Liturgische Metamorphose - 4. Teil

Was bisher geschehen ist: Nach den liturgischen Reformen des heiligen Papstes Pius X. geriet das Anliegen weiterer Reformen in die Hände der "Liturgischen Bewegung", welche unter liturgischer Reform eine völlige Änderung der Liturgie und ihres Wesens verstand, ganz zeitgeistgemäß weg von Gott und hin zum Menschen. In den 1930er und 1940er Jahren konnten diese neuen und falschen Ideen bis Rom vordringen. Papst Pius XII. setzte im Jahr 1948 eine eigene römische Kommission für liturgische Reformen ein mit dem Lazaristenpater und Freimaurer Annibale Bugnini als Sekretär. Damit hatte er den Bock zum Gärtner gemacht, denn Bugnini ging als Vater der "Neuen Messe" in die Geschichte ein. Er machte sich auch gleich ans große alchimistische Werk der Transformation, welche aus der römischen heiligen Liturgie die Menschenmachwerks-Pseudoliturgie der "konziliaren Kirche" hervorbringen sollte. Erste Etappen waren die "experimentelle Osternacht" vom Jahr 1951, die "Neuordnung der Karwoche" 1955 und die neuen Rubriken 1957 und 1958. Nach dem Tod Pius' XII. setzte die Kommission ihre Tätigkeit fort, was zu den liturgischen Büchern Johannes' XXIII. von 1962 führte, darunter das erste Missale des Annibale Bugnini. Dieser war auch Sekretär der Vorbereitenden Liturgischen Konzilskommission für das "II. Vatikanum" und war auf diese Weise maßgeblich an der Erstellung des Schemas über die Liturgie beteiligt, welches als erstes auf dem "Konzil" behandelt und verabschiedet wurde. Darin erhielten die falschen, hoministischen und freimaurerischen Prinzipien, nach welchen die Liturgie umgewandelt werden sollte, gewissermaßen den "höchstkirchlichen" Segen. Hatte Johannes XXIII. Bugnini schließlich noch vor dem Konzil "in die Wüste geschickt", so holte ihn Paul VI. sogleich zurück und betraute ihn noch im Jahr 1964 als Sekretär des „Rates zur Durchführung der Konstitution über die heilige Liturgie“ mit der möglichst raschen Umsetzung der Liturgiekonstitution "Sacrosanctum Concilium". Der große Meister ging auch gleich ans Werk, und so treten wir in die letzte und entscheidende Phase der liturgischen Metamorphose, der finalen Umwandlung.

Die Übergangs-Liturgie

Drei mal zwei: Drei Bände und Zweiteilung

Das erste Stadium dieser finalen Umwandlung war das Missale von 1965. Am 6. Juni 1965 erschien dessen erster Band (eigentlich Band III) für die deutschen und Schweizer Diözesen, am 25. September der eigentliche I. Band und an Weihnachten, dem 25. Dezember, schließlich der II. Band. Es mag etwas verblüffen, wieso das neue Missale dreibändig erschien, wohingegen bislang alle Missale bequem in einem Buch Platz hatten (und oftmals sogar nicht einmal einem besonders großen Buch; sogar Taschenausgaben waren möglich).

Eigentlich erschien das 65er Missale nicht nur dreibändig, sondern sogar sechsbändig, und der Grund dafür ist dieser: Erstens war das neue Missale zweisprachig angelegt, und das heißt es waren fast alle Texte und Gesänge (den Meßkanon allein ausgenommen) doppelt bzw. zweispaltig vorhanden, in Latein und Deutsch in einer „Einheitsübersetzung“, wobei die Übersetzungen der Orationen „neu erarbeitet“ wurden, während die anderen „dem gemeinsamen Meßantiphonar der Meßbücher von Schott und Bomm entnommen“ wurden. Das „Volksmeßbuch“, der „Schott“, war also nun auch auf dem Altar angelangt. Gleichzeitig wurde erstmals die vom „heiligen Konzil“ entdeckte „Zweigestaltigkeit“ der Messe auch im Missale verwirklicht, denn fortan lag dieses zweigeteilt vor als „Altarmeßbuch“, welches nur die am (Volks-)„Altar“ zu betenden Texte enthielt, und als „Lektionar“, welches vor allem Epistel, Zwischengesänge und Evangelium umfaßte und für den Wortgottesdienst am Ambo bestimmt war; letzteres enthielt die Texte denn auch nur noch in der Volkssprache.

Dem ersten Band des Altarmeßbuchs waren folgende Hinweise beigefügt: „Das Buch enthält alle Missaletexte mit Ausnahme der Perikopen. Diese sind mit Bedacht nicht aufgenommen worden; denn das Gotteswort wird an einem eigenen Ort (dem Ambo) aus einem eigenen Buch (dem Lektionar) verkündet, außerdem würde das Buch, das den lateinischen und deutschen Text bietet, zu umfangreich werden. Das Altarmeßbuch bietet in erster Linie die Amtsgebete des Priesters. … Die Übersetzung nimmt darauf Bedacht, daß die Gemeinde hörend sich das Gebet aneignen kann. Ferner enthält das Buch die Gesangstexte, damit sie beim Fehlen einer Schola vom Vorbeter oder ersatzweise (!) vom Priester vorgetragen werden können; ebenso soll damit einstweilen dem Priester gedient werden, wenn das Volk statt der liturgischen Texte Paraphrasen und Lieder singt.“

Freigelegtes Fresko?

