Seliger Irrtum

1. Was wäre unsere heilige Mutter, die Kirche, ohne den Orden des heiligen Dominikus, die Predigerbrüder oder Dominikaner? So durfte auch in „Tradiland“, in welchem man seit Jahrzehnten Kirche spielt, ein Kloster solcher Mönche nicht fehlen, das freilich entsprechend dem Charakter dieser Bewegung nicht als originärer Sproß aus dem Boden jenes Ordens erwuchs, sondern gewissermaßen nach dem Baukastenprinzip gemäß Bauanleitung frei errichtet wurde. Fortan durften die „Herrenhunde“ jenes Konvents ihrer Bestimmung folgend jeweils gelehrte Studien erstellen, um gewisse für „Traditionalisten“ geltende unumstößliche Lehren theologisch zu stützen.

Schon vor etlichen Jahren lieferten sie beispielsweise den in „Traditionalisten“-Kreisen von ihnen erwarteten Beweis, daß die Bischofsweihen nach dem „erneuerten“ Ritus der „Konzilskirche“ zweifelsfrei gültig seien, q.e.d (quod erat demonstrandum – was zu beweisen war). Im Jahr 2006 gelang ihnen die glückliche Darlegung, daß es sich bei „Konzilskirche“ und katholischer Kirche zwar um zwei verschiedene „Kirchen“, jedoch mit ein und demselben Oberhaupt handle. Solcherart mit Meriten beladen gerieten sie mit dieser ihrer Doktrin jedoch in Konflikt mit dem „Pius-Mainstream“, der neuerdings nur noch die Identität zwischen „konziliarer“ und katholischer Kirche gelten lassen will, und haben sich nun in jener Ecke von „Tradiland“ angesiedelt, die sich „Widerstand“ nennt, um fürderhin diesem mit ihrer Gelehrsamkeit zu dienen.

2. In ihrem Periodikum „Sel de la terre“ („Salz der Erde“) Nr. 79 vom Winter 2011/12 veröffentlichten sie in zweiter, verbesserter Auflage (nach einer ersten in Nr. 36) einen „Kleinen Katechismus zum Sedisvakantismus“. Zwar ist wohl auch hier, wie in vielen ähnlich gelagerten Fällen, das Wort „Katechismus“ nur im uneigentlichen Sinne gemeint, insofern nämlich die Abhandlung im Frage-Antwort-Stil gehalten ist. Dennoch fühlen wir uns immer etwas unwohl, wenn ein solcher „Katechismus“ zu gleich was für einem Thema erscheint, sei es zur „Kirchenkrise“ oder zur Krise in der „Piusbruderschaft“. Denn ein Katechismus trägt an sich stets ein Imprimatur und dient der offiziellen Lehrdarstellung der Kirche, nicht der Darlegung und Verbreitung privater Ein- und Ansichten.

Ihre zweite Auflage, versichern uns die Herren Dominikaner, sei gegenüber der ersten revidiert und deutlich verbessert, ziehe sie doch vor allem die Diskussionen und Einwände in Betracht, welche jene ausgelöst hatte. In ihrer Einleitung, betitelt „zwischen Scylla und Charybdis“, nehmen sie unter Bezug auf jene berühmten in der Straße von Messina gelegenen beiden Klippen zwei gewissermaßen geistige Klippen ins Visier, zwischen welchen es ebenso geschickt hindurchzunavigieren gelte, wolle man nicht Schiffbruch erleiden. Vielen unvorsichtigen Seeleuten sei es nämlich so ergangen: im Bestreben, einer dieser Klippen zu entkommen, seien sie an der anderen zerschellt. In der gegenwärtigen „Kirchenkrise“ gebe es nun zwei Irrtümer zu meiden: „Modernismus (der uns allmählich den Glauben verlieren läßt) und Sedisvakantismus (welcher zum Schisma führt)“. Um katholisch zu bleiben, müsse man sicher zwischen beiden die Mitte halten.

3. Wir wollen hier gleich ein wenig innehalten. Bereits in einem früheren Beitrag (Monster Church) hatten wir festgestellt, wie sonderbar eine solche Vorstellung ist, welche Modernismus und „Sedisvakantismus“ als gleichermaßen zu meidende Extreme auffaßt. Denn der Modernismus ist „bekanntermaßen eine von der Kirche verurteilte Irrlehre (bzw. ein ganzes System von Irrlehren), wohingegen die sog. Sedisvakanz (also eine Zeit, in der der Stuhl Petri nicht besetzt ist) zum einen Teil ganz einfach eine Tatsache und zum anderen Teil eine von der Kirche sicher gelehrte Lehre ist“. „Die Sedisvakanz ist eine Tatsache, wenn ein Papst gestorben ist, und sie ist eine ganz sichere, über Jahrhunderte sogar ins Kirchenrecht aufgenommene Lehre, die der hl. Robert Bellarmin folgendermaßen prägnant zusammenfaßt: 'Ein notorisch häretischer Papst hört automatisch auf, Papst und Oberhaupt der Kirche zu sein, so wie er automatisch aufhört, Christ und Mitglied des Leibes der Kirche zu sein. Aus diesen Gründen kann er von der Kirche verurteilt und bestraft werden. Fügen wir hinzu, daß die Lage der Kirche sehr unglücklich wäre, würde sie gezwungen, als Hirt einen Wolf anzuerkennen, der sich offen gegen sie wendet.'“

Auch wenn die „Herrenhunde“ aus „Tradiland“, wie wir weiter unten sehen werden, meinen zeigen zu können, daß die allgemeinere Theologenmeinung jene sei, daß selbst ein häretischer Papst sein Amt nicht verliere, so müßten sie doch wenigstens intellektuell so redlich sein zuzugeben, daß es sich bei einer von einer Unzahl von Theologen, darunter als der nicht geringste der zitierte hl. Robert Bellarmin, als sicher vertretenen Lehre nicht um einen gefährlichen „Irrtum“ handeln kann, der noch dazu auf derselben Ebene wie der den gesamten Glauben in der Wurzel zerstörende Modernismus angesiedelt ist. Ihre ganze Studie liefert keinen einzigen Nachweis oder Anhaltspunkt dafür, daß es sich um mehr als eine von der ihren abweichende, aber zulässige Meinung handelt, und dennoch nennen sie diese gleich eingangs einen zu meidenden Irrtum. Eine solche völlig unbegründete Vor-Verurteilung ist jedenfalls wissenschaftlich mehr als fragwürdig – um nur das Mindeste zu sagen – und wirft ein bezeichnendes Licht auf das übliche Vorgehen in „Traditionalisten“-Kreisen. Statt mit theologischen Argumenten arbeitet man mit Schlagwörtern, die von vorneherein je nachdem positiv oder negativ aufgeladen werden. Hier ist es das Schlagwort „Sedisvakantismus“, das sogleich mit Schisma und Irrtum assoziiert wird.

