Ich glaube an die Kirche

1. Es scheint bisweilen, daß infolge der Aufweichung durch den Protestantismus und dann den Ökumenismus selbst viele Katholiken vergessen haben, daß auch die Kirche zu unserem Glauben gehört, nicht weniger als die Dreifaltigkeit oder die Gottheit Jesu Christi und Sein Erlösungswerk. Der heilige Thomas von Aquin schreibt in seiner Erklärung zum Glaubensbekenntnis: „Wie in einem Menschen eine Seele und ein Leib sind und doch verschiedene Glieder, so ist auch die katholische Kirche ein Leib mit verschiedenen Gliedern. Die Seele aber, die diesen Leib belebt, ist der Heilige Geist. Deshalb müssen wir nach dem Glauben an den Heiligen Geist auch den Glauben an eine heilige katholische Kirche bekennen.“

Der Begriff „Kirche“, so unser Lehrer, besagt soviel wie „Versammlung“, „und die heilige Kirche ist daher die Versammlung der Gläubigen, und jeder Christ ist gleichsam ein Glied dieser Kirche“. Sie ist freilich nicht irgendeine Versammlung, sondern eine besondere, die vier Kennzeichen aufweist: „sie ist einig, heilig, katholisch – das heißt allgemein –, und sie ist stark und fest“.

2. Ihre Einigkeit unterscheidet sie von den „verschiedenen Sekten, die die verschiedenen Irrlehrer gestiftet haben“. Diese gehören der Kirche nicht an, denn „jene sind in Parteien gespalten, während die Kirche eins ist“. Ihre Einheit sieht der Aquinate durch die drei göttlichen Tugenden gewirkt: erstens durch die Einheit des Glaubens. „Denn alle Christen, die zum Leib der Kirche gehören, glauben dasselbe.“ Wie der Apostel schreibt: „Es ist nur ein Gott, ein Glaube, eine Taufe“ (Eph 4,5). Daraus ergibt sich im Umkehrschluß, daß nicht zur Kirche gehört, wer nicht den Glauben hat.

Zweites Bindeglied ist die Einheit in der Hoffnung. „Denn alle stützen sich auf die eine Hoffnung, das ewige Leben zu erlangen.“ Wiederum der heilige Paulus: „Seid ein Leib und ein Geist, wie ihr auch berufen seid zu einer Hoffnung eurer Auserwählung.“ Die Kirche ist eine ganz auf das Himmlische, auf das ewige Leben hingeordnete Versammlung.

Das Dritte ist die Einheit der Liebe. „Denn alle sind eins in der Liebe Gottes und miteinander durch die gegenseitige Liebe verbunden.“ So sagt der Heiland selbst: „Daran werden alle erkennen, daß ihr meine Jünger seid, wenn ihr Liebe untereinander habt“ (Joh 13,35). Der heilige Thomas: „Wenn diese Liebe echt ist, offenbart sie sich dadurch, daß die Glieder umeinander besorgt sind und aneinander Anteil nehmen. Und so soll ein jeder mit der ihm von Gott geschenkten Gnade dem Nächsten dienen.“ Das ist sicherlich ein Punkt, an dem jeder Christ sich öfters prüfen sollte, ob er wirklich in dieser Einheit der Kirche ist.

Und in dieser Einheit zu verbleiben, ist von größter Bedeutung. Denn keiner soll „jene Kirche verachten noch verschulden, daß er von ihr getrennt werde; denn es gibt nur eine Kirche, durch die die Menschen gerettet werden können, wie auch außerhalb der Arche Noes niemand gerettet werden konnte“. Diese fundamentale Wahrheit muß gerade in der heutigen Zeit immer wieder betont werden, da selbst viele Katholiken meinen, die Religionszugehörigkeit oder Konfession eines Menschen sei nicht so wichtig. Hingegen war der feste und lebendige Glaube an diese Einheit der Kirche stets der mächtigste Antrieb zu allen Werken der Mission.

3. Die Kirche ist also einig, und sie ist zweitens heilig. „Wohl gibt es auch eine andere Versammlung, nämlich die der Bösen, von der es heißt: 'Ich hasse die Versammlung der Bösen' (Ps 25,5); diese Versammlung aber ist böse, während die Kirche Christi heilig ist.“ „Der Tempel Gottes ist heilig, und der seid ihr“, sagt der heilige Paulus (1 Kor 3,17). Die Heiligkeit der Kirche trennt sie scharf von der unheiligen Afterkirche oder „Synagoge Satans“. Diese ist die „Hure Babylon“, jene aber die heilige und makellose Braut Christi.

Vier Dinge sind es, die der heilige Thomas aufzählt, durch welche die Gläubigen der Kirche geheiligt werden. Erstens durch die Abwaschung. „Denn wie eine Kirche bei der Einweihung durch wirkliches Wasser abgewaschen wird, so sind die Gläubigen gewaschen worden durch das Blut Christi.“ „Er hat uns geliebt und uns in Seinem Blute von unseren Sünden erlöst“ (Apk 1,5; vgl. Hebr 13,12). Auf den Altären der Kirche fließt unaufhörlich das Blut Christi und reinigt die Seelen, namentlich durch die Sakramente der Taufe und der Buße.

