Der hl. Ignatius und seine Jesuiten

Im ersten Teil dieses Lebensbildes des hl. Ignatius haben wir versucht, den wirklichen Ignatius ein wenig lebendig werden zu lassen, so wie ihn seine Zeitgenossen erlebt haben. Eine wichtige Einsicht ist, Iñigo war kein Soldat, wie man sich ihn vorstellt. Auch wenn sein Orden gewisse soldatische Züge trägt, sind diese letztlich nur nebensächlich. Iñigo geht es zunächst einfach darum, den Seelen zu helfen. Seit seinen Erlebnissen in Manresa wird der Drang in seiner Seele immer lebendiger und fester, etwas zur größeren Ehre Gottes zu tun. Ein erster Entschluß oder Ziel ist es, eine Pilgerfahrt ins Heilige Land zu unternehmen. Auf seinem Krankenlager hat er eifrig in dem „Leben Christi“ des Ludolph von Sachsen gelesen. Dieser empfiehlt seinen Lesern, sich bei der Betrachtung des Lebens Jesu die Welt, in der Er gelebt hat, so konkret wie möglich vorzustellen. Wohl aus diesen Betrachtungen entstand auch bei Iñigo der Wunsch, das Heilige Land selbst zu sehen. Denn wie schön muß es sein, sich das Heilige Land nicht nur vorzustellen, sondern jenes Land, in dem Jesus 33 Jahre gelebt hat, das Er durch sein Wort und Seine Lehre erhellt und schließlich durch Sein kostbares Blut geheiligt hat, wirklich zu durchwandern und den Spuren Jesu zu folgen.

Im Heiligen Land angekommen, prägt sich Iñigo alle Stätten, die im Leben Jesu eine besondere Rolle gespielt haben, ganz tief in sein Gedächtnis ein, um später aus diesen Erinnerungen heraus den Seelen so lebendig wie möglich das Leben Jesu schildern zu können. Als er vom Heiligen Land nach Italien und dann nach Spanien zurückkehrt, hat er immer noch keine feste Vorstellung vom dem, was er eigentlich will. Es wird Jahre dauern, bis endlich die Compañía de Jesús, die Gesellschaft Jesu, Gestalt annimmt. Dabei ist es spannend und aufregend zugleich, diesen Werdegang nachzuzeichnen.

Ein „Verhör“ bei den Dominikanern

Der Weg, den Gott den hl. Ignatius führt, ist sehr ungewöhnlich. Er ist deswegen auch ein hervorragendes Lehrbeispiel der göttlichen Vorsehung. Wie wir schon im ersten Teil erwähnt haben, wurde der hl. Ignatius hoher mystischer Gnaden gewürdigt und mit von Gott eingegossenem Wissen beschenkt. Im Licht dieser Erkenntnisse beginnt er, den Seelen zu helfen. Unter den damals immer mehr um sich greifenden protestantischen Wirrnissen war es aber überaus gefährlich, ohne die entsprechende Ausbildung in der Wissenschaft aufweisen zu können, den Seelen zu predigen. Dadurch kam man sofort in den Verdacht, zu einer der wie Pilze aus dem Boden schießenden protestantischen Sekten zu gehören.

Erst im Jahr 1525 hatte die Inquisition einige kleinere Gemeinschaften, die in der Nähe von Alcalá aufkeimten, verboten. Man nannte diese „alumbrados“ oder Illuministen. Diese trafen sich in Wohnungen, lasen in der Heiligen Schrift und in anderen Büchern, sie versenkten sich ins geistige Gebet und verachteten das mündliche. Auch entfernten sie sich von den allgemeinen katholischen Bräuchen und waren immer auf höchste mystische Erfahrungen aus. Auch fühlten sie sich so von allem losgelöst und über alles erhaben, daß sie alle aszetischen Bräuche verachteten, also weder die Zeiten des Fastens einhielten, noch Bußübungen für nötig erachteten. Weil sie meinten, zum höchsten Grad der geistlichen Freiheit emporgestiegen zu sein, stürzten sie meist sittlich ins Bodenlose. Vom Glauben her am auffallendsten war ihr Verzicht auf die Sakramente und die Unabhängigkeit von der kirchlichen Hierarchie, meinten sie doch, mit Gott unmittelbar in Verbindung treten zu können.

All dies muß man bedenken, wenn man folgende Begebenheit hört. Iñigo berichtet, wie er eines Tages in Begleitung Calixtos an die Klosterpforte der Dominikaner in Salamanca klopfte, wo er sich ganz unerwartet plötzlich inmitten eines Verhörs fand. Die Dominikaner sprachen zunächst ganz ungezwungen von dem guten Ruf ihrer Lebensführung, der bis in den Konvent gedrungen war – und „daß sie ein apostolisches Leben der Predigt führten“, über das sie gerne genauere Einzelheiten zu erfahren wünschten. Was die Dominikaner am meisten interessierte, war der Ausbildungsstand der Gefährten. Iñigo, der die Wahrheit liebte, hielt nichts verborgen. Er gestand vielmehr ganz offen, wie wenig er studiert hatte, und wie schlecht das Wenige. Wobei er, alles in allem betrachtet, immer noch mehr wußte als seine Gefährten. Darauf drängte sich natürlich die Frage geradezu auf: „Aber was ist es dann, was Ihr predigt?“ Iñigo erklärte: „Wir predigen nicht, vielmehr sprechen wir mit einigen im Vertrauen über die Dinge Gottes, etwa nach dem Essen mit einigen Leuten, die uns zu sich rufen.“ Die Dominikaner darauf noch neugieriger geworden: „Über welche Dinge Gottes sprecht Ihr? Denn das ist es, was wir wissen wollen.“ Darauf nochmals Iñigo: „Wir sprechen bald von einer Tugend, bald von einer anderen und loben sie; bald von einem Laster, bald von einem anderen, um es zu tadeln.“ Das war dann den Dominikanern doch zu viel: „Ihr seid ungelehrt und sprecht von Tugenden und Lastern, und über diese Dinge kann niemand sprechen außer auf zwei Weisen: entweder durch die Wissenschaft oder durch den Heiligen Geist. Nicht durch die Wissenschaft; also durch den Heiligen Geist. Und diese Sache vom Heiligen Geist, das war es, was wir wissen wollten…“

Die Sache vom Heiligen Geist und das Urteil der Inquisition

Diese Sache vom Heiligen Geist war nun nicht mehr so harmlos und die einfache Unterhaltung konnte sehr schnell zur Falle und gefährlich werden. Die Schlußfolgerung war zwar formal gesehen richtig, aber nicht immer mit der Wirklichkeit übereinstimmend. Denn es ist durchaus nicht richtig, daß nur jemand mit Wissenschaft über den Glauben reden kann und es ist auch nicht richtig, daß die Wissenschaft den Heiligen Geist garantiert. Immerhin waren die allermeisten Irrlehrer in der Wissenschaft bewanderte Priester und nicht Laien ohne Wissenschaft. Jedoch ist aus der Situation der Zeit heraus die Sorge der Dominikaner durchaus zu verstehen, war doch die Furcht vor protestantischen Irrlehren nur allzu berechtigt.