4. Nachdem sie auf diese Weise gleich zu Anfang klargelegt haben, was ihre angebliche Studie eigentlich bezwecken soll, nämlich ein polemisches Schlagwort pseudowissenschaftlich zu begründen, wird als „Autoritätsargument“ – wie könnte es anders sein – auf Erzbischof Marcel Lefebvre verwiesen. Seine Position in dieser Frage sei auch die ihre, sagen die Herren Dominikaner, und fassen diese kurz zusammen, indem sie zunächst einige Zitate anführen, in welchen der Prälat zur Sedisvakanzfrage Stellung nimmt: „Wenn jemand sagt, der Papst ist ein Apostat, ein Häretiker und Schismatiker, wäre er – wenn es denn zutrifft – nicht länger Papst und wir wären folglich in einer Situation der Sedisvakanz. Das ist eine Meinung; ich sage nicht, daß nicht einige Argumente dafür sprechen“ (18.3.1977). „Es ist nicht unmöglich, daß diese Hypothese eines Tages von der Kirche bestätigt werden wird, denn es gibt einige ernsthafte Argumente dafür. In der Tat sind die Handlungen Pauls VI. zahlreich, welche, wären sie vor zwanzig Jahren von einem Bischof oder Theologen begangen worden, als der Häresie verdächtig oder die Häresie begünstigend verurteilt worden wären“ (24.2.1977).

Einmal mehr fragen wir uns, wie unsere Predigerbrüder, wenn das auch ihre Ansicht ist, dann von einem gleich dem Modernismus zu meidenden Irrtum sprechen können. Die Antwort liegt vielleicht im zweiten Teil ihrer Darlegung der Haltung Mgr. Lefebvres. Obwohl dieser nämlich die „Sedisvakanz“-These als grundsätzlich zulässig und sogar in gewisser Weise wahrscheinlich erklärte, nahm er dennoch eine entschiedene Gegenposition ein: „Aber ich denke nicht, daß es diese Lösung ist, die wir annehmen und der wir folgen sollten. Im Moment denke ich persönlich, daß es ein Fehler wäre, dieser Hypothese zu folgen“ (18.3.1977). „Das bedeutet jedoch trotz allem nicht, daß ich absolut sicher bin, in der Haltung, die ich einnehme, richtig zu liegen. Ich positioniere mich dort in einer klugen Weise. Es ist mehr auf diesem Gebiet, auf dem ich mich positioniere, mehr als auf dem theologischen, rein theoretischen Gebiet. Ich denke, Gott verlangt von uns, klare Ideen nicht nur unter einem rein theoretischen und theologischen Gesichtspunkt zu haben, sondern auch in der Praxis, wenn die Dinge sehr schwierig und delikat sind, und mit einer gewissen Weisheit, einer gewissen Klugheit zu handeln, die ein wenig im Widerspruch scheinen können mit gewissen Prinzipien, und nicht rein logisch zu sein“ (5.10.1978).

Wir wußten bislang nicht, daß Weisheit und Klugheit dazu dienen, den theologischen Prinzipien zuwiderzuhandeln. Wir dachten vielmehr, sie seien dazu da, uns diese Prinzipien tiefer verstehen und besser anwenden zu lassen. Doch wir müssen versuchen, genau zu sehen, was hier gesagt ist. Wenn wir Seine Exzellenz recht verstehen, dann sieht er zwar ein, daß seine Position theologisch nicht haltbar ist, meint sie aber aus anderen, nicht-theologischen, ja den theologischen Prinzipien geradezu widersprechenden „praktischen“ Gründen einnehmen und aufrechterhalten zu sollen. Diese Gründe sind also keine theologischen, keine Gründe des Glaubens. Was für Gründe es sind, darüber können wir nur spekulieren. Da sie jedoch dem Gebiet des „Praktischen“ entstammen und nicht der „Theorie“, liegen sie wohl im Bereich der Politik und Diplomatie. „Klugheit“ und „Weisheit“ verlangen also bisweilen von uns, aus politisch-taktischen oder diplomatischen Gründen nicht nur der besseren Einsicht, sondern auch den theologischen Prinzipien, d.h. dem Glauben, zuwiderzuhandeln? Oder geht einfach Praxis vor Theologie, Handeln vor Glauben? So oder so, das sind erstaunliche Ansichten für einen glaubenstreuen katholischen Bischof.

Höchst eigenartig erscheint uns auch, daß Erzbischof Lefebvre trotz seiner eingestandenen eigenen Zweifel und Unsicherheit seine „praktische“ Position gewissermaßen zum Dogma der „Piusbruderschaft“ erhob und alle ihre Mitglieder auf sie verpflichtete unter Strafe des Ausschlusses aus der Gemeinschaft. Tatsächlich hat er selbst verdiente Priester ohne mit der Wimper zu zucken von heute auf morgen mittellos auf die Straße gesetzt und fortan als „Sedisvakantisten“ diffamiert, allein wegen des Vergehens, seine Haltung nicht zu teilen, von welcher er selber sagte, nicht sicher zu sein, ob er damit richtig liege. Ob ein solches Verhalten moralisch einwandfrei sei oder gar mit der Heiligkeit eines großen Ordensgründers und Kirchenerneuerers vereinbar, sei dahingestellt. Jedenfalls trug es erheblich dazu bei, daß die „Sedisvakantisten“ (zumindest hierzulande) bis heute ein weithin unbeachtetes, wenn nicht verachtetes Nischendasein fristen müssen.

Die „Herrenhunde“ zitieren weiter: „Solange ich nicht den Beweis habe, daß der Papst nicht Papst ist, nun, so gehe ich davon aus, daß er es ist, daß er der Papst ist. Ich sage nicht, daß es keine Argumente geben kann, die einen in gewissen Fällen in Zweifel bringen können. Aber man muß den Beweis haben, daß es nicht nur ein Zweifel ist, ein gültiger Zweifel. Wenn das Argument zweifelhaft ist, haben wir nicht das Recht, weitreichende Konsequenzen daraus zu ziehen!“ 16.1.1979). Spricht hier nicht einer sein eigenes Urteil? Mit welchem Recht hat er aus seinem eigenen zweifelhaften Argument das Recht gezogen, priesterliche Existenzen zu vernichten oder wenigstens zu gefährden?

„Die Priesterbruderschaft nimmt diese Lösung nicht an, sondern meint, beruhend auf der Kirchengeschichte und der Lehre der Theologen, daß der Papst den Ruin der Kirche befördern kann, indem er schlechte Mitarbeiter wählt und diese handeln läßt, Dekrete unterzeichnet, die nicht seine Unfehlbarkeit in Anspruch nehmen, bisweilen sogar mit seiner eigenen Zustimmung, und die beträchtlichen Schaden in der Kirche anrichten. Nichts ist gefährlicher für die Kirche als liberale Päpste, die in ständigem Widerspruch sind“ (13.9.1982). Auf diese Aufstellung, die im übrigen im Widerspruch steht zu anderen Aussagen Mgr. Lefebvres, wo er die „konziliaren Päpste“ direkt für die Zerstörung der Kirche verantwortlich macht und nicht nur ihre „schlecht gewählten“ Mitarbeiter, werden wir weiter unten noch einzugehen haben.

