Liturgische Metamorphose - 3. Teil

Was bisher geschehen ist: Bereits der heilige Papst Pius X. erkannte die Notwendigkeit liturgischer Reformen und nahm diese in Angriff, konnte sie jedoch nicht zu Ende führen. Das Anliegen wurde von der „Liturgischen Bewegung“ aufgenommen und geriet hier auf Abwege. Nicht mehr Gott, sondern mehr und mehr der Mensch geriet zum Maß und Mittelpunkt der Liturgie. Dennoch setzten sich wichtige Anliegen der „Liturgischen Bewegung“ auch in Rom durch, und es kam unter Pius XII. zur Gründung einer Kommission für liturgische Reformen mit dem Lazaristen-Pater Annibale Bugnini als Sekretär. Dieser begann sogleich als „Alchimist“ sein „großes Werk“ der Umwandlung der heiligen römischen Liturgie in die Menschenmachwerks-Liturgie des „Novus Ordo“. Erste Reformen geschahen noch unter Pius XII. und betrafen vor allem die Osternacht und die Karwoche. Sie führten bereits die wesentlichen neuen Prinzipien in die Liturgie ein, vor allem das „allgemeine Priestertum“ der Gläubigen. Das unter Johannes XXIII. herausgegebene Missale von 1962 faßt alle diese Reformen und einige zusätzliche Neuerungen zusammen und kann als das erste Missale Bugninis bezeichnet werden und als erster Meilenstein auf seinem Weg zum „Novus Ordo“. Nun kam es darauf an, die auf diese Weise bereits in die Praxis eingeführten neuen Prinzipien von einem „ökumenischen Konzil“ absegnen zu lassen, um ihnen auf diese Weise die höchsten kirchlichen Weihen zu verleihen, ehe man an die endgültige alchemistische Umwandlung gehen konnte.

„Sacrosanctum Concilium“

Mit dem Liturgieschema in die Revolution

Zur Vorbereitung seines Konzils hatte Johannes XXIII. Kommissionen eingesetzt, welche die Schemata und Texte für dieses ausarbeiten sollten. „Stellte die Theologische Kommission die Bastion der Tradition dar, so war die Avantgarde des Progressismus in der Liturgischen Kommission konzentriert“, schreibt Roberto de Mattei in seinem Buch „Das Zweite Vatikanische Konzil – Eine bislang ungeschriebene Geschichte“ (1. Auflage 2011, S. 204). „Die Kommission stand unter der Leitung des Präfekten der Ritenkongregation, Gaetano Cicognani, Sekretär war P. Annibale Bugnini; beide waren maßgeblich an der von Pius XII. eingeleiteten Reform der liturgischen Bücher beteiligt“ (ebd.), wie wir schon ausführlich gesehen haben. „Das vorbereitete liturgische Schema stand in Einklang mit den Anliegen, die die liturgische Bewegung seit den 30-er Jahren verbreitete. Es gab der Dimension 'pastoral' den absoluten Vorrang und wünschte eine Erneuerung der Liturgie, bei der die 'tätige Teilnahme' der Gläubigen im Mittelpunkt stand“ (ebd.).

Johannes XXIII. hatte jedoch offensichtlich in Sachen Liturgie einen eher „traditionellen“ Geschmack. Bekanntlich hat er sich sogar geweigert, die Karwochen-Reform von 1955 mitzumachen und selbst noch als Papst die alten Riten der Karwoche bevorzugt. So war er, wie es scheint, auch mit den Arbeiten der Liturgischen Kommission nicht sehr zufrieden. Jedenfalls ersetzte er „am Vorabend der Konzilseröffnung“, im Oktober 1962, den Sekretär Bugnini durch Ferdinando Antonelli. „Von allen Sekretären der Vorbereitungskommissionen wurde allein Bugnini nicht in seinem Amt bestätigt, und ihm wurde zudem der Lehrstuhl für Liturgiewissenschaft an der Lateran-Universität entzogen“ (a.a.O. S. 210). Damit war freilich nicht viel gewonnen, denn das vorbereitete Schema war zu diesem Zeitpunkt längst fertig und Antonelli war bekanntlich bereits seit 1948 im „Doppelgespann“ mit Bugnini an der Arbeit gewesen und setzte diese nun im gleichen Sinne fort.

Wie wir aus den Quellen und Zeitzeugnissen inzwischen zur Genüge wissen, begann das „II. Vatikanum“ mit einem Eklat und einer Revolution, bei welcher es den gut vorbereiteten und organisierten liberalen „Konzilsvätern“ der „rheinischen Allianz“ (Wiltgen) gelang, fast alle vorbereiteten Konzils-Schemata zu kippen und die zehn Konzilskommissionen völlig neu zu ihren Gunsten zu besetzen. Einzig das Schema De liturgia überstand den Sturm, „jenes Schema, das Papst Johannes minder gut gefiel, jedoch als einziges die Progressisten zufriedenstellte“, wie Mattei anmerkt (a.a.O. St. 268). Der „Dominikaner Edward Schillebeeckx bezeichnete es als ein 'bewundernswertes Stück Arbeit'“ (ebd.).

„Die Holländer bestanden darauf“, so Mattei weiter, „dass dieses Schema, das in der Reihenfolge der Ausarbeitung an fünfter Stelle kam, als erstes in die Diskussion gelangte. Es handelte sich, wie Wiltgen betont, um einen erneuten Sieg der mitteleuropäischen [liberalen] Front. Das Schema war tatsächlich Frucht der Arbeit der einzigen Kommission, die von den Progressisten beherrscht wurde, eben der Liturgischen, die vor allem aus Vertretern der Liturgischen Bewegung aus Mitteleuropa bestand. Kard. Ottaviani äußerte gegenüber Kard. Tisserant schriftlich seine Enttäuschung darüber, dass 'die unvorhersehbare Entscheidung, die Diskussion im Konzil mit der Liturgie zu beginnen, und nicht mit der Glaubenslehre, die bereits festgelegte Ordnung im Band der Schemata, der im Besitz der Väter war, verkehre', ohne sich jedoch wahrscheinlich der Tragweite dieser Entscheidung bewusst zu sein. Das progressistische Lager rückte ins Feld der Konzilsaula und manifestierte seine Stärke nicht durch Ablehnung eines Dokuments, sondern durch dessen Annahme. Sein erster Sieg sollte die nachfolgenden leichter machen.“ Die alchemistische Umwandlung der Liturgie war der Hebel zur Umwandlung der ganzen Kirche von der römisch-katholischen in die „Konzilskirche“.

Die „ökumenische Messe“ oder „Messe der Welt“

Die Debatte entzündete sich vor allem an der Frage des Latein, aber auch der Kommunion unter beiden Gestalten und der Konzelebration. Am 5. November 1962 sprach sich „Msgr. Duschak, Titularbischof von Abbida und Apostolischer Vikar von Calapan auf den Philippinen, aber von Geburt Deutscher, dafür aus, eine 'ökumenische Messe' einzuführen, die nach dem Letzten Abendmahl gestaltet sein sollte“ (Mattei a.a.O. S. 280). Seine Vorstellungen von der „ökumenischen Messe“ erwiesen sich dabei als geradezu prophetisch. Auch Christus, so der Monsignore, habe „die erste Messe vor den Aposteln gefeiert – zum Volk gewandt, gemäß dem damals vorherrschenden Brauch für Gastmähler“, er habe „mit lauter Stimme gesprochen, so dass alle sozusagen den Kanon dieser ersten Messe hörten“, und er habe „sich der gesprochenen Sprache bedient, damit alle ihn und seine Worte ohne Schwierigkeiten verstünden“. In seinen Worten „Tut dies“ scheine „ihrer vollständigen Bedeutung nach das Gebot enthalten zu sein, die Messe als ein Mahl im Angesicht oder zumindest mit lauter Stimme und in einer Sprache zu feiern, die alle Mahlteilnehmer verstehen“. So solle man eine Messe „gestalten, die man im eigentlichen Sinne 'ökumenisch' bzw. 'Messe der Welt' nennen könnte, und damit die so sehr ersehnte Einheit herzustellen, zumindest im eucharistischen Gedächtnis des Herrn“ (a.a.O. S. 281). Die Messe der heiligen Kirche soll zur „Messe der Welt“ werden, das himmlische Opfer Abels zum irdischen Opfer Kains.

