Nachtrag zum Vatertag

Unlängst haben wir ein Gespräch belauscht zwischen einem "Traditionalisten" und einem "Sedisvakantisten" über heilige und unheilige Väter, das wir im folgenden protokollieren wollen.

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Was soll dieser ganze Streit um „Sedisvakantismus“ hin oder her? Dabei geht es schließlich nicht um einen Glaubenssatz. Gott wird uns dereinst nicht fragen, ob der Stuhl Petri leer war oder nicht, sondern ob wir den Glauben bewahrt haben. Ansonsten mag jeder seine eigene Meinung zu diesem Thema haben. Solange er sie nicht fanatisch wie ein Dogma vor sich herträgt und anderen aufzuzwingen sucht, ist es in Ordnung. Ich persönlich bleibe dabei, daß wir einen Papst haben, aber einen schlechten, dem man überall da Widerstand leisten muß, wo er den Ökumenismus und all die falschen Reformen des Konzils lehrt und durchsetzen will.

Du bist also überzeugt, daß wir einen Papst haben? - Ja. Auch wenn ich ganz und gar nicht einverstanden bin mit vielem, was er sagt und tut. Aber er ist doch der Papst. So wie ein schlechter Vater trotzdem der Vater bleibt.

Aber worin erweist sich denn der Papst als unser Vater? Er ist ja nicht unser biologischer Vater. Er müßte eigentlich unser Vater im Glauben sein, oder nicht? - Schon. Aber auch, wenn er darin versagt, so haben wir doch nicht das Recht und die Macht, ihn einfach für abgesetzt zu erklären.

Du meinst also, daß auch ein Häretiker immer noch Papst sein kann? - Ja. Außerdem ist gar nicht sicher, daß die konziliaren Päpste wirklich Häretiker sind, formelle Häretiker meine ich, ob man wirklich von formellen Häresien sprechen kann und ob sie überhaupt schuldhaft irren. Schließlich sind sie ja von der Veränderlichkeit der Wahrheit überzeugt.

Gut, dann versuchen wir, die Sache einmal zu klären. Woher, meinst du, haben wir unseren Glauben? - Von Jesus Christus und den Aposteln, weitergegeben durch die Tradition und die Heilige Schrift. - Richtig. Aber wer bewahrt die Tradition und die Heilige Schrift auf und gibt sie unfehlbar an uns weiter? - Die Kirche. - Abermals richtig. Aber noch etwas genauer: Wer in der Kirche? - Das Lehramt. - Und wer ist das? - Papst und Bischöfe. - Genau. Allerdings müßte man präziser sagen: Der Papst und die mit ihm vereinten Bischöfe. Der Papst verfügt über die persönliche Unfehlbarkeit, während die Bischöfe nur in Gemeinschaft untereinander und mit ihm unfehlbar sind. D.h. daß es beispielsweise nicht möglich ist, daß ein Bischof allein oder gegen den Papst unfehlbar sein kann. - Das ist doch klar! - Offensichtlich nicht so ganz. Denn immer wieder hört man in „Traditionalisten“-Kreisen solche Auffassungen, daß die Unfehlbarkeit der Kirche wenigstens vorübergehend auf einen einzelnen Bischof (und seine Gefolgschaft) übergehen kann und so etwas auch schon vorgekommen ist, z.B. beim heiligen Athanasius. - So ein Quatsch! - Sollte man meinen. Aber nichts ist unsinnig genug, um nicht von irgendwem behauptet zu werden.

Wir bleiben also dabei, daß es der Papst und die mit ihm vereinten Bischöfe sind, denen wir den Glauben verdanken, oder? - So ist es. - Dann ist die Frage aber vielleicht doch nicht ganz so unwichtig, ob wir es bei den konziliaren Päpsten mit wahren Päpsten zu tun haben oder nicht. Denn wenn unser Glaube letztlich vom Papst abhängt und unsere ewige Seligkeit vom Glauben, dann ist das doch eine Sache, die wir nicht einfach beliebigen Meinungen überlassen können, oder was meinst du? - Hmmmmm....

Fragen wir uns also ganz einfach: Geben uns diese Päpste den Glauben oder erhalten oder bestärken sie uns darin? Haben wir unseren Glauben den konziliaren Päpsten zu verdanken? Kann ein Häretiker, auch wenn er vielleicht kein formeller ist oder weniger schuldhaft, uns überhaupt den Glauben geben? Ist also der gegenwärtige „Papst“ wirklich unser Vater im Glauben, unser „Heiliger Vater“? Ist er wirklich unser Glaubenslehrer oder vielmehr ein Glaubenszerstörer? - Manchmal sagt er auch Dinge, die gut sind. - Das tut der Teufel auch. Nochmal ganz konkret: Ist er derjenige, von dem du den Glauben empfängst, ist er DEIN Papst, DEIN Heiliger Vater? - Das ist doch völlig subjektiv. Er ist der Papst, und ich habe nicht das Recht, über ihn zu urteilen.

