Dilexit Ecclesiam

Jedem aufmerksamen Beobachter des kirchlichen Lebens müßte eigentlich eines besonders auffallen: daß über die Kirche – und hier ist eine, heilige, apostolische und katholische Kirche gemeint – seltsam ungenau, zuweilen recht widersprüchlich oder sogar mit allerlei Irrtümern vermischt geredet wird. Das, was „Kirche“ eigentlich, wesentlich, unaufgebbar immer ist, scheint völlig aus dem Blick geraten zu sein. Im Rahmen der modernistischen Theologie ist das nicht verwunderlich, da in dieser der Schritt von der einen wahren Kirche Jesu Christi hin zu den vielen Kirchen schon längst gemacht worden ist. Wenn die Kirche Jesu Christi nicht mehr einfachhin die katholische Kirche ist, sondern nur noch in ihr besteht oder verwirklicht ist, wie es auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil formuliert wurde, so ist es natürlich nicht ausgeschlossen, daß es neben dieser katholischen Kirche auch noch etliche andere Kirchen gibt, die ebenfalls Kirchen Jesu Christi sind. Herr Dr. Wolfgang Schüler hat zu diesem Thema Grundlegendes geschrieben. Aber nicht nur im Rahmen der modernistischen Theologie gibt es solche das Wesen der Kirche mißverstehende oder gar zerstörende Meinungen, auch bei den sog. Traditionalisten findet man immer mehr recht befremdliche Aussagen über das, was Kirche alles sein soll oder auch nicht sein soll.

Als Katholik sollte man ob der allgemeinen Verwirrung umso mehr bemüht sein, sich ein klares Wissen darüber anzueignen, was denn die von Gott gegründete Kirche eigentlich ist und immer sein muß, denn nur dann wird man sich in dem ausbreitenden Durcheinander einigermaßen zurechtfinden. Es ist deswegen sicher keine vergebliche Mühe, die Grundlehren der Kirche über die Kirche in Erinnerung zu rufen und womöglich das Verständnis für das Wesen der Kirche sogar noch zu vertiefen und den Blick angesichts der vielen Irrtümer zu schärfen. Das nun soll in den folgenden Seiten versucht werden.

„Dilexit Ecclesiam!“ (Er liebte die Kirche.)

Dieses Wort entstammt dem Brief des hl. Paulus an die Epheser, in dem er im fünften Kapitel ab Vers 22 über die Ehe spricht. Ab Vers 25 heißt es: „Männer liebt eure Frauen, wie auch Christus liebte die Kirche und sich hingab für sie, um sie zu heiligen nach der Reinigung im Bade des Wassers durch das Wort, um so für sich herrlich zu gestalten die Kirche, ohne Flecken oder Falten oder etwas dergleichen, sondern daß sie sei heilig und ohne Fehl.“ (Eph 5, 25-27)

Für den heiligen Paulus ist die Ehe ein Abbild der Liebe zwischen Christus und seiner Kirche. Die Männer sollen daher dem Beispiel Jesu Christi folgen und ihre Frauen so lieben, wie Christus Seine Kirche geliebt hat. Die geheimnisvolle Verbindung zwischen Christus und Seiner Kirche ist also das Urbild der Ehe. Unser göttlicher Herr hat sich die Kirche als Seine Braut erwählt, die Er in seinem kostbaren Blut von allen Sünden gereinigt und geheiligt hat, so daß sie nunmehr Seiner würdig sei. Die Kirche ist seine Immakulata, seine reinste, vollkommenste, heiligste Braut, für die Er Sein Leben eingesetzt und hingegeben hat. In dem Begriff der makellosen Braut Jesu Christi ist das Wesen der Kirche wunderbar beschrieben. Dieser Begriff verweist unmittelbar auf eine andere Wahrheit: die Kirche wird am vollkommensten in der Jungfraumutter Maria dargestellt, ja die Kirche und Maria deuten sich gegenseitig. Dafür bürgt vor allem die hl. Liturgie, die das Hohelied und mehrere Psalmen gleichermaßen für die Gottesmutter und die Kirche verwendet. Jede von ihnen ist nach diesen Texten die Braut Gottes, fleckenlos und rein. Beide sind im Hohenlied sogar ineinander gewoben, so wie auch das in der Apokalypse geschilderte Weib, das mit der Sonne umkleidet ist, zugleich Züge Mariens und der Kirche erhalten hat. Ja, die Bilder dieser beiden übernatürlichen Größen sind so fest miteinander verbunden, daß der große Dogmatiker Scheeben meint, man könne die katholische Idee von der Kirche ebenso durch die katholische Idee von Maria beleuchten, wie auch umgekehrt.

