Trauerflor im Tradiland

Streift man derzeit durchs Tradiland, so sieht man das ganze Land im Trauerflor, denn es ist ihr größter Gönner, der Retter ihrer alten Liturgie, das Maskottchen einer neuen Generation, es ist ihr „Papst“ verstorben. Wenn es auch schon längere Zeit absehbar war, so war es schließlich dennoch überraschend, das Ableben von Joseph Aloisius Ratzinger, dem Papst der Traditionalisten. Kein anderer konnte so deren Sympathie erobern wie der „Mozart der Theologie“, denn kein anderer war fähig, das konservative Klischee so gekonnt zu bedienen wie er. Wobei man ihm persönlich dabei keinerlei Verstellung unterstellen kann, denn Ratzinger war und blieb immer Ratzinger. Nur mußte man schon etwas aufmerksamer zuhören und genauer hinhören, um den deutschen Professor recht verstehen zu können, was dem modernen Menschen und auch den Traditionalisten bekanntermaßen sehr schwer fällt.

Im Tradiland ist es nach dem Ableben Ratzingers eine kleine Weile unheimlich still geworden, denn mit dem Tod des „emeritierten Papstes“ zerbrach für viele zumindest ein Teil ihrer Illusionen – lud doch die letzten Jahre die päpstliche Doppelspitze gerade dazu ein, die Illusionen zu nähren und die Gemüter, angesichts der Eskapaden Bergoglios, damit zu beschwichtigen. Bergoglio konnte letztlich machen, was er wollte – wir haben in der Hinterhand immerhin noch Ratzinger. Im Tradiland genügt bekanntlich eine Illusion, um wieder zufrieden und weiterhin unbeschwert glücklich sein zu können. Es wird sich nun die kommenden Monate zeigen, was ist, wenn die Tradis keinen Ratzinger als Ausrede oder Ersatzpapst mehr haben.

Schon gleich nach dem Tod des „papa emeriticus“ kochte die Gerüchteküche hoch, denn Bergoglio blieb nicht untätig…

Neue Gerüchte aus Rom

Erinnern wir uns jedoch vorweg ganz kurz an das Wunderland der Alice. Ganz zum Schluß unseres Aufsatzes „Gewissensentscheide im Tradiland (2/2)“ haben wir in ihrem Wunderland erlebt, wie sie die schwarze Königin zu einem Kätzchen kleingeschüttelt hat und wir fragten: „…ob es im Tradiland auch möglich wäre, daß die Tradis ihren Bergolgio so lange schütteln, bis er ein schwarzes Kätzchen wird? Das darf sicherlich mit guten Gründen bezweifelt werden – und zudem darf bezweifelt werden, daß er durch ein derartiges Schütteln ein schwarzes Kätzchen würde. Da käme sicherlich etwas ganz anderes zum Vorschein. Aber davon wollen die Tradis gar nie nichts wissen.“

Nein, Ratzinger ist zwar gestorben, aber Bergoglio ist dadurch kein schwarzes Kätzchen geworden. Darum ging unter den Traditionalisten sofort wieder die Furcht um, denn ein neues „motu aller proprios“ zur vorkonziliaren Liturgie soll schon in seiner Schreibtischschublade liegen und unterschriftsreif sein. Herr Begoglio möchte demnach die „Alte Messe“ noch mehr einschränken, als es bisher schon der Fall war – nachdem der große Beschützer der Traditionalisten ihnen nunmehr nicht mehr beistehen kann. Ja, mit dem Tod Ratzingers wird sogleich der Dammbruch befürchtet. „Nun können wir das Dokument endlich unterzeichnen!“, soll Kardinal Arthur Roche, der Präfekt des Liturgiedikasteriums, gesagt haben.

Eine neue „Apostolische Konstitution?

Zudem gibt es in Rom Gerüchte, daß Franziskus eine neue Apostolische Konstitution vorbereitet. Die Umsetzung von Traditionis Custodes komme ihm nämlich äußerst schleppend vor, worüber er höchst unzufrieden sei.

Mit der Wahl der Form einer Apostolischen Konstitution wolle sich Bergoglio ganz bewußt der Konstitution Missale Romanum (1969) von Montini anschließen, um so die Gleichrangigkeit der beiden Konstitutionen zu betonen und wohl auch zugleich die Stoßrichtung klar machen.

Auf Summorum-Pontificum.de (13. Januar) werden für die neue Konstitution vier Hauptverfügungen genannt:

  1. In keiner Kirche darf der Römische Ritus ausschließlich zelebriert werden.
  2. In keiner Kirche darf der Römische Ritus jeden Sonntag zelebriert werden.
  3. Die Verwendung des Römischen Ritus für die Sakramente und Sakramentalien ist verboten.
  4. Jeder Priester ist verpflichtet, dem gescheiterten Novus Ordo von Paul VI zu präsidieren.