Iñigo durchschaute die Gefährlichkeit der letzten Bemerkung sofort: „Er hielt ein wenig inne, weil ihm diese Frage nicht gut erschien. Und nachdem er ein wenig geschwiegen hatte, sagte er, daß es nicht nötig sei, weiter über diese Gegenstände zu sprechen.“ Der Dominikaner gab jedoch nicht einfach nach, sondern beharrte mit Nachdruck darauf: „Ihr wollt also nicht erklären, was Ihr sagt, und zwar in dieser Zeit, wo es so viele Irrtümer des Erasmus gibt und so vieler anderer, die die Welt betrogen haben?“ Man konnte Iñigo nicht so leicht einschüchtern, er blieb fest: „Pater, ich werde nicht mehr sagen, als ich gesagt habe, außer vor meinen Oberen, die mich dazu verpflichten können.“ Die Dominikaner etwas erbost: „Also gut, bleibt hier, wir werden schon dafür sorgen, daß ihr alles sagt.“

Man setzte die beiden im Kloster in Haft und untersuchte gründlich den Fall. Ignatius übergab den Dominikanern auch sein Exerzitienbuch zur Begutachtung, worin man jedoch nichts fand, was mit dem katholischen Glauben nicht übereinstimmte. Man beanstandete nur das eine: Wie könne er über die läßlichen und Todsünden sprechen, wenn er doch nicht das notwendige Studium dafür habe. Iñigo ließ sich nicht beirren, er entgegnete: „Wenn das nun Wahrheit ist, dann haltet es dort fest; und wenn es nicht wahr ist, verurteilt es.“ Aber die Richter wagten es nicht, etwas aus dem Exerzitienbuch zu verurteilen. Wenn es um die Rechtgläubigkeit ging, kannte Iñigo kein Nachgeben. Bei allen Untersuchungen der Inquisition bestand er auf einem abschließenden Urteil, das jeweils seine Rechtgläubigkeit bezeugte. Auch diesmal mußten nach zweiundzwanzig Tagen Haft die Richter bezeugen, es gebe keine Fehler im Leben und in der Lehre der Gefangenen. Man gestand ihnen sogar zu, weiter die Lehre zu verkünden und von Gott zu sprechen, allgemein und theoretisch, soweit sie nicht festlegten, „das ist Todsünde oder das ist läßliche Sünde“. Dies dürften sie erst tun, wenn sie vier Jahre studiert hätten. Iñigo akzeptierte das Urteil, aber er war doch nicht ganz zufrieden, weil man ihm „den Mund verschloß, damit er den Nächsten nicht helfe, wie er könne.“

Paris

Aufgrund dieser Erlebnisse wurde Iñigo immer klarer, wie es weiter gehen sollte: „Den Seelen nützen und zu diesem Zweck zuerst studieren und einige mit demselben Vorsatz sammeln. Und die behalten, die er bei sich hatte.“ Sein neues Ziel war darum Paris. Das christliche Abendland war zwar schon am zerbröckeln, aber immer noch greifbar. Der Katholik war selbstverständlich übernational. Paris zählte damals etwa eine Viertelmillion Einwohner, darunter mehr als 4000 Studenten aus ganz Europa. Es gab in der Stadt ungezählte Kollegien, Kirchen und Konvente. Das Glaubensleben war noch so allgemein, daß es das tägliche Leben prägte. Aber die neuen Ideen aus Deutschland gelangten auch allmählich bis nach Paris. Als ein protestantischer Fanatiker eine Marienstatue köpfte, verursachte seine Tat eine allgemeine Empörung. Öffentlich und feierlich unter dem Vorsitz des Königs wurde in Form einer feierlichen Prozession die Wiederherstellung der Figur gefeiert und für die ungeheuerliche Lästerung Sühne geleistet.

Zugegebenermaßen war Iñigo schon rein äußerlich ein etwas ungewöhnlicher Student. Mit seinen nun fast vierzig Jahren fiel er doch etwas aus dem üblichen Altersrahmen, seine ausgezehrte Gestalt und seine ungewöhnliche Ausstrahlung ließen ihn auffallen. Hinzu kam noch, daß er auch hier seinen Lebensunterhalt erbetteln mußte, nachdem ein Kommilitone sein ganzes Geld, das er ihm anvertraut hatte, innerhalb weniger Tage durchgebracht hatte. Auch studierte Iñigo nicht so sehr aus Wissensdrang als vielmehr aus Notwendigkeit. Das Studium sollte ihm die Möglichkeit eines weiten Apostolates eröffnen, wollte er doch zunächst und vor allem den Seelen helfen – und die Seelen werden in den kommenden Jahren und Jahrzehnten Hilfe nötiger denn je haben!

Es ist einfach bewundernswert, Iñigo besaß eine ganz außerordentliche Gabe, der Vorsehung Gottes zu folgen, die ihn jahrelang im Dunkeln ließ. Noch hatte er gar nichts erreicht, denn was war er? Er war ein Student von fast 40 Jahren ohne irgendetwas vorweisen zu können und ohne eigentliches Ziel. Das kümmerte ihn aber gar nicht, er lebte ganz aus dem Augenblick und im Augenblick, weil er ganz aus Gott lebte.

Wie jeder Studienanfänger schrieb er sich in dem Lateinkurs des Kollegs von Montaigu ein. Dieser verpflichtende Vorbereitungskurs sollte bei den „Studenten“ die Kenntnisse der Grammatik, Rhetorik und Metrik vertiefen und festigen. Die Schüler des Kurses waren jedoch alle noch sehr jung, es waren sogar einige Kinder von nicht mehr als zehn Jahren darunter. Im Pilgerbericht bemerkt Iñigo ganz nüchtern: „Und er studierte mit den Kindern, indem er die Ordnung und Weise von Paris durchlief.“

Weitere Reisen

Um sein Studium zu finanzieren, reiste er die kommenden drei Jahre jeweils nach Flandern, weil ihm ein Ordensmann von der Großzügigkeit der dortigen spanischen Kaufleute erzählte. Im letzten Jahr 1531 führte ihn seine Reise nicht nur nach Antwerpen und Brügge, sondern sogar bis nach London. Diese letzte Reise sollte auch seine einträglichste Bettelfahrt werden. In Flandern hatte er in den zwei Jahren zuvor das Vertrauen seiner Helfer gewonnen, sodaß ihm diese die gefährliche Rückreise erleichterten, indem sie ihm ihre nicht unbeträchtliche Hilfe als Wechsel zur Einlösung in Paris ausstellten.