Schon ein oberflächlicher Vergleich zeigt, daß Maria ein Typus (Vorbild) der Kirche ist. Wie Maria als die jungfräuliche reine Magd vom Heiligen Geist befruchtet wird, um der Welt Christus zu gebären, so ist auch die Kirche die fleckenlose Braut Jesu Christi, vom Heiligen Geiste belebt und befähigt, dem Gottmenschen immer neue Gotteskinder zu zeugen. Maria ist die Mutter Christi und die Kirche ist die Mutter der Christen. Man könnte noch viele derartige Parallelen aufzählen, die uns darauf hinweisen, daß in Maria die Idee der Kirche ursprünglich und in vollkommenster Weise verwirklicht ist. Weil aber Maria anderseits auch zur Kirche gehört, Wurzel und Herz derselben bildet, erhält die Idee der Kirche als eine dem himmlischen Christus zur Seite stehendes helfendes Prinzips in Maria ihre volle konkrete und lebendige Gestalt. Maria ist als Jungfraumutter Urbild der Kirche und zugleich als Ersterlöste (Immakulata) das leuchtende Idealbild aller Erlösten. Sie ist der Urtyp aller, mit denen der fleischgewordene Gottessohn die göttliche Vermählung in der heiligmachenden Gnade feiern will. Nach dem Bild Seiner mütterlichen Braut wird Christus durch Seine Kirche alle Gottesbräute gestalten. Sein Ziel ist auch das Ziel der Kirche, durch deren Organe Er weiterwirkt. Wie Maria ist auch die Kirche unsere Mutter. Während Maria den Gottmenschen Jesus Christus der Welt gebiert, gebiert die Kirche in ihrem heiligen Mutterschoß in der Kraft ihres göttlichen Bräutigams im Sakrament der hl. Taufe immer neue Gotteskinder. Gotteskinder, die sie heiligt, damit sie das ewige Ziel erreicht werden.

Maria und Kirche bilden ein organisches Ganzes. Christus hat – tiefer und wahrer geschaut – keine zwei Bräute und wir keine zwei Mütter. Die göttliche Vermählung ist eine einzige, unauflösliche Größe. Es ist eine Braut und eine Mutter. Das kommt dadurch zustande, daß die Kirche in vollster Abhängigkeit von Maria steht und wirkt. Die Kirche ist dadurch Braut Christi, daß sich Mariens Brautschaft auf sie ausdehnt. Die Kirche wird dem ersten Heiligtum des Heiligen Geistes, der Jungfrau Maria, gleichsam angebaut.

Wie die heilige Eucharistie eine Fortsetzung der Fleischwerdung und die Gotteskindschaft eine Fortsetzung der natürlichen Gottessohnschaft Jesu Christi ist, so ist die Mutterschaft der Kirche eine Fortsetzung der Gottesmutterschaft Mariens. Selbst im Opfer sind Maria und die Kirche eins, weil das eucharistische Opfer eins ist mit dem Kreuzesopfer. Die Kirche schließt sich in ihrem Opferwillen und in ihrer Opferhingabe, die sie nur durch Mariens himmlische Gnadenvermittlung ihr eigen nennen kann, der Hingabe Mariens unter dem Kreuz an. So sind Maria und Kirche in lebendiger Verbindung eins.

