Fronleichnam

Der heutige Fronleichnamstag ist der große katholische Bekenntnistag. Indem wir das Allerheiligste hinaustragen auf die Straßen und Plätze unserer Stadt, bezeugen wir vor der ganzen Öffentlichkeit unseren Glauben an Jesus Christus. Wir bezeugen unseren Glauben an Seine Gottheit und an Seine Menschheit, bezeugen unseren Glauben an Sein Leiden und Sterben für unsere Sünden. All das ist ausgesagt in dem Geheimnis der kleinen weißen Hostie, der heute an diesem Festtag unsere ganze Aufmerksam, Verehrung und Anbetung gilt.

Wenn wir diese hl. Messe feiern, wenn wir teilnehmen an dem geheimnisvollen Geschehen auf unserem Altar, dann sollen wir uns ganz mit Christus vereinigen, und zwar mit Christus als dem Opferlamm, wie es uns die Geheime Offenbarung beschreibt. Dort heißt es: Auf dem Altar liegt „das Lamm, gleichsam wie geschlachtet“ (Offb. 5,6). Der Herr opfert sich auf dem Altar in unblutiger Weise dem himmlischen Vater auf, und ER will uns Anteil geben an Seinem Opfer. Darum legt der Priester nach der hl. Wandlung die gefalteten Hände auf den Altar als Zeichen der innigen Verbindung zwischen Priester, Volk und heiligem Opfer und betet dazu: „Demütig flehen wir zu dir, allmächtiger Gott, du mögest diese Gabe von deinem erhabenen Altar emportragen lassen vor das Angesicht deiner göttlichen Majestät.“

Die Kirche bringt hier offensichtlich zwei Altäre in Beziehung, nämlich den himmlischen und den irdischen. Er ist nicht so, als ob es im Himmel einen stofflichen Altar gäbe wie bei uns auf der Erde, aber die hl. Liturgie möchte andeuten, daß es nur ein Opfer gibt, das Himmel und Erde umschließt. Das Opfer, das sich auf Erden in geheimnisvoller Weise vollzieht, ist ein und dasselbe mit jenem, das der Heiland, unser ewiger Hoherpriester, dem ewigen Vater im Himmel darbringt, wenn er Ihm die Frucht Seines bitteren Leidens für uns Menschen aufopfert.

„Hier ist wirklich der Leib und das Blut des Herrn“, sagt Bossuet, „aber all unser Beten und Flehen liegt auf ihm, und dies alles vereint bildet eine einzige große Opferung.“ So werden wir also in diesem feierlichem Augenblick der hl. Wandlung eingeführt in das „Innere des Vorhangs“ (Hebr. 6,19), wie es der hl. Paulus im Hebräerbrief schreibt, in das Allerheiligste der Gottheit, aber immer nur durch Jesus und mit Ihm. Und dort, vor der unendlichen Majestät Gottes, in Gegenwart des ganzen himmlischen Hofes, werden wir mit Christus dem Vater dargestellt, damit wir vom Vater mit allem Segen des Himmels und aller Gnade erfüllt werden.

Wenn wir wahrhaft lebendigen Glauben hätten, mit welch tiefer Ehrfurcht würden wir dann diesem hochheiligen Opfer beiwohnen! Wie sorgfältig würden wir uns reinigen von jeder Makel der Sünde, damit wir weniger unwürdig seien, mit unserem Haupte eingeführt zu werden in das Allerheiligste als lebendige, mit Christus geeinte Opfergabe. „Nur wenn wir uns auch selbst zum Opfer bringen, wird Christus in Wahrheit unser Opfer vor Gott sein“, sagt der hl. Gregor. Die tiefste Gesinnung unseres Herzens vor dem Allerheiligsten Altarsakrament muß die Tugend der Ehrfurcht sein. Die Kirche betet in diesem Sinne: „Verleihe uns, o Herr, eine so große Ehrfurcht vor dem hochheiligen Geheimnis deines Leibes und Blutes, daß wir die Frucht deiner Erlösung allezeit in uns empfinden.“

Diese große Ehrfurcht vor der kleinen hl. Hostie ist zunächst von uns verlangt, weil Christus Gott ist. Die hl. Kirche spricht von „hochheiligen Geheimnissen“. Das Wort „Geheimnis“ deutet uns an, daß unter den eucharistischen Gestalten eine andere, unsichtbare Wirklichkeit verborgen ist, eine Wirklichkeit, die man nur im Glauben gewahrt. Kein Ungläubiger würde vor der hl. Hostie sein Knie beugen. Die Beifügung „hochheilig“ besagt, daß diese Wirklichkeit heilig und göttlich ist. Es ist ja hier jener verborgen, der mit dem Vater und dem Hl. Geiste der unendliche allmächtige Gott, der Ursprung aller Wesen ist. Wenn der Herr sich uns im Glanze Seiner Herrlichkeit zeigen würde, so könnten unsere Augen diesen Glanz nicht ertragen. Darum verbirgt Er sich, um sich uns zu schenken. ER verbirgt sich nicht nur unter der Schwachheit des sterblichen Fleisches, wie Er es bei der hl. Menschwerdung getan, sondern er verbirgt sich im Geheimnis der hl. Wandlung noch mehr unter den Gestalten von Brot und Wein. „In Demut bet´ ich dich, verborg´ne Gottheit an, die du den Schleier hier des Brotes umgetan!“ so singen wir in dem Hymnus „Adoro te devote“.

