Signum magnum apparuit - 2. Teil

Die Unbefleckte Empfängnis

Im Jahr 1858 erscheint erstmals am 11. Februar der 14jährigen Bernadette Soubirous in Lourdes, einem kleinen Ort in den Pyrenäen, die allerseligste Jungfrau Maria. Nicht zufällig ist es wieder Frankreich, das dieser dritten großen Marienerscheinung des 19. Jahrhunderts nach Paris und La Salette gewürdigt wird. Schließlich war es auch Frankreich mit dem Ausgangspunkt Paris, von wo aus die Revolution der Freimaurer und Jakobiner die ganze Welt ergriff.

Im Laufe der Erscheinungen ruft die Muttergottes inständig zur Buße auf, sie verlangt, daß man eine Kapelle an diesem Ort baut und in Prozessionen dorthin zieht, sie läßt eine wunderbare Wasserquelle entspringen und offenbart sich schließlich, am 25. März, mit den Worten: „Ich bin die Unbefleckte Empfängnis“. Sie macht damit Frankreich erneut zum Quell unzähliger Gnaden, welche wie bei der Wunderbaren Medaille die ganze Welt erfüllen. Wie viele unzählige Pilger aus aller Welt sind seither nach Lourdes geströmt, wie viele Wunder an Leib und vor allem Seele sind dort geschehen, wie viele Ungläubige und Rationalisten haben dort zum Glauben gefunden oder zurückgefunden! Lourdes mit seiner Gnadenquelle hat auf ganz handfeste, einfache und unwiderlegbare Weise den freimaurerischen Vernunftglauben und Agnostizismus in seiner Armseligkeit entlarvt. „Gaude, Maria Virgo: cunctas haereses sola interemisti in universo mundo. - Freue dich, Jungfrau Maria, denn du allein hast alle Häresien in der ganzen Welt überwunden.“

Vor allem aber war Lourdes auch eine glänzende Bestätigung der Kirche, ihrer Dogmen und der Unfehlbarkeit des Papstes. „Ich bin die Unbefleckte Empfängnis“ - „Der Herr besaß mich im Anfang Seiner Wege, von Anbeginn, noch bevor er etwas geschaffen hat. Von Ewigkeit her bin ich eingesetzt, von Urbeginn, bevor die Erde ward. Noch waren nicht die Abgründe, und ich war schon empfangen …“ Das große Zeichen, das „signum magnum“ im Himmel ist erneut auf unserer Erde erschienen.

Die 18. und letzte Erscheinung in Lourdes findet statt am Fest Unserer Lieben Frau vom Berge Karmel, dem 16. Juli 1858. In einem Buch lesen wir dazu: „Drei Jahre war Dürrezeit in Israel und kein Regen befruchtete die Erde. Elias aber sagte zu König Achab: 'Geh hin, iß und trink, denn ich höre das Rauschen des Regens!' Als Achab hinging, stieg Elias auf den Gipfel des Karmel, beugte sich zur Erde nieder und legte sein Antlitz zwischen seine Knie. Dann sprach er zu seinem Diener: 'Geh hinauf und richte deine Blicke nach dem Meer zu!' Er ging hinauf, schaute aus und meldete: 'Es ist nichts zu merken.' Elias befahl: 'Geh nochmals hin!' So geschah es siebenmal. Beim siebten Mal meldete er: 'Eine Wolke erhebt sich aus dem Meer, so klein wie eine Menschenhand.' Da erwiderte Elias: 'Geh hin und sage zu Achab: Spann an und fahre zu Tal, damit der Regen dich nicht aufhält!' Nicht lange danach und es fiel ein starker Regen, der Regen der alles befruchtet (1 Kön. 18, 41 – 45). - Die Kirchenväter haben die Wolke, die vom Meer aufsteigt, als Sinnbild der Muttergottes gedeutet. Sie brachte der Welt den Regen des Heiles, Christus den Herrn. So singt der Prophet Isaias: 'Tauet Himmel den Gerechten, Wolken regnet ihn herab.'“ (H. Lasserre, Thomas Jentzsch: Die Erscheinungen der Muttergottes in Lourdes).

Der Karmelorden beruft sich auf den Propheten Elias als eigentlichen Gründer. „Wie Sie wissen“, schreibt dazu die Priorin eines Karmel-Klosters, „darf sich unser hl. Orden rühmen, der älteste Orden der heiligen Kirche zu sein, da seine Wurzeln bis ins Alte Testament, nämlich zum hl. Propheten Elias, dem 'Vater und Führer der Karmeliten' (Liturgie) hinabreichen. Seit dieser mit seinen Schülern ein Einsiedlerleben begann, um im voraus die Allerseligste Jungfrau Maria zu ehren, deren Kommen ihm durch die Erscheinung des kleinen Wölkleins über dem Meere angekündigt worden war, hat der Orden nicht aufgehört, sich als das Eigentum der Gottesmutter zu betrachten.“ Es ist allgemeine Überzeugung, daß es sich bei den Zeugen der Apokalypse, die gegen das „Tier“, den Antichristen, auftreten werden, um Henoch und Elias handelt, die beide bisher nicht gestorben sind, sondern von Gott „entrückt“ wurden. Auch in La Salette spricht die allerseligste Jungfrau von Henoch und Elias, die zur Zeit der großen Verfinsterung der Kirche kommen und predigen werden, wie wir oben gesehen haben.

Große Bedeutung kommt in Lourdes auch dem Rosenkranz zu. Unsere Liebe Frau trägt bei ihren Erscheinungen einen großen Rosenkranz am Gürtel, den sie durch ihre Finger gleiten läßt, während Bernadette en Rosenkranz betet. Sie zeigt damit, welch große Macht der Rosenkranz in diesen Letzten Zeiten erlangt. Auch der heilige Ludwig Maria sieht seine Apostel der Letzten Zeiten mit dem Kreuz in der einen und dem Rosenkranz in der anderen Hand, eben als Apostel Jesu und Mariae.

