministri und für die Förderung der tätigen Teilnahme des Volkes sorgen“ (ebd.). Nichts mehr ist es fortan mit „stillen Messen“, „für die Förderung der tätigen Teilnahme des Volkes“ ist stets zu sorgen, ob mit oder ohne Gesang. Damit jedoch „die Gläubigen ihre tätige Teilnahme freudiger und fruchtbarer leisten, empfiehlt sich im Rahmen des Möglichen bei den Formen der Feiern und dem Grad der Teilnahme eine geeignete Abwechslung je nach Fest und Gemeinde“ (Nr. 10). Wie ermüdend und abstumpfend die „tätige Teilnahme“ auf Dauer ist, haben wohl auch die Macher der „neuen Liturgie“ schon bemerkt.

Über die „Teilnehmer an den liturgischen Feiern“ weiß unsere Instruktion: „Der Priester steht der versammelten Gemeinde in der Person Christi vor“ (Nr. 14). Er ist nicht mehr der Zelebrant, sondern der „Vorsteher“, wie er dann auch im „Novus Ordo“ genannt wird. „Die Gläubigen erfüllen ihren liturgischen Dienst, indem sie die vom Wesen der Liturgie selbst verlangte volle, bewußte und tätige Teilnahme leisten, zu der das christliche Volk kraft der Taufe berechtigt und verpflichtet ist“ (Nr. 15). Die Gläubigen erfüllen durch die Teilnahme an der Heiligen Messe nicht nur ihre Sonntagspflicht, sondern gar einen „liturgischen Dienst“, allerdings nur, wenn sie „die vom Wesen der Liturgie selbst verlangte volle, bewußte und tätige Teilnahme leisten“, zu der sie im übrigen nicht nur berechtigt, sondern auch „verpflichtet“ sind. Da hat die Kirche all die Jahrhunderte über die Gläubigen arg betrogen und zur Sünde verführt, indem sie im ersten Kirchengebot lediglich anordnete: „Du sollst an allen Sonntagen und an den anderen gebotenen Feiertagen die Messe mit Andacht hören.“ Nunmehr erfahren wir, daß es nicht damit getan ist, die Messe zu „hören“, sondern daß alle Gläubigen durch „volle, bewußte und tätige Teilnahme“ ihren „liturgischen Dienst“ dabei zu leisten haben!

„Bezüglich dieser Teilnahme gilt“, so belehrt uns die Instruktion weiter: „Zunächst soll eine innerliche Teilnahme vorhanden sein, indem die Gläubigen im Herzen bei dem sind, was sie vortragen oder hören, und mit der himmlischen Gnade zusammenwirken“, was immer man sich darunter vorstellen mag. „Doch muß die Teilnahme auch eine äußere sein, das heißt die innere Teilnahme in Gesten, in der Körperhaltung, in Akklamationen, in Antworten und im Gesang ausdrücken“ (ebd.). Man beachte: Die Teilnahme MUSS auch eine äußere sein! Die innere genügt nicht!

„Deshalb soll die tätige Teilnahme des ganzen Volkes, die sich im Singen äußert, … eifrig gefördert werden“ (Nr. 16). Zwar können insbesondere „bei unzureichender Unterweisung der Gläubigen oder bei Verwendung mehrstimmiger Musik … einige Gesänge des Volkes einem Sängerchor übertragen werden, wenn nur das Volk von den anderen, ihm zukommenden Teilen nicht ausgeschlossen wird“. „Nicht zu billigen ist jedoch der Brauch, den ganzen Gesang des gesamten 'Proprium' und des gesamten 'Ordinarium' einem Sängerchor zuzuweisen und das Volk gänzlich von der Teilnahme am Gesang auszuschließen“ (ebd.). Denn bekanntlich kommt es dem Volk zu, die liturgischen Gesänge zu singen, es ist dazu „berechtigt und verpflichtet“!

