Alter Mythos gegen ewige Wahrheit

Einer der schwersten und folgenreichsten Angriffe gegen die Irrtumslosigkeit und damit die Wahrhaftigkeit der Heiligen Schrift wurde und wird seit dem 19. Jahrhundert im Namen der „Naturwissenschaften“ geführt. Zunächst war es der „Darwinismus“, der die Entwicklung des Lebens vom primitiven Einzeller bis hin zum hochentwickelten Primaten, einschließlich des Menschen, lehrt und damit den alten „Mythos“ von Adam und Eva in den Bereich der Fabel verweist. Dazu kam im 20. Jahrhundert als willkommene Ergänzung die Lehre vom „Urknall“, die diesen Evolutionismus über die Entstehung des Lebens hinaus weitertreibt bis zum Beginn des gesamten Weltalls aus einer einzigen Explosion, der Entstehung „von Materie, Raum und Zeit aus einer ursprünglichen Singularität“, wie es in einem Lexikon heißt. Damit war der Schöpfungsbericht der Bibel insgesamt als ein Märchen entlarvt, das man allenfalls noch als dichterische Einkleidung des letztlich unbeweisbaren, aus irgendeinem inneren Gefühl hervorgehenden Glaubens gelten ließ, daß da hinter diesem „Urknall“ noch etwas oder jemand ist oder doch sein könnte.

Die Theologen und namentlich die Exegeten dieser Zeit waren offensichtlich in ihrer Mehrheit schon so glaubensschwach, daß sie sich von diesen angeblichen Erkenntnissen der Naturwissenschaft – in Wirklichkeit zum großen Teil unbewiesene Hirngespinste und Phantasien – dermaßen erschrecken und einschüchtern ließen und sie widerstandslos übernahmen, bis sie schließlich froh waren, in diesem System wenigstens irgendwo noch ihren Gott unterbringen zu können, etwa als den ursprünglichen „Bombenleger“, dem wir die Explosion verdanken. Die theologische Folge davon war der Modernismus, der Gott aus der wahrnehmbaren Welt, der Welt der „Erscheinungen“, völlig verbannt und in das Reich der Gefühle verweist. Daß sie sich damit in einen direkten Widerspruch mit der Heiligen Schrift setzten, welche die gesamte Schöpfung als Werk Gottes und damit auch als einen sicheren Weg zu Seiner Erkenntnis darstellt (vgl. Röm 1,20), mag ihnen in ihrer Kopflosigkeit gar nicht mehr aufgefallen sein. Zu sehr saß ihnen noch der „Fall Galilei“ in den Knochen.

Vergessen war wohl auch die Mahnung und Regel des hl. Augustinus, wie sie von Papst Leo XIII. in seiner Enzyklika „Providentissimus Deus“ eingeschärft wird:

„Zwischen dem Theologen und dem Naturwissenschaftler wird es freilich keinen wahren Widerstreit geben, solange sich beide auf ihr Gebiet beschränken und sich gemäß der Mahnung des hl. Augustinus davor hüten, 'irgendetwas unbesonnen oder Unbekanntes für Bekanntes zu behaupten'. Sollten sie aber dennoch in Widerstreit geraten, so ist kurz zusammengefaßt die von demselben dargebotene Regel, wie sich der Theologe verhalten soll: 'Von allem,' sagt er, 'was sie von der Natur der Dinge mit stichhaltigen Beweisen darlegen können, wollen wir zeigen, daß es unserer Schrift nicht entgegengesetzt ist: von allem aber, was sie aus welchen ihrer Bücher auch immer dieser unserer Schrift, das heißt dem katholischen Glauben, Entgegengesetztes vorbringen, wollen wir entweder, soweit nur irgend möglich, zeigen oder ohne jeden Zweifel glauben, daß es völlig falsch ist“ (DzH 3287).