„In der Praxis hat dies keinen Einfluß auf unser praktisches Verhalten, denn wir weisen fest und mutig alles zurück, was gegen den Glauben ist, ohne zu wissen woher es kommt, ohne zu wissen, wer schuld daran ist“ (5.10.1978). Einmal mehr also geht Praxis vor Theologie und begründet eine rein „praktische“ Lösung, welche zur Ideologie der „Piusbruderschaft“ wurde: „Recognize and Resist – Anerkenne und widerstehe“. D.h. in der Theorie anerkennen wir den Papst, doch in der Praxis kümmern wir uns nicht um ihn, und die Praxis geht schließlich vor. Wir könnten das auch „praktischen Sedisvakantismus“ nennen, wie wir ja auch einen praktischen Atheismus kennen. Zugleich wurde damit das bis heute in der „Piusbruderschaft“ geübte völlig theologiefreie und damit auch rechtsfreie Handeln grundgelegt. „Sehen Sie, wir machen was wir wollen, und es ist gut so“, wie es einer ihrer Rechtsgelehrten, vielleicht in einem freudschen Versprecher, einst ausdrückte.

Für so ein Handeln gegen die Prinzipien der Theologie, ja gegen die eigene Einsicht und besseres Wissen benötigt man natürlich pausenlos Rechtfertigung. Liegt vielleicht hier ein psychologisches Motiv, warum man die „Sedisvakantisten“ unablässig bekämpfen und schmähen zu müssen meint, sei es durch pseudowissenschaftlich-sophistische „Argumente“ oder schlicht durch demagogisch-assoziative Stimmungsmacherei? Doch verlassen wir hier dieses traurige Kapitel.

5. Nach dem „Autoritätsargument“ folgt die Durchführung, der eigentliche „Katechismus“ mit seinen „Fragen und Antworten“. Zunächst wird festgestellt, was „Sedisvakantismus“ überhaupt sei, nämlich „die Meinung derer, die denken, daß die jüngsten Päpste seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil keine wahren Päpste sind“, weshalb folgerichtig „der Stuhl Petri nicht besetzt“ sei. Verursacht sei diese Meinung durch die „sehr schwere Krise, welche die Kirche seit dem letzten Konzil durchlaufen hat“, und deren Hauptursache im Verfall der Römischen Päpste zu suchen sei, welche „sehr schwere Irrtümer“ wie Ökumenismus, Religionsfreiheit, Kollegialität etc. lehrten oder zu verbreiten erlaubten. Die „Sedisvakantisten“ meinten, wahre Päpste könnten für eine solche Krise nicht verantwortlich sein, und somit handle es sich nicht um „wahre Päpste“.

Für die Darstellung dessen, worin denn die „Krise“ bestehe, bemühen die Herren Dominikaner den „Pius-Theologen“ Abbé Gleize, der uns bereits mehrfach durch seine bemerkenswerten Einsichten aufgefallen ist. Dieser macht in „Vu de Haut“ 2008 die Krise daran fest, daß in Organen wie dem „Osservatore Romano“ ständig die Prinzipien der Religionsfreiheit, des staatlichen Säkularismus und des Ökumenismus wiederholt würden, welche „in formellem Widerspruch mit der fortwährenden und einstimmigen Lehre des päpstlichen Lehramts vor dem Vaticanum II“ stünden. Zwar seien auch in früheren Zeiten bereits manche Päpste quer zu ihrer eigentlichen Aufgabe gestanden, hätten sogar bisweilen Einheit und Glaube der Kirche gefährdet, doch habe dies stets moralische Gründe gehabt.

„Keiner dieser Päpste war durch intellektuelle Überzeugung an einen Irrtum gebunden. Sie alle fehlten ohne eine grundsätzliche intellektuelle Anhänglichkeit an den Irrtum, und das kam manchmal von einem Mangel an Mut inmitten von Verfolgung wie bei Liberius, manchmal von einer gewissen Naivität und übertriebenem Entgegenkommen wie bei Honorius und Vigilius, manchmal auch von einer Art theologischen Überschwangs wie bei Johannes XXII. Die bedenklichste aller dieser Haltungen, die von Papst Honorius, brachte ihm die Zensur favens haeresim [!] ein. Aber sie verursachte keine Verurteilung dieses Papstes als formeller Häretiker.“

Deo gratias! - so möchte man begeistert ausrufen. Endlich einmal ein „Pius-Theologe“, der nicht die stereotype Litanei der „Präzedenzfälle“ Honorius-Liberius-Vigilius etc. herunterleiert. Stattdessen fährt er fort: „Aber im Hinblick auf diese vereinzelten Fälle hat die beständige Haltung all der Päpste seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil eine völlig andere Erscheinung.“ Es sei nämlich die tägliche Predigt dieser Päpste permanent gespickt mit den falschen Prinzipien der Religionsfreiheit, des Ökumenismus und der Kollegialität. Diese seien „schwere Irrtümer“ und die Folge der „Häresie des 20. Jahrhunderts“ (Madiran), nämlich der „Häresie des Neo-Modernismus“. Es handle sich um beständige und von Johannes XXIII. bis Benedikt XVI. fortwährend wiederholte Irrtümer, die nicht Folge von Schwäche oder Naivität seien, sondern vielmehr im Gegenteil Ausdruck eines „fundamentalen Anhangens des Verstandes“, der „Zustimmung einer informierten Überzeugung“. Daher sei die Situation wahrhaft ohne Präzedenzfall.

Bravo, Abbé Gleize! Man möchte sich nur wünschen, daß diese seine Erkenntnis sich allmählich endlich auch unter seinen Mitbrüdern in und außerhalb der „Piusbruderschaft“ verbreiten möge, damit man nicht immer und immer wieder denselben alten, dummen und selbst von Kirchenfeinden längst aufgegebenen, endlos langweilenden Albernheiten begegnen muß, die stetsfort neu aufgekocht werden und die armen so arg hergenommenen und zugerichteten Päpste in ihren Gräbern nicht ruhen lassen, weil sie sich darin in einem fort umdrehen müssen wie ein Hähnchen am Spieß. Zudem finden wir hier einen Widerspruch zu der oben zitierten Aussage von Erzbischof Lefebvre, der ja meinte, die „konziliaren Päpste“ allenfalls wegen der Auswahl „schlechter Mitarbeiter“ für die „Krise“ verantwortlich machen zu sollen. Dürfen wir daraus folgern, daß uns die gelehrten Predigerbrüder an dieser Stelle tatsächlich zugeben, daß die „Päpste“ seit dem „II. Vatikanum“ Häresien anhangen und diese auch öffentlich lehren, und sich damit von der oben angeführten Meinung Erzbischof Lefebvres distanzieren?

6. Doch zunächst wird festgestellt, daß sich die „Sedisvakantisten“ in mindestens sechs verschiedene Linien teilen mit insgesamt etwa 160 Wahlmöglichkeiten. Einig seien sie sich lediglich darin, nicht „öffentlich für den Papst zu beten“ - das ist die „piusbruderschaftliche“ Chiffre für die Nennung des jeweiligen Namens im Kanon der Hl. Messe. Diese Bemerkung mag statistisch recht interessant sein, bringt uns aber nicht weiter. Dann erst folgt eine Darlegung der Argumente der „Sedisvakantisten“. Diese teilen unsere Doctores ganz scholastisch (oder eher kantianisch?) in „a priori“- und „a posteriori“-Argumente ein.