Das mit dem „gescheiterten Novus Ordo von Paul VI.“ scheint eine typisch traditionalistische Wahrnehmungsstörung zu sein, denn die modernistische Welt“kirche“ ist doch immer noch recht groß und in dieser feiern nun einmal die allermeisten Priester „Liturgie“ in diesem gescheiterten Ritus – und wissen höchstwahrscheinlich bisher noch gar nicht, daß er gescheitert ist.

Eine harmonische Doppelspitze

Übrigens hat auch der „Papst“ der Traditionalisten, Joseph Ratzinger, die Liturgie bis zu seinem Tod in diesem gescheiterten Ritus und darüber hinaus noch „una cum Papa nostra Franzisco“ gefeiert – obwohl er sicherlich zurückgezogen mit vier Schwestern des Frauenzweiges der Gemeinschaft Comunione e Liberazione im Kloster Mater Ecclesiae auch anders gekonnt hätte – wie sein äußerst gesprächiger, um nicht zu sagen geschwätzig gewordener Sekretär, Georg Gänswein, berichtet: „Und dann feierte er immer die Heilige Messe, unter der Woche auf Italienisch und am Sonntag auf Latein, wobei er das Römische Messbuch von Paul VI. benutzte und natürlich das eucharistische Gebet mit dem ausdrücklichen Hinweis auf die Gemeinschaft mit dem amtierenden Papst Franziskus sprach, wie alle, die mit ihm konzelebriert haben, bezeugen können.“

Außerdem betont Georg Gänswein, daß insgesamt das Verhältnis von Ratzinger und Bergoglio gut gewesen sei. Während Bergoglio zu ihren gemeinsamen Treffen gewöhnlich einen guten Wein und ein Glas „Dulce de Leche“, eine „schmackhafte Milchcreme aus Argentinien“ mitgebracht habe, servierte Ratzinger „Limoncello, den die Memores aus Zitronen aus unserem Garten herstellten“, oder auch typisch bayerische Süßigkeiten, wie etwa zur Weihnachtszeit Lebkuchen.

Na also, da war die Welt doch in Ordnung in Rom, bei „Dulce de Leche“, „Limoncello“ und Lebkuchen aus Bayern. Die „päpstliche“ Doppelspitze funktionierte und harmonierte – zumindest dort, wo es notwendig war und trieb die Tradis erfolgreich in den Wahnsinn…

Erinnern wir uns an Alice in Wunderland:

In ein Wunderland entrückt,
Durch die Tage traumverzückt,
Durch die Sommer traumbeglückt;
Einfach treiben sie wie Schaum.
Lang am goldnen Ufersaum –
Leben ist doch nur ein Traum?

Nach solch schöner Romantik denkt womöglich doch noch mancher Tradi: Ach, wenn Bergoglio doch nur ein Traum wäre…

So haben wir am 13. Juni 2021 in „Gewissensentscheide im Tradiland (2/2)“ abschließend bemerkt. Aber nein, Bergoglio ist kein Traum und der Traum Ratzinger ist leider ausgeträumt…

Priesterbruderschaft St. Petrus

Mit großer Trauer hat die Priesterbruderschaft St. Petrus heute, am 31. Dezember 2022, vom Tod des emeritierten Papstes Benedikt XVI. erfahren. Der verstorbene Papst war für unsere Gemeinschaft mehrmals eine providentielle Stütze: Als Kardinalpräfekt der Glaubenskongregation spielte er eine entscheidende Rolle bei der Gründung der Priesterbruderschaft St. Petrus. Im Jahr 1990 besuchte er während der Karwoche unser Priesterseminar in Wigratzbad. Auch nach seiner Wahl auf den Stuhl Petri blieben die Kontakte bestehen: Am 6. Juli 2009 gewährte er den Gründern und dem damaligen Generaloberen der Petrusbruderschaft eine Privataudienz, die uns die Gelegenheit bot, ihm für das Motu Proprio Summorum Pontificum zu danken. Erst vor wenigen Monaten richtete Papst Benedikt XVI. einen privaten Brief an den Oberen der Priesterbruderschaft St. Petrus, in dem er ihm aufgrund des Motu Proprio Traditionis Custodes Mut zusprach.

Liturgie als Charisma?

