Tertullian und die Irrlehrer

Von einem Freund wurden wir erst kürzlich auf einen Text aufmerksam gemacht, der doch durch seine Aktualität überrascht – und das, obwohl er schon vom Ende des 2. Jahrhunderts stammt. Ja, seine Aktualität scheint beinahe durch zeitgenössische Texte nicht mehr zu übertreffen zu sein. Wir möchten unseren Lesern diese uralten Erfahrungen nicht vorenthalten, wobei wir uns nicht ganz enthalten können, den einen oder anderen Hinweis in Klammern in den Text einzufügen. Der vollständige Text ohne Einschübe findet sich hier.

[„Tertullian, mit vollem Namen Quintus Septimius Forus Tertullianus (*um 150 in Karthago; † zwischen 223 und 225 in Karthago) war ein lateinischer Kirchenschriftsteller“ (Kathpedia). „Er war der bedeutendste christliche lateinische Schriftsteller vor Augustinus von Hippo. In seinen zahlreichen Schriften hat er manche theologische Begriffe geprägt, die bis heute in Gebrauch sind“ (ebd.). Er gilt als „Vater des Kirchenlateins“ (Wikipedia). „Tertullian sympathisierte mit den Montanisten. Ob er gegen Ende seines Lebens zu ihnen übertrat, ist bis heute umstritten. Das häufig genannte Jahr 207 für seinen vermeintlichen oder tatsächlichen Übertritt ist nicht gesichert. Seine rigoristische Moral, die sich in seinen letzten Schriften noch weiter radikalisierte, wie z.B. sein Verbot der Wiederheirat nach dem Tod des Partners, wurde immer wieder in diese Richtung interpretiert; auch äußerte er sich positiv über Montanus selbst. Hieronymus behauptete später sogar, Tertullian hätte eine eigene Kirche gegründet. Aufgrund dieser Aussagen wird Tertullian in keiner Konfession als Heiliger verehrt“ (ebd.). Er beeinflußte „nachhaltig einige Kirchenväter, vor allem Cyprianus und Augustinus, die ebenfalls im Gebiet des heutigen Tunesien und Algerien wirkten, und somit die gesamte westliche Kirche“ (ebd.). „Viele seiner Werke wurden in die Sammlung der Schriften der Kirchenväter aufgenommen“ (Ökumen. Heiligenlexikon).]

Aus den Prozessreden Tertullians gegen die Irrlehrer

41. Kap. Auch der lockere Wandel der Häretiker und der bei ihnen herrschende Mangel an kirchlicher Ordnung zeugen gegen die Wahrheit ihrer Lehren.

Ich will nicht unterlassen, auch von dem Wandel der Häretiker eine Schilderung zu entwerfen, wie locker, wir irdisch, wie niedrig menschlich er sei, ohne Würde, ohne Autorität, ohne Kirchenzucht (man meint beinahe, ein durch die nachkonziliaren Wirren beunruhigter Katholik würde diese Klage führen); so ganz ihrem Glauben (also ihrem neuen Konzilsglauben, bzw. –unglauben) entsprechend. Vorerst weiß man nicht, wer Katechumen, wer Gläubiger ist, sie treten miteinander ein, sie hören miteinander zu, sie beten miteinander; auch wenn Heiden dazu kommen, werfen sie Heiliges den Hunden und Perlen, wenn auch unechte, den Säuen hin. Das Preisgeben der Kirchenzucht wollen sie für Einfachheit gehalten wissen, und unsere Sorge für dieselbe nennen sie Scharwenzelei (das lat. Wort lenocinium bedeutet: Verlockung, Verführung, verführerischer Prunk, Reiz; die Modernisten sprechen gerne vom barocken Überschwang in Gegensatz zur evangelischen Einfachheit). Was den Kirchenfrieden angeht, so halten sie ihn unterschiedslos mit allen (die neue „Kirche“ ist ja ökumenisch). Es ist in der Tat auch zwischen ihnen, obwohl sie abweichende Lehren haben, kein Unterschied, wenn sie nur zur gemeinschaftlichen Bekämpfung der einen Wahrheit zusammenhalten (die Modernisten sind mit jedem Freund, nur nicht mit den Katholiken). Alle sind aufgeblasen, alle versprechen Erkenntnis (es ist die neue Gnosis, das neue Pfingsten mit einem ganz neuen Glauben). Die Katechumenen sind schon Vollendete, ehe sie noch Unterricht erhalten haben (es sind ja mündige Laien). Und selbst die häretischen Weiber, wie frech und anmaßend sind sie! Sie unterstehen sich, zu lehren, zu disputieren, Exorzismen vorzunehmen, Heilungen zu versprechen (wer denkt da nicht unwillkürlich an die charismatische Bewegung?); vielleicht auch noch zu taufen (Frauenpriestertum!).