Du mußt aber urteilen. Zwar nicht öffentlich und rechtsverbindlich, aber für dich. Du mußt urteilen, ob es DEIN Papst ist oder nicht. Denn wenn er dein Papst ist, dann mußt du ihm folgen und gehorchen und kannst dich nicht einfach widersetzen, ohne damit schwer zu sündigen. - Gar nicht wahr. Unbedingten Gehorsam ist man nur Gott schuldig. Der Papst ist trotz allem nur eine menschliche Autorität, und so kann es manchmal nötig sein, Gott mehr zu gehorchen als ihm. - Schön gesagt. Das kann sicherlich bei manchen päpstlichen Befehlen zutreffen. Aber kann es auch dann der Fall sein, wenn er sein eigentliches Lehramt ausübt, wenn er z.B. eine Enzyklika schreibt? - Das kommt darauf an. Wenn er unfehlbar spricht in Ausübung seines außerordentlichen Lehramts, dann natürlich nicht. Aber das ist ja nur ganz selten der Fall. Das meiste ist nicht unfehlbar, wie übrigens auch das Konzil nicht unfehlbar war, weil es ja nur „pastoral“ sein wollte.

Du meinst also, um vom Papst den Glauben zu empfangen, genügt es, daß er hie und da einmal, in ganz seltenen Fällen unfehlbar spricht? Und im übrigen? Woher haben wir all das übrige? Würde es denn genügen, wenn etwa ein Lehrer in der Schule den Schülern so ungefähr jedes Schuljahr einmal einen Satz sagt und sie ansonsten sich selbst überließe? - Dafür haben wir schließlich die Tradition. - Wir haben unseren Glauben also von der Tradition. Aber waren wir nicht übereingekommen, daß wir ihn vom kirchlichen Lehramt haben, das die Tradition bewahrt, auslegt und uns übergibt? - Das sind doch Haarspaltereien! - Keineswegs. Wir haben festgestellt, daß wir nur dann den wahren Glauben haben, wenn wir ihn von der Kirche beziehen, und d.h. vom Lehramt, dem Papst und den mit ihm vereinten Bischöfen. Wenn wir ihn anderswo her beziehen, und sei es aus der Heiligen Schrift oder der Tradition, ist es nicht der gleiche Glaube. - Unsinn! Ihr Sedisvakantisten habt ja auch nur die Heilige Schrift und die Tradition und behauptet trotzdem, den wahren Glauben zu haben!

Wenn das kirchliche Lehramt ausfällt, bleibt mir auch gar nichts anderes übrig, als mich an die entfernte Norm meines Glaubens, Schrift und Tradition, zu halten. Aber wenn das Lehramt vorhanden ist, muß es auch die nächste Norm meines Glaubens sein. Du sagst, die konziliaren Päpste sind deine Päpste, sie sind das Lehramt. Sind sie also auch die Norm deines Glaubens? - Papperlapapp. Ich halte mich an das, was die Tradition sagt, was immer und überall gelehrt worden ist, wie der heilige Vinzenz von Lerins sagt. Das kann nicht falsch sein. - Und wenn dein Papst etwas anderes sagt? - Dann hat er eben Unrecht und ich folge ihm nicht. - Du folgst also der Tradition und nicht deinem Papst. Damit bist du zurecht „Traditionalist“ und kein Katholik mehr. Du bist damit auf dem Weg der Protestanten, nur daß diese der Heiligen Schrift folgen und nicht der Tradition. Aber auch sie stellen die entfernte Norm des Glaubens über das kirchliche Lehramt. - So ein Blödsinn! Ich folge nur dem heiligen Paulus, der dem heiligen Petrus ins Angesicht hinein widerstanden hat und im übrigen gesagt hat: Und wenn selbst ich oder ein Engel des Himmels käme und euch ein anderes Evangelium verkünden würde als ihr empfangen habt, so sei er im Banne!

Sehr richtig! Er sagt: er sei im Banne! Er sagt nicht: dann paßt auf, was ihr annehmt von dem, was er sagt, und was nicht. Er sagt: Er sei im Banne! Eben das gilt für uns: Diese konziliaren Päpste und Bischöfe, die uns modernistische Irrlehren verkünden statt der wahren Lehre, sie seien im Banne! Sie sind nicht unsere Päpste und Bischöfe, und wir folgen ihnen nicht. - Aber der heilige Paulus hat den heiligen Petrus nicht für abgesetzt erklärt, obwohl er ihm „ins Angesicht hinein“ widerstanden hat. Und Honorius, Liberius und wie sie alle heißen wurden auch trotz all ihrer Irrlehren weiterhin als Päpste betrachtet und behandelt. - Keiner dieser Päpste, am allerwenigsten der heilige Petrus, hat je in Ausübung seines Amtes Irrlehren verkündet wie es die konziliaren Päpste tun. - Doch, haben sie wohl. Der heilige Athanasius ist gegen Liberius aufgestanden, und Honorius wurde später sogar von einem Konzil verurteilt und exkommuniziert. - Findest du es nicht merkwürdig, daß dies genau die Argumente der Unfehlbarkeitsgegner im 19. Jahrhundert waren? Sie wurden von den katholischen Historikern und Theologen genauestens widerlegt und von Pius IX. und dem (I.) Vatikanum zurückgewiesen. Also, ich hätte damit Probleme, wenn ich die Argumente von Gallikanern und Altkatholiken, von Häretikern und Schismatikern brauchen würde, um meine Position zu verteidigen. - Das ist doch ganz etwas anderes. Wir haben heute eine ganz andere Situation. Außerdem wird man zugeben müssen, daß es gerade im Gefolge des I. Vatikanums weithin zu einer Übertreibung der päpstlichen Unfehlbarkeit gekommen ist.