Es ist wahr, die Petrusbruderschaft verdankt ihre Existenz im Grunde ganz und gar Joseph Ratzinger, der sich damals um diejenigen angenommen hat, die 1988 nicht mit Mgr. Marcel Lefebvre ins Schisma gehen wollten. Er hat ihnen die Türen aufgeschlossen und sogar aufgestoßen, die sonst sicherlich gut verschlossen geblieben wären, damit sie in Wigratzbad ihr Priesterseminar eröffnen konnten. Seitdem leben sie dort ihr besonderes „Charisma der außerordentlichen Form der Liturgie“, wie es einer ihrer Priester einmal genannt hat, was allein schon einem Wahnsinn gleichkommt. So etwas hat es jedenfalls in der „alten“ Kirche niemals gegeben, die Liturgie als Charisma!

Dennoch haben die Petrusbrüder Ratzinger für sein Motu aller Proprio überschwänglich gedankt und er hat ihnen angesichts des Gegen-Motu-aller-Proprios seine Nachfolgers Mut zugesprochen. Diesen Mut werden sie sicherlich die nächste Zeit brauchen können, die Petrusbrüder, wenn ihnen Bergoglio weiter zu Leibe rückt, wie zumindest schon gerüchteweise angedroht wurde, wie wir schon gehört haben.

Institut Christus König und Hohepriester

„Der Brief des Generalvikars“ des „Institut Christus König und Hohepriester“ vom Januar 2023 beinhaltet „Eine dankbare Würdigung“ – „Zum Tod Seiner Heiligkeit Benedikt XVI.“

Das „Institut Christus König und Hohepriester“ ist sozusagen der exklusivste Trachtenklub unter den Traditionalisten, seine Mitglieder lieben pompöse liturgische Auftritte und stellen die anderen Tradi-Bruderschaften dadurch regelrecht in den Schatten. Sie greifen dabei sogar auf die Bücher vor 1962 zurück, etwa wenn sie die Karwoche noch in der alten Form feiern.

Theologisch befinden sie sich dagegen im Niemandsland. Weder Fisch noch Fleisch, Hauptsache nirgends anecken. Das zeigt sich auch in der Würdigung Ratzingers durch Msgr. Prof. Dr. Dr. R. Michael Schmitz, Generalvikar im Institut Christus König. Dieser will bei seinen Gedanken dem geistlichen Testament folgen, das Joseph Ratzinger im August 2006 verfaßt hat. Nachdem Schmitz kurz auf die Eltern und Kindheit eingegangen ist, schreibt er allen Ernstes – man faßt es kaum: „Wir haben Benedikt XVI. als einen tiefgläubigen Menschen erlebt. Als Universitätsprofessor – und das ist nicht selbstverständlich – hat er sich den Glauben bewahrt, den ihm seine Eltern geschenkt haben. Er hat als Bischof oft über den Glauben und die Volksfrömmigkeit gepredigt und er hat als Papst ein Zeichen unerschütterlichen Glaubens gegeben, der bleibend in seiner Menschlichkeit eingewurzelt war.“

Herr Prof. Dr. Dr. R. Michael Schmitz scheint durch und durch ein Modernist zu sein, denn sonst könnte er so etwas nicht schreiben. Sind die Irrlehren Ratzingers nicht so offensichtlich und so zahlreich, daß sie gar nicht übersehen werden können? Hat Ratzinger nicht Jahrzehnte neben Wojtyla gewirkt und alle seine glaubenszerstörerischen Schriften, Veranstaltungen und Taten mitgetragen? Hat Joseph Ratzinger nicht genauso den Götzendienst geduldet wie Karol Wojtyla und Bergoglio? Hat er nicht zusammen mit Bergoglio als päpstliche Doppelspitze seinen Vorgänger „subito“ heiliggesprochen, womit alle wahren Heiligen lächerlich gemacht wurden?

Aber nein, für Michael Schmitz ist Ratzinger ein Mythos – und das klingt so:

In seinem Pontifikat hat er das der Welt vor allem durch zwei Themen gezeigt. Zunächst hat er uns gemeinsam als Leib der Kirche wieder neu auf unser Haupt, auf Jesus Christus, konzentriert. Seine Bücher über Jesus sind vielen ein Grund zur Umkehr und zur Bekehrung gewesen. Seine unermüdliche, tiefe Verkündigung des Glaubens hat vielen den Glauben an die Kirche neu erschlossen. Besonders aber, und dafür müssen wir als eine Gemeinschaft, die pflegt, was Benedikt XVI. die „außerordentliche Form des Römischen Ritus“ genannt hat, besonders dankbar sein, hat er gewusst und verstanden, dass der Glaube auf der feierlichen Liturgie der Kirche aufbaut. Er hat bezeugt, dass die Liturgie wirklich „Quelle und Höhepunkt des kirchlichen Lebens“ ist und dass ohne die Fülle der Liturgie der Glaube nicht gelebt werden kann. Das großartige Dokument Summorum Pontificum, das wir ihm verdanken, ist deswegen ein Grundstein seines Pontifikates, für den er in der Geschichte besonders erinnert werden wird.“ (Fettdruck im Original!)