„Bei der ersten Abstimmung, die am 14. November stattfand, wurde das Schema über die Liturgie im Prinzip angenommen, bei 2162 placet-Stimmen, 46 non placet-Stimmen und 7 ungültigen Stimmzetteln“, berichtet Mattei weiter. „'Tatsächlich', so bemerkt P. O'Malley, 'annullierte diese Abstimmung den Artikel 1257 des Kirchenrechtes, der alle Entscheidungen auf dem Gebiet der Liturgie ausschließlich dem Heiligen Stuhl zuwies.' Der revidierte Text von Sacrosanctum Concilium sollte im folgenden Jahr promulgiert werden“ (a.a.O. S. 286f).

Wie sah dieser Text nun aus, wie hatte es die Kommission unter Bugnini verstanden, dort ihre Prinzipien unterzubringen?

Das Präludium

Es ist bezeichnend, daß der Text der Liturgiekonstitution, welche das erste behandelte und verabschiedete Schema des „II. Vatikanums“ wurde, mit den Worten „Sacrosanctum Concilium“ beginnt. Es bot sozusagen den Auftakt und Schlüssel zu der großen Revolution, die sich hier ereignen sollte, oder wie Rahner und Vorgrimler es in ihrem „Kleinen Konzilskompendium“ ausdrücken: Es ist „anzuerkennen, daß diese Konstitution die Mehrzahl der großen Themen des Konzils in aufgeschlossener und glücklicher Weise präludiert“ (S. 38). Daß gerade die Liturgie besonderes Interesse fand und daher so geeignet war, das Konzil zu eröffnen, hänge „damit zusammen, daß erstens die Situation der Neuzeit mit ihrer 'Wende zum Subjekt' (nicht zum Subjektivismus!) die angebliche 'Objektivität' bloß äußerer Zeichen und Riten in Frage stellt und die hier latente Gefahr von Mechanismus, Magie und Aberglauben sehr genau sieht, daß zweitens 'die Kirche in den Seelen erwacht' ist (R. Guardini), ein intersubjektives Bewußtsein immer deutlicher wird und so gerade im Gottesdienst eine theologisch unbegründete Kluft zwischen Klerikern und Laien als Ärgernis empfunden wird und daß drittens die Überlegungen auf diesem Gebiet bereits zu besten Vorarbeiten geführt hatten“ (a.a.O. S. 37). Diese „Vorarbeiten“ werden auch genauer präzisiert: „Die neuere Liturgische Bewegung datiert ja schon seit dem Katholikentag in Mecheln 1909, ihre höchstamtliche Anerkennung seit der Enzyklika Pius' XII. 'Mediator Dei' 1947“ (ebd.). Das ist sicher richtig, daß jene „Vorarbeiten“, wie wir schon gesehen haben, den Boden bereitet und entscheidend dazu beigetragen haben, daß die neuen Prinzipien der „Wende zum Subjekt“ und des „intersubjektiven Bewußtseins“, ein falscher Humanismus oder Hominismus eben oder allgemein die „anthropologische Wende“, weg von Gott und hin zum Menschen oder besser: zur Welt („Messe der Welt“!), auf diese Weise gerade über die Liturgiekonstitution offene Türen in jenes „Sacrosanctum Concilium“ fanden.

„Das Heilige Konzil“, gemeint ist damit das „II. Vatikanum“, dieses „heilige Konzil“ also „hat sich zum Ziel gesetzt, das christliche Leben unter den Gläubigen mehr und mehr zu vertiefen, die dem Wechsel unterworfenen Einrichtungen den Notwendigkeiten unseres Zeitalters besser anzupassen, zu fördern, was immer zur Einheit aller, die an Christus glauben, beitragen kann, und zu stärken, was immer helfen kann, alle in den Schoß der Kirche zu rufen“ (SC 1). So blumig und gleichzeitig vielsagend beginnt das „Präludium“ dieses „größten aller Konzilien“, die „Konstitution über die heilige Liturgie Sacrosanctum Concilium“. Wie wir sehen, sind hier tatsächlich wie in einer Ouvertüre alle großen Themen dieses Konzils schon angesprochen: das „Aggiornamento“ oder eben „Wende zur Welt“ („die dem Wechsel unterworfenen Einrichtungen den Notwendigkeiten unseres Zeitalters besser anzupassen“), der Ökumenismus („zu fördern, was immer zur Einheit aller, die an Christus glauben, beitragen kann“) und die „One Church“ der „United Religions“ („was immer helfen kann, alle in den Schoß der Kirche zu rufen“).

Wider den Ritus der heiligen römischen Kirche

In diesem Sinn und Geist ist nun vor allem und zuerst die Liturgie zu reformieren, weshalb es das Konzil als seine Aufgabe sieht, „folgende Grundsätze ins Gedächtnis zu rufen und praktische Richtlinien aufzustellen“. Unter diesen seien zwar manche, „die sowohl auf den römischen Ritus wie auf alle Riten angewandt werden können und müssen“, indes seien die im folgenden angegebenen Richtlinien „so zu verstehen daß sie nur für den römischen Ritus gelten“ (SC 3).

Wenn der Priester früher an den Altar trat, so betete er zur Vorbereitung lobenswerter Weise die „Formula intentionis“ zur Erweckung der Intention, welche von Pius XI. 1935 mit einem Ablaß von 500 Tagen ausgestattet worden war und wie folgt lautete: „Ego volo celebrare Missam, et conficere Corpus et Sanguinem Domini nostri Jesu Christi, iuxta ritum sanctae Romanae Ecclesiae, … - Ich will die Messe feiern und Leib und Blut unseres Herrn Jesus Christus vollenden nach dem Ritus der heiligen römischen Kirche, ...“ Eben dieser „Ritus der heiligen römischen Kirche“ soll also nun nach den neuen Grundsätzen und Richtlinien (hinter welchen wir sicher nicht ganz zu unrecht die der „Liturgischen Bewegung“ vermuten) erneuert werden.

Obwohl das „heilige Konzil“ sich hier klar und deutlich ausdrückt, daß es gerade den heiligen Ritus der römischen Kirche „entheiligen“ will, wurde und wird dieser Absatz von treuherzigen „Konservativen“ meist überlesen, und dies desto mehr, weil sie sich wie magisch angezogen auf den nächsten Paragraphen stürzen, in welchem zu lesen ist: „Treu der Überlieferung erklärt das Heilige Konzil schließlich, daß die heilige Mutter Kirche allen rechtlich anerkannten Riten gleiches Recht und gleiche Ehre zuerkennt. Es ist ihr Wille, daß diese Riten in Zukunft erhalten bleiben und in jeder Weise gefördert werden ...“ (SC 4). „Da!“ rufen unsere Konservativen, „da steht es: dem 'tridentinischen Ritus' muß gleiches Recht und gleiche Ehre zuerkannt werden wie dem NOM, er muß erhalten bleiben und in jeder Weise gefördert werden!“

Doch der „tridentinische Ritus“ ist an dieser Stelle mit „allen rechtlich anerkannten Riten“ auf jeden Fall gerade nicht gemeint, denn eben hat das „heilige Konzil“ ja erklärt, daß es seinen heiligen römischen Ritus, den „tridentinischen“, ändern will. Den anderen Riten soll „gleiches Recht und gleiche Ehre“ zuerkannt werden wie dem römischen, also etwa den Sonderriten gewisser Orden, den östlichen Riten, dem ambrosianischen, dem mozarabischen usw.