Aus dieser Zeit ist ein Gespräch Iñigos mit Luis Vives in Brügge überliefert. Luis Vives, ein valencianischer Humanist und Bewunderer des Erasmus hatte Iñigo zum Essen eingeladen. Es wurde ein wohlschmeckender und exquisit bereiteter Fisch serviert, weil man sich in der Fastenzeit befand. Während des Essens machte Vives eine Bemerkung darüber, wie wenig doch diese vorzüglichen Speisen zu dieser Zeit der Buße passten. Diese Bemerkung bot den sonst schweigsamen Iñigo die Gelegenheit zu einer Erwiderung: „Du und andere, die so exquisit essen können, ihr zieht vielleicht keinen Nutzen aus dieser Abstinenz, was das Ziel angeht, welches die Kirche damit verfolgt. Aber die große Menge des Volkes, dem die Kirche auch verpflichtet sein soll, erlaubt sich solche ausgesuchten Feinheiten nicht und findet in der Abstinenz eine Gelegenheit, seinen Körper abzutöten und Buße zu tun.“

Das hier Gesagte gilt für alle Zeiten. Auch heute kommt es letztlich darauf an, was der Einzelne aus den Vorschriften der hl. Kirche macht und mit welchem Geist er sie erfüllt. Wer es nur will, der findet auch heute noch an jedem Fasttag in der Abstinenz eine Gelegenheit, seinen Körper abzutöten und Buße zu tun. Noch etwas zeigt diese Bemerkung: Dem hl. Ignatius geht es darum, den Sinn der kirchlichen Gesetze wieder in Erinnerung zu rufen und zu zeigen, daß sie alle letztlich dazu dienen, das wahre evangelische Leben zu verwirklichen. Dieser kirchliche Sinn wird auch später all seine Reformarbeiten von denen der protestantischen Schwärmer und Ketzer unterscheiden.

Exerzitien in Wort und Tat

Da Iñigo 1529 reich beschenkt von seiner Bettelreise nach Flandern zurückkehrte, hatte er wieder mehr Zeit; deswegen „begann er mehr als gewöhnlich, sich den geistlichen Gesprächen zu widmen.“ Mit anderen Worten, er begann wieder seine Exerzitien zu geben. Der Erfolg war recht auffallend, drei Spanier änderten nämlich ihren Lebensstil derart radikal, daß die anderen Studenten und nicht nur die in Aufruhr kamen. Jede wahre Bekehrung beunruhigt den Durchschnittschristen, weil sie an sein (schlechtes) Gewissen pocht. Iñigo wurde als Verführer der Studenten beschimpft, sodaß er selber sich darüber beklagt: „Alles schrieb man mir zu.“ Da er jeden Sonntag mit einigen Studenten zur Kartause hinauszog, um mit diesen über die Dinge Gottes zu sprechen, beschwerte sich Meister Peña darüber, weil er sah, wie die Zuhörerschaft bei seinen sonntäglichen Disputationen immer mehr schrumpfte. Er mahnte darum den außergewöhlichen Studenten, er solle sich nicht in das Leben anderer Leute einmischen und die Studenten in Ruhe lassen. Weil keine Reaktion folgte, beschwerte er sich beim Rektor Gouvea. Der Rektor meinte, die härteste Strafe verhängen zu müssen, nämlich die öffentliche Züchtigung mit der Rute. Als es soweit war und alle Studenten anwesend waren, ging Iñigo auf den Rektor zu – und stimmte ihn innerhalb weniger Minuten um, so daß aus dem Feind kurzerhand ein Freund wurde.

Was war das Geheimnis der Ausstrahlung Iñigos? Es war die vollkommene Übereinstimmung von Wort und Tat, von Außen und Innen. Wo immer er nur kann, da hilft er dem Nächsten und seine Hilfe ist in den allermeisten Fällen ganz gezielt und wirksam. Wobei sein letztes Ziel bei allem Helfen immer das eine bleibt, den Seelen zu helfen. In Kürze hat er auch in Paris eine ganze Reihe von Freunden und Schützlingen, denen er mit Rat und Tat zur Seite steht. Polanco sagt von ihm: „Er gewann die Liebe vieler, während er den Blick auf sein Ziel richtete, einige Personen zusammenzubringen, die ihm für seinen Vorsatz am begabtesten und fähigsten schienen.“

Iñigos erste Gefährten

Wie war es also damals mit seiner Compañía de Jesús bestellt? Im Nachhinein ist man geneigt, aus der Gründung der Gesellschaft Jesu eine Erfolgsgeschichte zu machen. Die Wirklichkeit war viel ernüchternder und durchaus nicht ohne Rückschläge.

Seine ersten Gefährten von Alcala und Salamanca waren Calixto, Caceres und Arteaga. Um für Calixto eines der vielen Stipendien zu erlangen, die der König von Portugal den Pariser Studenten verlieh, rief Iñigo die Gnade einer hohen Dame - Doña Leonor de Mascarenhas, Erzieherin des eben geborenen Prinzen Philipp - an. Doña Leonor stattete Calixto auch wirklich mit einem Maultier und mit Geld aus. Aber er ging damit nicht nach Paris, sondern kehrte von Portugal zurück nach Spanien, von wo aus er sich nach Mexiko einschiffte. Zudem war er nicht allein auf seiner Abenteuerfahrt, sondern er befand sich in Begleitung einer franziskanischen Begine (Angehörige einer christlichen Gemeinschaft, die keine Ordensgelübde ablegten, auch nicht in Klausur lebten, aber meistens der Regel des dritten Ordens des hl. Franziskus von Assisi folgten), von der er sich aber aufgrund des Drucks der Behörden in Nueva Espaiia trennen mußte. Als er nach Salamanca zurückkehrte, war er zwar ohne Begleitung der Frau, aber zum großen Erstaunen aller, die ihn von früher her kannten, mit einer großen Menge Geld versehen.

Auch Caceres ging nicht nach Paris, sondern kehrte in seine Heimatstadt Segovia zurück und begann auf eine Weise zu leben, „daß es schien, er habe seinen früheren Vorsatz vergessen“. Und schließlich noch Arteaga. Er wurde zunächst Komtur des Ordens von Santiago und schließlich 1540 zum Bischof von Chiapas ernannt. Aber er starb in Mexiko auf tragische Weise, ehe er seinen Bischofsstuhl besteigen konnte. Sein Nachfolger wurde der berühmte dominikanische Theologe Fray Bartolomé de Las Casas, den man auch den „Apostel der Indianer“ nannte.