Dazu fällt einem nur eines ein: Dagegen ist Alice im Wunderland wirklichste Wirklichkeit! So viel Wunschdenken in so wenig Zeilen ist kaum noch faß- und erklärbar. Das ist Tradiland pur. Man ist einfach sprachlos…

Institut St. Philipp Neri

Aber verlassen wir das Rheinland und den „Generalvikar“ Prof. Dr. Dr. R. Michael Schmitz und kommen wir nach Berlin zum „Institut St. Philipp Neri“ und zum „Propst“ Dr. Gerald Goesche. Dieser ist überzeugt: „Das Institut St. Philipp Neri ist eine sehr gute und sehr wichtige Einrichtung!“ – weil das „der emeritierte Papst Benedikt XVI. kürzlich in einer Privataudienz im Vatikan“ gesagt haben soll. Nachdem Goesche sein Institut kurz vorgestellt hat, lautet seine Schlußfolgerung: „Alles in allem ist das Institut St. Philipp Neri das typische Beispiel einer kleinen Zelle, von deren Wachsen und Gedeihen sich Papst Benedikt XVI. eine Erneuerung der Kirche verspricht.“ Ob das so stimmt, darf sicherlich zu Recht bezweifelt werden, denn so einfach tickte Ratzinger dann doch nicht, wie es der „Propst“ gerne hätte.

Das Institut St. Philipp Neri in Berlin trauert um Papst Benedikt XVI.
Noch in seiner Zeit als Kardinal hielt er seine schützende Hand über das werdende Institut und ebnete ihm in der Gründungszeit die Wege. In besonderer Weise setzte er sich auch dafür ein, daß die junge Gemeinschaft in der St.-Afra-Kirche ihre Heimat finden konnte.
Er wird uns so als ein Vater im Herrn in Erinnerung bleiben.
Möge der himmlische Vater ihn, den großen Versöhner und guten Hirten, in Seinen himmlischen Frieden aufnehmen, wo wir auf ein Wiedersehen hoffen.
Wir beten in diesen Tagen in St. Afra den Sterberosenkranz vor den hll. Messen für ihn. Am Eingang der Kirche liegt außerdem ein Kondolenzbuch für den Verstorbenen aus, in dem Sie gerne unterschreiben können.
Am Mittwoch, dem 4. Januar 2023, werden wir um 18 Uhr ein feierliches Requiem halten.

Für das Institut St. Philipp Neri
Dr. Gerald Goesche, Propst

St. Afra in Berlin ist so richtig eine Tradiland-Spielwiese, die Joseph Ratzinger ihre Existenz verdankt: Er wird uns so als ein Vater im Herrn in Erinnerung bleiben.

Institut du Bon Pasteur

Das Institut vom Guten Hirten ist sozusagen ein Piusableger. Unter Benedikt XVI. kehrte das Institut in die volle Einheit mit Rom zurück, wie man das nennt, und wurde als sogenannte Ecclesia-Dei-Gemeinschaft kirchenrechtlich anerkannt. Der „Generalobere“ Luis Gabriel Barrero Zabaleta macht es ebenfalls wie Dr. Gerald Goesche kurz und bündig:

Liebe Priester und Freunde des Instituts vom Guten Hirten!
Unser Institut schließt sich dem Schmerz und dem Gebet der Kirche über den Tod des emeritierten Papstes Benedikt XVI. an.
Wir möchten Gott für all das Gute danken, das er durch seinen Diener Benedikt für die Kirche getan hat, und insbesondere für die Gründung unseres Instituts, die unter seinem Pontifikat erfolgte.
Wir vereinen uns im Gebet mit dem lieben Gott, damit die Seele von Benedikt XVI. in Frieden ruhen möge.

Abbé Luis Gabriel Barrero Zabaleta
Generaloberer
Bogotà, 31. Dezember 2022

Es hat sich sprachlich so eingebürgert, weil es Ratzinger so wollte: … -des emeritierten Papstes Benedikt XVI.

Nun, es gibt zwar einen emeritierten Professor, aber keinen emeritierten Papst. Eigentlich müßte das ein so großer Theologe, wie es angeblich Joseph Ratzinger war, wissen. Der Professor bleibt auch nach seiner Emeritierung Professor, aber ein Professor ohne Professorenstelle. Ein zurückgetretener Papst hingegen ist kein Papst mehr, er ist einfach seiner Weihe nach ein Bischof wie jeder andere auch, jedoch ohne Jurisdiktion und ohne öffentliche Aufgabe in der Kirche. Sachlich genau muß es deswegen heißen: Unser Institut schließt sich dem Schmerz über den Tod Joseph Ratzingers an, der in der Menschenmachwerkskirche das Amt eines Scheinpapstes von 2005 bis 2013 innehatte und sich Benedikt XVI. nannte.