Es ist vielleicht interessant, in diesem Zusammenhang die Zeilen eines Zeitzeugen und Konzilsvaters zu lesen, welcher schreibt: „Es ist klar, daß der erste Teil der Messe, der geschaffen ist, die Gläubigen zu belehren und sie ihren Glauben ausdrücken zu lassen, diese Ziele in einer deutlicheren und in gewissem Ausmaß verständlicheren Weise erreichen mußte. Nach meiner bescheidenen Ansicht schienen zwei Reformen in diesem Sinne nützlich, erstens die Riten dieses ersten Teils und einige Übersetzungen in die Landessprache.“ Er fährt fort: „Das hätte dadurch zu geschehen, daß sich der Priester den Gläubigen nähert, mit ihnen in Verbindung steht, betet und singt, daß er sich also am Lesepult aufhält, daß er die Epistel und das Evangelium in ihrer Sprache verliest und mit den Gläubigen die himmlischen, traditionellen Weisen des Kyrie, des Gloria und des Credo singt. All das wären glückliche Reformen, die diesen Teil der Messe seinen wahrhaften Zweck wiederfinden lassen.“

Auch dieser Zeitzeuge war also durchaus der Auffassung, daß sich in die Liturgie einiges „eingeschlichen“ habe, „was der inneren Wesensart der Liturgie weniger entspricht oder ... sich als weniger geeignet herausgestellt“ hat, weshalb denn „der eigentliche Sinn der einzelnen Teile und ihr wechselseitiger Zusammenhang deutlicher hervortreten und die fromme und tätige Teilnahme (!) der Gläubigen erleichtert“ werden müßten. Denn nach seiner Meinung hatte ja die Vormesse ihren „wahrhaften Zweck“ verloren, indem sie, ursprünglich geschaffen, um „die Gläubigen zu belehren und sie ihren Glauben ausdrücken zu lassen“, allmählich zur vom Priester am Altar vollzogenen Gottesverehrung wurde. Wir haben bereits oben Dr. Haberl zitiert, der uns daran erinnert, daß der erste Zweck „auch beim Lesegottesdienst die »gloria Dei«“ ist, „während die »aedificatio fidelium«, die Erbauung der Gläubigen, nur eine Folge der gloria Dei sein kann“. Dies ergibt sich eben notwendig daraus, daß die Kirche diesen Teil der Messe immer so behandelt hat. Denn wäre „die religiöse Belehrung und Unterweisung der einzige Zweck des Lesegottesdienstes, dann hätte die Kirche schon längst hierfür die Landessprache einführen müssen“! Der Heilige Geist wußte eben besser, welchen Sinn die einzelnen Teile der Liturgie haben, als das „Heilige Konzil“.

Wir sehen, wie sehr dieser Sinn für die Inspiration der römischen Liturgie auch bei unserem Zeitzeugen und Konzilsvater bereits verlorengegangen war, was uns umso mehr erstaunt, wenn wir erfahren, daß es sich bei ihm um keinen anderen als Erzbischof Marcel Lefebvre handelt, den späteren „Retter der Heiligen Messe“, der die zitierten Zeilen am Pfingstfest, dem 6. Juni 1965, also dem Datum der Herausgabe des zweiten Bugninischen Missale, an die Mitglieder der Kongregation vom Heiligen Geist schrieb, deren Generaloberer er damals war. Was uns dann nicht mehr wundert, ist, daß er denn auch das Missale von 1965 in den ersten Jahren von Ecône anstandslos weiter verwendete, bis durch Druck der Seminaristen eine Rückkehr zur „vorkonziliaren“ Liturgie von 1962 vollzogen wurde.

Den „Novus Ordo“ lehnte Erzbischof Lefebvre jedoch stets ab, wie wir der Gerechtigkeit halber gleich hinzufügen wollen, und fand sich darin in wundersamer Geistesgemeinschaft mit einem jungen Konzilstheologen und Peritus eines Konzilsvaters, der später noch eine großartige Karriere in der Kirche machen sollte. Dieser zeigte sich ebenfalls begeistert über die Neuerungen des „Heiligen Konzils“ und verglich die Liturgie „in mancher Hinsicht“ mit einem „Fresko“, „das zwar unversehrt bewahrt, aber von einer späteren Übertünchung fast verdeckt war: Im Meßbuch, nach dem der Priester sie feierte, war ihre von den Ursprüngen her gewachsene Gestalt ganz gegenwärtig, aber für die Gläubigen war sie weithin unter privaten Gebetsanleitungen und -formen verborgen. Durch die Liturgische Bewegung und durch das Zweite Vatikanische Konzil wurde das Fresko freigelegt, und einen Augenblick waren wir fasziniert von der Schönheit seiner Farben und Figuren.“ Dann aber sei es „durch klimatische Bedingungen wie auch durch mancherlei Restaurationen oder Rekonstruktionen gefährdet“ worden und drohte „zerstört zu werden“. In ihrer „vollständigen Durchführung“ sei die Liturgiereform „keine Neubelebung, sondern eine Verwüstung“ gewesen, schrieb derselbe Theologe später als Kardinal, und meinte gar, daß „die Kirchenkrise, die wir heute erleben, weitgehend auf dem Zerfall der Liturgie beruht“ (zitiert nach Mattei, a.a.O. S. 641).

Der Name dieses Theologen ist Joseph Ratzinger, und auch er war ein Befürworter der konziliaren Reformen und des Missale von 1965, während ihm der „Novus Ordo“ dann zu weit ging. Auch er war bekanntlich nicht glücklich über die nachfolgenden Reformen und Einführungen wie den „Volksaltar“, wenngleich er sie nicht radikal ablehnte wie Erzbischof Lefebvre, sondern brav mitmachte (und damit seine Karriere ermöglichte). Wir verstehen jedoch, warum er stets gewisse Sympathien für die „Traditionalisten“ bewahrte und sie als Verbündete für seine „Reform der Reform“ gewinnen wollte, worunter er im wesentlichen nichts anderes verstand als die Rückkehr zu Bugninis zweitem Missale von 1965.