Prof. Dr. Jungmann kommentiert dazu im „Lexikon für Theologie und Kirche“ von 1966, es sei mit diesem Passus „u.a. allen Latinisierungsbestrebungen in der Weise vergangener Epochen der Boden entzogen“. Dazu muß man wissen, daß in der katholischen Kirche von alters her eine Vielzahl von Riten existierte und existiert. Allerdings setzte sich im Verlauf der Geschichte, und vor allem seit der Kodifizierung des „tridentinischen Ritus“ durch den hl. Pius V., der Ritus der heiligen römischen Kirche, welcher der Ritus der Päpste ist, immer mehr und immer weiter durch, sodaß z.B. auch Orden ihre Sonderriten aufgaben und den römischen Ritus übernahmen. Dem soll hier ein Riegel vorgeschoben werden. Und ausgerechnet damit meinen „Konservative“, ihren „tridentinischen Ritus“ retten zu können! - Und übrigens äußert das „heilige Konzil“ noch im selben Paragraphen den „Wunsch“, daß auch die übrigen, also nicht römischen Riten, „in ihrem ganzen Umfang gemäß dem Geist der Überlieferung überprüft und im Hinblick auf die Verhältnisse und Notwendigkeiten der Gegenwart mit neuer Kraft ausgestattet“ also ebenfalls „erneuert“ werden (ebd.). Der neu zu ordnende römische Ritus geht da mit „gutem Beispiel“ (oder eher schlechtem) voran!

Das liturgisch bewegte „Wesen der Liturgie“

Im 1. Kapitel werden wir sodann über das „Wesen der Liturgie“ belehrt, wobei uns die Messe hier als „Pascha-Mysterium“ (SC 5) vorgestellt wird. Dieser ganz und gar neue Begriff ist direkt aus der Liturgischen Bewegung übernommen. Er stammt von Pius Parsch und wendet sich gegen die Auffassung der Hl. Messe als der unblutigen Erneuerung des Kreuzesopfers Christi. Stattdessen, so Pius Parsch, werden hier auf geheimnisvolle Weise Christi „seliges Leiden, seine Auferstehung von den Toten und seine glorreiche Himmelfahrt“ (ebd.) gegenwärtig. In dieses „Pascha-Mysterium Christi“ werden wir durch die Taufe „eingefügt“, und darum „hat die Kirche niemals aufgehört, sich zur Feier das Pascha-Mysteriums zu versammeln“ (ebd.). Dabei liest die Kirche, „'was in allen Schriften von ihm geschrieben steht' (Lk 24,27)“, feiert die „Eucharistie“, in welcher „Sieg und Triumph seines Todes dargestellt werden“, und sagt Gott Dank „in Christus Jesus 'zum Lob seiner Herrlichkeit' Eph 1,12)“ (ebd.). Da haben wir schon den ganzen „Novus Ordo“: Wortgottesdienst und „Eucharistiefeier“, und das alles nur als Dank und Lob begriffen unter Beiseitelassen der Opferzwecke vor allem der Sühne und der Bitte.

Der „gesamte öffentliche Kult“, also die Liturgie, wird „vom mystischen Leib Jesu Christi, d.h. dem Haupt und den Gliedern“, vollzogen (SC 7). Hier erkennen wir abermals die Lehre der Liturgischen Bewegung. Da der „Mystische Leib“, bestehend aus „Haupt und Gliedern“, also Priester und Gläubige gemeinsam, den „gesamten öffentlichen Kult“ vollzieht, ist natürlich sehr darauf zu achten, „daß die Gläubigen bewußt, tätig und mit geistlichem Gewinn daran teilnehmen“ (SC 11). Damit sind wir bei der „tätigen Teilnahme“, die laut Kommentar von Rahner/Vorgrimler vom „heiligen Konzil“ als „Norm aller liturgischen Reformen“ statuiert wird. Tatsächlich wird die „tätige Teilnahme“ gewissermaßen zum Zauberwort, durch welches die alchemistische Umwandlung der Liturgie gelingen soll.

„Die Mutter Kirche wünscht sehr, alle Gläubigen möchten zu der vollen, bewußten und tätigen Teilnahme an den liturgischen Feiern geführt werden, wie sie das Wesen der Liturgie selbst verlangt und zu der das christliche Volk, 'das auserwählte Geschlecht, das königliche Priestertum, der heilige Stamm, das Eigentumsvolk' (1 Petr 2,9; vgl. 2,4-5) kraft der Taufe berechtigt und verpflichtet ist“ (SC 14). Da begegnen wir ganz unverblümt der falschen Auffassung der Liturgischen Bewegung vom „allgemeinen Priestertum“ der Gläubigen, das Erzbischof Gröber oben so hellsichtig erkannt und zurückgewiesen hat: Das „Wesen der Liturgie selbst verlangt“ nach dem „priesterlichen Akt“ der „Gemeinde“, denn kraft der Taufe ist diese dazu „berechtigt und verpflichtet“!

Dem Wandel unterworfen

„Damit das christliche Volk in der heiligen Liturgie die Fülle der Gnaden mit größerer Sicherheit erlange, ist es der Wunsch der heiligen Mutter Kirche, eine allgemeine Erneuerung der Liturgie sorgfältig in die Wege zu leiten“ (SC 21). Die Liturgie enthalte nämlich „einen kraft göttlicher Einsetzung unveränderlichen Teil und Teile, die dem Wandel unterworfen sind“. Diese vorgebliche Schein-Unterscheidung, die nur zur Beruhigung der konservativen Gemüter diente, offenbarte ihren wahren Charakter spätestens mit dem „NOM“, als nämlich plötzlich alle Teile „dem Wandel unterworfen“ worden waren und gar keiner „unveränderlich“ geblieben war. Sie entspricht einem allgemeinen Grundsatz der Modernisten, die stets zwischen „wesentlich“ und „unwesentlich“ unterscheiden, so etwa in ihrer „Hierarchie der Wahrheiten“, um sodann das „Unwesentliche“ beliebig verwerfen zu können. Dabei vermeiden sie es geflissentlich zu bestimmen, was denn nun „wesentlich“ und was „unwesentlich“ ist und gelangen so zu ihrem Blankoschein für eine totale Änderung – wie es auch hier geschehen ist.

„Diese Teile“ - die „veränderlichen nämlich“ - so fährt das „Heilige Konzil“ fort, „können sich im Lauf der Zeit ändern, oder sie müssen es sogar, wenn sich etwas in sie eingeschlichen haben sollte, was der inneren Wesensart der Liturgie weniger entspricht oder wenn sie sich als weniger geeignet herausgestellt haben“ (ebd.). Spätestens an dieser Stelle hätten alle noch katholisch empfindenden Konzilsväter geschlossen aufstehen und die Aula verlassen müssen. Daß sie es nicht getan haben, spricht Bände und zeigt, daß die vorangegangenen liturgischen Reformen Bugninis bereits ganze Arbeit geleistet und den römischen Ritus seines heiligen und unveränderlichen Charakters vollkommen entkleidet hatten.