Wir wissen inzwischen ganz gut, im Tradiland geht es nicht so genau, da hat die Illusion Vorrang und ein weites Spielfeld – womit wir auch schon bei der Piusbruderschaft wären.

Priesterbruderschaft St. Pius X.

Das Mitleidsblatt – o, Verzeihung für den Versprecher, das Mitteilungsblatt – der Piusbrüder titelt: Aufruf zum Gebet für den verstorbenen emeritierten Pontifex.

Der Text der Piusbrüder ist länger als die zuletzt angeführten, er kommt etwa dem des Institut Christus König und Hohepriester gleich, der auf einer Predigt beruht.

Die Piusbrüder können jedenfalls nicht so unbeschwert sich bei dem „verstorbenen emeritierten Pontifex“ bedanken, wie die anderen traditionellen Gemeinschaften, denn sie sind immer noch mit dem kanonischen Mangel behaftet, auch wenn sie sich vor allem unter der Amtszeit Ratzingers alle nur erdenkliche Mühe gaben, diesen loszubekommen. Nach der Katastrophe infolge der Aufhebung der Exkommunikation ihrer Bischöfe und dem Weggang von Bischof Williamson blieb es bei bloßen Annäherungsversuchen.

Der Text beginnt fromm:

Benedikt XVI. ist von Gott in die Ewigkeit gerufen worden. Seine letzten uns bekannten Worte waren nach dem Zeugnis von Erzbischof Gänswein: „Signore ti amo! – Herr, ich liebe Dich!“

Letzte, vorletzte oder gar nicht gesprochene Worte?

Georg Gänswein ist sicherlich nicht ganz uninteressiert an einer Mythenbildung um seinen „Papst“, so daß man spontan vorsichtig wird. Waren das wirklich die letzten Worte des Verstorbenen?

Georg Gänswein berichtet, daß im Moment des Todes nur eine Krankenschwester bei ihm war, die kein Deutsch spricht. „Benedikt XVI. sagte mit geflüsterter Stimme, aber deutlich hörbar, auf Italienisch: ‚Herr, ich liebe dich!‘ Ich war in dem Moment nicht dabei, aber die Krankenschwester hat es mir kurz darauf erzählt. Das waren seine letzten verständlichen Worte, denn danach war er nicht mehr in der Lage, sich zu äußern.“

Der Vatikan-Korrespondent des America Magazine, Gerard O‘Connell berichtet etwas anders:

„‘Jesus, ich liebe dich!‘ (in Deutsch) Dies waren die letzten Worte, die der emeritierte Papst Benedikt XVI. vor seinem Tod aussprach; ein kraftvoller letzter Ausdruck der Liebe und des Glaubens. Die Nachricht wurde zuerst von Elisabetta Piqué (meiner Frau), der Rom-Korrespondentin, in der argentinischen Tageszeitung La Nación veröffentlicht, die sie heute Abend online stellte.“

Nach Gerard O‘Connell wurden die Worte also nicht in Italienisch, sondern in Deutsch gesprochen, was für die nur italienisch sprechende Krankenschwester wohl nicht so einfach zu verstehen gewesen wäre. Hat deshalb Gänswein etwas nachgebessert? Außerdem ist zu bedenken, daß diese Worte „mit geflüsterter Stimme, aber deutlich hörbar“ gesprochen wurden – und das von einem Mann, der im Sterben liegt. Wie deutlich sind geflüsterte Worte eines Sterbenden zu hören?

Übrigens hatte Gänswein ergänzt: „Das waren seine letzten verständlichen Worte, denn danach war er nicht mehr in der Lage sich zu äußern.“ Waren es also doch nicht die letzten Worte des Sterbenden, sondern nur die letzten, gerade noch so zu verstehenden – auf deutsch-italienisch gesprochen und von einer Krankenschwester bezeugt, die nur italienisch spricht?

Für den Mythos Ratzinger reicht es jedenfalls und auch für die Piusbrüder. Denn fromm war er ja, der Ratzinger. Davon sind jedenfalls nicht nur die Piusbrüder felsenfest überzeugt.