Der Teufel steckt in den Rubriken

Welche „konziliaren“ Neuerungen waren nun in diesem Missale verwirklicht außer der Zweiteilung der Messe in den am Lesepult zu vollziehendem Wortgottesdienst und die „Eucharistiefeier“ am Altar sowie der Einführung der Landessprache in alle ihre Teile außer dem Kanon (vorläufig wenigstens)?

Erhalten blieben der liturgische Kalender sowie die Meßtexte und der grundsätzliche Ablauf der Messe. Ersatzlos gestrichen wurden der Psalm „Judica“ des Stufengebetes und das Schlußevangelium. Die Messe beginnt also nun, wie es zuvor nur beim Requiem und in der Passionszeit der Fall war, mit dem Confiteor unter Auslassung von Psalm 42, wobei eben nunmehr auch alles in der Landessprache gebetet werden kann und natürlich laut, im Wechsel mit dem Volk. Die eigentlichen Änderungen jedoch stecken in den Rubriken, die interessanterweise weiterhin nur in lateinischer Sprache gehalten sind.

So heißt es gleich in Nr. 5 der Rubriken: „Omnes supradictae preces, non autem osculum altaris, omittuntur, quoties alia actio liturgica immediate praecessit“ - „Alle obengenannten Gebete [das um den Psalm 42 reduzierte ehemalige Stufengebet], nicht aber der Altarkuß, entfallen, sooft eine andere liturgische Handlung [z.B. Prozession oder Weihe] unmittelbar vorangeht.“ Das kannten wir schon von der 1962er Liturgie bzw. erstmals von der Karwochenreform Bugninis, nur daß es jetzt zur eigenen Rubrik wird.

In Missis in cantu et in Missis lectis cum populo celebratis, post osculum altaris aut ipsius incensationem, celebrans ad sedem accedit, nisi, iuxta cuiusque ecclesiae dispositionem, aptius videatur ut ad altare maneat usque ad orationem inclusive.“ - „Bei gesungenen Messen und mit dem Volk gefeierten gelesenen Messen begibt sich der Zelebrant nach dem Altarkuß zur Sedilie, wenn es nicht entsprechend der baulichen Verhältnisse der jeweiligen Kirche angebrachter erscheint, daß er bis zum Tagesgebet einschließlich am Altar verbleibt“ (Nr. 7). Wir sehen hier erstmals die in die Meßrubriken aufgenommene Unterscheidung von Messen mit und ohne Volk. Bei den mit Volk gefeierten also hat sich der Zelebrant, wenn dem nicht die baulichen Verhältnisse entgegenstehen, nach der Altarreverenz an die Sedilien zu begeben – wie wir es erstmals in der Karfreitagsliturgie von 1955 finden und wie es im „Novus Ordo“ gang und gäbe ist. Der Altar verliert damit seine für die Messe zentrale Stellung, die Verbindung von Priester und Altar wird gelöst, der „Wortgottesdienst“ wird von der eigentlichen Liturgie losgetrennt und zur Volksbelehrung und -betätigung.

Es folgt der Introitus, wobei die Antiphon, „wenn sie von der Schola oder dem Volk gesungen oder rezititert wird, vom Zelebranten nicht privat gebetet wird“. Nur falls Schola oder Volk nichts dergleichen tun, „liest sie der Zelebrant“. „Antiphona ad introitum, si a schola vel a populo cantatur vel recitatur, a celebrante privatim non dicitur; secus celebrans eam legit“ (Nr. 8). Dasselbe gilt dann auch für Kyrie und Gloria, wobei hier immerhin der Zelebrant diese auch zusammen mit Volk oder Schola singen oder rezitieren darf („potest tamen illud una cum populo vel schola cantare vel recitare“, Nr. 9). Diese Rubriken wiederholen sich jeweils für die Antiphonen des Offertoriums und der Communio sowie für das Credo und die übrigen Ordinariums-Gesänge (Sanctus-Benedictus, Agnus Dei).

Träger der Liturgie wird also eindeutig das Volk, der Zelebrant hat hierbei „privat“ nichts zu tun, er darf höchstens als Teil der Gemeinde mitfeiern und mitsingen. Da haben wir bereits die volle Verwirklichung des „allgemeinen Priestertums“ der Gläubigen. Erst zum Tagesgebet ist dann der Zelebrant wieder gefragt. „Deinde, versus ad populum, dicit: Dominus vobiscum. … Postea dicit: Oremus. Et orationes iuxta rubricas.“ „Dann, zum Volk gewandt, spricht er: Der Herr sei mit euch. … Danach spricht er: Lasset uns beten. Und die Gebete nach den Rubriken“ (Nr. 12). Die Oration erfolgt also „versus populum“, zum Volke hin – natürlich, denn dieses soll ja angesprochen werden und nicht mehr Gott. Ob das Volk die ausgesprochenen Bitten dann auch gewähren wird?

Belehrung und Nutzen des Volkes

Auch Lesung, Evangelium und Zwischengesänge haben bei den „Messen mit Volk“ selbstverständlich „versus populum“, zum Volke hin zu erfolgen. Sofern sie nicht im feierlichen Amt von den Leviten vorgetragen werden, sind für die Lesung nach Möglichkeit Lektoren oder Ministranten, für die Zwischengesänge Kantoren oder ebenfalls die Lektoren oder Ministranen, für das Evangelium ein Diakon oder zweiter Priester einzusetzen. (Die Messe ist eben eine Gemeinschaftsfeier geworden, mit „frommer und tätiger Teilnahme der Gläubigen“). Nur wenn gar niemand sonst zur Verfügung ist, macht es der Zelebrant selbst, aber selbstverständlich „versus populum“, und das selbst dann, wenn er aus irgendwelchen Gründen die Texte am Altar verliest (was ihm unter bestimmten Umständen immerhin noch zugestanden wird). Das findet sich in den Rubriken Nr. 13 und 14. Nur wenn der Priester „privatim“ die Messe feiert, bleibt alles noch beim Alten (Nr. 15).