„A priori sagen sie, daß ein Papst, der Häretiker ist, nicht wahrer Papst sein kann, was entweder theologisch bewiesen werden kann (ein Häretiker kann nicht Haupt der Kirche sein, aber Johannes Paul II. ist Häretiker, folglich...) oder auf dem Gebiet des Rechts (die Kirchengesetze erklären die Wahl eines Häretikers als ungültig, aber Kardinal Wojtyla – oder Ratzinger – war bei seiner Wahl Häretiker, folglich...).“ Ein weiteres „a priori“-Argument sei die Ungültigkeit der „erneuerten“ Bischofsweihen seit Paul VI. Ein Nicht-Bischof aber könne nicht Bischof von Rom sein. „A posteriori“ sei schließlich festzustellen, daß diese Päpste schlechte oder irrige Akte vollzögen, welche im Widerspruch zur Unfehlbarkeit stünden.

Auf das erste theologische Argument, daß ein Häretiker nicht Papst sein könne, entgegnen unsere Gelehrten, daß es gar nicht so einfach sei zu beweisen, daß die Päpste seit Paul VI. und besonders Johannes Paul II. sich bei den zahllosen Häresien, die sie äußerten, bewußt seien, damit ein Dogma der Kirche zurückzuweisen. Solange dies nicht sicher bewiesen sei, sei es klüger, mit dem Urteil zurückzuhalten. „Das war die Linie von Erzbischof Lefebvre“, meinen sie, was nicht ganz richtig ist, wie wir gesehen haben. Tatsächlich enthielt dieser sich nicht eines Urteils, sondern urteilte all seinen Zweifeln zum Trotz, daß diese Männer als Päpste der katholischen Kirche anzusehen seien, und ließ dies von allen seinen Seminaristen unterschreiben, andernfalls er ihnen keine Weihen erteilte.

Wieso wir uns bei andauernd wiederholten „schweren Irrtümern“, welche „in formellem Widerspruch mit der fortwährenden und einstimmigen Lehre des päpstlichen Lehramts vor dem Vaticanum II“ stehen, darin zurückhalten müssen, ihre öffentlichen Verbreiter, welche damit ihr „fundamentales Anhangen des Verstandes“ und die „Zustimmung einer informierten Überzeugung“ zu diesen Irrtümern bekunden, „Häretiker“ zu nennen, leuchtet uns nicht recht ein. Ein amtliches Urteil über deren Schuld oder die von ihnen verdiente Strafe haben wir ja nicht zu fällen, weshalb es uns nichts angeht, ob sie schuldlos irren, weil die Armen gar nicht wissen, daß sie „ein Dogma der Kirche zurückweisen“ (was bei so hochdekorierten Kirchenmännern und studierten Doktoren und Professoren der Theologie, wie dies die Päpste meistens sind, schon recht eigenartig wäre), oder nicht.

Überdies jedoch, so fahren die hochgelahrten Herren fort, sei es gar nicht sicher, daß ein Häretiker automatisch sein päpstliches Amt verliere, denn gemäß der „allgemeinen“ Meinung (Suarez) oder wenigstens der „allgemeineren“ Meinung (Billuart) der Theologen könne auch ein häretischer Papst sein Amt weiterhin ausüben, solange nicht die katholischen Bischöfe die Häresie des Papstes festgestellt hätten. „Nun ist es in so einer ernsthaften Angelegenheit nicht klug, gegen die allgemeine Meinung zu gehen“, sagen unsere Dominikaner-Theologen. Dazu wäre zu bemerken, daß es tatsächlich zu allen Zeiten die „allgemeine Meinung“ der Theologen (wie z.B. des oben bereits zitierten und sogar von den Herren Dominikanern der Erwähnung gewürdigten hl. Robert Bellarmin und vieler anderer) sowie wenigstens zweier Päpste (Innozenz III. und Paul IV.) war, daß ein häretischer Papst ipso facto, also gewissermaßen automatisch sein Amt verliert, und daß es sich vielmehr bei Suarez und Billuart allenfalls um vereinzelte Sondermeinungen handelt.

So lehrt etwa der überaus reputierte Dominikaner (!) Dominic Prümmer, dessen Lehrbuch der Moraltheologie in den Seminaren der „Piusbruderschaft“ als Grundlage für den Unterricht verwendet wird (1927): „Die Gewalt des Römischen Pontifex geht verloren: … c) durch dauernden Wahnsinn oder formelle Häresie.“ Weiter unten: „Die Autoren lehren in der Tat allgemein [!], daß ein Papst durch sichere und notorische Häresie sein Amt verliert, jedoch wird zurecht angezweifelt, ob dieser Fall wirklich möglich ist.“ (Anm.: Prümmer starb lange vor dem „II. Vatikanum“.) Der heilige Alphons von Liguori, dem man nach kirchlichem Urteil in Fragen der Moraltheologie stets folgen kann, schreibt: „Sollte je ein Papst als private Person in Häresie fallen, würde er sofort sein Pontifikat verlieren“ (Œvres Complètes 9:232).

Wernz-Vidal äußern 1943 in ihrem Kirchenrechtskommentar: „Durch notorische und öffentlich verbreitete Häresie wird der Römische Pontifex, sollte er in Häresie fallen, durch die Tat selbst (ipso facto) verurteilt, der Jurisdiktionsgewalt beraubt zu werden, selbst vor jedem deklaratorischen (feststellenden) Urteil der Kirche. … Ein Papst, der öffentlich in Häresie fällt, würde ipso facto aufhören, ein Mitglied der Kirche zu sein; somit würde er auch aufhören, Haupt der Kirche zu sein“ (Jus Canonicum, Rom:Gregoriana 1943, 2:453). Ebenso Vermeersch-Creusen (1949): „Die Gewalt des Römischen Pontifex erlischt im Falle des Todes, bei freiem Rücktritt (der gültig ist, ohne von jemandem angenommen werden zu müssen), sicherer und fragloser dauernder Unzurechnungsfähigkeit und notorischer Häresie. … Zumindest gemäß der allgemeineren Lehrmeinung kann der Römische Pontifex als privater Lehrer in öffentliche Häresie fallen. Dann würde er ohne jedes feststellende Urteil (denn der Oberste Stuhl wird von niemandem gerichtet) automatisch (ipso facto) die Gewalt verlieren, die er, der nicht länger ein Mitglied der Kirche ist, unmöglich besitzen kann“ (Epitome Iuris Canonici. Rom: Dessain 1949. 340). „Was brauchen wir noch mehr Zeugen?“ Oder waren alle diese anerkannten und zum Teil heiligen katholischen Theologen dem schrecklich gefährlichen „Irrtum“ der „Sedisvakantisten“ verfallen?