Ganz in diesem frommen Stil geht es dann auch gleicht weiter:

„Mit diesem Christusbekenntnis (vgl. Johannes 21) ist ein langes und bewegten Leben zu Ende gegangen, das fast ein Jahrhundert umspannte. Joseph Ratzinger wurde vom Herrn gerufen, seine Schafe zu weiden und die Schlüssel des Himmelreiches zu verwalten.“

Der Papst ohne Schlüssel

Das ist nun aber nicht ganz ehrlich, denn die Schlüssel des Himmelreiches haben die Piusbrüder ihrem Papst doch schon längst weggenommen, wie wir in unserem Beitrag „Alice im Tradiland“ gezeigt haben. Damals haben wir geschrieben:

Für einen Traditionalisten hat der weiße Mann in Rom nicht den Schlüssel für die Tür ins Tradiland. Der Schlüssel zur Türe liegt einfach herum, auf einem Glastisch im Gang, man muß ihn nur nehmen. Dabei hat jeder Tradi seinen eigenen Schlüssel zu seinem Tradiland, es gibt schließlich mehrere Tradigruppen mit ihrer je eigenen Tradition. Das haben die meisten Tradis bis heute noch nicht einmal gemerkt. Einem Katholiken müßte eigentlich auffallen, daß ein weißer Mann ohne Schlüssel sicherlich nicht der Papst der katholischen Kirche sein kann. Nicht so einem Tradi. Dieser führt zwar ständig das Wort im Munde: „Du bist Petrus und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen… Und dir werde ich die Schlüssel des Himmelreiches geben“, aber wenn man genau hinschaut, sieht man: Der „Papst“ der Tradis hat gar keine Schlüssel des Himmelreiches, diese haben sie ihm abgenommen, müssen sie doch ihre Tradition tapfer gegen seine bzw. ihn selber verteidigen. Ganz gnädig geben sie ihm die Schlüssel vielleicht alle 150 Jahre einmal zurück für eine feierliche Dogmatisierung, ansonsten sind sie felsenfest davon überzeugt, daß die Schlüssel bei ihnen viel besser aufgehoben sind als bei ihrem „Papst“, denn sie wissen nämlich im Gegensatz zu ihm vollkommen sicher, was die Tradition ist. Das ist zwar für einen Katholiken eine völlig absurde Vorstellung, nicht aber für einen Tradi.

Wir werden gleich noch sehen, daß sie eigentlich nur ein einziges Mal dem Ratzinger die Schlüssel wieder in die Hand gegeben haben, sonst hängen die Tradis ihrem „Papst“ ja eine Schultasche um, ist er doch nur der Schulbub ihrer Tradition, die sie eifrig und unnachgiebig gegen ihn verteidigen.

„Nie abgeschafft“? Seltsam, seltsam…

Hier also ihr Ratzinger mit Schlüssel:

Papst Benedikt XVI. hatte 2007 in seinem Motu proprio Summorum pontificum festgestellt, die Zelebration des hl. Opfers nach dem überlieferten Messbuch sei jedem Priester „erlaubt“ und erklärt, es sei nie „abgeschafft“ worden.

Das hat den Piusbrüdern so gefallen, daß sie es bis heute eifrig wiederholen: … die Zelebration des hl. Opfers nach dem überlieferten Messbuch [ratzingerianisch korrekt müßte es heißen: nach der außerordentlichen Form des römischen Ritus] sei jedem Priester „erlaubt“. Aber nicht nur dies, Ratzinger hat sogar erklärt, es sei nie „abgeschafft“ worden – mit „es“ ist das „Meßbuch“ gemeint. Seltsam, seltsam??? Warum hat man dann – und hat es nicht auch Joseph Ratzinger als „Erzbischof von München und Freising“ eifrig getan? – all diejenigen Priester bis aufs Blut verfolgt, die sich weigerten, anstatt der „Alten Messe“ die sog. Neue Messe anzunehmen und zu feiern? Niemals verboten?! Und hatte nicht Montini etwa die Kartäuser sogar gezwungen, die Neue Messe anzunehmen, weil sie ansonsten keine Novizen mehr aufnehmen dürften? … nie „abgeschafft“ worden? Seltsam, seltsam??? Das scheint doch zumindest ein zynischer Euphemismus, wenn nicht sogar eine bewußt forcierte Wahrnehmungsstörung zu sein.

Übrigens hat Georg Gänswein, den die Piusbrüder anfangs zitiert haben, auch gesagt, mit dem Motu proprio Summorum pontificum habe Ratzinger die Leute von Erzbischof Lefevre abziehen wollen. Nun, sein Sekretär wird wohl wissen, was Ratzinger eigentlich wollte.

Eine Grabbeigabe

Wie jeder wissen kann, leiden die Piusbrüder aufgrund ihres kanonischen Mangels an einer Rechtfertigungspsychose. Bei jeder möglichen oder auch unmöglichen Gelegenheit müssen sie zeigen, daß sie nicht schismatisch sind, sondern auch dazu gehören. Jeder Römling, der irgendetwas in diese Richtung verlauten läßt, wird sofort zitiert, auch wenn er das nur ganz privat und unter vorgehaltener Hand getan haben sollte. Im Nachruf auf ihrem „Papst“ heißt es:

Dem verstorbenen Benedikt XVI. ist bei der Sargschließung eine offizielle lateinische Pontifikats-Urkunde mit ins Grab gelegt worden. In diesem sogenannten „Rogitum“ ist seine Hinwendung zum Werk der Priesterbruderschaft St. Pius X. ausdrücklich erwähnt.