Denn, wohlgemerkt, das „Konzil“ spricht hier vom römischen Ritus, der in seinem Kern, dem römischen Kanon, bis auf die ältesten Zeiten der Kirche selbst zurückgeht, wie das Konzil von Trient in seiner 22. Sitzung, Kapitel 4, lehrt: „Und da Heiliges heilig verwaltet werden soll und dieses Opfer [das Meßopfer] das Heiligste von allem ist, hat die katholische Kirche, damit es würdig und ehrfürchtig dargebracht und empfangen werde, vor vielen Jahrhunderten den heiligen Kanon eingeführt, der so von allem Irrtum rein ist, daß nichts in ihm enthalten ist, das nicht in höchstem Maße den Duft einer gewissen Heiligkeit und Frömmigkeit verströmen läßt und die Gemüter derer, die es darbringen, zu Gott emporrichtet. Er besteht nämlich sowohl aus den Worten des Herrn selbst als auch aus den Überlieferungen der Apostel und ferner den frommen Einrichtungen heiliger Päpste“ (DH 1745).

Gewissermaßen der letzte dieser heiligen Päpste war Papst Pius V., der diesen römischen Ritus schließlich kodifizierte und in seiner Konstitution „Quo primum tempore“ vom 14. Juli 1570 dazu ausführt, er habe „ausgewählten Gelehrten“ den Auftrag zur Revision gegeben. „Diese nun haben alles mit den ältesten Handschriften Unserer Vatikanischen Bibliothek verglichen, und mit anderen, von überallher zusammengetragenen, verbesserten und unverdorbenen Kodizes; desgleichen mit den Maßregeln der Alten und den Schriften bewährter Autoren, die uns über die ehrwürdige Einrichtung derselben Riten Aufzeichnungen hinterlassen haben, und so haben sie das Missale auf die Norm und den Ritus der heiligen Väter zurückgeführt.“

Danach wagte 400 Jahre lang niemand mehr, Hand an diesen heiligen Meßritus zu legen. Zu sehr war man geprägt von jener Haltung, die Heinrich oben beschrieben hat: „Diese Überzeugung, daß die gottesdienstliche, disziplinäre und asketische Ordnung, daß nicht bloß die abstrakte Theorie, sondern auch die lebendige Praxis der Kirche nicht ein Werk menschlicher Erfindung oder des Zufalls, sondern ein Werk des Heiligen Geistes sei, flößt dem Katholiken jene tiefe Ehrfurcht und jenen heiligen Gehorsam gegen die Anordnungen und heiligen Gebräuche der Kirche ein, ohne welche das christliche und kirchliche Leben gar nicht gedeihen könnte.“ Wo waren plötzlich „jene tiefe Ehrfurcht“ und jener heilige „Gehorsam gegen die Anordnungen und heiligen Gebräuche der Kirche“ geblieben?

Kleiner Exkurs zur Karfreitagsfürbitte

Es mag an dieser Stelle erhellend sein, einen kleinen Exkurs zur Änderung der Karfreitagsfürbitte für die Juden einzufügen. Seit uralten Zeiten betete man darin „pro perfidis Judaeis“, was bereits im Jahr 1928 den Verein „Amici di Israele – Freunde Israels“ auf den Plan rief, dem unter anderem neunzehn Kardinäle, unter ihnen auch Kardinal Faulhaber von München, dreihundert Erzbischöfe und Bischöfe sowie rund dreitausend Priester angehörten. Dieser Verein und andere drängten damals den Vatikan zu einer „freundlicheren“ Version dieser Fürbitte. Abt Ildefons Schuster von der Ritenkongregation hatte sich mit dem Vorschlag zu beschäftigen und unterstützte ihn rückhaltlos. Das Wort „perfidi“, so der Liturgiker, habe seine Bedeutung gewandelt, man höre nur noch das „perfide“ heraus. Somit befürwortete die Ritenkongregation eine Änderung.

Im März 1928 beschäftigte sich der Sekretär des Heiligen Offiziums, Raffaele Kardinal Merry del Val, der unter dem heiligen Pius X. Staatssekretär gewesen war, mit der Angelegenheit. Er erklärte, daß es einen Antisemitismus gebe, der zu verurteilen sei. Aber was die „Freunde Israels“ wollten, sei nicht mehr die Konversion der Juden. Der Antrag sei „völlig unakzeptabel, ja sogar unsinnig“, denn die Liturgie sei durch Jahrhunderte inspiriert und geheiligt. Die Karfreitagsfürbitte wurde daraufhin nicht geändert, die Antragsteller – die „Freunde Israels“ und Abt Schuster – mußten ihrem Irrtum vor dem Heiligen Offizium abschwören. Gleichzeitig verbot Pius XI. die „Freunde Israels“ wegen anstößiger Äußerungen und „religiösem Indifferentismus“. - Man sieht, wie sehr damals bereits bis hinein in die römische Gottesdienstkongregation die Überzeugung vom inspirierten und geheiligten Charakter der Liturgie geschwunden war, die aber immerhin vom heiligen Offizium (das es heute bekanntlich nicht mehr gibt, da es zur „Glaubenskongregation“ umgewandelt wurde) noch aufrechterhalten wurde.

Wie wir wissen, war man später weniger zimperlich. Pius XII. wagte zwar noch nicht Hand anzulegen an das Wort „perfidis“ selbst, gab ihm jedoch verbindlich eine neue Bedeutung oder Übersetzung, denn er stellte autoritativ fest, daß damit nichts anderes als „ungläubig“ gemeint sei. Freilich hätte man dann ehrlicherweise auch gleich das Wort „incredulis“ statt „perfidis“ einsetzen können, damit wäre die Bedeutung klar und eindeutig gewesen (zumal es etwas verwundert, daß man zögerte, dieses eine Wort zu ändern, wo man doch bereits die gesamt Karliturgie geändert hatte). Johannes XXIII. hatte dann keine Hemmungen mehr und ließ das „perfidis“ einfach streichen, was jedoch den Text ein wenig durcheinanderbrachte. Doch der Zustand währte nicht lange, denn mit der Einführung des „NOM“ war zugleich die Karfreitagsfürbitte vollständig geändert und den neuen interreligiösen Bedürfnissen angepaßt worden. Im Jahr 2008 geschah das gleiche dann auch für den „außerordentlichen“ Ritus durch Benedikt XVI.

Damit zurück zum „Heiligen Konzil“, dessen Väter inzwischen offensichtlich durchgängig damit einverstanden waren, daß sich in diesen kodifizierten, inspirierten und geheiligten Ritus etwas „eingeschlichen“ habe, was „der inneren Wesensart der Liturgie weniger entspricht“ und sich „als weniger geeignet herausgestellt“ hat. Der Ritus der heiligen römischen Kirche war endgültig seines Charakters als Meisterwerk des Heiligen Geistes entkleidet; er war nicht mehr heilig und konnte von Menschenhand beliebig angetastet, entweiht und profaniert werden. Zugleich riß sein Schicksal auch die heilige Kirche selbst von ihrem Sockel, deren Ritus er war. Auch sie stand nun entblößt, entweiht und profaniert, den gierigen Blicken und geifernden Händen ihrer Feinde ausgeliefert.