Eine nicht gerade ermunternde Chronik der ersten Gefährten, muß man zugeben. Es zeigt sich hierin, daß selbst ein Meister wie Ignatius die Seelen nur zum Ziel hinlenken kann, aber er kann sie nicht ans Ziel tragen, sie müssen schon selber gehen. Selbst Iñigos Führungskraft reicht nicht aus, um in der einzelnen Seele eine Festigkeit hervorzubringen, die gegen alle Gefahren und Versuchungen gefeit ist. Es zeigte sich, ohne seine persönliche Nähe und Seelenführung löste sich die Gruppe der Gefährten von Alcala und Salamanca schnell wieder auf. Aber auch das Dreigespann von Paris erlitt Schiffbruch, „die zweite Geburt“, wie Polanco sie nennt. Dennoch gibt Iñigo nicht auf, weiter nach Gefährten zu suchen. Dabei hat er einerseits ein unerschütterliches Vertrauen in die göttliche Vorsehung, anderseits aber auch ein ganz feines Gespür für diejenigen, die er als Gefährten für tauglich hält. Jerónimo Nadal, einer der engsten Mitarbeiter des Heiligen, beschrieb es einmal so: „Mit einzigartiger Fügsamkeit der Seele folgte er dem Geist, der ihn führte, und lief ihm nicht voraus. So wurde er sacht zu einem Ziel geführt, das er selbst noch nicht kannte. Noch dachte er nicht an die Gründung eines Ordens und dennoch baute er Schritt für Schritt zu ihm die Straße und ging seinen Weg in weiser Torheit, in der Einfalt seines Herzens, das in Christus ruhte.“ In Paris macht er einen neuen Anlauf, gleichgesinnte Männer zu suchen, die sich mit ihm in seinem Vorsatz vereinen können, den Seelen zu helfen.

Die Geburt der Gesellschaft Jesu

Als Iñigo 1529 in Sainte-Barbe zugelassen wurde, bezog er eine Kammer des Turmgeschosses, die den wohlklingenden Namen „das Paradies“ trug. Dort traf er auch drei weitere Zimmergenossen an, nämlich Meister Peña und zwei Studenten, die bald Lizentiaten sein würden: Peter Faber und Francisco Xavier. In dieser Kammer des Turmgeschosses in Sainte-Barbe, in diesem „Paradies“ wurde die Gesellschaft Jesu geboren. Der Pilgerbericht ist in seiner Schilderung äußerst knapp: „In dieser Zeit pflegte er Umgang mit dem Meister Peter Faber und dem Meister Francisco Xavier, die er durch die Exerzitien für den Dienst Gottes gewann.“

Peter Faber aus Savoyen, …

Peter Faber stammte aus Savoyen. Er war ein junger blonder Mann, mit einer „anima blandita“ einer strahlend reinen Seele. Der Sohn von Landarbeitern und Hirtenjunge spielte schon in seiner Kindheit gerne Pfarrer und Prediger mit seinen Kameraden in Villaret. Ein Onkel, der Kartäuser war, unterstützte den begabten Jungen in seinem Wissensdurst so viel er konnte. 1525 kam er nach Paris. Peter Faber fiel durch seine Güte auf, auch besaß er ein mildes und einnehmendes Wesen, das ihn schnell zum Mittelpunkt machte. Er war ein Kenner der griechischen Sprache, so daß er selbst seinem Lehrer, dem Meister Peña, beim Lösen von besonders schweren Stellen bei Aristoteles helfen konnte. Umso mehr konnte er natürlich auch seinem neuen Gefährten Iñigo beim Studium als Repetitor (wörtlich: Wiederholer, also Helfer beim Wiederholen des gelernten Stoffes) zur Seite stehen. Peter Faber wird sich sein Leben lang mit höchster Dankbarkeit an diese Jahre erinnern. Der Repetitor und sein alter Schüler wurden ein Herz und eine Seele und sie mußten oft ihre von Gott erfüllten Gespräche etwas bremsen, um ihren Studienpflichten nachkommen zu können.

Dieser aufgeweckte junge Mann, der allen sofort sympathisch war, bekannte eines Tages seinem Freund, daß er im Grunde ein schüchterner und zurückhaltender Mensch war, der von Skrupeln gequält wurde. In diesen Dingen kannte sich Iñigo aus eigener Erfahrung bestens aus. Nun wurde der alte Student dem jungen zu einem geistlichen Lehrer. Iñigo sprach so lebendig von der Kenntnis Gottes und seiner selbst und vom Verstehen des eigenen Gewissens, daß die Seele Fabers sich immer mehr aufschloß. Er hatte keine Geheimnisse mehr vor ihm. Wie wunderbar konnte Iñigo die Seele des engelgleichen Savoyaner in seinen sinnlichen Versuchungen beruhigen und den Seelenfrieden zurückgeben.

Faber näherte sich auch bezüglich seiner Zukunft immer mehr seinem Freund an: „Wir kamen dahin, eine selbe Sache zu sein in Verlangen und Wille und im festen Vorsatz, dieses Leben ergreifen zu wollen, das wir heute führen.“ Vier volle Jahre dauerte diese Seelenformung Fabers. Auf Anraten Iñigos begann er bei Doktor Castro zu beichten und er kommunizierte wöchentlich und prüfte täglich sein Gewissen, wie es ihm Ignatius gelehrt hatte.

… Francisco Xavier …

Den anderen Mitbewohner des „Paradieses“, Francisco Xavier, konnte Iñigo nicht so leicht erobern. Dieser war ein Mann von umwerfender Lebendigkeit. Bei den athletischen Spielen, die auf den Wiesen der Ile de La Cite veranstaltet wurden, war er der beste Weitspringer. Auch er war wie Iñigo der Jüngste aus einer großen Familie. Seinem Vater, dem Doktor Jassu, Präsident des Königlichen Rates in dem kleinen Pyrenäenreich, hatte der Untergang Navarras sein Leben gekostet. Seine Brüder hielten zum entthronten König und haben mit ihm alle Schlachten durchgestanden. Dabei lernten sie das Gefängnis kennen, wurden zum Tode verurteilt und zuletzt doch noch begnadigt. Seine Mutter, die einmal einen ihrer Briefe mit „Doña Maria la triste“ unterschrieb, war schon gestorben, als er nach Paris kam.

Der junge Francisco hatte mit elf Jahren mit ansehen müssen, wie auf Befehl des Regenten Cisneros die Türme des familiären Schlosses geschliffen wurden. War für ihn Iñigo nicht zunächst ganz einfach der Verteidiger von Pamplona und damit der Verbündete der Feinde seiner Familie? Nein, jetzt waren sie in Paris und das waren alles alte Geschichten!

Jedenfalls zog ihn Iñigos Lebensstil zunächst überhaupt nicht an, ja er machte sich sogar über seine Gefährten lustig. Aber auf die Dauer konnte der hochgesinnte junge Mann sich dem Charisma dieses großen Heiligen doch nicht entziehen. Francisco Xavier erkannte dessen außergewöhnliche Größe und schloß sich ihm an. Infolgedessen änderte er sein Leben, auch er wählte die Armut als Braut und verabschiedete zunächst einmal seinen Diener Landivar. Dieser, vollkommen empört über seine Entlassung, beschloß kurzerhand, den Schuldigen, nämlich Iñigo, umzubringen. Blind vor Wut drang er mit dem Dolch in der Hand bis auf die Treppen des Kollegs vor. Aber Iñigo trat ihm ruhig und entschlossen entgegen und sein Wort allein reichte aus, um ihn wieder zu beruhigen.