Spontan wird man neugierig, was denn nun genau in dem erwähnten „Rogitum“ steht, da die Piusbrüder es extra zur Selbstbeweihräucherung hervorheben. Die Verantwortlichen werden wohl keine allzu große Angst davor gehabt haben, ihre Anhänger könnten tatsächlich selber im besagten „Rogitum“ nachlesen, da man ihnen wieder und wieder und aufs Schärfste verboten hat und verbietet, im Internet nachzulesen. Da wir nicht unter dieses Verdikt fallen, haben wir nachgeschaut und recht gestaunt, denn da heißt es:

Er förderte erfolgreich den Dialog mit Anglikanern, Juden und Vertretern anderer Religionen und nahm auch die Kontakte zu den Priestern der „Gemeinschaft St. Pius X.“ wieder auf.

Da stehen sie also – wo sie auch hingehören, die Piusbrüder – in einer Reihe mit Anglikanern, Juden und Vertretern anderer Religionen. Wobei Kontakte zu den Priestern der „Gemeinschaft St. Pius X.“ sogar noch weniger ist als Dialog! Insofern werden die Piusbrüder den Anglikanern, Juden und Vertretern anderer Religionen sogar unter- bzw. nachgeordnet. Bei ihnen kam es bisher nicht einmal zu einem vernünftigen Dialog, sondern nur zu bloßen Kontakten. Und das finden sie extra erwähnenswert, die Piusbrüder! Da sieht man‘s: Rechtfertigungspsychose.

„Geistliches Testament“

Wie schon Michael Schmitz vom „Institut Christus König und Hohepriester“ greifen auch die Piusbrüder schließlich noch auf das „Geistliche Testament“ zurück, denn fromm ist immer gut, d.h. kommt immer gut an. Und das wollen sie ja um jeden Preis, die gebrandeten Piusbrüder, gut ankommen. Wobei sie aber Schmitz bei weitem an salbungsvollen Worten zu übertreffen weiß, weshalb auch abschließend er nochmals zu Wort kommen soll:

Papst Benedikt war Mensch, Theologe und Papst. Ein Mensch, der viel gelitten hat, ein Mensch, der nicht immer alles richtig gemacht hat, ein Mensch, der auch furchtsam war und uns deswegen zu Anfang seines Pontifikates gebeten hat, für ihn zu beten, wenn die Wölfe kommen. Er war ein tief gebildeter Theologe: Die katholische Lehre war ihm ein großes Herzensanliegen und er hat sie auch als Papst mutig vertreten. Er war aber vor allem für viele Jahre Stellvertreter Jesu Christi, der Vikar des Herrn auf Erden: Was er als solcher getan hat, um den Glauben und die Liturgie zu bewahren, wird für immer bleiben!

Benedikt XVI. hat sein geistliches Testament mit den Worten geendet: „Endlich bitte ich demütig: Betet für mich, damit der Herr mich trotz all meiner Sünden und Unzulänglichkeiten in die ewigen Wohnungen einlässt. Allen, die mir anvertraut sind, gilt Tag um Tag von Herzen mein Gebet.“ Wir beten weiter dankbar und treu für Benedikt XVI. und dürfen hoffen, dass sein Gebet aus der Ewigkeit nicht nur uns im Glauben stärkt, sondern die ganze Kirche, so wie er es auf Erden immer gewollt hat.

Fromm hat er es formuliert, der Generalvikar vom „Institut Christus König und Hohepriester“, noch frömmer als die Piusbrüder. Eines aber ist uns nicht aufgefallen: Die katholische Lehre war ihm ein großes Herzensanliegen und er hat sie auch als Papst mutig vertreten.

Erinnert sei hierzu nur ganz kurz an einen Text Joseph Ratzingers, den wir schon in unserem Beitrag vom 12. Sept. 2021 „Der getunte Ratzinger II“ zitiert haben und eine Interpretation des Wahnsinns Teilhard de Chardins sein soll:

Die kosmische Drift bewegt sich ‚in Richtung auf einen unglaublichen, quasi monomolekularen Zustand …, wo jedes Ego … dazu bestimmt ist, seinen Höhepunkt in irgendeinem geheimnisvollen Super-Ego zu erreichen‘. Der Mensch ist als ein Ich zwar am Ende, aber die Richtung der Seinsbewegung und seiner eigenen Existenz erweist ihn zugleich als ein Gebilde, das in ein Über-Ich hineingehört, welches ihn nicht auslöscht, aber umgreift-, erst in solcher Vereinigung kann die Form des zukünftigen Menschen erscheinen, in der das Menschsein ganz am Ziel seiner selbst sein wird« [nämlich vollkommene Humanisierung, ganz unangemessen »Vergöttlichung« oder »Übernatürliches« genannt].