Neue Ordnung

Das „Heilige Konzil“ - oder sollen wir es lieber nennen „Concilium malignantium“? - geht nun daran, „Texte und Riten“ der Liturgie neu zu „ordnen“ („Novus ordo“ - es war klar, daß dem „Novus Ordo Saeclorum“ der Freimaurerei auch ein solcher der in ihrer Hand befindlichen kirchlichen Einrichtungen folgen mußte), und zwar so, „daß sie das Heilige, dem sie als Zeichen dienen, deutlicher zum Ausdruck bringen, und so, daß das christliche Volk sie möglichst leicht erfassen und in voller, tätiger und gemeinschaftlicher Teilnahme mitfeiern kann“ (SC 21). Damit ist ersichtlich, daß „das Heilige, dem sie als Zeichen dienen“, nicht mehr das sich am Altar vollziehende Mysterium des Kreuzesopfers Christi ist, denn dies konnte nicht „deutlicher zum Ausdruck“ gebracht werden als eben im römischen Meßkanon, verlangt von seiner Natur als Mysterium her ein tieferes Eindringen und kann eben nicht „möglichst leicht erfaßt“ werden und ist das Werk des Hohenpriesters Jesus Christus allein, wie wir schon gesehen haben, weshalb das Volk nicht „in voller, tätiger und gemeinschaftlicher Teilnahme mitfeiern kann“, sondern nur auf die Weise, die wir oben schon erklärt haben. Eher dürfen wir das „Heilige“ hier im Sinne der Neuen Theologie und ihrer Auffassung der Kirche als „Sakrament“ für die „Einheit des Menschengeschlechtes“ als den „Bau der neuen Stadt“ oder des „neuen Tempels“ der Freimaurer deuten, eben den „Novus Ordo Saeclorum“.

„Die liturgischen Bücher sollen möglichst bald revidiert werden“, beschließt das „Heilige Konzil“ (SC 25) und legt dafür einige „Regeln aus der Natur der Liturgie als einer hierarchischen und gemeinschaftlichen Handlung“ vor. „Wenn Riten gemäß ihrer Eigenart auf gemeinschaftliche Feier mit Beteiligung und tätiger Teilnahme (!) der Gläubigen angelegt sind, dann soll nachdrücklich betont werden, daß ihre Feier in Gemeinschaft … der vom Einzelnen gleichsam privat vollzogenen vorzuziehen ist. Das gilt vor allem für die Feier der Messe … und für die Spendung der Sakramente“ (SC 27). Auch das kennen wir schon von der „Liturgischen Bewegung“. Aber es ist klar, wenn die Liturgie vor allem ein Zeichen für die „Einheit des Menschengeschlechtes“ ist, dann ist ihr „privater“ Vollzug recht unsinnig, dann verlangt sie nach „Gemeinschaft“.

Geschwätz und Belehrung

Ganz gemäß dem Geist der „Aufklärung“ sind sodann „Regeln aus dem belehrenden und seelsorglichen Charakter der Liturgie“ aufzustellen, denn „obwohl die heilige Liturgie vor allem Anbetung der göttlichen Majestät ist“ (dies zur Beruhigung konservativer Liturgen), „birgt sie doch auch viel Belehrung für das gläubige Volk in sich“ (SC 33). Dies ist zwar an sich nicht falsch, weshalb es sich die Seelsorger früherer Zeiten auch sehr angelegen sein ließen, dem gläubigen Volk die Liturgie zu erklären und es zur inneren Mitfeier anzuleiten. Nie aber wäre einer von ihnen auf die Idee gekommen, die Liturgie selbst zu ändern, um sie pädagogischen Zwecken zu unterwerfen, was nun jedoch allgemeine Regel „bei der Erneuerung der Liturgie“ werden soll. Der Aufklärer Joseph II. hätte sich gefreut, daß die Kirche seine Sichtweise endlich gutheißt und übernimmt.

„Die Riten mögen den Glanz edler Einfachheit an sich tragen und knapp, durchschaubar und frei von unnötigen Wiederholungen sein. Sie seien der Fassungskraft der Gläubigen angepaßt und sollen im allgemeinen nicht vieler Erklärungen bedürfen“ (SC 34). Was bei solchen Vorgaben herauskommen mußte, war eigentlich deutlich abzusehen: leeres Geschwätz und hohles Getue, ohne jeden Hauch von auch nur Schönheit, geschweige denn Sakralität oder gar Mysterium, mit Batik-Rupfen-Messgewand und Kunstgewerbe-Hostienschale. So billig geben es nicht einmal die Freimaurer selbst in ihren Zeremonien, die sie mit viel mysteriösem Plüsch und geheimnisvollem Brimborium aufplustern. Unserem Herrn Jesus Christus und Seiner heiligen Kirche vergönnen sie nicht einmal mehr das.

Insbesondere muß natürlich nun viel geredet werden, denn da „in der Liturgie Ritus und Wort aufs engste verbunden sind“, muß erstens „die Schriftlesung reicher, mannigfaltiger und passender ausgestaltet werden“, ist zweitens der Predigt, die nunmehr „ein Teil der liturgischen Handlung ist“ (was sie bislang nur bei den Protestanten war), „je nach Eigenart des einzelnen Ritus“ ein passender Ort zuzuweisen. Drittens ist auch „die Pflicht der Unterweisung, die sich unmittelbar mit der Liturgie befaßt“ „in jeder Weise zu betonen“, und zwar so, daß auch in den Riten selbst, „wo es notwendig ist, kurze Hinweise vorgesehen werden“ (also gewissermaßen mit Untertiteln; früher wäre das undenkbar gewesen, die Liturgie selbst mit Gebrauchsanweisungen und pädagogischen Anmerkzetteln zuzukleben). Viertens sind zu fördern „eigene Wortgottesdienste an den Vorabenden der höheren Feste, an Wochentagen im Advent oder in der Quadragesima sowie an den Sonn- und Feiertagen, besonders da, wo kein Priester zur Verfügung steht“ (SC 35). An den bei dieser banalisierten „Liturgie“ notwendig eintretenden (und wohl auch beabsichtigten) Priestermangel hat man also auch bereits gedacht.

Bei all dem pädagogischen Geplapper kann es natürlich nicht ausbleiben, daß im nächsten Abschnitt ein „weiterer Raum“ für die „Muttersprache“ eingefordert wird, da deren Gebrauch „nicht selten“ bei „der Messe, der Sakramentenspendung und in den anderen Bereichen der Liturgie“ für „das Volk sehr nützlich sein kann“ (SC 36). Und schließlich hat ja die Liturgie fortan vor allem „für das Volk nützlich“ zu sein! (Noch einmal: Joseph II. und Konsorten hätten ihre helle Freude!)

Daraus folgt logisch der nächste Abschnitt, welcher „Regeln zur Anpassung an die Eigenart und Überlieferungen der Völker“ festlegt: „Unter Wahrung der Einheit des römischen Ritus im wesentlichen ist berechtigter Vielfalt und Anpassung an die verschiedenen Gemeinschaften, Gegenden und Völker, besonders in den Missionen, Raum zu belassen, auch bei der Revision der liturgischen Bücher“ (SC 38). Das ist die „Inkulturation“, wobei wieder der bereits bekannte Trick angewandt wird, zwischen dem „Wesentlichen“ und dem Nichtwesentlichen zu unterscheiden ohne zu definieren (was meist auch gar nicht wirklich möglich ist, denn wo hört das „Wesentliche“ auf und fängt das „Unwesentliche“ an?). De facto läuft das auf die multi-kulti-bunten „Riten“ hinaus, bei denen nach Herzenslust getanzt und getrommelt wird.

Überarbeitung des Meß-Ordo

In einem der folgenden Paragraphen wird die konkrete Anwendung der neuen Prinzipien auf den „Meß-Ordo“ festgelegt. „Der Meß-Ordo soll so überarbeitet werden, daß der eigentliche Sinn der einzelnen Teile und ihr wechselseitiger Zusammenhang deutlicher hervortreten und die fromme und tätige Teilnahme (!) der Gläubigen erleichtert werde“ (SC 50). Wir folgern daraus: Ein neuer und reformierter Meß-Ordo (Novus Ordo Missae) ist zu erstellen, da der bisherige – immerhin der Ritus der heiligen römischen Kirche, wie wir gesehen haben, und das Meisterwerk des Heiligen Geistes – offensichtlich den eigentlichen Sinn der einzelnen Teile und ihren wechselseitigen Zusammenhang nicht genügend hat hervortreten lassen und vor allem die „fromme und tätige Teilnahme der Gläubigen“ ungemein erschwert wenn nicht verunmöglicht hat (denken wir nur an jenen unsäglichen Mißstand, da die Gläubigen „rosenkranzbetend“ an der Messe teilgenommen haben)!