… und weitere Gefährten

Zu diesen drei gesellten sich noch aus Alcalá kommend Laynez und Salmeron. Beide waren große Freunde, einundzwanzig und achtzehn Jahre jung, zudem ausgestattet mit einem außerordentlichen Wissensdurst. Sie werden sich einmal als tüchtige Theologen der Gesellschaft Jesu einen Namen machen.

Mit diesen kam ebenfalls noch Nicolás Alonso in Paris an, der später als Bobadilla bekannt werden wird. Er war von der Art her eher rauh aber dennoch einfach, außerdem leidenschaftlich in seiner Offenheit und seiner Art zu reden. Gebürtig war er aus Palencia in Altkastilien. An der Universität Alcalá hatte er den Bakkalaureus in den Artes erworben und war Regens der Logik des Kollegs San Gregorio in Valladolid. In Paris wollte er seine Kenntnis der drei Sprachen der Heiligen Schrift vertiefen, um seine theologische Ausbildung zu verbessern. Iñigo verschaffte ihm eine Stellung als Regens im Kolleg von Calvi. Zudem warnte er ihn vor der zweifelhaften Rechtgläubigkeit der Professoren, die er aufsuchte. Bobadilla änderte schließlich seinen Plan und studierte Theologie bei den Dominikanern und Franziskanern. Auch er schloß sich schließlich Iñigos Gruppe an.

Als letzter dieser Gefährten aus Paris ist noch der Portugiese Simon Rodrigues, Stipendiat des Königs Johannes III. von Portugal, zu nennen. Schon seit 1526 lebte er in Sainte-Barbe, kannte jedoch Iñigo wohl nicht vor 1533. Irgendeinmal wird er ihm wohl über den Weg gelaufen sein, dieser Student von nun schon mehr als vierzig Jahren. Auch er spürte die seltsame Anziehungskraft dieses Mannes – und „Er entschloß sich, ihn an seinen Wünschen und seiner Seele teilhaben zu lassen.“ Schon bald entschied er sich für einen neuen Weg, wobei Seine Wandlung sowohl seine portugiesischen Freunde als auch Faber und Xavier überraschte.

Das war also der Gründungskern der Gesellschaft Jesu. Diese Männer hatten sich entschlossen, dem Weg Iñigos zu folgen, deswegen nannte man sich „iñiguistas“.

Die Gelübde des hl. Ignatius und seiner Gefährten auf dem Montmartre

In seinem Vortrag am 18. Juli 1991 bei einem europäischen Treffen von Jesuiten, wollte Günter Switek S.J. seine Zuhörer auf eine Wallfahrt zum Montmartre und auf die Erneuerung der Gelübde vorbereiten. Darin heißt es:

„Am Morgen des 15. August 1534, dem Fest der Aufnahme Mariens in den Himmel, zogen sieben Studenten vom Lateinischen Viertel durch das Stadttor zum Montmartre, der außerhalb der Stadtmauern lag. Der Hügel lag einsam und still, er war damals noch nicht bebaut, sondern teilweise mit Weinbergen bedeckt, auf dem Gipfel erhob sich ein Benediktinerinnenkloster. Auf halber Höhe des Hügels stand die sogenannte Märtyrerkapelle, dem Andenken des heiligen Dionysius, des ersten Bischofs von Paris, geweiht, der nach der Überlieferung hier mit seinen beiden Gefährten Rusticus und Eleutherius den Märtyrertod erlitten hatte. In der Unterkirche waren die sieben Gefährten für sich allein und ungestört. Es war eine internationale Gruppe: fünf Spanier, ein Portugiese, ein Savoyarde. Auch ihr Alter war sehr verschieden: Ignatius zählte 43 Jahre, Peter Faber 28, Franz Xaver 28, Bobadilla 25, Rodrigues 24, Lainez 22, Salmeron 19 Jahre. Peter Faber, der einzige Priester unter ihnen, der erst vor drei Wochen seine Primiz gefeiert hatte, las die heilige Messe. Vor der Kommunion wandte sich Faber zu seinen Gefährten, die heilige Hostie über der Patene haltend, und einer nach dem andern sprachen die sechs kniend, mit lauter Stimme, ihre Gelübde. Als der letzte seine Gelübde beendet hatte, reichte Faber allen die heilige Kommunion, und wandte sich dann zum Altar, um selber seine Gelübde zu sprechen und danach Leib und Blut des Herrn zu empfangen. Nach Beendigung der heiligen Messe blieben die Gefährten auf dem Montmartre, am nahen Brunnen des heiligen Dionysius, nahmen dort gemeinsam ein Mahl zu sich und blieben den ganzen Tag frohen Herzens und mit brüderlichem Zwiegespräch beisammen. Erst zur Zeit der Vesper traten sie den Heimweg an.“
(Günter Switek, Die Gelübde des hl. Ignatius und seiner Gefährten auf dem Montmartre, Zur Aktualität ihrer Mystik und missionarischen Dynamik, Geist und Leben. Zeitschrift für christliche Spiritualität 1992, Heft 4 Juli/August S. 245–257)

Nun war die lange Zeit des Suchens und Tastens und Wartens in der göttlichen Vorsehung fruchtbar geworden. Diese handvoll Männer haben sich Gott großherzig geschenkt, um fortan IHM allein zu dienen. Günter Switek S.J. bemerkt: „Erstaunlich ist, daß der Wortlaut der Gelübdeformel nicht erhalten ist, obwohl man annehmen muß, daß alle dieselbe Formel benutzten. Wenn man die verschiedenen Quellentexte zusammennimmt, ergibt sich folgender, etwas komplizierter Inhalt des Gelübdes: sie wollten Christus, ihrem Herrn, dienen, und zwar in Armut, die aber im strengen Sinn erst nach Abschluß ihrer Studien in Kraft treten sollte, und in Keuschheit; sie wollten ins Heilige Land pilgern; wenn aber die Überfahrt innerhalb einer bestimmten Zeit unmöglich sein sollte oder wenn der Verbleib dort unmöglich sein würde oder wenn sie trotz einer Aufenthaltsgenehmigung dort nicht fruchtbar apostolisch arbeiten könnten, dann wollten sie nach Rom zurückkehren und den Papst bitten, er möge entscheiden, was sie tun sollten; seinen Sendungen wollten sie gehorchen. Implizit ist im Gelübde auch das priesterliche Apostolat enthalten sowie der Vorsatz, in Gemeinschaft zusammenzubleiben, ohne daß allerdings damals schon beabsichtigt war, einen Orden zu gründen. Mit den inhaltlichen Festlegungen der Gelübde verbanden die Gefährten ein hohes Maß an Offenheit für die Zukunft und an Disponibilität für die Führung des Heiligen Geistes“ (Ebd. S. 246).