Nach dem Evangelium, so heißt es in Rubrik Nr. 17, hält der Zelebrant an der Sedilie oder am Altar, am Ambo oder der Kanzel seine Predigt, „si facienda est“ - „wenn eine zu halten ist“, und stimmt dann an der Sedilie oder am Altar das Credo an, welches er wie üblich nicht „privatim“ betet, wenn es von Volk oder Schola rezitiert oder gesungen wird; aber mitsingen oder -beten darf er wieder. „Post Evanglium, celebrans, ad sedem aut ad altare, vel in ambone aut ad cancellos, homiliam, si facienda est, habet, eaque finita, ad sedem vel ad altare, inchoat, si dicendum est, Credo …, quod, si a populo vel a schola cantatur vel recitatur, privatim non dicit; potest tamen illud una cum populo vel schola cantare vel recitare.“ Die Predigt gehört damit nun per Rubrik als Bestandteil zur hl. Messe, wie es das „Heilige Konzil“ festgelegt hat, denn schließlich ist die Belehrung und der Nutzen des Volkes ein vorrangiges Ziel vor allem des „Wortgottesdienstes“. Wir dürfen noch einmal wiederholen, daß bis dato die Predigt kein Teil der hl. Messe war und deshalb in früheren Zeiten oft überhaupt außerhalb der Messe stattfand. Die Messe war, auch das wiederholen wir noch einmal, Gottesverehrung und nicht Belehrung des Volkes.

An die Predigt schließt sich nun die neu eingeführte „oratio communis seu fidelium“, vulgo „Fürbitten“ genannt, welche der Zelebrant von seinem Sitz oder dem Altar, dem Ambo oder der Kanzel aus „moderiert“: „Deinde, iuxta cuiusvis loci consuetudinem, fit oratio communis seu fidelium, quam celebrans aut ad sedem aut ex altari aut in ambone vel ad cancellos moderatur“ (Nr. 18). Auch hier erfüllt somit der Ritus treu die Vorgaben des „heiligen Konzils“, „damit unter Teilnahme des Volkes (!) Fürbitten gehalten werden“, denn schließlich ist ja das ganze Volk Liturge und hat deswegen auch mitzureden. Die Ergebnisse kennen wir zur Genüge, wenn etwa die Frau Pastoralreferentin mit grauem Kurzhaarschnitt und Batiktuch an den Ambo tritt, um ebenso sozial wie pädagogisch und politisch korrekt „fürzubitten“: „Guter Gott, du hast die Güter der Erde allen Menschen geschenkt; gib, daß wir lernen, sie gerecht und geschwisterlich zu teilen.“ Was das noch mit Liturgie zu tun hat?

Zweiter Teil der Feier am Altar

Danach begibt sich der Zelebrant zum Altar und liest oder betet die Offertoriums-Antiphon nicht, wenn sie vom Volk oder Schola gesungen oder gebetet wird – wie gehabt. Es folgt die Opferung ausschließlich auf Latein, die im wesentlichen unverändert geblieben ist bis zum „Orate fratres“ - außer daß sie nicht mehr leise gebetet werden muß. Das „Orate fratres“ ist ausdrücklich „congrua voce“ - „mit angemessener Stimme“ zu sprechen, was immer man sich darunter vorstellen soll, denn darauf ist dann von dem Ministranten oder den Umstehenden mit dem „Suscipiat“ zu antworten („Minister seu circumstantes respondent“, Nr. 29). Die Sekret endlich wird nun gesungen oder „clara voce“ gesprochen, statt wie bisher leise und unhörbar gebetet, denn schließlich sollen alle etwas davon haben, nicht nur Gott allein. Das „Orate fratres“ und „Suscipiat“ kann auch, wenigstens in den Schweizer Diözesen, bereits deutsch gebetet werden, „daß die Gemeinde hörend sich das Gebet aneignen kann“, wie es oben so schön hieß.

Die Präfationen sind ebenfalls wieder zweisprachig vorhanden, mit den inzwischen sattsam bekannten pseudo-gregorianischen Melodien für die „feierliche“ deutsche Version. Der Meßkanon bleibt unverändert, leise und in Latein, mit allen üblichen Rubriken, freilich mit dem vom „seligen“ Johannes XXIII. eingeschobenen hl. Joseph im „Communicantes“. Neu ist nur, daß das gesamte „Per ipsum et cum ipso et in ipso...“, mit welchem der Kanon schließt, nunmehr laut zu singen oder zu sprechen ist und nicht nur der Schluß „per omnia saecula saeculorum“.

Von da an kann es ad libitum dann wieder in Deutsch weitergehen, wobei das „Vater unser“ noch in der alten Version mit „der du bist im Himmel“, „also auch auf Erden“, „erlöse uns von dem Übel“ usw. enthalten ist. Die neue Version wurde später per Zettel nachgereicht, wie so vieles andere auch, wie wir noch sehen werden. Natürlich ist das „Libera nos“ von nun an ebenfalls laut zu singen oder zu sprechen, was das Meßbuch um einige weitere Seiten umfangreicher macht, um sämtliche Möglichkeiten vor allem der zu singenden Versionen in beiden Sprachen abzudecken.