Der Bischof von Linz, Mgr. Zauner, seinerseits Mitglied der Liturgiekommission, erklärte dazu 1963 in einem Interview: „Der göttliche Kult soll eine gemeinschaftliche Aktion sein. Das Volk, das der Messe folgt, soll beispielsweise wie der Priester mit Gebet, Gesang und Gebärden teilnehmen“ (zitiert nach Mattei a.a.O. S. 401). Und: „Tatsächlich besteht das Ziel der Konstitution darin, dass der Priester jede Handlung unter aktiver Beteiligung des Volkes und niemals alleine ausführt“ (ebd. S. 402f). Natürlich, unter diesem Blickwinkel des „allgemeinen Priestertums“ bzw. der „Gemeinde“ als Trägerin der Liturgie war eine „Neu-Ordnung“ dringend notwendig.

„Deshalb sollen die Riten unter treulicher Wahrung ihrer Substanz einfacher werden. Was im Lauf der Zeit verdoppelt oder weniger glücklich eingefügt wurde, soll wegfallen. Einiges dagegen, was durch die Ungunst der Zeit verlorengegangen ist, soll, soweit es angebracht oder nötig erscheint, nach der altehrwürdigen Norm der Väter wiederhergestellt werden“ (ebd.). Oh, wie fromm das klingt! Und doch, was für eine Lästerung! Denn abermals wird dem Heiligen Geist unterstellt, in den römischen Ritus unnötige „Verdopplungen“ oder anderes „weniger glücklich eingefügt“ zu haben, während wieder anderes „durch die Ungunst der Zeit verlorengegangen ist“! Armer Heiliger Geist, er war eben längst nicht so gescheit wie die Autoren unseres Liturgie-Schemas! Und wieder der Trick mit der „treulichen Wahrung ihrer Substanz“: Wer entscheidet denn, was „Substanz“ ist und was nicht? Und wie unterscheidet man da? Wieviel kann man beispielsweise von einem Menschen wegschneiden oder auswechseln unter „treulicher Wahrung“ seiner „Substanz“?

Im einzelnen soll „den Gläubigen der Tisch des Gotteswortes reicher bereitet werden“ (SC 51), die Homilie „wird als Teil der Liturgie selbst sehr empfohlen“ (SC 52), es soll nach dem Evangelium und der Homilie „das 'Allgemeine Gebet' oder 'Gebet der Gläubigen' wiedereingeführt werden, damit unter Teilnahme des Volkes (!) Fürbitten gehalten werden“ (SC 53), und natürlich darf der Muttersprache „in den mit dem Volk gefeierten Messen ein gebührender Raum zugeteilt werden“ (SC 54). Endlich wird „mit Nachdruck“ jene „vollkommener Teilnahme an der Messe empfohlen, bei der die Gläubigen nach der Kommunion des Priesters aus derselben Opferfeier den Herrenleib entgegennehmen“, wobei unter besonderen Umständen „auch Laien die Kommunion unter beiden Gestalten gewährt werden“ kann (SC 55). Daß die Laien wie der Priester kommunizieren, aus „derselben Opferfeier“ und unter beiden Gestalten, ist eine alte und beliebte Forderung aller Häretiker und Schismatiker.

Die beiden Teile

In Nr. 56 ist von den „beiden Teilen“ die Rede, „aus denen die Messe gewissermaßen besteht, nämlich Wortgottesdienst und Eucharistiefeier“. Diese seien „so eng miteinander verbunden, daß sie einen einzigen Kultakt ausmachen“. Diesem Punkt ist eine besondere Aufmerksamkeit zu schenken, da er die entscheidend neue Form des „Novus Ordo“ vorgibt.

Bis dato bestand die Messe aus drei Hauptteilen, nämlich der Vormesse („Wortgottesdienst“), der Hauptmesse („Opfergottesdienst“) und der Nachmesse („Schlußgottesdienst“). Dieser dreiteilige Aufbau hatte ein klares Zentrum im Hauptgottesdienst (der seinerseits wieder dreiteilig aufgebaut war mit dem Kanon und der Wandlung als Mittel- und Höhepunkt), auf den die beiden anderen Teile hingeordnet waren, der eine als Vorbereitung, der andere als Nachbereitung, alle drei aber mit der klaren Ausrichtung auf die Gottesverehrung und Anbetung, eben Liturgie (wir haben oben schon gesehen, daß auch der „Wortgottesdienst“ in erster Linie Verherrlichung Gottes ist und deshalb ebenfalls in liturgischer Sprache durch den Zelebranten am Altar geschieht). Nunmehr wird die Messe plötzlich in zwei Teile unterschieden, den „Wortgottesdienst“ und die „Eucharistiefeier“. Ihr Mittel- und Höhepunkt ist nicht mehr sichtbar. Stattdessen wird sie gewissermaßen zur Ellipse mit zwei Schwerpunkten, die uns später gleichwertig als „Tisch des Gotteswortes“ und „Tisch des Herrenleibes“ begegnen werden.

Es ist dies eine völlige Um- und Neuformung der Messe, die dementsprechend auch eine völlige Um- und Neuformung der Kirchenbauten nach sich zog. Logischerweise wurden nun zwei „Tische“ aufgestellt, nämlich Ambo und „Volksaltar“, und Kirchenneubauten wurden deshalb oft gleich ellipsenförmig mit diesen beiden Zentren angelegt. Bis dato gab es nur ein Zentrum in der Kirche: den Hochaltar mit dem Tabernakel. Letzterer verlor konsequenterweise seine zentrale Stellung völlig und rückte unbeachtet irgendwo auf die Seite, wenn nicht gar in eine Seitenkapelle.

Auch wenn diese Dinge noch nicht buchstäblich in der Liturgiekonstitution erwähnt werden, sind sie doch hier bereits vorgegeben, und es ist völlig falsch, wenn von „konservativer“ oder „traditioneller“ Seite immer betont wird, der „Volksaltar“ stünde nicht im Konzil. Wenn es dann in SC 124 heißt: „Beim Bau von Kirchen ist sorgfältig darauf zu achten, daß sie für die liturgischen Feiern und für die tätige Teilnahme der Gläubigen (!) geeignet sind“, dann ist das im Zusammenhang mit den übrigen Paragraphen gar nicht mehr anders interpretierbar, weshalb denn auch der „Volksaltar“ als selbstverständliche Konklusion daraus gezogen wurde.

In Nr. 57 wird schließlich noch die „Konzelebration“ angeregt, in welcher „passend die Einheit des Priestertums in Erscheinung“ trete, weshalb denn „ein neuer Konzelebrationsritus geschaffen“ werden und „in das Römische Pontifikale und Missale eingefügt werden“ soll. Gemeinschaft ist eben alles, der einzelne, auch der Priester, ist nichts.