Rosenkranz und Exorzismus

Es wundert uns daher nicht, daß Leo XIII., welcher am Ende des 19. Jahrhunderts die Kirche in schwieriger und vielfach, von innen und außen, bedrängter Zeit regierte (1878-1903), den Rosenkranz in den Mittelpunkt seines Bemühens stellte. Er widmete diesem nicht weniger als 16 Rundschreiben, seine berühmten „Rosenkranz-Enzykliken“, fügte die Anrufung „Königin des heiligen Rosenkranzes“ in die Lauretanische Litanei ein und machte den Monat Oktober zum „Rosenkranz-Monat“, in welchem in allen Kirchen täglich der Rosenkranz zu beten sei.

Der Rosenkranz-Monat ist gewissermaßen ein erweitertes Rosenkranzfest, welches die Kirche am 7. Oktober begeht. Es verdankt seine Entstehung dem Sieg der Christen über die Türken am 7. Oktober 1571 bei Lepanto, welchen der heilige Papst Pius V. ganz auf das inständige Rosenkranzgebet der Christenheit und die Hilfe der allerseligsten Jungfrau Maria, der Siegerin in allen Schlachten Gottes, zurückführte. Im Jahr 1716, am Vorabend der Gründung der Freimaurerei sozusagen, war das Fest von Klemens XI. wegen des erneuten Siegs der Christen über die Türken durch den Prinzen Eugen bei Peterwardein in Ungarn auf die ganze Christenheit ausgedehnt worden. Es geschah dies also gerade, kurz bevor die Türkengefahr durch die viel größere Gefahr der umstürzlerischen „Synagoge Satans“ abgelöst wurde.

In einer Broschüre mit dem Titel „Der hl. Michael und der Sieg von Morgen“ wird berichtet, daß Leo XIII. während seiner Betrachtung die Überströmung der Erde durch finstere Schwärme boshafter Geister erlebte, die aus dem Abgrund herauskamen. „Am 13. Oktober 1884 vernahm derselbe Papst, als er den Altar nach der Feier der hl. Messe verließ, ein erstaunliches Gespräch zwischen Christus und Satan. Satan forderte noch 100 Jahre Zeit und mehr Macht, um die Kirche Gottes zu vernichten. Christus räumte sie ihm ein“, wie es auf der „Homepage“ des Priorats St. Michael heißt. Papst Leo XIII. führte daraufhin die nach ihm benannten „Leoninischen Gebete“ oder Schlußgebete nach der stillen Hl. Messe ein und veröffentlichte am 18. Mai 1890 den berühmten und nach ihm benannten „kleinen Exorzismus“. Darin klingt es wie ein Nachhall auf La Salette, wenn es heißt:

„Ja, dieses Ungeheuer, diese alte Schlange, welche Teufel und Satan genannt wird, welcher die ganze Welt verführt, ward mit seinen Engeln in den Abgrund gestürzt. Doch siehe, dieser alte Feind und Menschenmörder hat sich übermütig wieder erhoben. Er hat sich in einen Engel des Lichtes verwandelt und schweift mit der ganzen Schar der bösen Geister umher, um des ganzen Erdkreises sich zu bemächtigen und den Namen Gottes und seines Gesalbten daraus zu vertilgen; um zu rauben, zu morden, in das ewige Verderben zu stürzen die Seelen, welche zur Krone der ewigen Herrlichkeit bestimmt sind. Dieser böswillige Drache ergießt wie ein ganz schmutziger Strom über die Menschen, deren Verstand schon wüste und deren Herz verdorben ist, das Gift seiner Bosheit, den Geist der Lüge, der Gottlosigkeit und Lästerung, ja den Pesthauch der Ausschweifungen und aller Laster und Missetaten. Feinde voll Arglist haben die Kirche, die Braut des unbefleckten Lammes, mit Bitterkeit überhäuft und mit Wermut getränkt; ruchlos haben sie die Hände nach ihren heiligsten Besitztümern ausgestreckt. Selbst an der geweihten Stätte, wo der Sitz des hl. Petrus und der Lehrstuhl der Wahrheit als Leuchte der Welt errichtet ward, haben sie den verabscheuungswürdigen Thron ihrer Gottlosigkeit aufgeschlagen mit dem unseligen Plan, den Hirten zu schlagen und die Herde zu zerstreuen.“

Insbesondere richtet sich die Hoffnung des Papstes neben der Muttergottes auf den heiligen Erzengel Michael, welcher der Heerführer der Unbefleckten Jungfrau ist und auch in der Apokalypse des hl. Johannes als solcher auftritt im Kampf gegen die Schlange und ihren Anhang: „Und es erhob sich ein großer Kampf im Himmel: Michael und seine Engel kämpften mit dem Drachen, und der Drache und seine Engel stritten, aber sie obsiegten nicht, und keine Stätte ward mehr für sie gefunden im Himmel“ (Off. 12,7f). Auch nach Aussage vieler anderer seriöser Propheten wird der heilige Erzengel Michael in den Kämpfen der Letztzeit eine bedeutende Rolle spielen.

So berichtet die Seherin Anna Katharina Emmerich von einer ihrer Schauungen: „Wieder sah ich die Peterskirche mit ihrer hohen Kuppel. Michael stand auf ihr leuchtend in blutrotem Gewande mit einer großen Kriegsfahne in der Hand. Auf der Erde war großer Streit. Grüne und Blaue kämpften gegen Weiße, und diese Weißen, welche ein feuriges Schwert über sich stehen hatten, schienen ganz zu erliegen; alle aber wußten nicht, warum sie kämpften. Die Kirche war ganz blutrot wie der Engel, und es wurde mir gesagt: Sie wird im Blute gewaschen. Je länger der Kampf währte, um so mehr wich die rote Blutfarbe von der Kirche, und sie ward immer durchscheinender. - Der Engel aber steig nieder und trat zu den Weißen, und ich sah ihn vielfach vor allen Haufen. Da ergriff sie ein wunderbarer Mut, und sie wußten nicht woher. Er war es, der unter die Feinde schlug, und sie flohen von allen Seiten...“ (30. Dezember 1819, Schmöger S. 177).