Das „Agnus Dei“ ist vom Zelebranten laut zu beten, wenn es nicht von Volk oder Schola gebetet oder gesungen wird, wobei, wir kennen das schon, der Zelebrant es dann „privatim“ nicht beten muß, aber mitbeten oder -singen darf. Es folgt die Priesterkommunion in der gewohnten Weise. Daran schließt sich, erstmals als in den Rubriken festgehaltener Teil der Messe, die Kommunion der Gläubigen. Auch dies entspricht, wie wir uns erinnern, den Empfehlungen des „heiligen Konzils“. (Bis anhin war die Gläubigen-Kommunion ein in die Messe eingeschobener eigener Ritus, der durchaus auch außerhalb der Messe stattfinden konnte.) Dabei wird, um die „tätige Teilnahme“ der Gläubigen auch hier weiter zu fördern, die neue Sitte eingeführt, daß der Priester bei der Kommunionspendung nur noch die „Kurzformel“ zu sprechen hat „Corpus Christi“, oder auf Deutsch „Der Leib Christi“, worauf der Kommunikant mit „Amen“ antwortet. Bis dahin hatte der Priester über den Kommunikanten die schöne Segensformel gesprochen „Corpus Domini nostri Jesu Christi custodiat animam tuam in vitam aeternam“ - „Der Leib Unseres Herrn Jesus Christus bewahre deine Seele ins ewige Leben.“ Und natürlich kam kein „Amen“ vom Kommunikanten, der stattdessen den Mund zum Kommunionempfang öffnete. Wie soll man gleichzeitig sprechen und die Kommunion empfangen? Oder war hier gar schon die „Handkommunion“ vorgedacht? Jedenfalls ist das „Amen“ beim Kommunionempfang bis heute eines der sichersten Merkmale, mit dem sich ein Neophyt vom „Novus Ordo“ verrät, der sich in den „außerordentlichen Ritus“ verirrt hat.

Zettelwirtschaft

Der Rest der Messe blieb unverändert bis auf die Zweisprachigkeit und die ersatzlose Streichung des Schlußevangeliums, die wir oben schon erwähnten. Doch natürlich konnte und sollte es dabei nicht bleiben. Von allem Anfang an war dieser Meß-Ritus nur als vorläufiger und Übergangs-Ritus gedacht. Er erfüllte seine Aufgabe als letzter entscheidender Schritt auf dem Weg zum „Novus Ordo“ jedoch meisterhaft. Indem er sich im liturgischen Jahr, den Texten und dem grundsätzlichen Ablauf so gut wie nicht vom 1962er Ritus unterschied, führte er doch durch die Hintertür der Rubriken die ganzen Neuerungen des „II. Vatikanums“ ein und wurde phänomenologisch betrachtet zur eigentlichen Revolution, die der „NOM“ dann nur noch unwesentlich fortführte. Denn der 1965er Ritus war es, welcher die „Hinwendung zum Volk“ brachte mit Volkssprache, Ambo und „Volksaltar“, und der die Messe zweiteilte in Wortgottesdienst und Eucharistiefeier und ihr so eine völlig neue Struktur gab und den Mittel- und Höhepunkt raubte. Die später noch hinzugefügten Neuerungen fielen demgegenüber längst nicht mehr so offensichtlich und spektakulär aus, wenngleich sie es waren, welche den Ritus dann vollständig zerstörten bzw. „transformierten“.

Wir haben oben schon die dem ersten Band des Altarmeßbuchs auf einem Blatt vom Verlag beigefügten Hinweise zitiert: „Das Buch enthält alle Missaletexte mit Ausnahme der Perikopen. Diese sind mit Bedacht nicht aufgenommen worden; denn das Gotteswort wird an einem eigenen Ort (dem Ambo) aus einem eigenen Buch (dem Lektionar) verkündet, außerdem würde das Buch, das den lateinischen und deutschen Text bietet, zu umfangreich werden. Das Altarmeßbuch bietet in erster Linie die Amtsgebete des Priesters. … Die Übersetzung nimmt darauf Bedacht, daß die Gemeinde hörend sich das Gebet aneignen kann. Ferner enthält das Buch die Gesangstexte, damit sie beim Fehlen einer Schola vom Vorbeter oder ersatzweise (!) vom Priester vorgetragen werden können; ebenso soll damit einstweilen dem Priester gedient werden, wenn das Volk statt der liturgischen Texte Paraphrasen und Lieder singt. … Bei den Votivmessen mußte aus Platz- und Zeitgründen eine Auswahl getroffen werden, die auf die tatsächlichen Bedürfnisse zugeschnitten ist.“ Die „Hinweise“ fahren fort: „Am rückwärtigen Bucheinband findet der Benutzer eine Einsteckvorrichtung. Sie ist bestimmt für den Faszikel mit den Präfationen in deutscher Sprache; dieser kann erst geliefert werden, wenn die zuständigen Bischofskonferenzen den entsprechenden Beschluß gefaßt und die Übersetzung approbiert haben und der Beschluß von Rom konfirmiert ist. Der Leinenfalz am Ende des Buches ist für Diözesanproprien und eventuelle neue Feste gedacht. In die Klarsichthüllen kann der Priester sonstige Texte einschieben, die er beim Gottesdienst benötigt, so z.B. die Fürbitten oder im Buch nicht enthaltene Meßformulare.“

Das alles zeigt nicht nur den neuen Geist dieser wahrhaft „konziliaren“ Messe, es zeigt auch die Eile, in welcher dieses Meßbuch herausgebracht wurde. Es konnte eben nicht schnell genug gehen, nun endlich, nach über 15 Jahren, zum ersehnten Ergebnis, dem Novus Ordo, zu gelangen. So konnte dieses Buch nichts sein als ein Provisorium, das schon für weitere Neuerungen und Ergänzungen dank „Einsteckvorrichtung“ und „Klarsichthüllen“ gewappnet war. Es begann die Zeit der laufend neuen liturgischen Änderungen, Erweiterungen und Anweisungen und der „Zettelwirtschaft“ an Ambo und Altar.