Dieses organische Ganze, Maria und Kirche, ist aber wiederum Kirche. Es ist die Kirche im volleren, umfassenderen Sinn. In diesem Kirchenbegriff ist Maria als der vollkommenste und edelste Teil, als das Herz des mystischen Leibes mit eingeschlossen. Die Kirche im vollsten Sinn schließt selbst Christus ein, ihr alles beseelendes und lebendes Haupt. Im Mysterium der heiligen Kirche begreifen wir somit die Größe und Erhabenheit des Erlösungsplanes Gottes.

Wenn nun die Kirche jungfräuliche Braut und Mutter ist, ergeben sich daraus unmittelbar auch die Wesenseigenschaften der Kirche. Als Braut Christi ist die Kirche immer nur eine und sie ist wesensnotwendig heilig. Als Jungfrau-Mutter verweist sie auf ihren göttlichen Ursprung, der in der Apostolizität verbürgt wird. Zudem ist sie Mutter aller Menschen, sie dehnt sich aus auf alle Menschen aller Völker und aller Zeiten, sie ist katholisch.

Aus dem Gesagten folgt: Wer die allerseligste Jungfrau und Gottesmutter Maria in der rechten Weise betrachtet und sich in ihr Geheimnis hineinvertieft, der wird auch immer mehr verstehen, was die Kirche ihrem tiefsten Wesen nach sein muß.

Der Glaube an die Kirche

Der angelsächsische Mönch Alkuin (730-804) war der Hoftheologe Karls des Großen, der Lehrer des seligen Bischofs Hrabanus Maurus und der Freund des seligen Erzbischofs Arno von Salzburg. Dieser trat tapfer für die Reinheit des Glaubens (gegen den falschen Adoptianismus) ein, er förderte die Schönheit der Liturgie und erneuerte die rechte Zucht der Mönche. Neben Kommentaren zu biblischen Büchern, erbaulichen und dogmatischen Werken, zahlreichen Briefen, Kircheninschriften und Gedichten hat er ein Glaubensbekenntnis hinterlassen, dessen Abschnitt über die Kirche so schön ist, daß es sich lohnt, ihn in der Mitte unserer Abhandlung über die Kirche anzuführen:

„Ich glaube an die heilige Kirche, die apostolisch ist und allgemein und rechtgläubig, und die uns unversehrte Lehre kündet. Nicht glaube ich an sie, wie ich an Gott glaube, wohl aber glaube ich, daß sie in Gott ist und Gott in ihr. Nicht ist sie Gottes eingrenzendes Maß, wohl aber ist Gott der Raum der Kirche. So ist sie Gottes Haus und Braut des Herrn Christus. Sie ist die leibhaftige Gemeinschaft der Heiligen, aller Gerechten, die sind und waren und kommen. Größeres noch ist wahr: auch die Chöre der Engel scharen sich selig zur alleinigen Kirche. Denn der Apostel lehrt: ,Versöhnt ist alles in Christus, nicht nur auf Erden, auch was da lebt in den Himmeln!‘ Gottesstadt nennt man die hehre Einheit, Glutofen, der alles Gold zusammenschmilzt. Sie ist mein Glaube, die eine Kirche: katholisch, weil hienieden und droben, zerstreut über die Welt und dennoch berufen, einmal gebunden zu werden zu seliger Garbe, wenn sie mit Christus in Ewigkeit herrscht. Christus ist das Haupt und die Kirche der Leib. Dieses Leibes bin auch ich ein Glied, rein aus göttlicher Gnade, - wenngleich nur ein kleines, ein schwaches. Der Kirche will ich in Glaube und Werk immer die Treue wahren, das hoff' ich vom Geber der Gaben. In der Kirche, die heilig und einig, in dieser katholischen Mutter, die bis an die Grenzen der Erde alles mit Gottes Lobpreis erfüllt, glaube ich festen Gemütes, die Gemeinschaft der Gnade zu erben. Nicht auf eigene Leistung vertraue ich dabei, sondern auf Christi heiligen Blutstrom, und auf das gnadenverdienende Beten meiner heiligen Mutter, der Kirche!“

Nachdem wir dem Wesen der Kirche als Braut Jesu Christi nachgespürt haben, wollen wir die Kirche nochmals betrachten und einzelne Aspekte herausheben, die heute besonders wichtig scheinen.