Die Ordinationen der Häretiker sind aufs Geratewohl leichtfertig und ohne Bestand. Bald stellen sie Neophyten an, bald an die Welt gefesselte Männer (etwa die als viri probati, als bewährte Männer betitelten ständigen Diakone), bald unsere Apostaten, um die Leute durch die Ehre an sich zu ketten, da sie es durch Wahrheit nicht vermögen. Nirgends gibt es leichtere Beförderung als im Lager der Rebellen, wo bloß sich aufzuhalten schon als Verdienst gilt. Und so ist denn heute der eine Bischof, morgen der andere, heute ist jemand Diakon und morgen Lektor, heute einer Priester und morgen Laie (denn im Grunde kann ja doch jeder alles machen in dieser Menschenmachwerkskirche). Denn sie tragen die priesterlichen Verrichtungen auch Laien auf (haben doch die Priester keine Zeit mehr für ihre Gemeinden, da sie fünf oder mehr „alte“ Pfarreien gleichzeitig managen sollen).

42. Kap. Ebenso ihr Mangel an Missionseifer. Ihre Tätigkeit ist nur dahin gerichtet, die Kirche zu unterwühlen.

Was soll ich aber erst von ihrer Art, das Wort Gottes zu verwalten, sagen, da es nicht ihr Geschäft ist, Heiden zu bekehren, sondern die Unsrigen zum Abfall zu verlocken? (Seit dem neuen Pfingsten des sog. Konzils ist fast die ganze Welt vom katholischen Glauben abgefallen und niemand hat sich mehr bekehrt – außer zu irgendwelchen Sekten, deren größte womöglich immer noch die Konzilssekte ist.) Sie jagen mehr der Ehre nach, die Stehenden zum Falle zu bringen, als der, die Gefallenen aufzurichten, da ja auch das Gebäude selbst, das ihnen gehört, nicht ihrer eigenen Bautätigkeit sein Dasein verdankt, sondern der Zerstörung der Wahrheit (letztlich leben die Modernisten immer noch von der allerletzten Substanz der Vergangenheit, die aber nun allmählich vollkommen aufgezehrt ist. Das genuin Modernistische ist letztlich nur lächerlich). Das Unsrige untergraben sie, um das Ihrige aufzubauen. Nimm ihnen das Gesetz Moses, die Propheten und Gott den Schöpfer, darüber haben sie keine Klage auszustoßen (der Glaube ist nur ein Anhängsel ans eigene Geschäft. Aber auf dem Supermarkt der Weltreligionen ist es doch relativ schwer, sich mit einer solch seichten Lehre zu behaupten). So kommt es, daß sie es leichter zustande bringen, stehende Gebäude in Trümmer zu legen, als am Boden liegende aufzurichten (die Bischöfe schauen nun schon seit Jahrzehnten tatenlos zu, wie alles zerstört wird und üben sich ausnahmslos im Schönreden der Katastrophe). Zu diesem Zwecke ganz allein spielen sie die Demütigen, die Liebenswürdigen, die ergebensten Diener. Sonst kennen sie nicht einmal ihren Vorstehern gegenüber Ehrerbietung (was denkt wohl ein Pfarrer, der es mit dem Glauben noch ernst meint, über seinen Gemeinderat?). Und das ist auch der Grund, warum es bei den Häretikern sozusagen keine Kirchenspaltungen gibt, weil solche, auch wenn sie vorhanden sind, nicht zutage treten (vereinte Vielfalt nennt man das heute!). Im Schisma besteht gerade ihre Einheit (ist doch diese Vielfalt in Irrtum so unglaublich bereichernd für alle). Ich will ein Lügner sein, wenn sie nicht unter sich sogar von ihren Glaubensregeln abweichen, indem ein jeder ebenso das, was ihm gelehrt wurde, nach seinem Gutdünken modelt (muß nicht zumindest jeder modernistische Professor seinen eigenen Glauben erfinden, um interessant zu sein?), wie sein Lehrer es nach seinem Gutdünken geschaffen hat (die Irrlehren haben inzwischen schon eine gewisse Tradition und sind Legion geworden). Eine Sache verleugnet in ihrer Entwicklung ihre Natur und die Beschaffenheit ihres Ursprungs nicht. Dasselbe Recht wie Valentinus haben die Valentinianer auch, die Marcioniten dasselbe wie Marcion, nämlich nach eigenem Gutdünken einen neuen Glauben zu machen. Schließlich, wenn man die Häresien gründlich betrachtet, so findet man, daß sie alle von ihren Stiftern in vielen Punkten abgewichen sind. Sehr viele haben nicht einmal Kirchen; ohne Mutter, ohne Heimat, des Glaubens bar, irren sie als Verbannte ohne eigenen Herd umher.