Trotz all dieser Bemühungen und Maßnahmen stand der finstere Plan der „Carbonari“ nach dem Tod von Leo XIII. kurz vor seiner endgültigen Verwirklichung. Schon hatten sich die Kardinäle 1903 im Konklave auf den Kardinal Rampolla als nächsten Papst geeinigt, als das Veto des österreichischen Kaisers, ins Konklave eingebracht durch den Erzbischof von Krakau, diese Wahl verhinderte. Es gibt Zeugnisse, daß Rampolla Freimaurer war und der österreichische Kaiser davon Kenntnis erhalten hatte. Statt seiner wurde daraufhin der Patriarch von Venedig, Giuseppe Sarto, zum Papst gewählt, welcher den Namen Pius X. annahm und als bisher letzter Papst heiliggesprochen wurde.

Der heilige Papst

Der heilige Pius X. wurde bekannt durch seine Reformen, aber auch durch seinen unnachsichtigen Kampf gegen die Modernisten. Er hatte die Gefahr klar erkannt, welche der Kirche längst nicht mehr nur von außen, sondern vielmehr von innen drohte. Bereits in seiner Antrittsenzyklika „E supremi apostolatus“ vom 4. Oktober 1903 spricht der Papst von jenem „frevelhaften Krieg gegen Gott, der jetzt nahezu überall losgebrochen ist und gefördert wird“.

„Denn wahrlich: gegen ihren Schöpfer toben die Heiden und sinnen eitlen Plan die Völker, sodaß nahezu allgemein der Ruf der Feinde gegen Gott ist: Entschwinde von uns. Daher ist in den meisten Fällen die Ehrfurcht vor dem Ewigen Gott ausgelöscht. Weder in den privaten noch in den öffentlichen Lebensgewohnheiten hat man als Grundsatz Seinen allerhöchsten Willen. Vielmehr strengt man sich mit ganzer Kraft und mittels jeglichen Kunstgriffes an, daß sogar die Erinnerung an Gott und der Gedanke an Ihn vollständig untergehen. Wer dies ernstlich erwägt, fürchtet gewiß, daß notwendigerweise diese Verkehrtheit der Seelen eine gewisse erste Probe oder gleichsam einen Anfang der Übel darstellt, die für die Endzeit zu erwarten sind, oder ob nicht der Sohn des Verderbens, von welchem der Apostel spricht, sich schon hier auf Erden befindet.“

Er sieht also durchaus das apokalyptische Ausmaß, welches der Kampf angenommen hat:

„Denn mit einer derartigen Verwegenheit, mit einer solchen Raserei greift man überall die Religion und die Frömmigkeit an, werden die Lehren des geoffenbarten Glaubens bekämpft, und man ist unbeugsam bestrebt, jegliche Verpflichtung, welche der Mensch Gott gegenüber hat, aus dem Wege zu räumen und auszutilgen! Andererseits, was gemäß dem gleichen Apostel das charakteristische Merkmal des Antichrist ist: der Mensch reißt in allerhöchster Verwegenheit selbst die Würde Gottes an sich, indem er sich über alles, was Gott genannt wird, erhebt. Obwohl er nicht imstande ist, die Kenntnis von Gott in sich gänzlich auszulöschen, geht der so weit, nach Verschmähung der Göttlichen Majestät sich diese sichtbare Welt gleichsam selbst zum Tempel zu bestimmen, wo er von den anderen angebetet werden muß. Er setzt sich in den Tempel Gottes und stellt sich zur Schau, als sei er Gott.“

In seiner berühmten Enzyklika „Pascendi Dominici gregis“ vom 18. November 1907 über die Modernisten stellt er fest:

„Aber man muß gestehen: In diesem verworfensten Zeitalter ist die Zahl der Feinde des Kreuzes Christi ungemein gewachsen. Voll neuer, hinterlistiger Kunstgriffe suchen sie die Lebenskraft der Kirche zu brechen und, wenn sie könnten, das Reich Christi selbst von Grund auf zu vernichten. Darum dürfen Wir nicht länger schweigen … Wir sind aber vor allem deshalb gezwungen, nicht länger zu zögern, weil sich die Begünstiger jener Irrtümer bereits nicht mehr ausschließlich unter den offenen Feinden finden. Vielmehr muß es am meisten Schmerz und Sorge bereiten, daß sie sich schon im Schoße der Kirche selbst, in ihrem Innersten verborgen halten, und sie sind umso gefährlicher, je weniger sie augenscheinlich hervortreten.“

Diesen Angriffen und Anfeindungen setzt er seinen ehernen Grundsatz entgegen, unter welchen er sein Pontifikat gestellt hat: „Instaurare omnia in Christo – alles in Christus erneuern“. „Auf Gottes Kraft vertrauend, legen Wir Hand an das Werk und erklären, daß der Hauptgegenstand des päpstlichen Wirkens für Uns dies eine sein soll: Alles in Christus zu erneuern, daß nämlich Christus alles und in allem sei.“ „Und wenn einige ein Kennzeichen von Uns erbitten, das Aufschluß über den innerlichen Willen gibt, so werden Wir immer dieses eine geben: Alles in Christus zu erneuern.“ Es ist dies das klassische „agere contra“, das Gegenprogramm zu jenem oben genannten „frevelhaften Krieg gegen Gott, der jetzt nahezu überall losgebrochen ist und gefördert wird“. Dem Kommen des Antichristen als Usurpator stellt er den wahren König, Unseren Herrn Jesus Christus, gegenüber.

Der heilige Papst führt seinen Kampf – wie könnte es anders sein? – in inniger Verbundenheit mit der allerseligsten Jungfrau Maria. Zum 50jährigen Jubiläum des Dogmas von der Unbefleckten Empfängnis erscheint sein wundervolles Apostolisches Rundschreiben „Ad diem illum laetissimum“ vom 2. Februar 1904, in welchem er das Lob der Unbefleckten verkündet und sich ganz auf den Spuren des heiligen Ludwig Maria Grignion de Montfort und seiner wahren Andacht zu Maria bewegt und so diesem marianischen Propheten und seinen Schriften gewissermaßen päpstliche Anerkennung zollt. Darin spricht er von seiner „zur allerseligsten Jungfrau gehegten dankbaren Liebe, welche Wir als ein Gnadengeschenk von ihrer ganz besonderen Güte alle Zeit hindurch gepflegt haben“.