Zunächst einmal der Begriff „Kirche“. Was bedeutet dieses Wort? Hören wir dazu die Antwort, die uns der römische Katechismus gibt:

3. Was für Geheimnisse vor allem sich in dem Worte «Kirche» zur Betrachtung sich darbieten.

Es sind aber nicht geringe Geheimnisse in diesem Worte enthalten. Denn in dem Aufrufen, was ecclesia bezeichnet, leuchtet sogleich die Güte und der Glanz der göttlichen Gnade hervor, und erkennen wir, dass die Kirche von anderen Gemeinwesen höchst verschieden ist. Denn jene stützen sich auf menschliche Vernunft und Klugheit, diese aber ist durch Gottes Weisheit und Ratschluss gegründet. Denn er hat uns durch den innersten Anhauch des Heiligen Geistes berufen, welcher die Herzen der Menschen öffnet, äußerlich aber durch die Tat und den Dienst der Hirten und Prediger. Welches Ziel überdies in Folge dieser Berufung uns vorgesteckt sein muss, nämlich die Erkenntnis und der Besitz der ewigen Dinge, das wird der recht gut einsehen, welcher betrachtet, warum ehemals das gläubige Volk unter dem Gesetze «Synagoge» d. h. Zusammentrieb genannt wurde. Denn, wie der heilige Augustinus lehrt, ward ihm dieser Name beigelegt, weil es nach Art der Tiere, für welche das Zusammengetriebenwerden mehr passt, nur irdische und vergängliche Güter vor Augen hatte. Darum wird mit Recht das christliche Volk nicht Synagoge, sondern Kirche genannt, weil es mit Verachtung der irdischen und sterblichen Dinge bloss nach den himmlischen und ewigen trachtet.

Das, was wir mit dem Begriff Kirche bezeichnen, unterscheidet sich wesentlich von anderen Gemeinschaften: Denn jene stützen sich auf menschliche Vernunft und Klugheit, diese aber ist durch Gottes Weisheit und Ratschluss gegründet. Darum ist es kein menschliches Werk, keine eigenes Verdienst, das uns in die Kirche ruft, sondern Gott selbst hat uns durch den innersten Anhauch des Heiligen Geistes berufen, welcher die Herzen der Menschen öffnet, äußerlich aber durch die Tat und den Dienst der Hirten und Prediger. Durch den Heiligen Geist werden wir in eine andere Welt geleitet und unser Leben erhält ein neues, vorher nur mehr oder weniger geahntes Ziel, nämlich die Erkenntnis und der Besitz der ewigen Dinge.

Der hl. Pius X. schreibt in seinem großen Katechismus in der bekannten Frage- und Antwortform folgendes:

146. Wer hat uns zur Kirche Jesu Christi berufen oder geladen?
Wir sind durch eine besondere Gnade Gottes zur Kirche Jesu Christi berufen worden, damit wir ihm durch das Licht des Glaubens und durch die Beobachtung des göttlichen Gesetzes die schuldige Verehrung erweisen und zum ewigen Leben gelangen.

147. Wo befinden sich die Glieder der Kirche?
Die Glieder der Kirche befinden sich teils im Himmel und bilden die triumphierende Kirche, teils im Fegefeuer und bilden die sühnende Kirche, teils auf Erden und bilden die streitende Kirche.