Hier wird auch schon der zweite Grund für unsere tiefe Ehrfurcht vor dem hochheiligen Gut in unserem Tabernakel deutlich: Christus hat sich für uns zutiefst verdemütigt und sich für uns hingegeben zum Lobpreis für unsere Sünden. Die Kirche nennt „dieses Sakrament das vorzüglichste Gedächtnis an das Leiden des Herrn“. Nun hat aber Christus gerade in Seinem Leiden sich unbeschreiblich erniedrigt und in ein Meer von Bitterkeit und Schmach versenkt. Und eben weil Christus sich derart erniedrigt und sich selbst entäußert hat, deshalb hat, nach den Worten des hl. Paulus, der Vater Ihn erhöht und Ihm einen Namen gegen, der da ist über allen Namen, so daß sich jedes Knie vor Ihm beuge und jede Zunge bekenne, Christus ist der Sohn Gottes und in der Herrlichkeit des Vaters in Ewigkeit. Je tiefer sich Christus also verbirgt und erniedrigt, desto mehr sollen wir Ihn, wie Sein himmlischer Vater, in diesem Sakramente, dem Gedächtnis Seines bitteren Leidens, verherrlichen. Solches fordert die Gerechtigkeit, solches fordert vor allem die Liebe! Für mich hat Er ja gelitten, für mich hat ER sich hingegeben, für mich ist Seine heilige Seele in ein Meer von Traurigkeit, Überdruß und Angst hineingetaucht worden. Er wollte mich an sich ziehen. „Er hat mich geliebt und sich für mich hingeben“ (Gal. 2,20). Darum können wir nicht ohne tiefe Ergriffenheit an das Allerheiligste Altarsakrament denken, ruft es uns doch alle die Liebestaten unseres göttlichen Herrn und Meisters in Erinnerung.

Ihm, der sich für uns in der kleinen Hostie verbirgt, sollte doch unsere ganze Aufmerksamkeit und Liebe gelten. Ist es nicht ein Zeichen von großer Ehrfurchtslosigkeit und Gleichgültigkeit, wenn wir diesen unseren göttlichen Gast, der hier auf uns wartet, allein lassen? Hier wohnt jener, der in der Krippe lag, der in Nazareth bis zu Seinem 30. Lebensjahr verborgen diente, der 3 Jahre öffentlich lehrte und schließlich am Kreuze für uns starb. Derselbe Jesus, der zur Samariterin sprach, spricht auch zu Dir: „Wenn du die Gaben Gottes erkenntest und den, der zu dir spricht.“ „Wenn Du also ehrliches Verlangen nach dem göttlichen Licht der Erkenntnis hast, nach Friede, Freude und Glück, dann komme zu mir“, spricht der Herr, „und ich werde Dir lebendiges Wasser geben, das fortfließt ins ewige Leben!“

Der göttliche Herr wartet auf uns im Tabernakel, nicht nur um unsere Anbetung und Huldigung zu empfangen, sondern auch, um uns Seine Gnaden mitzuteilen. Wenn unser Glaube an Seine wunderbare Gegenwart nicht leere Gefühlssache ist, werden wir zu Ihm eilen, um unsere Seelen durch den Glauben mit Seiner heiligsten Menschheit in Berührung zu bringen. Und ganz gewiß wird dann von Ihm wie einst „eine Kraft ausgehen“ (Luk. 6,19), und uns mit Licht und Freude erfüllen. Nur dann können wir hoffen, die Frucht der Erlösung Jesu allezeit in uns zu erfahren, wenn diese hl. Ehrfurcht unsere Seele zutiefst erfüllt. Und so groß muß unsere Ehrfurcht sein, daß uns durch sie das Gottesgeschenk in seiner ganzen Fülle zuteil werden kann: „Laß uns deine Geheimnisse so verehren, daß wir die Früchte deiner Erlösung allezeit in uns erfahren!“

Möge die Mutter des ewigen Wortes uns begleiten während dieser Prozession und möge Sie uns die Gnade einer tiefen Ehrfurcht schenken, damit uns dieses Zeugnis unseres hl. Glaubens zum Segen wird.