Er verleiht seinem Verlangen Ausdruck, „daß nun bald jene großen Hoffnungen und Erwartungen erfüllt würden, zu denen Unser Vorgänger Pius (IX.) sowie sämtliche Bischöfe nicht grundlos veranlaßt wurden, sobald einmal die Wahrheit der Unbefleckten Empfängnis feierlich als Glaubenssatz ausgesprochen wäre“. Gegen jene, die es beklagen, „daß sich diese Hoffnungen bis auf den heutigen Tag nicht erfüllt haben“, weist er auf die „verborgenen Gnadenschätze“ hin, „welche Gott infolge der Vermittlerschaft der Jungfrau diese Zeit hindurch der Kirche gewährt hat“.

„Wenn aber jemand hiervon absehen möchte, so denke man doch etwa an das Vatikanische Konzil, das ganz zum richtigen Zeitpunkt abgehalten wurde; man denke an die Erklärung über das keines Irrtums fähige Lehramt der Päpste als des höchst angemessenen Mittels gegen die bald darauf zum Ausbruch kommenden Irrtümer. Und erleben wir etwa nicht das Schauspiel eines neuen und nie dagewesenen Liebeseifers, mit welchem aus allen Ständen und aus allen Teilen der Welt die Gläubigen schon seit geraumer Zeit zusammenströmen, um dem Stellvertreter Christi öffentlich Verehrung und Huldigung zu erweisen? Oder muß man nicht die Vorsehung Gottes an jedem von beiden Unserer Vorgänger, Pius und Leo, bewundern, welche in sturmerfülltester Zeit währen einer Regierungsdauer, wie sie kaum einem anderen verliehen war, die Kirche derart ehrfurchtgebietend und gewissenhaft verwaltet haben?“

Auch die Erscheinungen Unserer Lieben Frau von Lourdes sieht der heilige Papst in diesem Zusammenhang:

„Kaum hatte Pius (IX.) die Wahrheit der Unbefleckten Empfängnis Mariens als verpflichtenden Glaubenssatz ausgesprochen, als in dem Städtchen Lourdes sich durch die Jungfrau selbst Wunder zu ereignen begannen und der mächtige und prachtvolle Bau des Heiligtums der Unbefleckten Gottesgebärerin errichtet wurde, bei dem auf die Fürbitte der Gottesmutter Wunderzeichen geschehen, welche hervorragend geeignet sind, den Unglauben der Menschen der Jetztzeit abzutun.“

Der Papst fährt fort: „So viele und so große Erweise von Güte hat Gott auf die milde Fürbitte der Jungfrau im Laufe dieser fünfzig Jahre erteilt! Sollen wir nun also nicht hoffen können, daß unsere Rettung näher ist als damals, da wir gläubig geworden sind? Und dies umso mehr, da es erfahrungsgemäß der Göttlichen Vorsehung eigen zu sein scheint, daß die befreiende Hilfe gerade dann am nächsten ist, wenn die Übel am äußersten und höchsten sind.“ So sieht er in diesem „signum magnum“ ein Hoffnungszeichen, einen wahren Regenbogen.

„Der Hauptgrund aber, weshalb Wir wünschen, daß die fünfzigjährige Jubelfeier des Tages der Erklärung der Unbefleckten Empfängnis der Gottesgebärerin als Glaubenssatz im christlichen Volk einen neuen, ungewöhnlichen Eifer anregen möchte, ist Unser, in Unserem früheren Rundschreiben ausgesprochenes Verlangen, alles in Christus zu heiligen (instaurare omnia in Christo). Denn wer hält es nicht für gewiß, daß es keinen sichereren und leichteren Weg gibt als durch Maria, alle mit Christus zu vereinigen und durch Ihn die vollkommene Annahme als Kinder zu erlangen, damit wir heilig und makellos vor Gott seien?“

Das ist auch der Grundsatz des heiligen Ludwig Maria und sein ständiges Gebet: „Adveniat regnum Mariae, ut adveniat regnum tuum. - Es komme das Reich Mariä, damit dein Reich komme, o Gott!“ Ganz in diesem Sinne fragt der Papst: „Gibt es denn einen mächtigeren und sichereren Beistand zur Erkenntnis und Liebe Christi als sie? Sind nicht ein trauriger Beweis für diese Wahrheit gerade jene, die – betört durch die List des bösen Feindes oder irregeführt durch falsche Vorurteile – meinen, an der Jungfrau als Helferin vorübergehen zu können? Diese Armen und Unglücklichen! Sie geben vor, Maria unbeachtet zu lassen, um Christus die Ehre zu geben, und sie wissen nicht, daß das Kind nicht anders zu finden ist als mit Maria, seiner Mutter.“

Der heilige Papst betont die Wirkung des Glaubenssatzes von der Unbefleckten Empfängnis auf die Tugenden, insbesondere die Tugend des Glaubens. „Womit setzen denn tatsächlich die Hasser des Glaubens den Anfang bei der Verbreitung ihrer schweren Irrtümer nach allen Seiten, wodurch dann gerade bei vielen der Glaube zum Wanken gebracht wird? Sie leugnen, daß der Mensch durch die Sünde gefallen ist und aus seiner ehemaligen Würde verstoßen wurde.“ Diese Leugnung ist enthalten in der liberalen Auffassung von der allen Menschen von Geburt an eigenen und unverlierbaren „Menschenwürde“, während der Mensch doch in Sünde geboren wird und der Taufe bedarf, um seine Würde wiederzugewinnen.