148. Bilden diese verschiedenen Teile der Kirche nur eine Kirche?
Ja, diese verschiedenen Teile der Kirche bilden nur eine Kirche und einen Leib, weil sie dasselbe Haupt, Jesus Christus, haben, denselben Geist, der sie beseelt und einigt, und dasselbe Ziel, nämlich die ewige Seligkeit, welche die einen schon genießen und die anderen erwarten.

Die Kirche hat zwar verschiedene Teile – im Himmel, im Fegefeuer und auf Erden – aber diese Teile bilden doch nur die eine Kirche, deren Haupt Jesus Christus ist. Darum auch die nächste Frage und Antwort:

150. Was ist die katholische Kirche?
Die katholische Kirche ist die Gesellschaft oder die Vereinigung aller Getauften, welche auf Erden leben und denselben Glauben sowie dasselbe Gesetz Christi bekennen, an denselben Sakramenten teilhaben und den rechtmäßigen Hirten gehorchen, besonders dem Obersten Hirten in Rom.

151. Sagt auch, was notwendig ist, um ein Glied der Kirche zu sein?
Um ein Glied der Kirche zu sein, ist es notwendig, getauft zu sein, die Lehre Jesu Christi zu glauben und zu bekennen, an denselben Sakramenten teilzuhaben, den Papst und die andern rechtmäßigen Hirten der Kirche anzuerkennen.

Die katholische Kirche ist ein göttliches Werk, weshalb sie nicht aus menschlichen Mitteln erbaut sein kann. Der hl. Thomas von Aquin sagt mit allen Kirchenvätern: Durch die Sakramente, welche aus der Seite des am Kreuze hängenden Christus hervorgeströmt sind, ist, so heißt es, die Kirche Christi erbaut. In und aus dem Erlösungswerk am Kreuz fließt die Kirche als übernatürliche Gemeinschaft aller zu ewigen Heil Berufener. Das Tor zur Kirche ist das Sakrament der hl. Taufe, weshalb gilt: Die katholische Kirche ist die Gesellschaft oder die Vereinigung aller Getauften. Voraussetzung zur Taufe aber ist der katholische Glaube und die Bereitschaft, das Gesetz Christi zu erfüllen. Im Glauben anerkennen alle Katholiken dieselben Sakramente und gehorchen den rechtmäßigen Hirten, besonders dem Papst als obersten Hirten der Gesamtkirche.

Die Kirche ist keine menschliche Gemeinschaft, sie ist ein göttliches Werk. „Dazu kam Er in die Welt, um die Kirche zu gründen“, schreibt der hl. Thomas von Aquin. Christus ist als Gott und als Mensch das Haupt der Kirche, die Kirche aber ist Sein Leib. Vom diesem gottmenschlichen Haupt her fließen alle Gnaden und alle Heiligkeit auf die Glieder herab. Denn: „Die Gnade ist Christus gegeben worden nicht als einem einzelnen Menschen, sondern als dem Haupte der Kirche, damit sie von ihm her überströme in die Glieder … Daher hat Christus durch sein Todesleiden das Heil verdient nicht nur für sich selbst, sondern auch für alle seine Glieder“, sagt nochmal Thomas von Aquin – und Pius X.

159. Warum heißt die wahre Kirche »heilig«?
Die wahre Kirche heißt »heilig«, weil ihr unsichtbares Haupt Jesus Christus heilig ist, viele von ihren Gliedern heilig sind, ihr Glaube, ihre Gebote, ihre Sakramente heilig sind und weil es außer ihr keine wahre Heiligkeit gibt und geben kann.

Die Kirche als makellose Braut Jesu, als geheimnisvoller Leib Christi kann nur und muß immer heilig sein. Und sie ist auch immer heilig in ihrem unsichtbaren Haupt Jesus Christus, ist heilig in ihrem reinen unverfälschten Glauben, ihren Geboten, so daß auch viele ihrer Glieder heilig sind und es außer ihr keine wahre Heiligkeit gibt und geben kann.