Mit dem Ablegen der Gelübde war also der weitere Weg soweit vorgezeichnet, daß man ihn gemeinsam gehen konnte. Deswegen nannte Bobadilla diese sogar den Beginn der Gesellschaft Jesu, war diese doch in ihnen wurzelhaft enthalten. Alles Kommende war sozusagen „nur“ noch die Entfaltung dieser Gedanken. Konkret war es freilich noch ein weiter Weg – bis sie in Rom ankamen, das ihnen von der göttlichen Vorsehung zugedachte Jerusalem ihrer Träume. Denn gerade in dem Jahr, als die Gefährten von Venedig aus nach Jerusalem fahren wollten, konnte das Pilgerschiff nicht auslaufen. Das war die letzten vierzig Jahre nicht vorgekommen, aber die Spannungen zwischen den Venezianern und Türken befand sich auf einem neuen Höhepunkt und eine beeindruckende türkische Flotte bedrohte die venezianischen Festungen in der Adria. Darum verteilten sich die Gefährten auf die Universitätsstädte Siena, Ferrara und Padua, während sich Ignatius, Faber und Laynez auf den Weg nach Rom machten. Im Pilgerbericht heißt es: „Sie gingen nach Rom in drei oder vier Gruppen geteilt, und der Pilger mit Faber und Laínez. … Er hatte sich entschlossen, nachdem er Priester wäre, ein Jahr noch keine Messe zu lesen und sich vorzubereiten und die Muttergottes zu bitten, sie wolle ihn zu ihrem Sohn stellen. Und als er an einem Tag, einige Meilen, bevor er nach Rom gelangte, in einer Kirche war und betete, verspürte er eine solche Veränderung in seiner Seele und hat so klar gesehen, daß Gott Vater ihn zu Christus, seinem Sohn, stellte, daß ihm der Mut nicht ausreichen würde, daran zu zweifeln, daß vielmehr Gott der Vater ihn zu seinem Sohn stellte.“

Eine Vision

Das geschah 1537, kurz vor Rom, im Kirchlein von La Storta. Dieser Bericht wird durch Laínez 1559 im Zusammenhang mit der Frage, wie der Name des Ordens zu Stande gekommen ist, mit der Bemerkung ergänzt: „Es schien ihm, daß Gott ihm diese Worte ins Herz einprägte: Ich werde euch in Rom gnädig sein.“ Zudem habe Ignatius ihm davon berichtet, was der Inhalt seiner Vision gewesen sei: Es sei ihm Christus mit dem Kreuz auf der Schulter entgegengetreten. Gott der Vater, an dessen Seite Jesus gewesen sei, habe seinem Sohn gesagt: „Ich will, daß du diesen als deinen Diener annimmst.“ Worauf Jesus gesagt habe „Ich will, daß du uns dienst.“
Bei der Vision verspürte Ignatius einen solchen „Trost“ und eine solche „Umwandlung in der Seele“, daß er, der sonst so vorsichtig im Urteil über visionäre Erlebnisse war, nicht an der Echtheit dieser Erscheinung zweifeln konnte.

Die romanitas der Gesellschaft Jesu

Es wird noch einige Zeit dauern, bis die Gefährten in Rom ihr Ziel erreichten. Doch hatte die göttliche Vorsehung ihren Plan nach Jerusalem zu pilgern und im Heiligen Land zu wirken in einen viel umfangreicheren Plan umgewandelt. Rom, der Mittelpunkt der Kirche Jesu Christi, sollte auch zur Schaltzentrale der Compañía de Jesús, der Gesellschaft Jesu werden. In seinem überaus lesenswerten Buch über Ignatius von Loyola bemerkt Ignacio Tellechea: "Eine Schlußfolgerung drängt sich auf: Die romanitas der Gesellschaft Jesu ist keine Folge der Planung und Berechnung, sondern der Zeitläufe, der Geschichte. Keine Folge des Ehrgeizes, sondern der Dienstbereitschaft. Keine Bevorzugung des kirchlichen Machtzentrums, sondern gläubige Annahme der operativen Effektivität in Gestalt der Leitung durch das Haupt der ganzen Kirche. Paul III., der Faber und Laynez regelmäßig zum Essen einlud, vermerkte einmal einen bezeichnenden Satz: «Warum so sehr wünschen, nach Jerusalem zu gehen? Ein gutes und wahres Jerusalem ist Rom, wenn ihr nur Frucht bringen wollt in der Kirche Gottes.» Die ganze Welt ist das Land Jesu, und jeder Winkel der Erde erwartet sein Wort und seine Erlösung. Dieses Wort der Erlösung hat die entscheidende Umorientierung auf dem Weg und in der Weisung des Vaters Ignatius bewirkt. Das Wort der Erlösung hatte die Pilger auf den gemeinsamen Weg gerufen, sie «zu allem bereit» gemacht und von jeder Angst vor Ferne und fremden Sprachen befreit. Das fleischgewordene Wort befähigt sie schließlich, ihre Botschaft und ihr Leben in Einklang zu bringen. Sie antworten auf den Ruf Christi. Erst in zweiter Linie ist ihr Handeln auch Antwort auf die konfessionelle Spaltung Europas“ (Ignacio Tellechea, Ignatius von Loyola „Allein und zu Fuß“, Benzinger Verlag, Zürich/Düsseldorf, 1991, S. 270).

Diese Festlegung des Ordenssitzes auf Rom wurde oft in dem Sinne interpretiert, als sei die Gesellschaft Jesu von Anfang an als eine gegenreformatorische Kraft geplant gewesen, d.h. der hl. Ignatius hätte den Kampf gegen die Protestanten seinen Jesuiten ins Stammbuch geschrieben. Aber auch diese Vorstellung entstammt einem Klischee und entspricht nicht der wirklichen Geschichte, wie nochmals Ignacio Tellechea zeigt: „Man hat im ignatianischen Werk einen Schutzwall gegen den Lutheranismus sehen wollen. Merkwürdigerweise taucht der Name Luthers nur ein einziges Mal in all den Schriften auf, die uns Ignatius hinterlassen hat. Im Gegensatz zur Reform der heiligen Teresa gibt es in seinen Entscheidungen und in denen seiner Gemeinschaft zunächst keinerlei nachweisbares Echo der Glaubensspaltung. Im Exerzitienbuch, der eigentlichen ignatianischen ‚Waffe‘, tauchen das Adverb gegen (contra) und das Adjektiv gegnerisch, gegensätzlich, widrig (contrario) sehr häufig auf. Doch geht es dabei niemals um kriegerische Anlässe oder um eine geplante Eingliederung in den konfessionellen Kampf. Die wahre Schlacht wird im Herzen des Menschen geschlagen, gegen den Kleinglauben und gegen die Unfreiheit. Es ist deutlich, daß die Sünde gegen Gott gerichtet ist. Das Bemühen der Exerzitien richtet sich deshalb gegen Trostlosigkeit und Versuchung. Der Feind der Menschennatur kämpft gegen unsere Freude und Tröstung, Demut und Duldsamkeit stehen gegen Ehrgeiz und Machtbestreben. Ignatius kämpft also gegen niemanden, sondern gegen die Unfreiheit in uns selbst. … Seine persönliche Erfahrung am eigenen Leib und die Erfahrung im ständigen und umfassenden Kontakt mit den Menschen bestätigten dieses Prinzip. Er war ein hervorragender und überzeugender Führer, weil er sich selbst ganz der Führung überließ“ (Ebd. S. 270f).