Zweitens werden die Gläubigen geheiligt durch die Salbung. „Wie eine Kirche gesalbt wird, so empfangen die Gläubigen geistige Salbung, damit sie geheiligt werden; anders wären sie keine Christen, den 'Christus' heißt 'der Gesalbte'. Diese Salbung aber ist die Gnade des Heiligen Geistes.“ So spricht auch der Völkerapostel von „Gott, der … uns gesalbt hat“ (2 Kor 1,21) und sagt: „Ihr seid geheiligt … im Namen unseres Herrn Jesus Christus, durch den Geist unseres Gottes“ (1 Kor 6,11). Darum wird bereits der Täufling mit Chrisam gesalbt und abermals der Firmling und der Priester.

Drittens geschieht die Heiligung durch die Einwohnung der Dreifaltigkeit. „Denn wo immer Gott wohnt, der Ort ist heilig.“ „Deinem Haus geziemt Heiligkeit, o Herr“, heißt es im Psalm (Ps 92,5), und der heilige Paulus: „Wenn jemand den Tempel Gottes verdirbt, den wird Gott verderben; denn der Tempel Gottes ist heilig, und solche seid ihr“ (1 Kor 3,17), „Oder wisset ihr nicht, daß euer Leib der Tempel des Heiligen Geistes ist, der in euch wohnt, den ihr von Gott habt, und daß ihr nicht euer selbst seid?“ (1 Kor 6,19). Wie eng diese Einwohnung der heiligsten Dreifaltigkeit mit der Einheit der Liebe verbunden ist, sagt uns der Heiland selbst: „Wenn jemand mich liebt, so wird er mein Wort halten, und mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und in ihm wohnen“ (Joh 14,23).

Viertens schließlich werden die Gläubigen geheiligt „durch die Gebete, die über uns gesprochen werden“. „Du aber, Herr, bist in uns, und Dein heiliger Name ist angerufen über uns“ (Jer 14,9). Die Kirche ist wesentlich eine betende Kirche und heiligt ihre Glieder dadurch. Darum die strenge Verpflichtung der Priester zum Gebet als ihrer gewissermaßen ersten seelsorglichen Aufgabe. An uns aber ist es, daß wir uns nach solcher Heiligung „hüten, daß unsere Seele, die ein Tempel Gottes ist, nicht durch die Sünde beflecken“. Denn, wie wir oben schon gesehen haben, wenn „jemand den Tempel Gottes verdirbt, den wird Gott verderben“.

4. Die Kirche ist einig, sie ist heilig, und sie ist drittens „katholisch, das heißt allumfassend“. Allumfassend ist sie zunächst in bezug auf den Ort. „Sie erstreckt sich über die ganze Welt: 'Gehet hin in alle Welt und predigt das Evangelium allen Geschöpfen!' (Mk 16,15).“ Dadurch unterscheidet sich die Kirche von der Synagoge, das Alte vom Neuen Testament. „Zuerst war Gott nur den Juden bekannt; jetzt ist Er es aber der ganzen Welt.“ Dabei beschränkt sich die Kirche nicht auf die sichtbare Welt allein, denn sie besteht aus drei Teilen: „der erste ist auf Erden, der zweite im Himmel und der dritte im Reinigungsort“. Alle drei Teile zusammen erst, die streitende, die leidende und die triumphierende Kirche, bilden die ganze katholische Kirche.

Die Kirche ist allumfassend zweitens „in bezug auf die Stände der Menschen“. „Niemand ist von ihr ausgeschlossen, weder Herr noch Knecht, weder Mann noch Frau.“ Der heilige Paulus: „Da ist nicht Jude noch Grieche, da ist nicht Sklave noch Freier, da ist nicht Mann und Frau; denn ihr alle seid eins in Christo Jesu“ (Gal 3,28). So entspricht die Katholizität der Einheit, denn sie faßt alle in eins zusammen, wie denn auch der eine Gott Schöpfer und Herr aller Menschen ist.

Drittens ist die Kirche allumfassend in bezug auf die Zeit. „Wenn einige sagen, die Kirche werde nur bis zu einem gewissen Zeitpunkt dauern, so ist dies falsch; denn die Kirche nahm ihren Anfang zur Zeit Abels und wird dauern bis zum Ende der Weltzeit: 'Siehe, Ich bin bei euch alle Tage bis zur Vollendung der Weltzeit' (Mt 28,20). Und selbst nach dem Ende der Weltzeit wird sie im Himmel fortdauern.“ Auch hierin spiegelt die Kirche ihren Herrn und Gott, der war und ist und sein wird in Ewigkeit.