Lassen wir uns diese Wahrheit nochmals etwas ausführlicher durch den römischen Katechismus erklären:

Die zweite Eigenschaft der Kirche ist, dass sie heilig ist; was wir vom Apostelfürsten vernommen haben an jener Stelle: «Ihr aber seid ein auserwähltes Geschlecht, ein heiliges Volk.» Sie wird aber heilig genannt, weil sie Gott geheiligt und geweiht ist; denn in diesem Sinne pflegt man alles Ähnliche, obwohl es körperlich ist, heilig zu nennen, wenn es dem göttlichen Dienste zu eigen gegeben und gewidmet ist. Dergleichen sind im alten Gesetze die Gefäße, Kleider und Altäre; worin denn auch die Erstgebornen, welche dem höchsten Gott geweiht wurden, heilig genannt sind. Und es darf niemand wundernehmen, dass die Kirche heilig genannt wird, obgleich sie viele Sünder in sich enthält. Denn heilig heißen die Gläubigen, die Volk Gottes geworden sind, oder die durch den Glauben und Empfang der Taufe sich Christus geweiht haben, obgleich sie in vielem fehlen und, was sie angelobt haben, nicht erfüllen; wie auch diejenigen, welche sich zu einem Gewerbe bekennen, wenn sie auch die Vorschriften des Gewerbes nicht beobachten, doch den Namen von Gewerbsleuten behalten. Darum nennt der heilige Paulus die Korinther «geheiligt und heilig», obschon es bekanntlich unter ihnen einige gab, welche er als Fleischliche und mit noch härteren Namen scharf tadelt. Heilig muss sie auch deshalb genannt werden, weil sie wie ein Leib mit dem heiligen Haupte, Christus dem Herrn, dem Urquell aller Heiligkeit, zusammenhängt, von dem sich die Gnadengaben des Heiligen Geistes und die Reichtümer der göttlichen Güter ergiessen. Trefflich sagt der heilige Augustinus, wenn er jene Worte des Propheten erklärt: ‚Bewahre meine Seele, denn ich bin heilig‘: «So darf auch der Leib Christi, darf jener eine Mensch, von den Grenzen der Erde rufend, sich herausnehmen, mit seinem Haupte und unter seinem Haupte zu sagen: Ich bin heilig; denn er hat empfangen die Gnade der Heiligkeit, die Gnade der Taufe und der Sündennachlassung.» Und kurz darauf: «Wenn alle Christen und Gläubige, in Christus getauft, ihn angezogen haben, wie der Apostel sagt: So viele euer in Christus getauft sind, haben Christus angezogen; wenn sie Glieder seines Leibes geworden sind, und sagen, sie seien nicht heilig: so fügen sie dem Haupte selbst Schmach zu, dessen Glieder heilig sind.» Dazu kommt, dass nur die Kirche den rechtmäßigen Opferdienst und den heilsamen Gebrauch der Sakramente hat, durch welche wie durch wirksame Instrumente der göttlichen Gnade Gott die wahre Heiligkeit wirkt, so dass alle diejenigen, welche wahrhaft heilig sind, außerhalb dieser Kirche nicht sein können. Es ist also klar, dass die Kirche heilig ist, und zwar heilig, weil sie der Leib Christi ist, von welchem sie geheiligt und durch dessen Blut sie abgewaschen wird.

Die Heiligkeit der Kirche ist also eine unverlierbare Wesenseigenschaft. Die Heiligkeit der Kirche gründet in ihrem unsichtbaren göttlichen Haupt Jesus Christus und ist unverlierbar in ihrem Glauben, ihren Sakramenten und ihren Gesetzen. Das ist auch der Grund, weshalb die Kirche in ihren definitiven Glaubens- und Sittenlehren, in ihren allgemeinen Liturgischen Gesetzen, bei ihren Heiligsprechungen und ihrem Kirchenrecht unfehlbar sein muß.