In Rom endet die lange Pilgerreise unseres Helden. Die göttliche Vorsehung wollte es so, daß der Pilger durch sein eigenes Werk in der Hauptstadt der Christenheit gefangen gehalten werden sollte, um von dort aus die Compañía de Jesús zu leiten. Er wird seine Gefährten in die ganze Welt senden, damit sie überall Gott und den Seelen dienen. Als General der Gemeinschaft war er der Diener der Diener Jesu.

Die Gründungsbulle der Gesellschaft Jesu

Es war der 27. September 1540 als Papst Paul III. die Gründungsbulle der Gesellschaft Jesu im Palast von San Marco unterschrieb. Die Bulle beginnt mit den Worten “Regimini militantis Ecclesiae” und gibt nicht so sehr eine Regel als ein Lebensprogramm wieder. Die Worte der Bulle klingen recht ignatianisch und sind mehr eine Einladung und ein Aufruf als eine kirchenrechtliche Fassung des Ordensziels: „Wer immer in unserer Gesellschaft, von der wir wünschen, daß sie mit dem Namen Jesu bezeichnet werde, unter dem Banner des Kreuzes für Gott Kriegsdienst leisten und allein dem Herrn und dem römischen Papst, seinem Stellvertreter auf Erden, dienen will, der soll sich nach dem feierlichen Gelübde immerwährender Keuschheit dessen bewußt werden, daß er Mitglied einer Gesellschaft ist, die vornehmlich dazu errichtet worden ist, um besonders auf den Fortschritt der Seelen in Leben und christlicher Lehre und auf die Verbreitung des Glaubens abzuzielen: durch öffentliche Predigten und den Dienst am Wort Gottes, die Geistlichen Übungen und Liebeswerke und namentlich durch die Unterweisung von Kindern und einfachen Menschen im Christentum und die geistliche Tröstung der Christgläubigen durch Beichte hören, und er soll sich bemühen, zuerst Gott, dann die Art und Weise dieses unseres Instituts, die ja ein Weg zu ihm ist, stets vor Augen zu haben und dieses ihm von Gott gesetzte Ziel zu erreichen ...“

Der hl. Ignatius wird noch all die Jahre bis zu seinem Tod an der Ausarbeitung der Konstitutionen arbeiten und immer wieder die neu gemachten Erfahrungen seiner Mannschaft in allen Ländern der Erde einfließen lassen. „Tu, was du kannst, passe die Regel der Lage an. Handle nach dem, was du gesehen hast, und der Heilige Geist wird dich erleuchten“, sagte er einmal zu einem seiner Gefährten, als dieser ein Führungsamt übernehmen sollte und umschrieb damit letztlich nur sein eigenes Vorgehen. Ihm selbst stand natürlich schon eine reiche Erfahrung aus seiner langen Wanderschaft zur Verfügung, außerdem mußte die Verpflichtung gegenüber dem Papst immer berücksichtigt werden. Ignatius wußte, daß sein Weg vor allem Großmut forderte – und daraus folgend eine Verfügbarkeit und Bereitschaft, alle apostolischen Aufgaben in jedem Winkel der Welt zu übernehmen. Alle, die in seiner Gesellschaft „Kriegsdienst leisten“ wollen, müssen sich darum gründlich prüfen, ob sie auch die Kraft haben, „das Gewicht dieser Berufung“ tragen zu können, damit es ihnen nicht geht wie jenem im Evangelium, der einen Turm bauen wollte, aber ihn nicht vollenden konnte – „Legte er nämlich den Grund und könnte nachher den Bau nicht vollenden, würden alle, die es sehen, über ihn spotten“ (Lk 14,29).

Der Alltag in Rom

Abschließend wollen wir noch einen Blick in den Alltag des hl. Ignatius in Rom werfen. Das Auffallendste an Ignatius war, er wandelte immer sichtbar, ja spürbar in der Gegenwart Gottes, selbst wenn tausenderlei Aufgaben zu bewältigen waren. Wenn er etwa durch den Garten ging, hielt er manchmal inne und erhob nachdenklich seine Augen zum Himmel. Sein Gottvertrauen in den ungezählten Schwierigkeiten der Gründungszeit war unerschütterlich, weil es inzwischen durch unzählige Prüfungen gestärkt war. Im Haus hielt er ganz besonders auf Ordnung, Sauberkeit und Disziplin. Lärm und selbst laute Stimme waren ihm zuwider. Auffallend war seine Redegabe, er war immer ernst und ausgeglichen. Niemals waren seine Worte oberflächlich oder leer, sondern immer profund und überzeugend. Unablässig mahnte er zum Gehorsam und beobachtete das Gelübde der Armut selbst in allen Einzelheiten.

Der General

Als Ribadeneira bereits 84 Jahre alt war, schrieb er seine Erinnerungen an Vater Ignatius im Auftrag des dritten Ordensgenerals Francisco de Borja nieder. Er war mit 14 Jahren von seinem Dienst als Page des Alessandro Farnese zu den Jesuiten geflohen und wurde später in die Gesellschaft aufgenommen. Als letzter Überlebender aus der Gründerzeit schreibt er auch eine Art Traktat über die Regierungsweise des hl. Ignatius. Greifen wir hierzu auf die Zusammenfassung von Ignacio Tellecheia in seinem Buch über Ignatius von Loyola zurück.