Die Wissenschaftler hielten sich nicht daran, denn sie behaupteten und behaupten weiterhin höchst unbesonnen „Unbekanntes für Bekanntes“. Aber auch die Theologen hielten sich nicht daran, denn sie kapitulierten, anstatt den Unsinn solcher Aufstellungen aufzuzeigen oder doch wenigstens diese als zweifellos falsch zurückzuweisen. Bis heute konnte kein Darwinist den experimentellen oder historischen Beweis für die tatsächliche Höherentwicklung der Arten erbringen. Immer noch ist es nicht gelungen, aus einem Fisch ein Reptil, aus einem Affen einen Menschen oder nur aus einem Einzeller einen Mehrzeller zu machen. Dennoch vollziehen die Theologen bis in die höchsten Kreise hinauf artig und eilfertig ihren Kotau vor diesem Phantasiegebilde, das „mehr als eine Hypothese“ sei, wie aus päpstlichem Mund gar verlautete.

Auch der „Urknall“ gilt der modernen, von Science Fiction und Fantasy geprägten Wissenschaft schon flugs als bewiesen, während uns bereits unser normaler Küchenverstand sagt, daß hier allzu schnelle und allzu weitreichende Schlüsse gezogen werden. (Es wäre beileibe nicht das erste Mal, daß ein wissenschaftliches System als völlig unhaltbar aufgegeben werden muß, und schon heute melden sich ernsthafte Kritiker zu Wort, die diese Theorie und überhaupt das ganze moderne Modell der Physik und Kosmologie in Frage stellen.)

Ein Hauptargument der „Urknall“-Theoretiker ist die beobachtete „Rotverschiebung“ der Galaxien. Diese interpretierte man als Zeichen für eine Ausdehnung des Weltalls. Wir wollen dies einmal gelten lassen. Der Weltraum dehnt sich also aus, so wollen wir annehmen. Doch können wir daraus sogleich folgern, daß er das kontinuierlich und immerfort tut, daß er es stets weiter tun wird und immer schon getan hat? Nehmen wir an, wir sehen im Vorübergehen jemanden, der einen Luftballon aufbläst. Wir konnten also eine Zeitlang beobachten, wie dieser Luftballon sich ausdehnt. Dürfen wir jetzt daraus ohne weiteres schlußfolgern, daß dieser Luftballon sich also stetsfort kontinuierlich ausdehnt, daß er sich endlos weiter ausdehnen wird und immer schon ausgedehnt hat? Die Wissenschaftler aber ziehen ohne weiteres diese Schlußfolgerung und gelangen so, indem sie die Ausdehnung des Weltraums immer weiter zurückrechnen, zu einem Anfangszustand, in dem das Universum ein winzig kleiner, ja eigentlich ausdehnungsloser Punkt von unendlicher Energie gewesen sein muß. Und das nennt sich „wissenschaftlicher Beweis“!

Beim Luftballon widerlegt uns die Erfahrung. Wer aber kann uns über den Lauf des Universums erzählen, wer war bei seiner Entstehung zugegen und konnte bis heute alles beobachten? Kein Mensch, gewiß, wohl aber der allmächtige und ewige Gott, der Schöpfer des Himmels und der Erde. Er konnte nicht nur alles beobachten, Er hat sogar alles selbst gemacht. Somit sind Seine Worte absolut kundig, wahr und zuverlässig. Er berichtet uns tatsächlich von der Entstehung des Weltalls, aber Er spricht uns nicht von einer „Singularität“, die dann explodierte. Vielmehr heißt es in den ersten Worten der Heiligen Schrift: „In principio creavit Deus coelum et terram. - Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde“ (Gen 1,1).

Das hier verwendete Wort „creavit“, hebräisch „bara“, deutsch „erschaffen“, wird stets nur in einem Sinn gebraucht und verstanden: als Hervorbringung eines Dings aus nichts. Gott hat also das Weltall aus nichts erschaffen, nicht aus einer „Singularität“. Und das, was Er aus nichts hervorgebracht hat, war „Himmel und Erde“, also ein bereits geformtes und gestaltetes Universum, so deutet diese Worte u.a. der heilige Thomas von Aquin, und keineswegs eine gestaltlose „Singularität“, in der es nicht nur keine Sterne und Galaxien, sondern nicht einmal Atome und Elementarteilchen, ja sogar weder Raum noch Zeit gegeben haben soll. Damit ist jenen der Boden entzogen, die meinen, durch einen dem „Urknall“ vorgeschalteten Schöpfergott diese Theorie „taufen“ zu können.