Unsere Bemerkung zu diesem Text in dem Beitrag lautete: „Ein Kommentar dieser Worte ist wohl kaum mehr möglich, ohne in eine Satire abzugleiten. Dagegen ist jedes Science-Fiction-Buch eine Realitätsbombe!“ Jedenfalls spürt man in diesen Worten überhaupt nichts davon: Die katholische Lehre war ihm ein großes Herzensanliegen. Nein, das Herzensanliegen Ratzingers war wohl viel eher sein Starsein, das Obenaufschwimmen wollen, denn sonst könnte man so etwas unmöglich schreiben. Nun: Teilhard de Chardins war schon vor Ratzinger ein Star, darum mußte er ihm seine Huldigung darbringen – in irgendeinem geheimnisvollen Super-Ego … das in ein Über-Ich hineingehört.

Aus der Traum

So ist also ganz Tradiland in Trauer um seinen „Papst“ vereint. Viele traditionalistischen Vereinigungen verdanken ihm ihre Existenz, vielen hat er ermöglicht, ohne kanonischen Mangel die außerordentliche Form der römischen Liturgie zu feiern, womit er den rechten Rand weitgehend abgesichert hat, denn die Revolution des sog. 2. Vatikanums hat Ratzinger niemals in Frage gestellt. Ganz im Gegenteil, er hat sie nach dem Ableben von Karol Wojtyla ganz folgerichtig weitergeführt und weitergedacht und schließlich den Händen Bergoglios übergeben.

Wenn den Tradis durch Bergoglio ihre Freude auch noch so vergällt wird, werden sie dennoch unbeirrt weitermachen, ihre Tradition tapfer wie Don Quichotte gegen ihren „Papst“ zu verteidigen. Dabei wird sicherlich ihre Trauer um Ratzinger immer wieder aufleben. Denn wie schön war es, sich einbilden zu können: Der Heilige Vater steht hinter uns! Bergoglio aber steht nicht hinter, sondern vor den Traditionalisten, was ihnen erhebliche Angst bereitet. Gerade erst kürzlich hat Pro Missa Tridentina einen Gebetsaufruf veröffentlicht, in dem es heißt:

Una Voce International, Pro Missa Tridentina und andere Organisationen, Gruppen und Einzelpersonen, denen der traditionelle lateinische Ritus wichtig ist, rufen alle Katholiken guten Willens dazu auf, während der Fastenzeit Gebete und Bußübungen zu verrichten, mit dem besonderen Anliegen: für die Freiheit des traditionellen lateinischen Ritus.

Wir wissen nicht, wie zutreffend die Gerüchte bezüglich weiterer Dokumente des Heiligen Stuhls zu diesem Thema sind, aber die Gerüchte selbst deuten auf eine Situation des Zweifels, des Konflikts und der Besorgnis hin, die für die Sendung der Kirche sehr schädlich ist.

Wir bitten den dreifaltigen Gott durch die Gottesmutter Maria und alle Heiligen, allen Katholiken das Recht und die Möglichkeit wiederzugeben, Gott nach den überlieferten ehrwürdigen liturgischen Traditionen der Kirche in vollkommener Einheit mit dem Heiligen Vater und den Bischöfen der ganzen Kirche zu verehren und auch alle Sakramente in dieser Form zu empfangen.

Während Bergoglio immer mehr zum Alptraum der Tradis wird, aus dem diese jedoch mit Gewalt nicht aufwachen wollen, war es bei Alice im Wunderland ganz anders. Weil es gar so schön ist, sei es hier nochmals angeführt:

„Wach auf, liebe Alice!“ sagte ihre Schwester; „du hast mal lange geschlafen!“

„O, und ich habe einen so merkwürdigen Traum gehabt!“ sagte Alice, und sie erzählte ihrer Schwester, so gut sie sich erinnern konnte, alle die seltsamen Abenteuer, welche ihr eben gelesen habt. Als sie fertig war, gab ihre Schwester ihr einen Kuß und sagte: „Es war ein sonderbarer Traum, das ist gewiß; aber nun lauf hinein zum Tee, es wird spät.“ Da stand Alice auf und rannte fort, und dachte dabei, und zwar mit Recht, daß es doch ein wunderschöner Traum gewesen sei.

So ward vom schönen Wunderland
Das Märchen ausgedacht,
So langsam Stück für Stück erzählt,
Beplaudert und belacht,
Und froh, als es zu Ende war,
Der Weg nach Haus gemacht.