Und übrigens hatte ja auch Erzbischof Lefebvre, dessen Position die Herren „Tradi“-Dominikaner angeblich teilen, wie wir oben gesehen haben, fraglos anerkannt, daß ein häretischer Papst aufhören würde, Papst zu sein. Nur das Faktum hatte er in Frage gestellt, ob man also wirklich die in Rede stehenden Päpste häretisch nennen könne. Damit haben sich diesmal unsere „Herrenhunde“ selbst ihr Urteil gesprochen: „Nun ist es in so einer ernsthaften Angelegenheit nicht klug, gegen die allgemeine Meinung zu gehen“, und schon gar nicht, wenn man diese weiter oben selbst als die eigene ausgegeben hat.

Da hilft es auch nichts, daß die Herren Dominikaner meinen, ihren „Ordensbruder“ Garrigou-Lagrange für sich einspannen zu können, welcher behauptet habe, daß auch ein häretischer Papst, welcher nicht länger Glied der Kirche ist, nicht die Jurisdiktion verliere, weil sich ein moralisches Haupt anders verhalte als ein physisches. Während nämlich ein physisches Haupt keinen Einfluß auf die Glieder nehmen könne ohne den vitalen Einfluß der Seele, so könne ein moralisches Haupt wie der Papst die Jurisdiktion über die Kirche ausüben, selbst wenn er von der Seele der Kirche keinen inneren Einfluß des Glaubens oder der Liebe empfange. „Kurzum, der Papst ist Mitglied der Kirche durch seinen persönlichen Glauben, welchen er verlieren kann, er ist aber Haupt der sichtbaren Kirche durch Jurisdiktion und Autorität, welche mit Häresie zusammen bestehen können“, meinen die hochgelehrten „Katechismus“-Autoren Garrigou-Lagrange zusammenfassen zu können.

Nach dieser Logik wäre nicht einzusehen, warum man nicht beispielsweise gleich einen Protestanten, Muslim oder Heiden zum Papst wählen kann, da ja der persönliche Glaube keine Rolle spielt. Die Absurdität solcher Vorstellungen liegt auf der Hand. Wie sollte jemand, der selber den Glauben nicht hat, ausgerechnet der höchste Lehrer des Glaubens sein? Wie sollte jemand Haupt der Kirche sein, der gar nicht zu ihr gehört (s.o. Wernz-Vidal, Vermeersch-Creusen)? Das paßt zwar zur Theorie von den „Siamesischen Kirchen“, wonach ein und derselbe Mann zugleich Oberhaupt der Kirche und der Anti-Kirche sein kann, es paßt aber nicht zur Lehre und Praxis der Kirche, wonach die Jurisdiktion stets dem Glauben dient und dem Glauben folgt. Allenfalls ersetzt die Kirche die fehlende Jurisdiktion eines Häretikers fallweise zugunsten des Heils der Seelen (suppliierte Jurisdiktion). So kann etwa ein häretischer oder sogar exkommunizierter Priester im Notfall einem Sterbenden gültig und erlaubt die Absolution spenden. Dabei verleiht die Kirche jedoch nicht die Jurisdiktion einem Häretiker, was unmöglich wäre, auch nicht vorübergehend, sondern sie fügt gewissermaßen dem Akt die fehlende Jurisdiktion hinzu, um ihn gültig zu machen.

7. Die Ausführungen der Herren Dominikaner zum zweiten, dem „kanonischen“ Argument, erbringen nichts wesentlich Neues. Selbst „Sedisvakantisten“ würden inzwischen zugeben, sagen sie, daß die Bulle „Cum ex Apostolatus“ Pauls IV. ihre Rechtskraft verloren habe und nicht als Grundlage für die These der „Sedisvakanz“ tauge – und das mit dem gewichtigen „Beleg“, daß einer von jenen gesagt habe, mit genannter Bulle ließe sich nur die Möglichkeit, nicht aber die Tatsächlichkeit der Sedisvakanz beweisen. Nun, es ist eine Binsenweisheit, daß sich ein Faktum nicht unmittelbar aus dem Rechtsgrundsatz ableiten läßt, sondern eigens nachgewiesen werden muß. Wenn irgendwo die Höchstgeschwindigkeit bei 50 km/h liegt, folgt daraus allein in keiner Weise, daß ein Autofahrer sie überschritten hat. Erst eine Radarmessung kann dies belegen.

Zwar, so fährt unsere katechetische Studie fort, werde die Bulle Pauls IV. im Codex Juris Canonici (CIC) von 1917 als Quelle genannt, das bedeute jedoch nicht, daß sie noch in Kraft sei. Tatsächlich schaffe der Codex alle nicht in ihm genannten Strafen ab, wozu auch „Cum ex apostolatus“ gehöre. Überdies habe schon der heilige Pius X. die Konstitution Pauls IV. abgeschafft, indem er in seiner Konstitution „Vacante sede apostolica“ vom 25. Dezember 1904 jede Zensur beseitigt habe, welche die Kardinäle am passiven oder aktiven Wahlrecht im Konklave hindern könnte. Dasselbe habe Pius XII. 1945 wiederholt: „Kein Kardinal kann in irgendeiner Weise von der aktiven oder passiven Wahl des obersten Pontifex ausgeschlossen werden, unter keinen Umständen und sei es aus Gründen der Exkommunikation, Suspension, Interdikt oder einem anderen kirchlichen Hinderungsgrund. Wir heben in der Tat diese Zensuren auf, allerdings nur für diese Art der Wahl, während wir sie überall sonst aufrechterhalten.“

Die Sache ist schnell geklärt und auch schon oft erklärt worden, was unseren gelehrten Autoren jedoch bislang entgangen zu sein scheint. Im genannten Fall geht es nämlich gar nicht um kirchliches Recht und kirchliche Zensuren, von welchen ein Papst befreien kann. Häresie ist nach göttlichem Recht ein Ausschluß aus der Kirche und damit von allen kirchlichen Ämtern. Davon kann kein Papst dispensieren, und auch das Kirchenrecht kann daran nichts ändern. Darum dispensiert auch Pius XII. zwar von Exkommunikation, Suspension und Interdikt, nicht aber von Häresie. Jeder, der sich in der Materie in wenig auskennt, weiß, daß die „Sedisvakantisten“ zu unterscheiden pflegen zwischen der Sünde der Häresie und dem Verbrechen der Häresie. Erstere wendet sich gegen göttliches Recht und trennt von der Kirche, letzteres wendet sich gegen kirchliches Recht und verdient die Strafe der Exkommunikation.

Das von den studierten Herren angeführte Argument, wonach die fehlende bzw. ungültige Bischofsweihe eine Sedisvakanz begründe, ist ein unter „Sedisvakantisten“ höchstens selten benutztes Nebenargument. Es dient jedoch den Herren Dominikanern dazu, einmal mehr die Gültigkeit der „neuen Weihen“ zu behaupten. Darüber haben wir an anderer Stelle bereits ausführlich gehandelt und brauchen hier nicht weiter darauf einzugehen. Dazu nur soviel: Bekanntlich kann auch ein katholischer Laie (aber kein Häretiker!) gültig zum Papst gewählt werden und genießt danach sofort die höchste Jurisdiktion in der Kirche. Er ist allerdings gehalten, sich baldmöglichst die bischöfliche Weihe erteilen zu lassen, da er ja nicht nur höchster Lehrer und Richter, sondern auch höchster Priester der Kirche und zudem Bischof von Rom ist. Stephan II., welcher im Jahr 752 nur 4 Tage regierte und vor seinem plötzlichen Ableben die Bischofsweihe nicht mehr empfangen konnte, wird aus diesem Grund vielfach nicht als Papst gezählt.