Wir stellen also fest, daß uns die Wissenschaft keine stichhaltigen Beweise für ihre Behauptung vom „Urknall“ vorlegen kann, daß sie vielmehr „unserer Schrift, das heißt dem katholischen Glauben, Entgegengesetztes“ vorbringt, und somit wollen wir zeigen, daß es „völlig falsch ist“. Wir müssen dazu noch einmal festhalten, daß es sich bei der „Urknall“-Theorie nicht einfach um die Behauptung handelt, das Universum sei einmal kleiner gewesen und dehne sich nun aus. Es geht auch nicht nur darum, daß sich die Dinge im Weltall ändern, daß etwa Sonnen verglühen oder Himmelskörper auseinanderbrechen oder zusammenkrachen und dergleichen mehr. Auch ist es nicht die Behauptung, daß das Universum ursprünglich noch nicht die jetzige Vollendung hatte. All das könnten wir zur Not zugeben. Auch die Erde wurde, wie wir aus dem Schöpfungsbericht wissen, von Gott erst nach und nach, in sechs Schöpfungstagen nämlich, zu ihrer vollendeten Schönheit und Gestalt gebracht. Auch auf der Erde vollziehen sich immer noch Änderungen und Umgestaltungen, teils durch natürliche Kräfte wie den Vulkanismus, teils durch menschliche Eingriffe.

Doch um all das handelt es sich nicht. Die „Urknall“-Theorie will ja, daß unser Universum mit Raum und Zeit, Sternen und Galaxien, Sonnen, Planeten, Monden und all seinen übrigen Wundern, am Anfang ein ganz und gar gestalt- und formloses Etwas gewesen sei. Aus dieser „Singularität“ habe sich dann erst durch die ihr innewohnenden und in einer Explosion freiwerdenden Kräfte unser heutiges Weltall entwickelt. Als Vergleich dafür wird stets und stereotyp die Keimzelle angeführt, die ebenfalls ein winziges und fast gestaltloses Etwas ist, und aus der sich schließlich ein ganzer wundervoller Organismus entfaltet. Diese Parallele scheint umwerfend und schlagend und wird oft sogar für eine „katholische“ Interpretation des „Urknalls“ bemüht: So wie Gott den Menschen – oder sogar die Kirche! - aus einer kleinen und unscheinbaren Keimzelle habe hervorgehen lasse, so auch das gesamte Weltall. Wie groß ist Gott!

Nur ein ganz oberflächlicher, fast schon blinder Betrachter kann zu solch einer Fehlsicht gelangen. Wenn wir etwas genauer hinsehen, merken wir sofort den wesentlichen und unübersehbaren Unterschied: Bei der Keimzelle handelt es sich um Leben, beim Weltraum nicht. Für den Evolutionisten ist das kein Problem, denn er ist Materialist aus Prinzip, und so unterscheidet sich für ihn der lebende nicht wesentlich vom toten Körper. Das Leben ist ja für ihn aus der Materie hervorgegangen. Für jeden noch einigermaßen vernünftig denkenden Menschen und erst recht für uns gläubige Katholiken ist es jedoch nicht so.

Im Schöpfungsbericht der Genesis heißt es am dritten Tag, daß Gott die Pflanzen erschaffen hat, und es wird dort eigens und doppelt betont, daß die Pflanzen „grünen und Samen tragen“ und die Bäume „Frucht tragen“ und „Samen haben“ (Gen 1,11f). Es ist also etwas ganz Besonderes um diese Pflanzen, was es bisher nicht gab. Sie tragen Frucht und Samen, sie können sich fortpflanzen, sie leben! Am fünften Schöpfungstag erschafft Gott die Wassertiere und die „geflügelten Tiere“, und hier spricht Er erstmals den Segen über sie: „Seid fruchtbar und mehrt euch!“ (Gen 1,22) Die Bibel von Arndt kommentiert dazu: „Als beseelte Wesen werden die Wassertiere und Vögel durch ein göttliches Segenswort mit dem Vermögen ausgestattet, fruchtbar zu sein und sich zu vermehren.“ „Seid fruchtbar und vermehret euch!“ so segnet Gott dann auch das erste Menschenpaar (Gen 1,28), wobei der Kommentar sogleich hinzufügt: „Da aber der Mensch kein Tier, sondern ein ganz anderes Geschöpf ist, wird die Einsetzung der Ehe noch einmal ausführlich erzählt.“