8. Im Sinne der „Abwechslung“, die dazu dienen soll, daß „die Gläubigen ihre tätige Teilnahme freudiger und fruchtbarer leisten“, wie wir oben gesehen haben, gibt uns die Instruktion nun mehrere Möglichkeiten an, die gesungene Messe zu gestalten. Es ist nämlich für „die Feier der Eucharistie mit dem Volk, insbesondere an Sonn- und Festtagen“, die „Form der gesungenen Messe vorzuziehen, im Rahmen des Möglichen auch mehrmals am gleichen Tag“ (Nr. 27). Zunächst wird betont, daß die „Unterscheidung zwischen Missa sollemnis, cantata und lecta, wie sie durch die Instruktion vom Jahre 1958 (Nr. 3) festgelegt wurde“, den „überlieferten und geltenden liturgischen Gesetzen gemäß bestehen“ bleibe (Nr. 28). „Mit Rücksicht auf seelsorgliche Vorteile werden jedoch für die Missa cantata gestufte Formen der Teilnahme angegeben“, für welche gilt, „daß die erste Form auch für sich allein angewandt werden kann; die zweite und die dritte Form können ganz oder teilweise, jedoch nur in Verbindung mit der ersten angewandt werden“ (ebd.). Der Sinn dieser Maßnahme wird sich uns gleich erschließen, wird aber auch vorab schon angegeben: „So werden die Gläubigen stets zu einer vollen Teilnahme am Singen hingeführt.“

Bei der ersten Form nun ist also zu singen: „a) Im Eröffnungsakt: Der Gruß des Priesters mit der Antwort des Volkes; das Tagesgebet. b) Im Wortgottesdienst: Die Akklamation zum Evangelium. c) In der Eucharistiefeier: Das Gabengebet; die Präfation mit Dialog und Sanctus; die Schlußdoxologie des Kanon; das Gebet des Herrn mit Einleitung und Embolismus; Pax Domini; das Schlußgebet; die Entlassungsworte“ (Nr. 29). Das ist sozusagen das Minimum für eine gesungene Messe. In der zweiten Stufe können ferner gesungen werden: „a) Kyrie, Gloria und Agnus Dei; b) Das Glaubensbekenntnis; c) Das Fürbittgebet“ (Nr. 30). Zur „dritten Form“ schließlich gehören: „a) Die Prozessionsgesänge zum Einzug und zur Kommunion; b) Der Gesang nach der Lesung oder der Epistel; c) Das Alleluja vor dem Evangelium; d) Der Gesang zur Gabenbereitung; e) Die Lesungen aus der Heiligen Schrift, wenn es nicht angemessener erscheint, sie ohne Gesang vorzutragen“ (Nr. 31).

Wir haben hier das Baukastenprinzip, das den „Novus Ordo“ ganz beherrschen wird. Aus verschiedenen Elementen und Wahlmöglichkeiten kann man kreativ und individuell Liturgie „gestalten“. So kommt es zu diesen buntscheckigen und sonderbaren Mischformen zwischen Gesang und Gerede, wo beispielsweise die Einleitung zum Evangelium feierlich gesungen wird, das Evangelium selber aber im eintönigen Sprechton vorgelesen. Daß dies weder den „überlieferten und geltenden liturgischen Gesetzen“ entspricht noch auch der noch 1958 festgelegten „Unterscheidung zwischen Missa sollemnis, cantata und lecta“ (s. den ersten Teil unserer Arbeit), brauchen wir nicht zu betonen.

Nr. 33 wünscht, die Gläubigen sollten sich „möglichst am Gesang des 'Proprium' beteiligen, vornehmlich durch leichtere Kehrverse oder andere geeignete Formen des Singens“, wobei unter den Gesängen des „Proprium“ der „in der Art des Graduale oder des Antwortpsalms ausgeführte Gesang nach den Lesungen eine besondere Bedeutung“ habe. Wieso ausgerechnet dieser Gesang so eine „besondere Bedeutung“ hat, liegt wohl daran: „Seinem Wesen nach ist er Teil des Wortgottesdienstes.“ Aha. Und das macht diesen Gesang so besonders bedeutsam? Jedenfalls sollen daher „während seines Vortrags alle sitzen und zuhören, ja nach Möglichkeit sich beteiligen“. Meistens klappt das nicht so gut, außer der „Kantor“ - oder die „Kantorin“ - stimmt das „Halleluja“ nach der Ostermelodie an, die so eingängig ist, daß fast alle sie singen können. Und so wird es dann auch meistens gemacht – zu Lasten der „Abwechslung“.