8. Damit kommen wir zur „a posteriori“-Begründung. Die „Sedisvakantisten“, so unsere Experten, schlössen aus der Tatsache, daß ein Konzil, das eigentlich unfehlbar sein müßte, Irrtümer wie die Religionsfreiheit verkündet habe, es müsse in diesem Moment Paul VI. aufgehört habe, Papst zu sein. Wäre dies der Fall, setzen sie hinzu, so müßte man jedoch sagen, daß in diesem Moment die katholische Kirche aufgehört habe zu existieren und somit die „Pforten der Hölle“ sie doch überwältigt hätten. Somit sei es einfacher anzunehmen, daß das „II. Vatikanum“ kein unfehlbares Lehramt gewesen sei, wie es die gelehrten Dominikaner übrigens bereits in einer früheren Studie pflichtgemäß dargelegt haben. In der Tat habe das „II. Vatikanum“ nicht für sich in Anspruch genommen, Lehren vorzulegen, welche fest und für immer festzuhalten wären. Es habe seine Lehren nicht als heilsnotwendig vorgestellt, und somit seien sie nicht mit jener Autorität vorgelegt worden, welche Unfehlbarkeit beansprucht. Dasselbe gelte für liturgische und kanonische Gesetze („Neue Messe“, jüngere Heiligsprechungen, neues Kirchenrecht). Sie seien nicht durch Unfehlbarkeit gedeckt, was sie normalerweise sein sollten.

Zu diesem Thema wäre natürlich sehr viel zu sagen, ist schon sehr viel gesagt worden und wird noch viel mehr zu sagen sein. Es scheint insofern allzu lässig, es in einem „Katechismus“ mit wenigen Sätzen abzuhandeln. Damit bleibt uns nichts übrig, als es ebenso zu halten, und darum wollen wir im wesentlichen nur einen Satz entgegenstellen: „Eine Autorität, welche den Irrtum lehrt, sei es in guter oder in böser Absicht, ist überhaupt keine Autorität mehr” (Dom Guéranger). A fortiori gilt das natürlich für die Kirche, welche mit unfehlbarer Lehrautorität ausgestattet ist. Ist es wirklich „einfacher“, anzunehmen, das Lehramt unserer heiligen Mutter, der Kirche, könne uns die abscheulichsten Irrtümer lehren, solange es sich außerhalb der angeblich so engen Grenzen seiner Unfehlbarkeit bewege, als schlicht und einfältig zu glauben, daß es sich bei einem solchen irrigen „Lehramt“ gewiß nicht um das der reinen Braut Unseres Herrn Jesus Christus handeln kann? Wir jedenfalls weigern uns, einer „Kirche“ anzugehören, deren höchste Lehrautoritäten, Papst und ökumenisches Konzil, grauenhafteste Irrtümer verkünden können, weil sie zwar vielleicht theoretisch noch irgendwie unfehlbar sind, man praktisch aber nie weiß, ob sie es überhaupt sein wollen; weil sie selbst da, wo sie „normalerweise“ unfehlbar sein sollten, es dann eben doch nicht sind. Eine solche „Kirche“ mit solchen Autoritäten ist sicher nicht unsere heilige und makellose Mutter Kirche.

Als der Gottmensch nach Seinem Kreuzestod im Grabe lag, dachten viele, Freund und Feind, es sei mit Ihm vorbei. Doch am dritten Tag erstand Er vom Grab wieder auf, und das war Sein vollständiger Sieg über Teufel, Sünde und Tod. Aus ihrer tiefsten Erniedrigung wird auch die Kirche durch die Kraft Gottes glorreich wieder auferstehen, und die Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigt haben. Der Heiland sagt einmal zur sel. Anna Katharina Emmerich, Er werde selbst dann noch die Kirche glanzvoll wieder erstehen lassen können, wenn nur ein einziger Katholik noch übrig sei. Solange die Kirche also aus gleich was für einem armseligen Rest durch die ihr innewohnende göttliche Kraft wieder erweckt werden kann, hat die Kirche nicht aufgehört zu exisiteren und haben die Pforten der Hölle sie nicht überwältigt.

Es folgen Ausführungen unserer Herren Dominikaner zur „Cassiciacum These“, und wir staunen, was sie alles in ihren „kleinen Katechismus“ hineingepackt haben und wie sie sich nicht scheuen, die komplexesten Themen in einigen simplen Sätzen abzufertigen. Wir unsererseits lassen dieses Thema hier lieber beiseite, weil es zu speziell ist und unsere Abhandlung ihrerseits allzu weitschweifig werden lassen würde. Stattdessen wenden wir uns gleich dem nächsten Punkt im „Katechismus“ zu, der Frage des „una cum“.

9. Die „Sedisvakantisten“, so werden wir belehrt, weigerten sich, im Kanon der Heiligen Messe den Namen des Papstes zu nennen, also die Messe in Gemeinschaft mit („una cum“) einem Häretiker zu feiern. Dabei, so wissen unsere Gelehrten, bedeute der Ausdruck „una cum“ in der Hl. Messe gar nicht, daß man sich „in Gemeinschaft“ mit der Person des Papstes und seinen irrigen Ideen befinde, sondern vielmehr, daß man für die Kirche „und für“ den Papst beten wolle. Dies begründen sie zum einen mit den Rubriken im Missale, wonach ein zelebrierender Bischof gehalten ist, sich selbst im Kanon zu nennen, was ja wohl nicht bedeuten könne, daß er sich als in Gemeinschaft mit sich selbst bezeichne, und zum anderen, ganz dominikanermäßig, mit dem hl. Thomas von Aquin. Dieser nämlich setze in seiner „Summa“, III q. 83 a. 4, wo er über die Gebete der Hl. Messe handelt, das „una cum“ mit dem Ausdruck „et pro – und für“ gleich. Auch würde der hl. Thomas nicht verbieten, im Meßkanon für einen Häretiker zu beten, nur trete die Wirkung dann nicht ein.