„Deshalb zählen sie die Erbsünde und alle von ihr ausgehenden Fehler und Gebrechen zu den unwahren Erdichtungen, nämlich: die Verderbtheit des Menschengeschlechtes in seinen Stammeltern und die Ausdehnung derselben auf alle Nachkommen, die auf diese Weise erfolgte Hinaustragung von Leid und Verderben unter die Sterblichen und die daraus folgende Notwendigkeit eines Wiederherstellers. Unter diesen Voraussetzungen ist leicht einzusehen, daß es da für Christus keinen Platz mehr gibt, ebensowenig für die Kirche, für die Gnade und für eine übernatürliche Ordnung. Mit einem Wort, das ganze Gebäude der christlichen Wahrheit ist bis in das Innerste untergraben.“

Dagegen: „Wenn hingegen die Völker glauben und bekennen, daß Maria die Jungfrau im ersten Augenblick ihrer Empfängnis von jedem Sündenmakel frei geblieben ist, so bedeutet dies, daß dieselben auch die Erbschuld, die Wiederherstellung der Menschen durch Christus, das Evangelium, die Kirche und selbst das Gesetz des Duldens und Erleidens zugeben und annehmen müssen; damit haben aber die Völker alles, was mit dem 'Rationalismus' und dem 'Materialismus' zusammenhängt, völlig beseitigt und abgeschüttelt, und es bleibt der Vorzug der christlichen Weisheit bestehen: Wächterin und Verteidigerin der Wahrheit zu sein.“ Eben das ist, wie wir gesehen haben, der Inhalt der Erscheinungen von Lourdes, welche insbesondere auch das Verhältnis des Leidens und der Krankheit zur Sünde wieder neu betonen.

Pius X. weiter: „Auch dies ist eine allgemeine Verirrung der Feinde des Glaubens, namentlich in unserer Zeit, mit welcher sie in den Seelen den Glauben in Vergessenheit bringen: daß sie gegenüber der Autorität der Kirche und überhaupt gegenüber jeglicher (übergeordneten) Gewalt unter den Menschen die Ehrfurcht und den Gehorsam herabsetzen und laut schreien, diese von sich werfen zu müssen. Das sind die Ursprünge des 'Anarchismus', einer Gefährdung und eines Verderbens, wie es nichts Verhängnisvolleres gibt für die natürliche und für die übernatürliche Ordnung der Dinge.“ Es ist dies das liberale „Freiheits“-Streben, das auch unter Katholiken erheblichen Schaden angerichtet hat.

Auch hier ist das „signum magnum“ der Unbefleckten Empfängnis das Heilmittel. Denn „auch dieses für die staatlichen ebenso wie für die kirchlichen Verhältnisse gleichermaßen gefährliche Unheil vernichtet der Glaubenssatz von der Unbefleckten Empfängnis der Gottesgebärerin, denn er nötigt uns, der Kirche die obrigkeitliche Gewalt einzuräumen, welcher man sich nicht bloß durch die Zuneigung des Gemütes, sondern auch dem innersten Wesen nach zu unterwerfen hat. Denn wegen der so gearteten Unterwerfung des Denkens und der Absichten preist das christliche Volk die Gottesgebärerin: Ganz schön bist du, Maria, und der Makel der Erbschuld ist nicht in dir. Hieraus kann man wiederum schließen, daß die Kirche mit Recht von der erhabenen Jungfrau sagt, sie allein habe alle Irrlehren in der ganzen Welt aus dem Weg geräumt.“

Auch auf das große Zeichen aus der Apokalypse geht der heilige Papst direkt ein: „Ein großes Zeichen, so beschreibt der Apostel Johannes die ihm von Gott gesandte Vision, ein großes Zeichen erschien am Himmel: ein Weib, bekleidet mit der Sonne, der Mond zu ihren Füßen, und auf ihrem Haupte eine Krone von zwölf Sternen. Niemandem ist es aber unbekannt, daß jenes Weib Maria die Jungfrau bedeutet, welche als Unversehrte Christus, unser Haupt, geboren hat. Und das Weib, so fährt der Apostel fort, war gesegneten Leibes, schrie in Wehen und war in Pein, zu gebären. Der Apostel sah also die heiligste Gottesmutter, obwohl sie sich bereits des ewigen Glückes erfreute, dennoch an geheimnisvollen Geburtswehen leiden. Was war denn das für eine Geburt? Unsere Geburt ist es offenkundig, die wir, in der irdischen Verbannung zurückgehalten, zur vollkommenen Liebe Gottes und zur ewigen Seligkeit noch geboren werden müssen. Ihre Geburtswehen aber bedeuten den Eifer und die Liebe, mit denen die Jungfrau in der himmlischen Heimat wacht und durch ihre fortwährende Fürbitte zu bewirken sucht, daß die Zahl der Auserwählten voll werde.“ Hier liegt auch eine weitere Erklärung für die Tränen Unserer Lieben Frau von La Salette.

Der heilige Pius X. beschließt sein Schreiben „mit dem erneuten Ausdruck der großen Hoffnung, durch die Wir gänzlich geleitet werden, daß durch die Wirkung der außerordentlichen Gnade dieses Jubeljahres, das Wir unter dem Schutze der Unbefleckten Jungfrau ausgeschrieben haben, recht viele, die sich elend und erbärmlich von Jesus Christus getrennt haben, zu Ihm zurückkehren werden, und daß im christlichen Volk die Liebe zur Tugend und die Glut der Frömmigkeit wieder zu glänzen beginne“. „Als Unser Vorgänger Pius es vor 50 Jahren als verpflichtende katholische Glaubenswahrheit verkündete, daß die seligste Mutter Christi vom Makel der Erbsünde völlig frei ist, da erlebte man, wie Wir bereits sagten, einen Überfluß an himmlischen Gnaden, welcher über die ganze Welt ausgegossen wurde, und das Wachstum der Hoffnung und des Vertrauens auf die jungfräuliche Gottesgebärerein bewirkte auch allerorts unter den Völkern eine beträchtliche Annäherung an die althergebrachte Gottesfurcht und Frömmigkeit. Was hindert uns daran, noch Großartigeres für die Zukunft zu erwarten?“ Wie der hl. Ludwig Maria vorhersagte: „Besonders gegen das Ende der Welt, und zwar schon bald, wird Maria auf Erden mit einem Eifer verehrt werden wie nie zuvor; denn gerade für die letzten Zeiten hat Gott beschlossen, im Verein mit seiner heiligen Mutter Heilige großzuziehen, welche die Mehrzahl der anderen Heiligen an Heiligkeit soweit übertreffen werden als die Zedern des Libanon über das nieder Gesträuch emporragen.“