In Nr. 34 wird zugestanden: „Wenn die Gesänge des sogenannten 'Ordinarium Missae' mehrstimmig gesungen werden, können sie vom Sängerchor in der gewohnten Weise mit oder ohne Instrumentalbegleitung vorgetragen werden“, allerdings nur „unter der Voraussetzung, daß das Volk nicht gänzlich von der Teilnahme am Gesang ausgeschlossen wird“. Schließlich steht es dem Volk zu, sich am liturgischen Gesang zu beteiligen, es ist sein Recht und seine Pflicht! „Sonst aber können die Teile des 'Ordinarium Missae' im fortlaufenden Wechsel oder in sinnvoller Zusammenfassung größerer Textteile zwischen Sängerchor und Volk oder auch innerhalb des Volkes aufgeteilt werden. In diesen Fällen möge man beachten: Das Symbolum [Credo] als eine Form, den Glauben zu bekennen, soll nach Möglichkeit von allen gesungen werden, oder in einer solchen Form, die eine entsprechende Teilnahme der Gläubigen gestattet.“ Außerdem soll das „Sanctus als abschließende Akklamation zur Präfation … regelmäßig von der ganzen Versammlung, gemeinsam mit dem Priester, gesungen werden“. Früher hat der Priester, während der Chor das Sanctus sang, dieses für sich gebetet und dann bereits mit dem Kanon begonnen. Das geht jetzt nicht mehr, denn erst muß er zusammen mit dem Volk singen und danach den Kanon laut beten, damit sich auch daran das Volk beteiligen kann.

„Das Agnus Dei kann so oft als nötig gesungen werden, insbesondere bei der Konzelebration, da es die Brotbrechung begleitet.“ An der Brotbrechung kann man das Volk schlecht beteiligen, aber wenigstens die „Konzelebranten“. „Es ist zu wünschen, daß das Volk wenigstens in die Schlußbitten einstimmt“ (ebd.), damit es ja nicht zu lange untätig bleibt. „Das Gebet des Herrn soll in der Regel von Volk und Priester gemeinsam vorgetragen werden“ (Nr. 35). Denn es heißt ja „Vater unser“ und verlangt daher danach, von „uns“ allen gebetet zu werden.

Ein eigener Abschnitt der Instruktion ist der „Vertonung muttersprachlicher Texte“ gewidmet. Das „II. Vatikanum“ hat in seiner Liturgie-Konstitution bekanntlich festgestellt, daß „nicht selten der Gebrauch der Muttersprache für das Volk sehr nützlich sein kann“ (SC 36). Dabei empfiehlt es sich, „daß im Rahmen des Möglichen eine oder mehrere gemeinsame Singweisen für die Teile des Priesters und der Ministri sowie für die Antworten und Akklamationen des Volkes vorliegen, damit eine gemeinsame Teilnahme aller, die sich derselben Sprache bedienen, gefördert werde“ (Nr. 58). Die Mühe hätte man sich sparen können, wäre man einfach bei der lateinischen Sprache und den bewährten Choralmelodien geblieben.

In einer ersten „Instruktion zur ordnungsgemäßen Durchführung der Liturgiekonstitution 'Inter Oecumenici'“ vom 26.9.1964 war dem zelebrierenden Priester bereits seine Sonderstellung beschnitten worden. „Singen oder rezitieren Schola oder Volk die ihnen zufallenden Teile, so werden diese vom Zelebranten nicht privat gesprochen“ (Nr. 32). „Auch die Lesungen, die vom zuständigen Kleriker oder Ministranten vorgetragen oder gesungen werden, liest der Zelebrant nicht privat“ (Nr. 33). Schließlich ist die Liturgie ein gemeinschaftliches Tun der Gemeinde, da gibt es für den Zelebranten nichts „privat“ zu tun oder zu beten.