Es ist ja über das „una cum“ ebenfalls schon viel Tinte geflossen. Wir stellen hier nur fest, daß an der betreffenden Stelle im Kanon der Hl. Messe der zelebrierende Priester nicht einfach „für den Papst betet“, sondern vielmehr bezeichnet, wem das Opfer, das er im Begriff ist zu vollziehen, nach dem Willen der Kirche zugute kommen soll, und das ist zunächst und vor allem die Kirche selbst, in deren Namen und Auftrag er die Messe feiert. Die Kirche wird sodann näher bestimmt durch ihr Oberhaupt, den Papst, den Bischof der Teilkirche, in welcher die Messe stattfindet, sowie „alle Rechtgläubigen und alle, die den katholischen und apostolischen Glauben fördern“. Es ist klar, daß ein Häretiker, welcher nicht zur Kirche gehört, hier keinen Platz hat. Im anschließenden „Gedächtnis der Lebenden“ nennt der Priester einige konkrete Personen sowie „alle Umstehenden“, d.h. alle, die an der Messe teilnehmen, „deren Glauben und Opfergesinnung Du (Gott) kennst“, für welche das Opfer dargebracht wird und die es selbst „für sich und alle die Ihrigen“ opfern. So scheint es auch der heilige Thomas zu sehen, denn er schreibt in der genannten q. 83 a. 4: „Dann [nach der Präfation] erwähnt der Priester zunächst im Stillen jene, für welche dieses Opfer dargebracht wird, nämlich für die gesamte Kirche und für jene, die 'in Hoheit sind' (1 Tim 2,2) [d.h. die Obrigkeiten; früher wurde hier auch der christliche König genannt], und besonders für solche, die opfern und für die geopfert wird.“

An der von den Herren Dominikanern als „Beweis“ herangezogenen zweiten Stelle aus der Summa des heiligen Thomas (III q. 79 a.7) geht es gar nicht um die Frage, ob man im Kanon auch für Häretiker beten kann, sondern um die Wirkungen des Altarsakraments und speziell um die Frage, ob es auch bei denen eine Wirkung hat, welche es nicht empfangen, also nicht kommunizieren. Der zweite Einwand, den sich der Doctor Angelicus hier stellt, meint, daß es wohl nicht recht wäre, wenn jemand die Wirkung des Altarsakramentes empfange, ohne überhaupt irgendetwas dafür zu tun, da er ja nicht einmal zur Kommunion geht. Die Antwort des Aquinaten – und sie ist es, auf welche sich die „Herrenhunde“ beziehen – lautet wie folgt: „Wie das Leiden Christi zwar allen zur Vergebung der Sünden und zum Erlangen der Gnade und Glorie nützt, aber nur Wirkung hat bei jenen, welche sich durch Glaube und Liebe mit dem Leiden Christi verbinden, so hat auch dieses Opfer (das Meßopfer), welches das Gedächtnis des Leidens Unseres Herrn ist, nur Wirkung bei jenen, die sich mit diesem Sakrament durch Glaube und Liebe verbinden. Wie der heilige Augustinus sagt: Wer opfert den Leib Christi außer für jene, die Glieder Christi sind? Darum wird auch im Kanon der Heiligen Messe nicht für jene gebetet, die sich außerhalb der Kirche befinden. Jenen aber [hier sind die o.g. Glieder Christi gemeint] nützt es mehr oder weniger, gemäß dem Maß ihrer Frömmigkeit.“ Wie man daraus ableiten will, der heilige Thomas verbiete nicht, im Meßkanon für Häretiker zu beten, bleibt schleierhaft. Im Gegenteil sagt er doch ausdrücklich, daß im Kanon der Messe nicht für jene gebetet wird, „die sich außerhalb der Kirche befinden“.

Es ist uns schon längst bekannt, wie schwer sich die großartigen „Theologen“ der „Piusbruderschaft“ mit dem heiligen Thomas tun und daß sie ihn so gut wie immer mißverstehen bzw. mißbrauchen, indem sie ihn ihren eigenen Zwecken dienstbar machen und das hineinlesen, was ihnen gerade paßt. Daß aber die hochgelahrten Herren Dominikaner es nicht anders vermögen und ebenso halten, das wußten wir noch nicht. Sie jedenfalls meinen, den heiligen Thomas dahingehend interpretieren zu dürfen, das Schlimmste, was passieren könnte, wenn man „una cum“ einem Häretiker betet – was ja immerhin erlaubt sei –, wäre allenfalls, daß das Gebet für ihn dann wirkungslos wäre.

Die entscheidende Frage ist aber gar nicht, ob wir im Kanon der Hl. Messe für einen Häretiker beten dürfen oder nicht (oder gar für einen „papa haereticus“, einen „häretischen Papst“, wie absurd!), ob mit oder ohne Wirkung. Bei der Zelebration der Heiligen Messe handelt der Priester ganz vorzüglich als „minister“ oder Diener der Kirche. Er bringt das heilige Opfer für die Kirche dar, und zwar im Namen und Auftrag der Kirche. Dieser Auftrag wird ihm gewöhnlich durch ein „Zelebret“ erteilt, welches der zuständige Ordinarius ihm ausstellt. Darum muß er das Meßopfer natürlich auch in der Gemeinschaft der Kirche darbringen und darf nicht durch Häresie, Schisma oder Exkommunikation von ihr getrennt sein. Das unabdingbare Kennzeichen für diese Gemeinschaft war aber zu allen Zeiten die Nennung der Namen von Papst und Bischof im Kanon der Hl. Messe.

Der heilige Thomas von Aquin schreibt in seiner „Summa“ (III qu. 82 a. 7), wo er sich die Frage stellt, ob auch Häretiker, Schismatiker oder exkommunizierte Priester gültig konsekrieren können: „Und weil die Konsekration der Eucharistie ein Akt ist, welcher der Weihegewalt folgt, können zwar jene, welche durch Häresie, Schisma oder Exkommunikation von der Kirche getrennt sind, die Eucharistie konsekrieren, welche von ihnen konsekriert den wahren Leib und das Blut Christi enthält, sie tun dies aber nicht rechtmäßig und sündigen, indem sie es tun. Und darum empfangen sie die Frucht des Opfers nicht, welches ein geistiges Opfer ist.“ In seiner Antwort auf den dritten Einwand, „ad 3“, stellt der heilige Doctor fest, daß „der Priester bei den Gebeten der Heiligen Messe in persona Ecclesiae (in Person der Kirche) spricht, in deren Einheit er feststeht. Aber bei der Konsekration des Sakramentes spricht er in persona Christi (in der Person des Heilands), dessen Stelle er hier einnimmt durch die Gewalt der Weihe. Und daher konsekriert ein Priester, wenn er von der Einheit der Kirche getrennt die Messe feiert, den wahren Leib und das Blut Christi, aber, weil er von der Einheit der Kirche getrennt ist, haben seine Gebete keine Wirksamkeit.“

Ganz so unwichtig scheint also die genannte Stelle im Kanon doch nicht zu sein, denn immerhin hängt davon ab, ob die Messe nicht nur gültig, sondern auch wirksam gefeiert wird. Nicht nur die Wirkung des „Gebets für den Papst“ steht in Frage, wohlgemerkt, sondern die der ganzen Heiligen Messe! Wer die Messe „una cum“ - oder auch „et pro“, das macht keinen Unterschied - „Papa nostro Francisco“ zelebriert, stellt sich damit in Gemeinschaft mit Bergoglio und seiner „konziliaren Kirche“. (Besonders kurios ist das übrigens bei solchen, die gar nicht die Messe des Herrn Bergoglio feiern, der bekanntlich ausschließlich dem „Novus Ordo“ vorsteht, und obendrein gar kein Zelebret der „Bergoglio-Kirche“ haben.) Aber steht er damit auch in Gemeinschaft mit der katholischen Kirche? Der heilige Augustinus sagt: „Außerhalb der katholischen Kirche kann das wahre Opfer nicht gefunden werden“ (vgl. Prosperum Aquitanum, Sent., sent. 15 P.L. 51, 430).