43. Kap. Alle dergleichen Erscheinungen bei den Häretikern haben ihren Grund im System.

Auch wird der Umgang der Häretiker mit so vielen Zauberkünstlern, herumziehenden Gauklern, Astrologen und Philosophen, solchen nämlich, welche sich Grübeleien hingeben, übel vermerkt (der Glaube wird zur Unterhaltung, der Gottesdienst zur Show, die „Theologie“ zur Gedankenspielerei). Ihr „Suchet und ihr werdet finden“ vergessen sie nirgends. Daher kann aus der Art ihres Wandels auch auf die Beschaffenheit ihres Glaubens geschlossen werden. In der sittlichen Aufführung verrät sich die Lehre. Sie leugnen, daß man Gott fürchten müsse (ist doch unser Gott ein Gott der Liebe und seine Botschaft keine Drohbotschaft, sondern eine Frohbotschaft). Daher ist ihnen alles und jedes gestattet und erlaubt. Wo aber wird Gott nicht gefürchtet, als nur da, wo er nicht ist. Wo Gott nicht ist, da ist auch keine Wahrheit, und wo keine Wahrheit ist, da ist selbstverständlich auch die Disziplin von der beschriebenen Art. (Warum erregen sich eigentlich die Konservativen so sehr über Bergoglios "Liebesfreud‘"? Er zieht endlich die sittlichen Konsequenzen aus den modernistischen Irrtümern). Wo aber Gott waltet, da ist auch die Furcht vor Gott, der Anfang der Weisheit. Wo Gottesfurcht herrscht, da ist auch würdiger Ernst, scheue Behutsamkeit, ängstliche Sorgfalt, Umsicht in der Aufnahme, Bedachtsamkeit in Erteilung der Kirchengemeinschaft, Beförderung nach Verdienst, ehrfurchtsvolle Unterordnung, ergebene Dienstfertigkeit, bescheidenes Auftreten, Einigkeit in der Gemeinde, und alles ist Gottes. (Man könnte bei dieser Aufzählung direkt ein wenig wehmütig werden.)

44. Kap. Wer sich vom wahren Glauben abwendet, hat keine Entschuldigung und setzt sich in Widerspruch mit klaren Aussprüchen Christi.