Daher hat überhaupt das stille Gebet des Priesters darin eigentlich nichts mehr verloren. Deshalb bestimmt schon die Instruktion von 1964: „Die Sekret, d.h. das Gebet über die Opfergaben, soll bei der 'gesungenen Messe' gesungen, in den anderen Messen mit lauter Stimme gesprochen werden“ (Nr. 48). „Die Doxologie am Schluß des Kanons von den Worten 'Per ipsum' an bis zum 'Per omnia saecula saeculorum. Amen' einschließlich soll gesungen oder laut gesprochen werden“ (ebd.). Am 4. Mai 1967 verfügte die „Ritenkongregation“ in einer weiteren „Instruktion zur ordnungsgemäßen Durchführung der Liturgiekonstitution 'Tres abhinc annos'“: „Sofern es angebracht erscheint, darf der zelebrierende Priester in Meßfeiern mit dem Volk, auch wenn es sich nicht um eine Konzelebration handelt, den Kanon mit vernehmlicher Stimme vortragen. Bei Meßfeiern mit Gesang darf er jene Teile des Kanon singen, die nach dem Ritus der konzelebrierten Messe gesungen werden“ (Nr. 10). Endlich gestattet sie, daß die „zuständige territoriale Autorität die Verwendung der Muttersprache bei liturgischen Feiern, die mit dem Volk gehalten werden“ auch „für den Kanon der Messe“ beschließen kann (Nr. 28).

Ihren krönenden Abschluß fanden alle diese Bemühungen um „tätige Teilnahme“ des Volkes an der Liturgie schließlich 1969/1970 mit der Einführung des „Novus Ordo Missae“. Der Erfolg war durchschlagend. Wir zitieren „Wikipedia“ aus dem Artikel „Liturgiereform“: „Die Zahl der regelmäßigen Gottesdienstbesucher ging in den letzten Jahrzehnten deutlich zurück. Nahmen 1950 noch 50,4 % der deutschen Katholiken regelmäßig sonntags an der Heiligen Messe teil, so waren es 1985 nur noch 25 % und 2005 nur noch 14 %.“ Je „tätiger“ die Teilnahme wurde, desto geringer wurde sie offensichtlich.

9. Wir müssen abschließend feststellen, daß die unglückliche Formulierung des heiligen Pius X. eine recht traurige Entwicklung im Gefolge hatte. Zugleich sehen wir mit Erschrecken, wie weit verbreitet die falsche Auffassung der Neuerer wie Bauduin von der „tätigen Teilnahme“ auch unter „Traditionalisten“ ist. Zwar lehnen diese den „Novus Ordo“ ab, sein Prinzip aber, die möglichst auch äußere „tätige Teilnahme“ der Gläubigen an der Liturgie, haben sie übernommen. Sie bevorzugen und forcieren „dialogisierte Messen“ und „Volkschoral“, erlassen Vorschriften, wie sich die Gläubigen bei der Messe zu verhalten haben, wann sie stehen und wann sie sitzen müssen usw. Und natürlich feiern sie die Liturgie nach der früh-bugninischen Form von 1962. Dabei brüsten sie sich jedoch, die „messe de toujours“, die „alte Messe“, die „überlieferte Liturgie der Kirche“ gerettet zu haben und eifrig zu pflegen. Den Geist dieser Liturgie haben sie jedoch längst verloren, mögen sie auch noch so bombastische Pontifikalämter mit viel Gold, Brokat, Weihrauch, Orgel, Choral und Heerscharen von Altardienern inszenieren.

Wie lieb ist uns dagegen eine stille Messe, nach dem vorbugninischen Missale zelebriert, mag es unter noch so einfachen und armseligen Umständen geschehen, und wenn auch gar niemand oder vielleicht ein oder zwei „alte Weiblein“ dabei sind, die unterdessen ihren Rosenkranz beten. Dennoch ist es wahre Liturgie, der öffentliche Kult der katholischen Kirche, feierliche Verehrung und Anbetung Gottes, ein gesegnetes, bei Gott eingetragenes, gültiges, geistiges und Ihm genehmes Opfer! Darauf allein kommt es an.