Du meinst also, man könne es mit der Unfehlbarkeit des Papstes übertreiben? - Ja, sicher. Und das ist auch der gemeinsame Fehler von Sedisvakantisten und solchen Gemeinschaften wie der Petrusbruderschaft. Sie meinen, der Papst ist immer und in allem, was er sagt und tut, unfehlbar. Dabei hat das I. Vatikanum die Unfehlbarkeit des Papstes genau bestimmt und begrenzt auf seine feierlichen ex cathedra-Entscheidungen, und die sind eben sehr selten. - Und ansonsten ist er fehlbar wie jeder andere Mensch? - Ja. - Und was ist etwa mit Heiligsprechungen? - Das ist noch ungeklärt. Aber wahrscheinlich ist er da auch nicht unfehlbar. - Hmm. Also allmählich frage ich mich, wieso wir so einen Papst überhaupt noch brauchen, der nur hie und da gleichsam als „Sahnetupfer“ eine unfehlbare Entscheidung auf den Kuchen geben darf (wie es ein bekannter „Traditionalist“ vor nicht allzu langem einmal ins Bild brachte). Wäre der Kuchen ohne Sahne nicht viel gesünder und bekömmlicher? Damit wäre ja der gegenwärtige Zustand gar nicht so schlimm... Eines ist jedenfalls klar: die Stellung des Papstes auf diese Weise zu minimalisieren und ihn gewissermaßen überflüssig zu machen, ist nie die Haltung der Kirche und der katholischen Theologen gewesen. Da kannst du nachlesen, wo du willst. Außer bei Hans Küng... Und in solcher Gesellschaft möchte ich nicht unbedingt sein. - Du drehst dir alles so hin, wie du es brauchst! Tatsache ist, daß u.a. der heilige Thomas von Aquin sagt, daß man auch den kirchlichen Oberen ungehorsam sein und sie öffentlich zurechtweisen darf, wenn es um den Glauben geht. Das ist katholisch, und nichts anderes tue ich.

Zufällig kenne ich diese Stelle beim hl. Thomas. Darin geht es gar nicht um den Gehorsam und schon gar nicht um den Glaubensgehorsam gegenüber der päpstlichen Lehrautorität. Er spricht dort von der brüderlichen Zurechtweisung, wie sie auch der heilige Paulus gegenüber dem heiligen Petrus geübt hat, als dieser durch sein persönliches Verhalten ein Ärgernis gegeben hat, das eine Gefahr für den Glauben sein konnte. Das ist ganz etwas anderes als der Widerstand gegen das Lehramt des Papstes. - Ich widersetze mich nicht dem Lehramt des Papstes! Nur dort, wo er der Tradition widerspricht... - Aha, und das weißt du natürlich immer ganz genau und entscheidest täglich, was du von dem unsagbaren Geschwätz eines Bergoglio alias Franziskus annimmst und was nicht? - Natürlich nicht! Ich habe meinen Glauben, und was dieser Papst Franziskus sagt, interessiert mich eigentlich nicht. Es sind zwar einige schöne und brauchbare Dinge darunter, aber das meiste ist der konziliare Unsinn von Ökumenismus und Religionsfreiheit.

Damit sind wir wieder am Anfang. Er ist also nicht wirklich DEIN Papst, denn du sagst, daß du den Glauben nicht von ihm hast. Was anderes sage ich auch nicht. Nur daß ich dann eben auch nicht „pro Papa nostro Francisco – für unseren Papst Franziskus“ bete, denn er ist eben nicht UNSER Papst. Er mag der Papst der konziliaren Menschenmachwerkskirche sein, der ich ihn gerne überlasse, aber es ist nicht unser Papst, der Papst der Katholiken. - Und wo ist dann EUER Papst? - Wir haben eben im Moment keinen. - Ha! Also bist du doch Sedisvakantist! - Wenn du so willst. Ich betrachte mich als einen Katholiken, der seinen Heiligen Vater liebt, weil er eben der Heilige Vater ist. Und das nicht wegen eines heiligmäßigen Lebenswandels – so schön das wäre –, sondern wegen der Heiligkeit und Unfehlbarkeit seiner Lehre. Darum kann ich diese „unheiligen Väter“ nicht lieben – es sei denn als Menschen und Sünder wie alle anderen auch –, sondern halte dem wahren Heiligen Vater die Treue, bis wir wieder einen solchen haben. Wie ein Kind, das seinem im Krieg verschollenen geliebten Vater die Treue hält, bis er wiederkommt. Und er wird eines Tages wiederkommen, das ist gewiß. Und dann wird offenbar werden, wer seine treuen Kinder sind oder wer sich durch falsche und schlechte Stiefväter hat verführen lassen.