Meßkanon Lateinisch-Deutsch

1967 erschien der mit Datum vom 4. Oktober von den Bischöfen Döpfner (Deutschland), König (Österreich), Vonderach (Schweiz) und Lommel (Luxemburg) approbierte und am 14. November von Bugnini „konfirmierte“ Römische Meßkanon „Lateinisch-Deutsch“. Wieder ging alles in großer Eile vor sich, sodaß die Verlage bei Auslieferung des Kanon einen Zettel „zur Beachtung“ beilegten, in welchem sie darauf hinwiesen: „Der vorliegende Kanon-Faszikel mußte in kürzester Zeit hergestellt werden, da die Konfirmation des Textes in Rom erst am 14. November erfolgte“, und folgende praktische Anleitung hinzufügten: „Der hier beigefügte Tesafilm-Klebestreifen soll Ihnen das Einfügen des Faszikels in das Altarmeßbuch erleichtern. Das geschieht so: Hinter den Klarsichthüllen der 3 Bände des Altarmeßbuches befindet sich ein Leinenstreifen. An diesem soll der vorliegende Faszikel angeklebt werden, indem Sie die eine Seite des Tesafilmstreifens nach Abziehen des Schutzstreifens an der markierten Stelle des Faszikels ankleben, dann wird der zweite Schutzstreifen entfernt und die freigelegte Klebefläche an den Leinenstreifen im Altarmeßbuch angeperßt. So kann der Faszikel mit dem Buch fest verbunden werden. Für den praktischen Gebrauch erleichtern Sie sich die Handhabung, wenn Sie das letzte Zeichenband es Altarmeßbuches bei dem eingeklebten Kanon-Faszikel einlegen.“ Die Verlage kannten wohl die praktische Begabung so mancher Priester, da sie hier die Sache so detailliert beschreiben.

Weiter heißt es: „Um das Umblättern während der Konsekration zu vermeiden, mußte bei den entsprechenden Texten die lateinisch-deutsche Abfolge unterbrochen werden. Es findet sich also auf den Seiten 8 und 9 der lateinische und auf den Seiten 10 und 11 der deutsche Text der Konsekration.“ Ob das wirklich nur rein praktische Gründe hatte? Tatsache ist, daß nunmehr auch der Meßkanon als letzte Bastion des Lateinischen fiel. Und natürlich beließ man es nicht nur bei der Übersetzung, sondern nutzte die Gelegenheit, auch gleich an den Rubriken des Kanons zu schrauben. So rückte man endlich dem Herzstück der heiligen Messe zu Leibe, dem bisher – jedenfalls bis Johannes XXIII. - unantastbaren „Sancta Sanctorum“, über welches, wie wir oben schon gesehen haben, das Konzil von Trient in seiner 22. Sitzung, Kapitel 4, lehrt: „Und da Heiliges heilig verwaltet werden soll und dieses Opfer [das Meßopfer] das Heiligste von allem ist, hat die katholische Kirche, damit es würdig und ehrfürchtig dargebracht und empfangen werde, vor vielen Jahrhunderten den heiligen Kanon eingeführt, der so von allem Irrtum rein ist, daß nichts in ihm enthalten ist, das nicht in höchstem Maße den Duft einer gewissen Heiligkeit und Frömmigkeit verströmen läßt und die Gemüter derer, die es darbringen, zu Gott emporrichtet. Er besteht nämlich sowohl aus den Worten des Herrn selbst als auch aus den Überlieferungen der Apostel und ferner den frommen Einrichtungen heiliger Päpste“ (DH 1745).

Zunächst wird der Kanon seines geheimnisvollen Charakters entkleidet, welcher dem sich darin vollziehenden gewaltigen Geschehen doch so großartig angemessen war, indem er laut und nun eben auch auf Deutsch vorgetragen wird. Vorbei war es mit der „Stillmesse“, jener mystischen Kanonstille, in welche der Priester eintrat wie einst Moses in die Wolke oder wie der Hohepriester ins Allerheiligste des Tempels (heute noch bei den Orthodoxen sinnfällig dargestellt durch das Schließen der Tür in der Ikonostase). Entsprechend dieser Profanierung fallen natürlich auch die sakralen Gesten weg wie Verneigungen, Kniebeugen, Kreuzzeichen, Altarküsse...

Wider die Kreuzzeichen

So entfällt bereits die tiefe Verneigung zum „Te Igitur“, mit welcher der Priester den Kanon stets begonnen hatte. Stattdessen bleibt der Priester aufrecht und betet mit ausgebreiteten Händen („Sacerdos erectus, manibus extensis, dicit“). Darum gibt es auch keinen Altarkuß mehr, welcher sonst vor dem Aufrichten des Priesters erfolgte. Von den drei Kreuzzeichen, welche nun über die Opfergaben geschlagen worden waren bei den Worten: „et benedicas haec dona, haec munera, haec sancta sacrificia illibata“, bleibt nur ein einziges. Damit ist auch die Symbolik der Zahl Drei dahin, welche unter anderem auf die heiligste Dreifaltigkeit hinweist.

Bei dem Gebet „Quam oblationem“ unmittelbar vor der Wandlung hatte der Priester sogar fünfmal das Kreuzzeichen über die Opfergaben zu machen, dreimal über die gesamte Opfergabe und je einmal über Hostie und Kelch. Nun fallen alle fünf Kreuzzeichen weg. Es bleibt kein einziges mehr. Auch die Kreuzzeichen unmittelbar vor der Wandlung jeweils bei den Worten „benedixit“ sind gestrichen. Für die Wandlung selbst braucht sich der Priester auch nicht mehr über den Altar zu beugen. Er bleibt aufrecht stehen und hält die Hostie und nachher den Kelch frei und sichtbar in die Luft, wie wir es heute sattsam aus dem „NOM“ kennen.