„In seiner kraftvollen und dichten Prosa, die durch das «Ich sah und hörte» beglaubigt ist, enthüllt er bemerkenswerte Einzelheiten. So schreibt Ribadeneira, daß Ignatius am Anfang sehr großzügig bei der Aufnahme von Novizen war. Später wurde sein Regiment wesentlich strenger, und er sagte sogar, wenn es noch einen Grund für ihn zu leben gäbe, dann diesen, sehr streng bei der Aufnahme zu sein. Er wollte aktive und fleißige Kandidaten, keine ruhigen und blassen. Er war der Überzeugung, daß «derjenige, der in der Welt nichts taugt, auch in der Gesellschaft nichts taugt». Er wollte - da war der kleine Pedro selbst eine Ausnahme gewesen -, daß sie «ein wenig erwachsen und keine Kinder mehr» seien. Vor allem «betrachtete er sehr genau das Metall und Naturell eines jeden», sein gesundes Urteil und seine Eignung für die Dienste, seine Gesundheit und seine Kräfte. Aber wenn sie sehr gelehrt oder sehr klug waren, war ihm die Gesundheit nicht so wichtig, denn diese «helfen noch, wenn sie halbtot sind». Er wollte keine nutzlosen Leute oder solche, die keinen wirksamen Dienst versprachen.
Mit den Novizen ging er «sehr Stückchen für Stückchen» voran. Er mischte Milde und Strenge und war besonders weichherzig mit den Versuchten und Kranken. Mit den Versuchten pflegte er unglaubliche Geduld und Feinfühligkeit, wartete mit ihnen auf bessere Tage. Im Krankendienst war seine Widmung und Fürsorge unermüdlich. Er fing die Wanzen in den Betten und wechselte eigenhändig die Tücher. Den größten Nachdruck legte er auf die gewissenhafte Erfüllung des Gehorsams, auf die Verfügbarkeit. In allen Dingen erwartete er Geradlinigkeit und reine Absicht. Er bemühte sich, daß alle eine solide Bildung bekamen, und freute sich an der orthodoxen Gelehrtheit. Dagegen gefielen ihm Meinungsverschiedenheiten überhaupt nicht und noch weniger die Begeisterung für umstrittene Autoren. Er liebte die genaue Erfüllung der Regeln, wußte aber beweglich zu sein, wenn es mit Rücksicht auf die Umstände besser schien, Dispens zu erteilen. Es schmerzte ihn, wenn darüber Unmut aufkam, denn «es erschien ihm unkluger Geist, die ungleichen Dinge mit gleichem Maß zu messen.» Er empfing warmherzig, sorgte sich um jeden einzelnen, es gefiel ihm, Zufriedenheit und Freude zu verbreiten. Er pflegte selbst für schwere Verfehlungen keine außerordentlichen Strafen aufzuerlegen, sondern zog es vor, daß der Schuldige sich selbst die Strafe zumaß, um sie dann zu verringern.
Das letzte Geheimnis seines Wirkens ist die Liebe: «Diese Liebe unseres Vaters» - sagt sein treuer Verehrer bewegten Herzens - «war nicht schlaff und unentschlossen, sondern lebendig und wirksam, mild und stark, zärtlich wie die mütterliche Liebe und fest wie die väterliche .. Den Kindern in der Tugend gab er Milch, den Fortgeschrittenen gab er Brot mit Kruste, die Vollkommenen behandelte er mit Strenge, damit sie mit losem Zügel der Vollkommenheit entgegenliefen.»“ (Ebd. S. 307f)

Ignatius ist ein Seelenkenner und ein Meister in der Formung der Seelen. Es wird nun seine vornehmliche Aufgabe sein, den neugegründeten Orden in den ersten Jahren gemäß dem Geist des Ordens zu formen, der nichts anderes ist als der Geist seiner Exerzitien, als sein Geist. Von Rom aus muß er seine Gefährten in die Welt hinaus begleiten. Und es ging alles auf einmal sehr schnell: Es entsteht das erste Profeßhaus in Lissabon, es werden die ersten Kollegien in Padua, Goa, Löwen und Gandiá gegründet. Es finden sich die ersten Studenten in Paris ein und das erste eigenständige Noviziat in Messina wird eröffnet. Als erste Ordensprovinz wird Portugal genannt, es folgen schnell Spanien und Indien nach. Wie soll man diesen ungeheuren Lebensdrang beherrschen? Wie den schnellen Erfolg und die rasche Ausbreitung in der ganzen Welt in die rechten Bahnen lenken? Man hat Ignatius oft als einen genialen Strategen dargestellt, aber trifft das die Wirklichkeit? Natürlich verstand er es, die Verwaltung des Ordens so effizient zu machen, daß später selbst Industrieunternehmen nach dem Geheimnis der Jesuitenleitung forschen werden. Doch ist die Verwaltungsarbeit beim hl. Ignatius niemals Selbstzweck und auch der Erfolg kein eigentliches Ziel. Mehr interessiert ihn schon die Frage der Effizienz. Wobei all seine Überlegungen immer vom Übernatürlichen und nicht vom Natürlichen geleitet werden. Wenn er seine Gefährten möglichst gut, ihren Fähigkeiten entsprechend einsetzen will, dann deswegen, weil das auch ihrer Seele dienlich ist. Ist doch ein zufriedenes Herz auch im Dienste Gottes fähig, mehr zu leisten als ein unzufriedenes.

Eines der wichtigsten Mittel, den Orden in seiner Einheit zu erhalten, ist für den hl. Ignatius der Briefverkehr. Die Oberen sind verpflichtet, in festgelegten zeitlichen Abständen von ihrer Arbeit, ihren Sorgen und Problemen zu berichten. Vom Jahr 1524 bis zum Jahr 1556 sind allein 6815 Briefe erhalten. Die meisten davon wurden an Mitbrüder im Orden geschrieben. Aber es gibt auch Briefe an Könige und Fürsten, an den Papst und den Kaiser, an Städte, Verwandte junger Jesuiten – und schließlich auch immer wieder Briefe an Freunde, die ihn um geistlichen Rat fragen. Hierbei war der junge und überaus fähige Sekretär Juan Polanco seine wichtigste Stütze, um diese enorme Korrespondenz aufrecht zu erhalten und so selbst auf all die wichtigen Fragen in den weit entfernten Häusern der Gesellschaft Jesu einzugehen.

Entscheidend für die Leitung des Ordens während der schnellen Ausdehnung war letztlich die Fähigkeit, den Überblick zu bewahren. Ignatius war von einem erstaunlichen Wirklichkeitssinn geprägt und daraus folgend einer überzeugenden Sachlichkeit - wohl die wichtigste Grundlage, um so viele Menschen in der Einheit des Geistes zu erhalten. Câmara beschreibt diese so: „Er überzeugt niemals mit Gefühlen, sondern mit Sachen ..., er schmückt die Sachen nicht mit Worten, sondern mit den Sachen selbst, mit dem Erzählen von so vielen Umständen und so wirksamen, daß sie fast mit Gewalt überzeugen... Seine Erzählung ist einfach, klar und unterschieden. Und er hat so viel Erinnerung an die Sachen, und selbst an die wichtigen Worte, daß er eine Sache, die geschah, zehn, fünfzehn und mehr Male erzählt, alles genau so, wie es geschah, daß er sie vor die Augen stellt; und er spricht lange über wichtige Dinge, er erzählt sie Wort für Wort.“