Daher verstärken diese Zeugnisse einer strafferen Sittenzucht bei uns noch den Beweis für die Wahrheit der Lehre, von welcher sich zu entfernen niemandem frommt, der des künftigen Gerichtes eingedenk ist, wo wir alle vor dem Richterstuhle Christi erscheinen müssen, um Rechenschaft zu geben, vor allem eben über unsern Glauben (Rechenschaft über den Glauben? Ist Gott nicht ökumenisch und kann nicht jeder, ja muß nicht jeder das glauben, was er für richtig hält, in radikaler Treue zu seiner jeweiligen Tradition – nach Karol Wojtyla alias Jo-Pa II?). Was werden dann also diejenigen sagen, welche die von Christus ihnen anvertraute jungfräuliche Wahrheit durch den Ehebruch der Häresie geschändet haben (ja so etwas, anvertraute jungfräuliche Wahrheit und Ehebruch der Häresie, wo doch inzwischen selbst für viele Traditionalisten ihre heilige „Kirche“ voller Irrtümer und Gefahren für das ewige Seelenheil ist). Vermutlich werden sie dann als Ausrede vorbringen, er oder seine Apostel hätten ihnen ja niemals etwas über das künftige Auftreten tobender und verkehrter Lehren vorhergesagt und ihnen keine Vorschriften gegeben, solche zu meiden und zu verabscheuen (warum auch, es sind doch unsere getrennten Brüder. Man muß es einfach nicht so genau nehmen mit dem Glauben, denn in den wichtigsten Lehren stimmen wir doch überein, fast überein, immer mehr überein – oder so ähnlich). Dann werden sie anerkennen, daß die Schuld vielmehr auf seiner und der Seinigen Seite lag, da sie uns nicht vorher zugerüstet haben. Dann werden sie viele Gründe für die Glaubwürdigkeit eines jeden häretischen Lehrers beibringen, wie dieselben ihre Lehren aufs höchste bekräftigt haben, daß sie Tote erweckt, Bresthafte wiederhergestellt, die Zukunft vorausgesagt haben, weshalb man sie mit Recht für Apostel gehalten habe (es gibt doch auch in der Menschenmachwerkskirche gute Menschen, wie etwa Mutter Theresa. Wie viel Gutes hat allein sie getan. Ist nicht schon wie ein Wunder für sich? Was macht es da schon, wenn sie einmal öffentlich Buddha angebetet hat. Übrigens gibt es auch in der Neuen Messe eucharistische Wunder, oder in Medjugorje, da kann das Ganze doch nicht gar so schlecht sein). Als ob nicht auch das geschrieben stände, daß viele auftreten würden, welche sehr große Wunder sehen lassen, um den Trug ihrer falschen Predigt zu verdecken. So werden sie Vergebung verdienen. – Diejenigen aber, welche eingedenk der Ankündigungen des Herrn und der Apostel bei dem vollen wahren Glauben geblieben sind, die werden vermutlich in Betreff ihres Heiles gefährdet sein (wie schwer ist es, so ganz in der Diaspora zu leben, inmitten dieser ganz und gar neuheidnischen Welt, ohne Schaden am eigenen Glauben zu erleiden), und der Herr wird ihnen antworten: Ich hatte allerdings vorhergesagt, daß Lehrer des Truges unter meinem Namen und auch unter den Namen der Propheten und Apostel auftreten würden; ich hatte auch meinen Schülern anbefohlen, euch dasselbe zu verkündigen, ich hatte das Evangelium und eine Lehre von ein und derselben Regel zwar ein- für allemal meinen Aposteln übergeben – allein, da ihr nicht daran glaubtet, so habe ich es nachher vorgezogen, einiges daran zu ändern. Ich hatte auch die Auferstehung des Fleisches versprochen; allein ich habe mir überlegt, daß ich das nicht würde halten können. Ich hatte mich als von einer Jungfrau geboren ausgegeben; allein später schien mir das doch unehrbar. Ich hatte den, der Sonnenschein und Regen hervorbringt, meinen Vater genannt; allein es fand sich ein anderer besserer Vater, der mich adoptierte. Ich hatte euch auch verboten, den Häretikern euer Ohr zu leihen; allein ich habe mich geirrt (diese Worte kommen einem wie ein Stenogramm der neuen „Kirche“ vor). Solche Gedanken können die hegen, welche das rechte Geleise verlassen und die dem wahren Glauben drohenden Gefahren nicht meiden.

Damit ist nun unsere allgemeine Verhandlung gegen sämtliche Häresien dahin erledigt, daß sie von jedem Eigentumsanspruch auf die Hl. Schrift durch zuverlässige, gerechte und notwendige Prozeßeinreden zurückzuweisen sind. In der Folge werden wir, wenn die Gnade Gottes es zuläßt, einigen auch noch speziell antworten. [Mit den rechtgläubigen Lesern dieser Schrift sei der Friede und die Gnade unseres Herrn Jesu Christi in Ewigkeit!]