Wenn wir davon ausgehen, daß die „konziliare Kirche“ nicht die wahre Kirche Christi, die katholische Kirche, ist, sondern eine schismatische, eine häretische „Kirche“, dann haben wir da ein großes Problem. Es sind dann die Messen, in denen „für unseren Papst Franziskus gebetet“ wird, gar keine wirksamen Messen, keine katholischen Messen, sie sind nicht das „wahre Opfer“. Das ist keine Kleinigkeit! An akatholischen Messen dürfen wir als Katholiken nicht teilnehmen, wenn wir uns nicht der schweren Sünde und des Ärgernisses schuldig machen wollen. Die Meinung der Herren Dominikaner erscheint uns in dieser Sichtweise, gelinde gesagt, zumindest eine arge Verharmlosung der Sachlage.

10. In einer „abschließenden Reflexion“ meinen die „Herrenhunde“, die ganze Diskussion so zusammenfassen zu können: „Es ist nicht angemessen, im Namen einer 'theologischen Meinung' zu erklären, daß 'der Papst nicht Papst ist' (ob materiell oder formell).“ Das klingt schon recht viel kleinlauter als die ursprünglich so harschen Töne von jenem schrecklichen Irrtum, der zu meiden sei wie der Modernismus. Die Autoren meinen sodann, in diesem Zusammenhang noch eine interessante Parallele beibringen zu können. Nach einem Artikel eines P. Hurtaud in der „Revue Thomiste“ sei Savanarola überzeugt gewesen, daß Alexander VI. durch Simonie auf den Papstthron gelangt und daher gar nicht Papst gewesen sei. Da jedoch die Ungültigkeit einer simonistischen Wahl „nur eine Meinung“ gewesen sei, habe Savanarola die Einberufung eines Konzils gefordert, wo er den Beweis erbrachte, daß Alexander VI. nicht länger den katholischen Glauben hatte, „und es war auf diese Weise, daß festgestellt wurde, daß Alexander VI. die höchste Jurisdiktion verloren hatte“.

Nun, wir wissen nicht ganz, was dadurch bewiesen werden soll. Wenn sich die Sache wirklich so verhalten hat, so zeigt sie nur einmal mehr, daß der Papst sein Amt durch Abfall vom Glauben verliert und es sich somit um mehr als eine „theologische Meinung“ handelt. Vielmehr können wir davon ausgehen, eine sichere Lehre der Kirche vor uns zu haben, selbst wenn einige vereinzelte Theologen eine abweichende Meinung vertreten. Da obendrein die Häresien des „II. Vatikanums“ und des daraus hervorgegangenen „konziliaren Lehramts“ offen vor aller Augen liegen, können wir nicht nur zu einer „Meinung“, sondern sogar zu einem sicheren Urteil gelangen, welches freilich ein privates Urteil ist, d.h. ein Urteil, welches unser Handeln bestimmt, und nicht ein öffentliches, rechtsverbindliches Urteil sein kann. D.h. wir können nicht verbindlich eine „Sedisvakanz“ erklären, wir können aber etwa die Nennung der „konziliaren Päpste“ im Kanon der Hl. Messe unterlassen und ihre Autorität sowie jede Gemeinschaft mit ihnen und ihrer „konziliaren Kirche“ zurückweisen.

Es ist nicht an uns, zu Gericht zu sitzen und ein amtliches Urteil zu fällen, das können wir getrost Gott und der Kirche überlassen. Um ein persönliches Urteil als Grundlage für unser Verhalten und Handeln kommen wir freilich nicht herum. Dazu genügt es jedoch, daß wir uns an die für uns sichtbaren Fakten halten. Und darum ist für uns jemand, der fortwährend Irrlehren verkündet, ein Häretiker, und wir brauchen nicht zu rechten, ob formell oder materiell, wie schuldhaft oder nicht, und ein Lehramt, welches Häresien verbreitet, ist nicht das Lehramt der Kirche, ohne daß wir herumfeilschen müssen, ob es dazu auch noch Unfehlbarkeit in Anspruch nimmt oder nicht.

11. Ihr Fazit, was man denn nun vom Sedisvakantismus halten solle, fassen die Herren Doctores so zusammen: „Es ist eine Position, die theoretisch nicht bewiesen ist, und es ist unklug, sie praktisch einzunehmen (eine Unklugheit, die sehr ernste Konsequenzen haben kann – denken wir vor allem an Leute, die sie selbst der Sakramente berauben unter dem Vorwand, daß sie keinen Priester finden können, der dieselbe 'Meinung' hat wie sie). Das ist der Grund, warum Erzbischof Lefebvre nie diesen Pfad betreten hat und sogar den Priesters einer Gemeinschaft verboten hat, den Sedisvakantismus zu bekennen. Wir sollten seiner Klugheit und seinem theologischen Sinn vertrauen.“

Da sind wir meilenweit von dem eingangs behaupteten Irrtum entfernt; denn eine Unklugheit ist per se kein Irrtum, schon gar nicht einer der Kategorie wie der Modernismus, dieses „Sammelbecken aller Häresien“. Der ursprünglich beabsichtigte Nachweis ist den studierten Herren also nicht gelungen. Wir sind aber wieder bei der „Klugheit“ Mgr. Lefebvres, wonach Praxis vor Theologie geht, und das heißt Praxis vor Glauben. Tatsächlich geht jedoch der Glaube vor, und das auch und gerade beim Empfang der Sakramente. Oder hätte etwa ein heiliger Hermenegild geirrt, als er die „Unklugheit“ beging, die Eucharistie aus der Hand eines arianischen Bischofs zurückzuweisen, und sich so selbst der Osterkommunion beraubte? Haben die Katholiken Englands geirrt, als sie von anglikanisch gewordenen Priestern keine Sakramente mehr annehmen wollten, oder die französischen Katholiken, die sich weigerten, von den konstitutionellen Priestern weiterhin die Sakramente zu empfangen? Und das nur, weil diese arianischen, anglikanischen, konstitutionellen Priester nicht dieselbe „Meinung“ hatten wie sie? Nein, sie alle haben lieber auf die Sakramente verzichtet, haben Entbehrung, Verfolgung, ja den Martertod auf sich genommen, als „theologische“ Kompromisse zu machen, sprich den Glauben zu verraten.

12. Wir stellen in unserem Fazit fest, daß der ganze ursprünglich von den Predigerbrüdern groß postulierte, wie der Modernismus zu meidende und zum Schisma führende „Irrtum“ der „Sedisvakantisten“ letztlich einzig auf die „Unklugheit“ zusammenschrumpft, außerhalb der Kirche keine Sakramente empfangen zu wollen. O selige Unklugheit! O seliger Irrtum! Denn zum Glück ist der Liebe Gott kein „Tradiland“-Dominikaner und sieht daher die Dinge so, wie sie wirklich sind, und nicht durch eine ideologisch getönte Brille. „Ei, du guter und getreuer Knecht! Über weniges bist du treu gewesen, über vieles will Ich dich setzen. Gehe ein in die Freuden deines Herrn!“ (Mt 25,21.23).