Daß es in der Kirche trotz ihrer Heiligkeit auch Sünder gibt, ist etwas anderes. Der hl. Thomas von Aquin brachte in der Frage, ob auch die Sünder Glieder der Kirche sind, eine endgültige Klarheit. Wie die Spreu unter dem Weizen ist, so sagt er, so werden sie dazugerechnet. In seiner Summa gibt er die Begründung, daß sie schon durch den ungeformten Glauben mit Christus dem Haupt der Kirche verbunden seien; denn auch der ungeformte Glaube (fides informis), ohne die heiligmachende Gnade, welche durch eine schwere Sünde verloren geht – sei immerhin schon ein gewisser Akt des Lebens, wenn auch ein unvollkommener Akt. Die im Stand einer Todsünde befindlichen Gläubigen nennt man „Tote Glieder der Kirche“. Diese haben an den inneren Gütern der Kirche keinen Anteil, solange sie ihre Sünden nicht bereuen und beichten.

Aus dieser Tatsache entsteht ein gewisses Spannungsverhältnis zwischen der Heiligkeit der Kirche auf der einen Seite und dem Versagen, den Sünden ihrer Glieder auf der anderen Seite. Und es besteht die Gefahr, die Sünden der Glieder der Kirche als solcher zuzuschreiben – was wir aber erst im nächsten Beitrag genauer untersuchen werden.

Es bleibt nun noch zu klären, wer nicht mehr zur Kirche gehört. Der hl. Pius X. schreibt in seinem großen Katechismus:

224. Wer gehört nicht zur Gemeinschaft der Heiligen?
Nicht zur Gemeinschaft der Heiligen gehören: im anderen Leben die Verdammten und in diesem Leben jene, welche weder zur Seele noch zum Leib der Kirche gehören, das sind jene, die im Stand der Todsünde sind und sich außerhalb der wahren Kirche befinden.

225. Wer befindet sich außerhalb der wahren Kirche?
Außerhalb der wahren Kirche befinden sich die Ungläubigen, die Juden, die Häretiker, die Apostaten, die Schismatiker und die Exkommunizierten.

Dazu noch eine Begriffsklärung:

228. Wer sind die Häretiker?
Die Häretiker sind jene Getauften, die sich hartnäckig weigern, eine von Gott geoffenbarte und von der katholischen Kirche als Glaubenssatz gelehrte Wahrheit zu glauben, z. B. die Arianer, die Nestorianer und die verschiedenen Sekten der Protestanten.

230. Wer sind die Schismatiker?
Die Schismatiker sind jene Christen, die zwar nicht ausdrücklich einen Glaubenssatz leugnen, aber sich freiwillig von der Kirche Jesu Christi, das heißt von ihren rechtmäßigen Hirten, trennen.

In den wenigen Seiten konnten natürlich nur ein kleiner Ausschnitt über das gegeben werden, was die katholische Kirche ist. Doch wird uns das Wissen um die Kirche als Braut Christi und Mutter der Gläubigen sicher tief in das geheimnisvolle Leben dieser göttlichen Gemeinschaft führen, und ihre Heiligkeit wird uns immer mehr offenbaren, daß die Kirche eine himmlische Wirklichkeit ist, die auch die von Gott geschenkte Kraft hat, uns in das ewige Reich Christi heimzuführen.

„Und die Heilige Stadt, das neue Jerusalem, sah ich aus dem Himmel von Gott herabkommen, ausgestattet wie eine Braut, die sich für ihren Mann geschmückt hat“ (Apk. 21.2). Dann wird der göttliche Bräutigam seine heilige, durch sein Blut ihm angetraute Braut, die in unvergänglicher Schönheit und vollendeter Vollkommenheit erstrahlt, seinem himmlischen Vater vorstellen, damit er sie teilnehmen lasse an dem überströmenden, beseligenden trinitarischen Leben des unendlichen Gottes.