Pius X.: „Gewiß sind die Zeiten, in die wir geraten, todbringend und verderblich; und auch wir könnten zurecht mit den Worten des Propheten laut klagen: Es ist keine Wahrheit, kein Erbarmen und keine Erkenntnis Gottes auf Erden. Lästerung, Lüge, Mord, Gaunerei und Ehebruch haben überhandgenommen. Aber siehe! In dieser Sündflut von Übeln erscheint vor unserem Blick das Bild des Regenbogens, die mildeste Jungfrau, und sie stellt sich gleichsam als Schiedsrichterin des Friedens zwischen Gott und die Menschen. Meinen Bogen setze ich ins Gewölk, und er sei zum Zeichen des Bundes zwischen mir und der Erde. Mag der Sturm wüten und der Himmel sich mit schwarzer Nacht des Grauens anfüllen: es sei niemand innerlich unsicher. Der Anblick Mariens wird Gott versöhnen, und Er wird uns Schonung beweisen. Und wenn der Bogen im Gewölke stehen wird, werde ich auf ihn schauen und gedenken des ewigen Bundes. Und es werden hinfort keine Wasserfluten mehr kommen, alles Fleisch zu vertilgen.“ Welch tröstliche Worte auch für uns und ein Hinweis auf das wahre Zeitalter des Regenbogens, welches ein Zeitalter Mariens ist.

So schließt der heilige Papst mit dem auch vom hl. Ludwig Maria für die Letzten Zeiten geschauten Ausblick auf die schon im Paradies verheißene Schlangenzertreterin: „Fürwahr, wenn wir auf Maria, so wie es angemessen ist, zuversichtlich hoffen, besonders eben nun, da wir ihre Unbefleckte Empfängnis mit feurigerem Eifer verehren wollen, unter solchen Umständen werden wir es unmittelbar wahrnehmen, daß sie die mächtigste Jungfrau ist, welche den Kopf der Schlange mit jungfräulichem Fuße zertreten hat.“

Diese recht ausführlichen Zitate zeigen die prophetische Weitsicht dieses heiligen Papstes, aber auch einmal mehr die enge Verbindung zwischen der allerseligsten Jungfrau Maria und dem Stellvertreter ihres göttlichen Sohnes auf Erden. Pius X. starb im Jahr 1914 am 20. August als erstes Opfer des Ersten Weltkriegs. „Der Krieg, den er lange vorausgesehen hatte und den er mit Friedensappellen noch zu verhindern suchte, soll ihm das Herz gebrochen haben, so eine zeitgenössische Erklärung aus dem Vatikan“ (Wikipedia). Auch sah er am Ende seines Lebens, daß er mit all seinen Maßnahmen gegen die Modernisten nicht den gewünschten Erfolg gehabt hatte. Sie hatten sich nur geduckt und würden sich wieder erheben, um ihren Angriff von innen gegen die Kirche fortzusetzen. In seinem Motu proprio vom 1. September 1910 klagt der heilige Papst: „Auch nachdem ihnen die Enzyklika 'Pascendi' die Maske, hinter der sie sich verbargen, vom Gesicht gerissen hat, haben die Modernisten ihre Pläne, den Frieden der Kirche zu stören, nicht aufgegeben. Sie haben in der Tat nicht aufgehört, neue Anhänger anzuwerben und in einer geheimen Vereinigung (clandestinum foedus) zu sammeln.“

Der letzte Kaiser

Waren die kirchenfeindlichen Kräfte im Konklave von 1903 fast schon an ihr Ziel gelangt, so sahen sie sich durch den österreichischen Kaiser darin verhindert. Es war somit klar, daß, um den Heiligen Stuhl zu erobern, zunächst das österreichische Kaisertum fallen mußte. Dies war eines der Hauptziele des Ersten Weltkrieges.

Über das österreichische Kaiserreich, die „Donaumonarchie“, heißt es in einem Vortrag eines hervorragenden Kenners dieser Materie, P. Thomas Jentzsch:

„Das Reich war die Donaumonarchie, bei welchem es sich um keinen Nationalstaat handelte. Es gründete sich vielmehr auf der alten Idee des heiligen römischen Reiches, das bis zum 6. August 1806 Bestand hatte. Auf Druck von Napoleon und unterstützt von einer großen Anzahl deutscher Fürsten, die zu Napoleon abgefallen waren, wurde das Reich vom letzten Kaiser Franz II. als aufgelöst erklärt. Im Vorfeld dieser Ereignisse hatte im Jahre 1804 der letzte römische Kaiser seine Erblande, Österreich mit Böhmen und Ungarn, zu einem erblichen Kaisertum erhoben. Zwei Jahre lang bestand also ein zweifaches Kaisertum – auf der einen Seite das deutsche Kaiserreich, auf der anderen Seite das österreichische Erbkaisertum. Im weiteren Verlauf ging das römische Kaisertum nahtlos in das österreichische Erbkaisertum über. Außerdem wurden die Reichsfarben schwarz-gold übernommen. Das Kaisertum Österreich stellte sich rechtlich als Nachfolgestaat des römischen Reiches dar, verbunden mit der Idee einer übernationalen christlichen Staatenfamilie.“

An anderer Stelle schreibt unser Autor über dieses römische Reich, das von Kaiser Karl dem Großen (800) bis zu Kaiser Franz II. dauerte:

„Im Jahre 1806 wurde das Heilige Römische Reich, das 1.000 Jahre Bestand hatte, von Kaiser Franz II. unter dem Druck der Zeitverhältnisse für erloschen und aufgelöst erklärt. Papst Pius VII. hingegen hatte die Rechtsgültigkeit dieser Erklärung bestritten, da der Kaiser nur persönlich auf die Krone verzichten kann. Daraus folgt jedoch nicht, daß eine religiöse, ideelle Realität, wie die des Heiligen Römischen Reiches, 'nicht mehr existiert'. Das Heilige Römische Reich war das entscheidende gesellschaftliche und staatliche Formprinzip der abendländischen Christenheit. Es handelte sich um ein Bündnis zwischen Reich und Kirche, das Karl der Große erstmals eingegangen war. Dieses Reich, als Universalmonarchie, war dazu bestimmt, der Christenheit die Staatsform zu geben, die als Königtum Unseres Herrn Jesus Christus auf Erden dem Evangelium am besten entsprechen kann. Vor allem sei daran erinnert, daß es sich bei der Monarchie um die einzige politische Institution handelt, die ihre Heiligung durch die Kirche in einem feierlichen religiösen Akt erfährt: Krönung und Salbung mit heiligem Öl. Durch das Gottgnadentum im Akt der Weihe wurde der Herrscher zu einer geheiligten Person. Er stand im Dienste des universalen Königtums Jesu Christi als Wahrer der Rechte Gottes in der Welt. Ferner verkörpert er auf mystische Weise das Ganze des Volkes und die moralischen Prinzipien, auf denen die Grundfesten des Staates beruhen, und zwar die Gerechtigkeit als irdische Darstellung göttlicher Autorität und Macht sowie in deren Verwirklichung soziale und völkische Eintracht. Das Reich war die Hinordnung der Gesellschaft auf Gott, eine übernationale Staats- und Kulturgemeinschaft vieler Völker, vereint in der Person des Kaisers. Es war eine der edelsten und vollkommensten Organisationsformen, die jemals auf dieser Erde wirksam geworden sind. Der Herrscher als Gesalbter ist der Vertreter göttlicher Macht auf Erden. Dem Königtum Christi wird er durch die kirchliche Salbung ähnlich gemacht.“

Es ist also klar, daß zuerst auch noch die Reste des Heiligen Römischen Reiches in Gestalt der Donaumonarchie vernichtet werden mußten, jener Schutzmacht der Heiligen Römischen Kirche im Dienst des universalen Königtums Jesu Christi, bevor man dem Heiligen Stuhl selbst zuleibe rücken konnte. Der heilige Paulus schreibt in seinem 2. Brief an die Thessalonicher über den bevorstehenden Antichristen: „Auch das, was jetzt noch hemmt, kennt ihr, daß es sich offenbare zu seiner Zeit. Denn das Geheimnis der Bosheit ist bereits wirksam; nur daß der, welcher es jetzt aufhält, aufhalte, bis er hinweggeräumt wird. Und alsdann wird jener Ruchlose offenbar hervortreten...“ (2 Thess 2,6-8). In der Allioli-Bibel finden wir dazu als Kommentar: „Viele heilige Väter, unter ihnen Chrysostomus und Hieronymus, verstanden, wohl auf Dan. 2,40 blickend, das römische Reich als die hemmende Macht.“

Der letzte Monarch der Donaumonarchie war der heiligmäßige Kaiser Karl von Österreich. P. Jentzsch gibt uns von ihm folgenden kurzen Steckbrief: „Kaiser Karl wurde am 17. August 1887 zu Persenbeug geboren. 1911 vermählte er sich mit Prinzessin Zita von Bourbon-Parma (gest. 1989). Diese Ehe wurde von Gott mit acht Kindern gesegnet. Am 21. November 1916, am Feste Mariä Opferung – alle wichtigen Daten in seinem Leben waren mit Marienfesten verbunden – wurde der Diener Gottes, Karl, in schwerster Zeit Kaiser von Österreich. Am 30. Dezember 1916 wurde er in Budapest zum Apostolischen König von Ungarn gekrönt.“

Über sein Schicksal heißt es:

„Selbst von den Verbündeten verkannt, da er eine weit vorausschauende und zukunftsweisende Politik betrieb (betrachtet man seine Bemühungen um den Frieden und die föderative Neugestaltung des Reiches), wurde er schließlich von seinen engsten Mitarbeitern verraten und im Stich gelassen. Am Ende des 1. Weltkrieges stand er, mit Ausnahme von wenigen Getreuen, alleine da, jedoch ungebrochen in seinem Sendungsbewußtsein, im festen Vertrauen auf Gott und in den göttlichen Willen ergeben. Auch an Kaiser Karl erfüllte sich das Wort des Johannesprologs: Er kam in sein Eigentum, aber die Seinigen nahmen ihn nicht auf. Er wurde aus seiner Heimat vertrieben, ohne auf den Thron zu verzichten. Nach seiner Überzeugung kann ein Herrscher niemals abdanken. Fern von seinem Privatbesitz und aller irdischer Sicherung beraubt, durch Lügen und Verleumdung geschmäht, starb er am 1. April 1922 mit 35 Jahren in der Verbannung, auf der Insel Madeira, in Gegenwart und Anbetung des Allerheiligsten Sakramentes mit den Worten: 'Dein Wille geschehe'. Wie kaum ein anderer Mensch wurde er verleumdet und gelästert. Allen von Herzen verzeihend, brachte er nach dem Vorbild seines Meisters in der Verbannung auf Madeira sein junges Leben Gott dem Vater für die Heilige Kirche und seine Völker zum Opfer dar. … Der heilige Papst Pius X. prophezeite über Kaiser Karl: 'Er wird seinen Völkern zum Heil sein, aber erst nach seinem Tode.'“

In einem Buch über Kaiser Karl geht unser Autor auch ausführlich auf die apokalyptische Dimension dieses Kaisers und seines Sturzes ein:

„Verweilen wir noch einen kurzen Augenblick bei dem Wort von Papst Pius XII., der im Jahr 1957 gesagt hat: 'Es gibt Zeichen, daß das Kommen Christi nicht mehr fern ist.' Auch in diesem Zusammenhang können wir die Absichten des Kaisers deuten. Daraus ergibt sich eine Folgerung von geradezu apokalyptischer Größe. Ein Büchlein aus dem Jahre 1310 faßt die im Mittelalter verbreitete Meinung zusammen, daß das Römische Reich bis zur Ankunft des Antichristen bestehen bleibt. Es ist nicht das einzige Buch, in dem diese Meinung ausgesprochen wird; es handelt sich lediglich um eines der ältesten Bücher, das von einem Benediktiner aus Admont geschrieben wurde. ... Das Alarmzeichen des nahen Endes des Reiches ist der große dreifache Abfall. Engelbert von Admont deutet diese Worte auf seine Weise: 'Der Abfall der Völker vom Römischen Reich; der Abfall von der Kirche; der Abfall vom Glauben.' Kaiser Karl wollte diese dreifache Zerklüftung überbrücken. Dafür hatte er sein ganzes Bemühen in die Waagschale geworfen. Ausgehend von diesen apokalyptischen Perspektiven muß das Handeln von Kaiser Karl verstanden werden. Das Festhalten an der Krone und an seiner königlichen Aufgabe kann nur dann verstanden und begriffen werden, wenn man sich diese Perspektive vor Augen hält“ (Thomas Jentzsch: Kaiser Karl I.).

Weiter lesen wir:

„Dieser dreifache Abfall, der Abfall vom Reich, von der weltlichen Ordnung, ist der erste Schritt. Der Abfall von der Kirche ist der zweite Schritt, wie wir ihn während der Reformation erlebt haben. Was wir heute erleben, ist nichts anders, als der Abfall vom Glauben, und zwar nicht nur außerhalb der Kirche durch die großen Weltideologien aus Ost und West, sondern auch der Abfall vom Glauben im Innersten, also innerhalb der Kirche selbst. An dieser Stelle begegnen sich zwei entscheidende Gestalten unseres Jahrhunderts, die sich die Hand reichen. Auf der einen Seite der heilige Papst Pius X, der in prophetischer Weise sozusagen die Gegenmittel durch seinen Kampf gegen den Modernismus ergriffen hat. Auf der anderen Seite sein Zeitgenosse Kaiser Karl, der als der Repräsentant des Reiches für den anderen Teil der Hierarchie steht. Beide kannten, schätzten und verehrten sich. Gemeinsam haben sie auf heroische Weise das Ihrige getan, um dieses Bollwerk gegen die Herrschaft des Antichristen zu halten, wie es in der geheimen Offenbarung, der Apokalypse, geschrieben steht.“

Die Freimaurerei war ihrerseits nicht untätig:

„Im Hinblick auf diese apokalyptische Sicht der Dinge hatte der Kaiser, das wissen wir heute, alle lockenden Angebote der Freimaurer entschieden zurückgewiesen. Die Freimaurer wollten ihm dazu verhelfen, auf den Thron zurückzukehren, allerdings sollte der Kaiser auf verschiedene geheimnisvolle Versprechungen und Bedingungen eingehen. Er sollte sich mit einer reinen Repräsentationsrolle begnügen und auf die Ausübung seines 'Pascha-Amtes' als gekrönter und gesalbter König verzichten. Kaiser Karl ist auf diese Forderungen nicht eingegangen. Aus diesem Gesichtspunkt betrachtet, wächst die Person dieses Kaisers vor der Geschichte und sicher auch vor Gott in eine gigantische Höhe. In beiden Fällen hatte er an seinem Krönungseid und an der Krone festgehalten. Er wollte nicht zum Verräter werden. Das Wort, das ihm sein Konsekrator bei seiner Königsweihe zurief, hatte sich zu einer schreckerfüllten Ahnung verdichtet: 'Stehe und behaupte deinen Platz – sta et retine'. Der Kaiser wußte, wenn er seinen Platz verläßt, auf den ihn Gott gestellt hat, dann ist dem Chaos Tür und Tor geöffnet. Die Herrschaft des Antichristen wird anbrechen. Nur so können wir die einzelnen Handlungen des Kaisers besser verstehen. ... Es ging ihm niemals um seine eigene Person oder um irgendwelche persönlichen Machtansprüche. Vielmehr war es die Sorge um seine Völker und besonders um das Heilige Reich, das nur in ihm alleine als gekrönten, geweihten und gesalbten König lebendig war. Sein Anliegen war die Abwehr der zerstörerischen Kräfte, die die Herrschaft des Antichristen einleiten.“

Es wundert uns nicht, daß dieser heiligmäßige Kaiser, der letzte Repräsentant des Heiligen Römischen Reiches, in welchem diese Idee noch einmal in hellstem Lichte aufflackert, in einer besonderen Beziehung zur allerseligsten Jungfrau Maria, der Schlangenzertreterin, stand. Er betete täglich den Rosenkranz und sah darin eines seiner wichtigsten Geschäfte. Wie oben schon erwähnt, stand sein Leben sichtbar unter dem Schutz der Gottesmutter, was sich schon darin äußerte, daß alle wichtigen Daten in seinem Leben mit Marienfesten verbunden waren. So war sein Lebensopfer gewiß nicht umsonst, wenngleich mit seiner Verbannung und seinem Tod zunächst das Los der Donaumonarchie und damit des Heiligen Römischen Reiches besiegelt war.

„Das Herrscheramt wurde zwar von den antikatholischen Mächten seiner geweihten Stellung enthoben und verweltlicht, die Throne wurden gestürzt. Es war das geheime Ziel der Loge, dieses Vorhaben durch den ersten Weltkrieg durchzusetzen. Damit war das Ziel jedoch noch nicht erreicht. Das Chaos, dem damals Tür und Tor geöffnet wurde, hat seine Fortsetzung gefunden. In der neuesten Zeit richtet sich der Kampf gegen die Kirche und gegen den Altar. … Nachdem die weltliche Ordnungsmacht innerhalb der heiligen Ordnung, in der Hierarchie, ausgeschaltet war, mußte der Kampf fortgesetzt werden. Der Papst war das nächste Opfer. Die Schutzmacht der Kirche wurde beseitigt.“

Doch abermals war die Unbefleckte zur Stelle, um die Schlangenbosheit aufzudecken und zunichte zu machen.