Siehe, wir machen alles neu

Natürlich läßt es das „Heilige Konzil“ nicht bei der Messe bewenden. Denn da sich „im Laufe der Zeiten“ auch „einiges in die Riten der Sakramente und Sakramentalien eingeschlichen hat, wodurch ihre Natur und ihr Ziel uns heute weniger einsichtig erscheinen“, ist es natürlich auch hier notwendig, „einiges an ihnen den Erfordernissen unserer Zeit anzupassen“ (SC 62). Auch auf diesem Gebietz hat der Hl. Geist offensichtlich die letzten Jahrhunderte geschlafen, weshalb nun im Endeffekt nicht nur „einiges“, sondern eigentlich alles „den Erfordernissen unserer Zeit anzupassen“, also zu ändern ist. Der Ritus der Taufe soll ebenso „überarbeitet“ werden (SC67) wie der der Firmung (SC 71). „Ritus und Formeln des Bußsakramentes sollen so revidiert werden, daß sie Natur und Wirkung des Sakramentes deutlicher ausdrücken“ (SC 72). Unverändert bleibt auch nicht die Letzte Ölung, die nun besser „Krankensalbung“ genannt werden soll (SC 73), und schließlich sollen auch die „Liturgie für die Erteilung der Weihen“ (SC76) und der „Eheritus des Römischen Missale“ (SC77) „überarbeitet“ und letzterer auch „bereichert“ werden. Kurz, kein Sakrament bleibt verschont. Auch diese Neu-Kreierung sämtlicher Sakramente ist ein typisches Zeichen von Häretikern und Schismatikern. Unnötig zu erwähnen, daß natürlich auch die Sakramentalien „überarbeitet“ werden sollen, „und zwar im Sinne des obersten Grundsatzes von der bewußten, tätigen und leicht zu vollziehenden Teilnahme der Gläubigen (!) und im Hinblick auf die Erfordernisse unserer Zeit“ (SC 79), das zweite große Zauberwort dieses Konzils des „Aggiornamento“.

Da kann nun freilich auch das Breviergebet nicht außen vor gelassen werden. Es soll vielmehr „die überlieferte Folge der Gebetsstunden so neugeordnet werden, daß die Horen soweit wie möglich ihren zeitgerechten Ansatz wiedererhalten. Dabei soll zugleich den heutigen Lebensverhältnissen [Aggiornamento!] Rechnung getragen werden...“ (SC 88). Dabei soll die Prim ganz wegfallen, von den „kleinen Horen“ darf sich der Priester „außerhalb des Chores“ eine „auswählen, die der betreffenden Tageszeit am besten entspricht“. Dann bleiben im wesentlichen nur noch Laudes und Vesper als „die beiden Angelpunkte des täglichen Stundengebetes“, daneben eine „Komplet“, die „dem Tagesabschluß voll entspricht“, und eine „sogenannte Matutin“, die „zwar im Chor den Charakter als nächtliches Gotteslob beibehalten“ soll, jedoch so einzurichten ist, „daß sie sinnvoll zu jeder Tageszeit gebetet werden kann“ und „aus weniger Psalmen und längeren Lesungen“ besteht, die heute sogenannte „Lesehore“ also (SC 89). In der Summe ist das nichts anderes als die völlige Zerstörung dessen, was man in urältester Tradition in der Kirche als „Stundengebet“ kannte, zumal auch noch „Austauschmöglichkeiten des Stundengebetes mit anderen liturgischen Handlungen“ angedeutet werden (SC 97), wie wir sie bereits seit Bugninis Karwochenreform kennen (wo etwa die Gründonnerstags- und Karfreitagsliturgie die Vesper ersetzen und die Osternacht die Matutin). Vom Sinn des Stundengebetes, nämlich den ganzen Tag zu heiligen und sieben Mal des Tages, d.h. gewissermaßen ununterbrochen, zu beten, blieb damit nichts übrig.

Es wundert uns bei soviel Änderungswut in keiner Weise, daß auch das liturgische Jahr „so neugeordnet werden“ soll, daß „die überlieferten Gewohnheiten und Ordnungen der heiligen Zeiten beibehalten oder im Hinblick auf die Verhältnisse der Gegenwart erneuert werden [Aggiornamento!]“ (SC 107). Dabei sollen „die Herzen der Gläubigen vor allem auf die Herrenfeste hingelenkt werden“ (SC 108), während die Feste der Heiligen „nicht das Übergewicht haben“ dürfen gegenüber „den Festen, welche die eigentlichen Heilsmysterien begehen“ (SC 111). Die Protestanten werden es gedankt haben.

Zusammenfassend kann man sagen, daß sich das „Heilige Konzil“ hier in wahrhaft schöpferischer oder neu-schöpferischer Weise betätigt hat, in Abwandlung des göttlichen Wortes: „Siehe, wir machen alles neu!“

Das Anti-Tridentinum

Am 4. Dezember 1963 wurde die „Konstitution über die heilige Liturgie Sacrosanctum Concilium“ in öffentlicher Sitzung in Anwesenheit von Paul VI. mit 2147 zu 4 Stimmen und somit fast einmütig angenommen. Man mag sich fragen, wie es dahin kam, daß dieser Anschlag zur Zerstörung der heiligen Liturgie bzw. zu ihrer Metamorphose in eine „Menschenmachwerks-Liturgie“ so widerstandslos gelang.

Mattei stellt sich in seinem genannten Buch ebenfalls die Frage, „wie es möglich war, dass nach den harten Diskussionen in der Aula, die das Vorhandensein gegensätzlicher Lager zu Tage gebracht hatten (…) zum Zeitpunkt der Abstimmung immer eine Approbation der Schemata mit erdrückender Mehrheit zustande kam und es zum Zeitpunkt der Promulgation der Texte geradezu geschah, dass derjenige, der gegen ein Dokument gestimmt hatte, dieses unterschrieb, wie es für Msgr. De Castro Meyer und Msgr. Lefebvre im Falle von Dignitatis humanae über die Religionsfreiheit zutraf“ (a.a.O. S. 576). Einen Grund dafür sieht er im „'demokratischen' Mechanismus der Konzilsversammlung“ gegeben, „welche sich als eine Art kirchliches Parlament darstellte, das von den Regeln und vor allem von der 'Philosopie' der modernen Demokratie bestimmt war“ (ebd. S. 577). „Der Wille der Konzilsversammlung war gleichbedeutend mit dem 'allgemeinen Willen' von Rousseau: ein heiliger und absoluter Wille, gegenüber dem sich die Väter, da sie die selbstauferlegten Gesetze berücksichtigten, im Gewissen verpflichtet fühlten, ihre eigenen Ideen und Meinungen unterzuordnen“ (ebd. S. 577f). „Die Tatsache, dass die Versammlung eine kirchliche und keine politische war, heiligte sozusagen die Äußerung des 'allgemeinen Willens' und wies ihm einen transzendenten Wert zu. Zudem war ein Schema dann, wenn es einmal vom Papst promulgiert worden war, kein Schema mehr, sondern ein lehramtlicher Akt, was folglich seine theologische Natur änderte“ (ebd. S. 578).