Letzteres soll uns jedoch im Augenblick nicht beschäftigen. Uns geht es hier nur um die Besonderheit, die Pflanzen, Tieren und Menschen gemeinsam ist: das Leben und seine Fähigkeit, sich fortzupflanzen. „Crescite et multiplicamini!“ Dieser Fortpflanzung dient der Same oder die Keimzelle. Wenn nun auch der „Urknall“ bzw. die „Singularität“, die diesem zugrunde liegt, eine Art Keimzelle war – haben wir es dann auch hier mit einer Art Fortpflanzung zu tun? Gibt es also ein „Eltern-Universum“, das unser Universum hervorgebracht oder gezeugt hat? Und wird auch unser Universum, wenn es denn erwachsen ist, wieder ein Universum zeugen? Es gibt tatsächlich - und das wundert uns nicht - Wissenschaftler, die von solchen Dingen fabulieren. Aber ist das noch seriöse Wissenschaft? Interessant ist es auf jeden Fall, wie die Begriffe des Lebens immer wieder auf die Kosmologie angewandt werden. So spricht man z.B. auffallend von der „Geburt“ oder dem „Sterben“ von Sternen, und es ist nicht ausgemacht, ob dieser Sprachgebrauch wirklich immer nur allegorisch ist.

Doch zurück zu unserer Keimzelle: Eine solche ist keine gestaltlose „Singularität“, ganz im Gegenteil! Sie ist eine ausgeprägte, geschlossene und geformte Ganzheit, eben eine pflanzliche, tierische oder menschliche Keimzelle, die in einer gewissen Weise schon den ganzen fertigen Organismus in sich trägt. Dieser entsteht jedoch nicht, indem diese Zelle einfach explodiert oder sich ausdehnt, sondern indem sie sich nach einem genau ausgeklügelten System teilt und ausdifferenziert in die verschiedenen Körperzellen, die zu bilden sind. Dazu bedarf sie zum einen der Hilfe von außen – der Zuführung von Wärme, Nahrung etc. - zum anderen jedoch und vor allem eines inneren tätigen Prinzips, das diesen Wachstums-Vorgang hervorbringt, lenkt und steuert. Dieses tätige Prinzip, welches das eigentliche Leben ausmacht, nennen wir Seele.

Wie sieht es nun in dieser Hinsicht mit dem „Urknall“ aus? Wo sind die Nährstoffe und alles Notwendige für die Ausprägung des Universums hergekommen? Hat etwa das „Eltern-Universum“ unser Universum gefüttert oder ausgebrütet? Und vor allem: Besitzt auch unser Universum eine Seele? Ist es wahrhaftig ein lebendiger Organismus? Gibt es die „Weltseele“? So landen wir mit unserer modernen Wissenschaft urplötzlich wieder in der vorchristlichen, heidnischen Philosophie mit bedenklicher Nähe zum Hinduismus mit seinem „Brahman“ (der kosmischen Weltenseele und zugleich höchsten Gottesvorstellung), zum Panpsychismus (der „allen fundamentalen Dingen des Universums mentale Eigenschaften“ zuschreibt) und zum Pantheismus (der das Universum mit Gott gleichsetzt).

Wir können es also drehen und wenden wie wir wollen, der „Urknall“ mag zu den Prinzipien einer gesunden Vernunft nicht passen, und zu unserer durch und durch vernünftigen katholischen Religion schon gar nicht. Er mag den Freimaurern und Deisten zusagen mit ihrem „Großen Baumeister“, der es am Anfang einmal hat knallen lassen und dann allem seinen Gang gelassen hat; die Atheisten mögen ihn als rein naturwissenschaftliche Welterklärung für ein System ohne Gott benötigen; ein Teilhard de Chardin mag darin die Inspiration für seinen pantheistischen „Kosmischen Christus“ oder „Punkt Omega“ gefunden haben. Im Grunde handelt es sich jedoch um eine uralte, heidnisch-mythologische Ausgeburt, die am ehesten mit der Anthroposophie verwandt ist. Was muß in den Köpfen der katholischen Theologen vorgegangen sein, als sie meinten, vor dieser „wissenschaftlichen Erkenntnis“ reihenweise einknicken und so die ewige Wahrheit des Schöpfungsberichts mit dem alten Mythos vom „Urknall“ vertauschen zu müssen?