Die Wandlungsworte sind im Meßbuch zwar noch durch Großbuchstaben hervorgehoben, allerdings ist bereits die Einleitung dazu ebenfalls in Großbuchstaben gedruckt: „ACCIPITE, ET MANDUCATE EX HOC OMNES“ bzw. „ACCIPITE, ET BIBITE EX EO OMNES“. Auch die Fortsetzung „HAEC QUOTIESCUMQUE FECERITIS, IN MEI MEMORIAM FACIETIS“ steht in Kapitallettern. Zwar wird dies von den eigentlichen Wandlungsworten dann durch den Rubrikentext noch einmal unterschieden, aber warum dann der Großdruck? Soll dies nicht bereits darauf hinweisen, daß wir es vor allem mit einer Mahl- und Gedächtnisfeier zu tun haben und nicht so sehr mit der real hier und jetzt sich vollziehenden Erneuerung des Kreuzesopfers Christi? Die Wandlungsworte werden laut gesprochen und je nachdem auch in Deutsch, wobei allerdings der Kelch noch nicht „für alle“ vergossen wurde, sondern noch brav „für viele“.

Außer der tiefen Verneigung des Priesters über den Altar bei der Wandlung entfällt auch jeweils seine Kniebeuge, mit welcher er unmittelbar nach der Konsekration die gewandelten Gestalten angebetet hatte, bevor er sie in der Elevation den Gläubigen zur Anbetung darbot, um danach erneut eine Kniebeuge zu machen. Nunmehr erfolgt sofort nach der Wandlung die Elevation und danach erst die Kniebeuge, wie es uns ebenfalls vom „NOM“ bekannt ist (sofern der Zelebrant überhaupt noch eine Kniebeuge macht und nicht das Beispiel Bergoglios befolgt und es den „Konzelebranten“ gleichtut, die keinerlei Kniebeugung zu machen brauchen). Auch ist es nicht mehr nötig, daß der Zelebrant nach der Wandlung der Hostie Daumen und Zeigefinger geschlossen hält, wie es bisher strenge Vorschrift war („Post consecrationem, celebranti licet pollices et indices non coniungere; si vero aliquod fragmentum hostiae digitis adhaeserit, digitos super patenam abstergat“).

Unnötig zu erwähnen, daß auch im weiteren Verlauf des Kanon die Kreuzzeichen über die Opfergaben wegbleiben, so die erneuten fünf Kreuzzeichen im Gebet „Unde et memores“ bei den Worten „hostiam puram, hostiam sanctam, hostiam immaculatam, Panem sanctum vitae aeternae, et Calicem salutis perpetuae“, sowie die drei Kreuzzeichen bei den Worten „sanctificas, vivificas, benedicis et praestas nobis“. Ebenso entfallen die fünf Kreuzzeichen, welche der Priester mit der Hostie über den Kelch bzw. den Altar vor der kleinen Elevation machte zu der Doxologie „Per ipsum, et cum ipso, et in ipso, est tibi, Deo Patri omnipotenti, in unitate Spiritus Sancti, omnis honor et gloria“. Die Doxologie selbst wird bekanntlich neuerdings feierlich gebetet oder gesungen und ist ebenfalls in Großbuchstaben gedruckt wie die Wandlungsworte.

Auch die Kniebeuge nach der Abdeckung des Kelchs vor der Doxologie unterbleibt. Einzig die Verneigung zum „Supplices te rogamus“ und die Kniebeuge nach der kleinen Elevation sind erhalten, dafür entfallen auch die beiden Kreuzzeichen im Gebet „Supplices“ über die Opfergaben bei „sacrosanctum Filii tui Corpus et Sanguinem sumpserimus“, und nur die Selbstbekreuzigung bei „omni benedictione caelesti et gratia repleamur“ bleibt. Die Kniebeugen sind im Kanon somit insgesamt von sechs auf drei reduziert, die tiefen Verneigungen von vier auf eine, am meisten hat es jedoch die Kreuzzeichen getroffen, die von insgesamt stolzen 26, davon 25 über die Opfergaben, auf armselige und beschämende zwei zusammengeschrumpft sind, davon nur noch eine einzige über die Opfergaben.

Hier wird so recht deutlich, was das „Heilige Konzil“ mit seinen zynischen und verlogenen Worten gemeint hat: „Die Riten mögen den Glanz edler Einfachheit an sich tragen und knapp, durchschaubar und frei von unnötigen Wiederholungen sein. Sie seien der Fassungskraft der Gläubigen angepaßt und sollen im allgemeinen nicht vieler Erklärungen bedürfen“ (SC 34) - „Deshalb sollen die Riten unter treulicher Wahrung ihrer Substanz einfacher werden. Was im Lauf der Zeit verdoppelt oder weniger glücklich eingefügt wurde, soll wegfallen. Einiges dagegen, was durch die Ungunst der Zeit verlorengegangen ist, soll, soweit es angebracht oder nötig erscheint, nach der altehrwürdigen Norm der Väter wiederhergestellt werden“ (SC 50). Zugleich offenbart sich in diesen „Vereinfachungen“ der eigentliche „Vater“ dieser „Reform“. Denn wer sonst scheut die Demutsgesten und vor allem das Kreuzzeichen so sehr, daß er sie am liebsten ganz verbannt sehen möchte?

Ende des Römischen Kanon

Hatte man auf diese Weise den römischen Kanon, das Herzstück der heiligen römischen Messe, bereits besudelt und entstellt, so ging es ihm nun restlos an den Kragen. Und wieder eilte es sehr, denn nun war das Ziel der alchemistischen Umwandlung in schon allzu greifbare Nähe gerückt. Darum ging im Jahr 1968 ein neuer Faszikel in Versand, auf dessen Beiblatt folgendes zu lesen stand: „Als am 6. Juni 1965 der erste Band [Band III] des Altarmeßbuches für den Druck freigegeben wurde, rechneten wir mit Ergänzungen und Nachträgen. Wir ließen darum die drei Bände des Buches so einrichten, daß die technischen Möglichkeiten zur Einfügung neuer Stücke und auch ein angemessener Raum dafür vorhanden waren.“ Das haben wir oben schon gesehen.