Als Beispiel mag uns Kardinal Ottaviani dienen, der zu den „Konservativen“ auf dem Konzil gehörte oder sie in gewisser Weise sogar verkörperte. Zusammen mit Kardinal Bacci hat er am 25. September 1969 eine „Kurze Kritische Untersuchung des Neuen 'Ordo Missae'“ eingereicht. In dem Begleitschreiben hieß es u.a., daß „der 'Novus Ordo Missae' mit seinen neuen, verschieden interpretierbaren Elementen, die darin indirekt oder ausdrücklich deutlich werden, sowohl im Ganzen wie in den Einzelheiten ein auffallendes Abrücken von der katholischen Theologie der heiligen Messe“ darstelle, „wie sie in der XXII. Sitzung des Konzils von Trient formuliert wurde“. Bereits auf dem Konzil hatte sich Ottaviani etlichen Neuerungen widersetzt, so etwa der Einführung der Volkssprache in die Liturgie. In einem Artikel der „Tagespost“, der 2003 zum 40jährigen Jubiläum von „Sacrosanctum Concilium“ erschien, heißt es: „Er war völlig dagegen und sagte es auch. Aber er konnte sich fügen. Aus dem Gehorsam zur Kirche, der ihn zeitlebens prägte. Er sucht keine Ausflüchte, die er als Kirchenrechtler wohl gefunden hätte, um sich vor der Feier der italienischen Messe zu drücken. Er verzeichnet in seinem Tagebuch nüchtern: 'Zelebriere die erste reformierte Messe', und ein paar Monate später: 'Meine erste Messe auf Italienisch'. Auch wenn ein Brief von ihm und anderen Bischöfen, Theologen und Liturgieexperten bekannt ist, der mit verschiedenen Argumenten den neuen Ordo Missae kritisiert, wird er dennoch ohne Einbußen zur Kirche, zu Papst Paul VI. und dem Konzil stehen.“

Im Jahr 1965 sagte derselbe Kardinal Ottaviani in einem Interview mit dem „Corriere della Sera“: „Ich bin ein alter Carabinieri, der die Goldreserve bewacht. Glauben Sie, ich würde meine Pflicht erfüllen, wenn ich zu verhandeln beginnen wollte, meinen Platz verließe, ein Auge zudrückte? Teurer Sohn, fünfundsiebzig Jahre sind fünfundsiebzig Jahre! Ich habe sie verlebt, indem ich bestimmte Grundsätze und bestimmte Gesetze verteidigte. Wenn du dem alten Carabinieri sagst, daß die Gesetze sich ändern, dann wird er denken, er sei ein alter Carabinieri, und er wird alles tun, daß sie sich nicht ändern. Ändern sie sich aber trotzdem, dann wird ihm Gott bestimmt die Kraft geben, einen neuen Schatz zu verteidigen, an den er glaubt. Sind die neuen Gesetze einmal der Schatz der Kirche, eine Bereicherung der Goldreserve geworden, dann zählt nur noch der Grundsatz: die Treue im Dienst der Kirche. Der Dienst aber besagt: Treu ihren Gesetzen – wie ein Blinder. - Wie der Blinde, der ich bin.“ So konnte es geschehen, daß die alchimistische Umwandlung der römischen Liturgie praktisch die Zustimmung des gesamten Weltepiskopates fand.

„Kard. Noé erwähnt, dass genau vierhundert Jahre zuvor, am 4. Dezember 1563, das Konzil von Trient zu Ende ging, nachdem es dem Papst die Liturgiereform übertragen hatte. 'Jetzt beendete die Liturgiekonstitution in gewissem Sinn die Geschichte der tridentinischen Liturgie, und es begann die neue Phase der Reform oder 'erneuerten' Liturgie.' Der Kanoniker Aimé-Georges Martimort interpretierte die symbolische Koinzidenz als 'das Ende des Zeitalters der Gegenreformation'“ (Mattei a.a.O. S. 402). Martimort und andere sahen in dem Dokument den Ausdruck einer „neuen Ekklesiologie“ (ebd.). Die Umkehrung von Trient, das „Anti-Tridentinum“, war damit gelungen.

Entheiligung und Verweltlichung

„Die beherrschende Idee der Liturgiereform war die 'tätige Teilnahme' der Gläubigen, die, wie Gilles Routhier unterstreicht, 'in das Zweite Vatikanum über die Liturgiekonstitution Eingang findet, bevor sie in die Gesamtheit der Konzilsdokumente sozusagen einfällt'. Durch das Prinzip der participatio actuosa wurde die gesamte Gemeinschaft zum Subjekt und Träger der liturgischen Aktion in der Perspektive einer radikalen Säkularisierung der Liturgie. 'Das so bescheiden daherkommende Wort von der 'tätigen, vollen und bewussten Teilnahme' legt einen unerwarteten Hintergrund frei', bemerkt P. Angelus Häußling OSB und unterstreicht die Beziehung zwischen der participatio actuosa der Liturgiereform und der von der Rahner-Schule so genannten 'anthropologischen Wende' der Theologie“ (Mattei a.a.O. S. 640). Wie wir bereits sagten, die Entheiligung und Verweltlichung, die „Säkularisierung“, der Liturgie war der Hebel für die „Säkularisierung“ der ganzen Kirche und ihrer Einrichtungen.

„Wer handelt, ist nicht so sehr der Priester in persona Christi, d.h. Gott selbst, sondern die Gemeinschaft der Gläubigen in persona hominis, um die Bedürfnisse der modernen Welt zu verkörpern, die ein Schüler Rahners als 'heilig und geheiligt in ihrer Profanität, d.h. heilig in anonymer Form' bezeichnete“ (ebd.). Die göttliche Liturgie war zu Menschenwerk, die heilige Kirche zur „Menschenmachwerkskirche“ degradiert.

Die Prinzipien der Großen Baumeister werden ins Werk gesetzt

Seit Herbst 1963, so berichtet uns wieder Mattei, „arbeitete eine Gruppe Liturgiker auf Ermutigung von Paul VI. daran, 'für den Heiligen Vater die sofort durchführbaren liturgischen Neuerungen vorzubereiten'. 'Die letzten drei Monate des Jahres 1963', so erinnert sich Msgr. Piero Marini, Schüler von Msgr. Bugnini, 'bleiben eine der unbekanntesten Perioden in der Geschichte der liturgischen Durchführung des Zweiten Vatikanischen Konzils. Die Namen der Personen, die zusammenarbeiteten, die Themen und die Entwürfe, die vorbereitet wurden, blieben geheim. Von der damals vollendeten Arbeit findet sich keine Spur in irgendeinem offiziellen Dokument'“ (a.a.O. S. 400). Nach dem Tod von Johannes XXIII. und der Wahl Montinis zu „Paul VI.“ war also Bugnini wieder der Mann der Stunde.

„Die Männer, die auf Anordnung von Paul VI. Im Verborgenen wirkten“, fährt Mattei fort, „waren, wie Msgr. Marini erwähnt, Kardinal Lercaro und P. Bugnini. Die geheimen Zusammenkünfte, an denen einige der 'kühnsten' liturgischen Reformer teilnahmen, (…) fanden bei den Benediktinerinnen von Santa Priscilla in der Via Salaria statt, wo der Kardinal aus Bologna residierte. 'Damals entstand zwischen dem Papst, Lercaro und Bugnini jenes Einvernehmen, das die Reform inmitten großer Schwierigkeiten voranbringen sollte'“ (ebd.).

Mit der Konzilskonstitution war das „Rahmengesetz“ gegeben, welches „eine fundamentale Veränderung der katholischen Liturgie implizierte“ (a.a.O. S. 403). Am 3. Januar 1964 wurde Bugnini zum Sekretär des Consilium ad exsequendam Constitutionem de sacra Liturgia, also des „Rates zur Durchführung der Konstitution über die heilige Liturgie“, ernannt, dessen Vorsitz Kardinal Lercaro innehatte und der eigens geschaffen worden war, um die Liturgiekonstitution umzusetzen. „Das Consilium übte vom 19. Februar 1964, dem Datum seiner offiziellen Errichtung, bis 1969 seine Arbeit als ein direkt vom Papst abhängiges Organ aus und beraubte damit die heilige Ritenkongregation ihrer Vollmachten“ (a.a.O. S. 404).

Damit begann die letzte Periode. Die Prinzipien der Großen Baumeister wurden vom Großen Alchimisten Bugnini umgesetzt bzw. endgültig auf die Materie angewandt und so das Große Werk vollendet.