5. Die Kirche ist somit einig, heilig und katholisch, viertens ist sie auch fest oder apostolisch. Wann aber wird ein Haus fest genannt? Erstens wird es fest genannt, wenn es „gute Fundamente hat“. „Das Hauptfundament der Kirche ist aber Christus.“ „Einen anderen Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist, und das ist Jesus Christus“ (1 Kor 3,11). Hinzu kommen als weiteres Fundament „die Apostel und ihre Lehre, und daher sind die Fundamente fest: 'Die Mauer der Stadt hatte zwölf Grundsteine, und darauf waren die zwölf Namen der zwölf Apostel des Lammes' (Apk 21,14). Deshalb heißt die Kirche auch die 'apostolische', und zur Bezeichnung ihrer Festigkeit wird der heilige Petrus 'Felsspitze' (vertex) genannt.“ Die Kirche beruht somit wesentlich auf der Tradition, die von den Aposteln über ihre Nachfolger, namentlich den Nachfolger Petri, den Papst, auf uns kommt.

Fest nennen wir ein Haus ferner, wenn „es trotz Erschütterungen nicht zerstört werden kann“. „Die Kirche aber konnte nie zerstört werden, auch nicht von den Verfolgern; vielmehr nahm sie während der Verfolgungen an Stärke zu; diejenigen hingegen, die sie verfolgten und die sie selbst verfolgte, erlagen.“ Nach den Worten des Heilands: „Wer auf diesen Stein fällt, wird zerschellen – und auf wen er fällt, den wird er zermalmen“ (Mt 21,44). Tatsächlich gilt dies als einer der Beweise für die wahre Kirche Christi.

Aber auch „von den Häresien ist sie nicht überwunden worden; im Gegenteil, je mehr Irrlehren aufkamen, desto mehr wurde die Wahrheit offenbar“. Wir hätten viele unserer herrlichsten Dogmen nicht, wären diese Wahrheiten nicht von Irrlehrern bestritten worden, so etwa die Erklärung über die heiligste Dreifaltigkeit (ein Gott in drei Personen) oder die hypostatische Union in Christus (zwei Naturen in einer Person geeint).

„Auch die Versuchungen der bösen Geister überwanden sie nicht; denn die Kirche ist wie ein Turm, in dem jeder Schutz sucht, der gegen den Teufel kämpft.“ „Ein fester Turm ist der Name des Herrn“, heißt es im Buch der Sprüche (18,10). „Und deshalb bemüht sich der Teufel besonders, sie zu zerstören; aber dies gelingt ihm nicht, denn der Herr hat gesagt: 'Die Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen' (Mt 16,18). Das heißt: Sie werden gegen dich Krieg führen, aber dich nicht besiegen.“ Das schöne Kirchenlied „Ein Haus voll Glorie schauet“ bringt diese Festigkeit des Hauses der Kirche glänzend zum Ausdruck: „Gar herrlich ists bekränzet mit starker Türme Wehr, und oben hoch erglänzet des Kreuzes Zeichen hehr. … Wohl tobet um die Mauern der Sturm in wilder Wut, das Haus wird’s überdauern, auf festem Grund es ruht. … Ob auch der Feind ihm dräue, anstürmt der Hölle Macht, des Heilands Lieb und Treue auf seinen Zinnen wacht.“

Im Gegensatz zu manchen unserer Zeitgenossen, die auch gerne die Zusicherung Unseres Herrn Jesus Christus von der Unzerstörbarkeit der Kirche zitieren (und sie etwa als Beleg dafür anführen, daß „selbst der Papst die Kirche nicht zerstören wird“), weiß der heilige Thomas sie noch im Zusammenhang zu lesen. Denn bekanntlich beginnt die Stelle bei Matthäus (16,18) mit der Verheißung des Heilands an den heiligen Petrus, ihn zum Fels und Fundament Seiner Kirche zu machen und lautet im ganzen: „Aber auch ich sage dir: du bist Petrus, der Fels; und auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen, und die Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen.“ Somit fährt der Aquinate fort: „Daher kommt es auch, daß nur die Kirche des Petrus, dem, als die Jünger zur Verkündigung des Evangeliums ausgesandt wurden, ganz Italien zufiel, immer im Glauben fest blieb. Und wenn in anderen Gegenden der Glaube entweder gar nicht vorhanden war oder nur mit vielen Irrtümern gemischt, so blieb doch die Kirche Petri im Glauben stark und von Irrtümern frei. Dies ist nicht zu verwundern, da der Herr zu Petrus sagte: 'Ich habe für dich gebetet, Petrus, daß dein Glaube nicht versage' (Lk 22,32).“ Die päpstliche Unfehlbarkeit als Fundament der Festigkeit oder Apostolizität der Kirche gehört unverzichtbar zu den Grundlagen unseres Glaubens und muß ganz ernst genommen werden, wenn anders wir uns rühmen wollen, den wahren katholischen Glauben zu haben.