Doch nun heißt es weiter: „Aber wir konnten nicht damit rechnen, daß es der Ergänzungsfaszikel so viele und umfangreiche würden. Eher hätten wir erwartet, innerhalb dieser Jahre Ihnen ein neues Buch, nämlich das fertige neue römische Meßbuch, übergeben zu können. Diese Hoffnung hat uns getrogen.“ Die Ungeduld der Neuerer hätte den NOM also bereits vor 1968 erwartet.

„So stehen wir wiederum vor der Notwendigkeit, einen neuen Faszikel zum Einkleben in das Altarmeßbuch anbieten zu müssen, den Faszikel mit dem deutschen Text der neuen Hochgebete und Präfationen. Der Faszikel umfaßt 24 Seiten. Dazu wird noch eine Anzahl Seiten mit den Melodien nachgeliefert werden müssen, die nicht eher vorbereitet werden konnten, bevor nicht der deutsche Text in all seinen Teilen approbiert und konfirmiert war, was erst in diesen Tagen geschehen ist.“ Was hier also in aller Eile und noch provisorisch nachgeliefert wurde, waren „die neuen Hochgebete und Präfationen“. Was bedeutet das?

Wir haben schon gesehen, daß der römische Kanon wesentlich die römische Messe ist. „Kanon“ bedeutet „Maßstab, festgesetzte Ordnung“. Der Meßkanon heißt deswegen so, weil er eben ein für alle Mal die Ordnung der heiligen Messe festsetzt. Der römische Kanon ist uralt, geht in seinen Ursprüngen auf den heiligen Petrus zurück und wurde spätestens seit Gregor dem Großen (+ 604) nicht mehr verändert. Er war eben das Heiligtum der Heiligtümer, unantastbar, unveränderlich. Nun hat man nicht nur dramatisch in den römischen Kanon eingegriffen, nein, man macht ihn einfach zu einem „Hochgebet“, dem man weitere, selbstkonstruierte „eucharistische Hochgebete“ zur Seite stellt. So wird dieses Meisterwerk des Heiligen Geistes degradiert und auf eine Stufe mit billigem Menschenwerk gestellt, der Freimaurer Bugnini auf einer Ebene mit dem Heiligen Geist! So wurden die 1968 eingeführten neuen „Hochgebete“ zum Grab für den Meßkanon, zumal sie sich zum Teil durch besondere Kürze auszeichneten und daher viel bequemer waren.

Bis heute wird von Verteidigern des „Novus Ordo“ immer darauf hingewiesen, daß der römische Meßkanon ja als Alternative immer noch im Missale vorhanden ist. Doch erstens ist dieser Kanon bereits entstellt, wie wir gesehen haben (von den Übersetzungen ganz abgesehen), zweitens ist er kein Kanon mehr und seiner heiligen Alleinstellung entkleidet zum bloßen „Hochgebet“ neben anderen, freimaurerischen Gebilden erniedrigt worden, drittens wird er schon aus Gründen der Bequemlichkeit meist vermieden. Die neuen „Hochgebete“ waren der Todesstoß für das Herz der römischen Liturgie. Damit war der Weg endlich frei, und der „Novus Ordo“ so gut wie fertig. Ist es Zufall, daß dieses Jahr 1968 auch als Synonym für die gesellschaftliche Revolution der „68er“ in die Geschichte einging?

Das Hinweisblatt fährt fort: „Zu unserem großen Bedauern können wir Ihnen diesmal nicht, wie es die Ordnung vorsieht, zugleich auch den lateinischen Text mitliefern. Wir wissen es: manche werden den lateinischen Text in unserer Ausgabe vermissen, denn viele haben es gewürdigt, daß wir sowohl im Altarmeßbuch wie auch beim Römischen Kanon neben dem deutschen Text in derselben Typengröße und Ausstattung 'pari jure' auch den lateinischen Text abdruckten, so daß unser deutsches Altarmeßbuch auch für die Feier eines rein lateinischen Gottesdienstes wegen seiner praktischen Gestaltung sehr willkommen war und auch benutzt wurde. Doch: ultra posse nemo tenetur, es ist ein Ding der Unmöglichkeit, noch einmal ein Heft von rund 60 Seiten in ein Buch einzufügen, dessen Einband schon längst durch allzu viele Nachträge gesprengt ist. Wir bezeichnen darum diesen Faszikel, der den deutschen Text enthält, als eine Ausgabe 'ad interim', als einen Behelf für den Übergang, und bitten um Ihr Verständnis.“ Das war de facto das ganz „praktisch“ begründete Ende des Latein in der „römischen Messe“.

„Wir haben die zuversichtliche Hoffnung, in einer irgendwie absehbaren Zeit, sagen wir: übers Jahr, ein Altarbuch bereitstellen zu können, das außer einer allgemeinen Einführung in die Messe (Institutio generalis) den neuen Ordo Missae und mindestens alle Eucharistischen Hochgebet mit allen (rund 70) Präfationen, vielleicht aber auch noch mehr, lateinisch und deutsch enthalten wird und der 'Bibliothek auf dem Altar' möglichst ein Ende setzen soll. Inzwischen verweisen wir für den lateinischen Text der neuen Hochgebete auf die sehr schöne Ausgabe der Polyglotta Vaticana in Rom.“ So geschah es dann auch – fast. Denn das neue Meßbuch wurde nicht mehr lateinisch und deutsch, sondern nur noch deutsch, es sei denn, man griff auf die „sehr schöne Ausgabe der Polyglotta Vaticana in Rom“ zurück. Doch damit kommen wir bereits zum Endpunkt der Metamorphose, dem „Novus Ordo Missae“ Pauls VI.